Zehnter Auftritt

[493] Die Vorigen. Lorchen. Christianchen.


LORCHEN. Hat mich Christianchen bei Ihnen verklagt, Herr Simon?

SIMON. Jawohl, meine liebe Braut; und ich wollte bitten, daß Sie sich selber eine Strafe auferlegten, damit ich es nicht in Christianchens Namen tun müßte.

LORCHEN. Das ist doch ganz artig. Sie trauen der losen Christiane und verdammen mich, ohne mich gehört zu haben. Bei wem soll ich mich denn über Sie selbst beklagen? Bei der kleinen Christiane? Ja, ja, da würden Sie mit einer sehr leichten Strafe davon kommen.

CHRISTIANCHEN. Mein liebes Lorchen, ich habe nichts mehr gesagt, als was wahr ist. Ich hätte gern noch etwas dazugesetzt; aber ich konnte es nicht über das Herz bringen. Ich habe Sie gar zu lieb. Ich will es Ihnen auch gestehen, daß mir Herr Simon ... doch er mag es Ihnen selber sagen.

LORCHEN. Ich höre es schon, mein Herr Bräutigam wird Ihren kleinen Mutwillen mit etlichen Mäulchen bestraft haben, und Sie werden sich diese harte Bestrafung haben gefallen lassen. Sie sagen nichts, Herr Simon? Soll ich etwan auch stille schweigen und Ihre erste Untreue gleich mit Gelassenheit ansehen?

CHRISTIANCHEN. O reden Sie doch nicht von der Untreue! Sie haben[493] mir es ja selbst befohlen. Herr Simon liebt Sie von Herzen, und wir haben von nichts als von Ihnen gesprochen. Er hat Ihnen die größten Lobsprüche beigelegt, und ich auch. Wenn ich von Ihnen rede, so werde ich recht beredt.

SIMON. So, meine liebe Christiane! Immer verteidigen Sie mich bei meiner Braut. Sie sehn wohl, daß sie eifersüchtig auf Sie ist. Aber, liebste Eleonore, wir wollen die wenigen Augenblicke noch zu einigen Beratschlagungen wegen unserer morgenden Abreise anwenden. Weiß es denn die Frau Richardin, daß Sie meine Braut sind? Wird sie auch ihre Christiane mit Herrn Ferdinanden reisen lassen?

CHRISTIANCHEN. Wie? Herr Simon! Ich soll nicht mit Lorchen reisen, und nur mit Herr Ferdinanden? Ist dieses Ihr Versprechen? Das hätte ich Ihnen nicht zugetraut.

SIMON. Nein, mein liebes Kind, Sie reisen mit uns, und was Sie in Berlin verlangen, das soll zu Ihren Diensten stehen.

FERDINAND. Sie sollen meine Tochter sein, und ich will Ihnen mehr halten, als ich verspreche. Ich mache mir eine Ehre daraus, ein Frauenzimmer in meinem Hause zu haben, das so angenehm und sittsam ist, als Sie sind. Sie wissen es nicht, wie liebenswürdig Sie Ihre Unschuld macht; und desto mehr verdienen Sie, hochgeschätzt zu werden. Jungfer Lorchen und meine Frau sollen alles zu Ihrem Umgange und zu Ihrem Vergnügen beitragen.

LORCHEN. Ich will nichts weiter sagen, meine liebe Christiane. Genug, Sie sollen bald sehen, daß mir Ihre Zufriedenheit so lieb, wo nicht gar noch lieber, als die meinige ist.

CHRISTIANCHEN. So wollen wir immer gehen, die Mama wird ganz gewiß schon mit dem Essen auf uns warten. Herr Simon und Herr Ferdinand, ich verlasse mich auf Ihren Fürspruch. Nehmen Sie es nur nicht übel, wenn die Mama wieder verdrießlich werden sollte. Sie meint es nicht so böse.

SIMON zu Lorchen. Also kommen Sie, meine liebe Braut! Wir wollen sehen, wie wir mit der Frau Richardin auseinanderkommen. Ich habe noch für ein größer Präsent gesorgt, sie wird sich schon befriedigen lassen.

LORCHEN. Meine liebe Christiane, gehen Sie immer voran! Wir wollen gleich nachkommen. Tun Sie nur indessen gegen die Mama, als ob Herr Simon noch Ihr Bräutigam wäre. Wir wollen es nach dem schon machen. Sie geht ab.


Quelle:
Christian Fürchtegott Gellert: Werke, Band 1, Frankfurt a.M. 1979, S. 493-494.
Lizenz:
Kategorien: