Volkers Nachtgesang

[78] Die lichten Sterne funkeln

Hernieder kalt und stumm;

Von Waffen klirrt's im Dunkeln,

Der Tod schleicht draußen um.

Schweb' hoch hinauf, mein Geigenklang!

Durchbrich die Nacht mit klarem Sang!

Du weißt den Spuk von dannen

Zu bannen.


Wohl finster ist die Stunde,

Doch hell sind Mut und Schwert;

In meines Herzens Grunde

Steht aller Freuden Herd.

O Lebenslust, wie reich du blühst!

O Heldenblut, wie kühn du glühst!

Wie gleicht der Sonn' im Scheiden

Ihr beiden.[78]


Ich denke hoher Ehren,

Sturmlust'ger Jugendzeit,

Da wir mit scharfen Speeren

Hinjauchzten in den Streit.

Hei Schildgekrach im Sachsenkrieg!

Auf unsern Bannern saß der Sieg,

Als wir die ersten Narben

Erwarben.


Mein grünes Heimatleben,

Wie tauchst du mir empor!

Des Schwarzwalds Wipfel weben

Herüber an mein Ohr;

So säuselt's in der Rebenflur,

So braust der Rhein, darauf ich fuhr

Mit meinem Lieb zu zweien

Im Maien.


O Minne! wundersüße,

Du Rosenhag in Blust,

Ich grüße dich, ich grüße

Dich heut aus tiefster Brust!

Du roter Mund, gedenk' ich dein,

Es macht mich stark wie firner Wein,

Das sollen Heunenwunden

Bekunden.


Ihr Kön'ge, sonder Zagen

Schlaft sanft, ich halte Wacht;

Ein Glanz aus alten Tagen

Erleuchtet mir die Nacht.

Und kommt die Früh' im blut'gen Kleid:

Gott grüß' dich, grimmer Schwerterstreit!

Dann magst du, Tod, zum Reigen

Uns geigen!

Quelle:
Emanuel Geibel: Werke, Band 2, Leipzig und Wien 1918, S. 78-79.
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