Dritter Auftritt

[380] Lottchen. Siegmund.


SIEGMUND. Wird es Sie bald reuen, meine Geliebte, daß ich so viel zu meinem Vorteile gehört habe?

LOTTCHEN. Sagen Sie mir erst, ob Sie so viel zu hören gewünscht haben.

SIEGMUND. Gewünscht habe ich's tausendmal; allein, verdiene ich so viele Zärtlichkeit?

LOTTCHEN. Wenn mein Herz den Ausspruch tun darf: so verdienen Sie ihrer weit mehr.

SIEGMUND. Nein, ich verdiene ihr Herz noch nicht; allein ich will mich zeitlebens bemühen, Sie zu überführen, daß Sie es keinem Unwürdigen geschenkt haben. Wie edel gesinnt ist Ihre Seele! Ich verlor als Ihr Liebhaber mein ganzes Vermögen, und mein Unglück hat mir nicht den geringsten Teil von Ihrer Liebe entzogen. Sie haben Ihre Gewogenheit gegen mich vermehrt und mir durch sie den Verlust meines Glückes erträglich gemacht. Diese standhafte Zärtlichkeit ist ein Ruhm für Sie, den nur ein[380] erhabenes Herz zu schätzen weiß. Und ich würde des Hasses der ganzen Welt wert sein, wenn ich jemals aufhören könnte, Sie zu lieben.

LOTTCHEN. Ich habe einen Fehler begangen, daß ich Sie so viel zu meinem Ruhme habe sagen lassen. Aber Ihr Beifall ist mir gar zu kostbar, als daß ihn meine Eigenliebe nicht mit Vergnügen anhören sollte. Sie können es seit zwei Jahren schon wissen, ob ich ein redliches Herz habe. Welche Zufriedenheit ist es für mich, daß ich ohne den geringsten Vorwurf in alle die vergnügten Tage und Stunden zurücksehen kann, die ich mit Ihnen, mit der Liebe und der Tugend zugebracht habe!

SIEGMUND. Also sind Sie vollkommen mit mir zufrieden, meine Schöne? O warum kann ich Sie nicht glücklich machen! Welche Wollust müßte es sein, ein Herz, wie das Ihrige ist, zu belohnen, da mir die bloße Vorstellung davon schon so viel Vergnügen gibt! Ach, liebstes Kind, Julchen wird glücklicher, weit glücklicher als Sie, und ...

LOTTCHEN. Sie beleidigen mich, wenn Sie mehr reden. Und Sie beleidigen mich auch schon, wenn Sie es denken. Julchen ist nicht glücklicher, als ich bin. Sie habe ihrem künftigen Bräutigam noch so viel zu danken: so bin ich Ihnen doch ebensoviel schuldig. Durch Ihren Umgang, durch Ihr Beispiel bin ich zärtlich, ruhig und mit der ganzen Welt zufrieden worden. Ist dieses kein Glück: so muß gar keins in der Welt sein. Aber mein liebster Freund, wir wollen heute zu Julchens Glücke etwas beitragen. Sie liebt den Herrn Damis und weiß es nicht, daß sie ihn liebt. Ihr ganzes Bezeigen versichert mich, daß der prächtige Gedanke, den sie von der Freiheit mit sich herumträgt, nichts als eine Frucht der Liebe sei. Sie liebt; aber die verdrüßliche Gestalt, die sie sich vielleicht von der Ehe gemacht hat, umnebelt ihre Liebe. Wir wollen diesen kleinen Nebel vertreiben.

SIEGMUND. Und wie? mein liebes Kind. Ich gehorche Ihnen ohne Ausnahme. Herr Damis verdient Julchen, und sie wird eine recht liebenswürdige Frau werden.

LOTTCHEN. Hören Sie nur. Doch hier kömmt Herr Damis.


Quelle:
Christian Fürchtegott Gellert: Werke, Band 1, Frankfurt a.M. 1979, S. 380-381.
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