König Artus' Tod

[354] Durch Wolken schien der Mond aufs Meer

Und auf den weißen Strand am Sund;

Erschlagen lagen ringsumher

Die Ritter von der Tafelrund'.


Am Dünenhange, wund zum Tod,

Lag König Artus, ihre Zier,

Und bei ihm kniet in seiner Not

Der tapfre Schenk, Herr Bedivere.


Er sprach: »O Herr, wie seht Ihr blaß!

Gewiß, die Wunde schmerzt Euch sehr.«

Der König sprach: »Es ist nicht das,

Die Wunde brennt, doch andres mehr.


Wie fragt' ich viel um meinen Leib,

Wenn keinen Fleck mein Schild gewann!

Doch mich betrog das schönste Weib,

Doch mich verriet der beste Mann.


O Ginover, o Lanzelot,

Ich hegt' euch, wie die Brut der Schwan,

An meiner Brust. Verzeih' euch Gott,

Was ihr an eurem Herrn getan!


Weh, da ihr bracht die Treu' an mir,

Erlosch das Sternbild unsres Ruhms,

Die Ehr' ist tot, und über ihr

Stürzt ein die Welt des Rittertums.


Wildwuchernd um den Trümmergraus

Schießt auf Gewalttat, Lug und List;

Ich fühl' es, meine Zeit ist aus,

Und bettle nicht um Lebenfrist.[354]


So fahr denn wohl, du treuer Mann!

Ha! Siehst du dort das Schiff der Fei?

Bekränzt mit Lilien schwebt's heran,

Und Rosen glühn, als wär' es Mai.


Im Winde klingt ein süßes Wort

Und lullt mich ein wie Harfenton;

An Bord! An Bord! Nun geht es fort

Ins stille Land, nach Avalon!«

Quelle:
Emanuel Geibel: Werke, Band 2, Leipzig und Wien 1918, S. 354-355.
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