Fünfter Auftritt

[383] Die Vorigen. Julchen.


JULCHEN. Da sind sie ja alle beisammen. Der Papa wollte gern wissen, wo Sie wären, und ich kann ihm nunmehro die Antwort sagen.


Sie will wieder gehn.


LOTTCHEN. Mein liebes Julchen, warum gehst du so geschwind? Weißt du eine bessere Gesellschaft als die unsrige?

JULCHEN. Ach nein, meine Schwester. Aber wo ihr und Herr Siegmund seid, da wird gewiß von der Liebe gesprochen. Und ich finde heute keinen Beruf, einer solchen Versammlung beizuwohnen.

LOTTCHEN. Warum rechnest du denn nur mich und Herr Siegmunden zu den Verliebten? Was hat dir denn Herr Damis getan, daß du ihm diese Ehre nicht auch erweisest?

JULCHEN. Herr Damis ist so gütig gewesen und hat mir versprochen, lange nicht wieder von der Liebe zu reden. Und er ist viel zu billig, als daß er mir sein Wort nicht halten sollte.

DAMIS. Ich habe es Ihnen versprochen, meine liebe Mamsell, und ich verspreche es Ihnen vor dieser Gesellschaft zum andern Male. Erlauben Sie mir, daß ich meine Zärtlichkeit in Hochachtung verwandeln darf. Die Liebe können Sie mir mit Recht verbieten; aber die Hochachtung kömmt nicht auf meinen Willen, sondern auf Ihre Verdienste an. Scheun Sie sich nicht mehr vor mir. Ich bin gar nicht mehr Ihr Liebhaber. Aber darf ich denn auch nicht Ihr guter Freund sein?

JULCHEN. Von Herzen gern. Dieses ist eben mein Wunsch, viele Freunde und keinen Liebhaber zu haben; mich an einem vertrauten Umgange zu vergnügen, aber mich nicht durch die Vertraulichkeit zu binden und zu fesseln. Wenn Sie mir nichts mehr von der Liebe sagen wollen: so will ich ganze Tage mit Ihnen umgehen.

LOTTCHEN. Kommen Sie, Herr Siegmund. Bei diesen frostigen Leuten sind wir nichts nütze. Ob wir ihr kaltsinniges Gespräch von der Freundschaft hören oder nicht. Wir wollen zu dem Papa gehen.


Quelle:
Christian Fürchtegott Gellert: Werke, Band 1, Frankfurt a.M. 1979, S. 383.
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