Monime

[86] Durch schöner Glieder Reiz, durch Schönheit des Verstands

Erwarb Monime sich den Beifall Griechenlands;

So manches Buhlers Herz besiegten ihre Blicke,

Mit Wollust sah er sie, beschämt wich er zurücke.

Denn war Monime schön: so war ihr Herz zugleich

An Unschuld, wie ihr Blick an Geist und Feuer, reich.

Die Tugend, die dem Wunsch erhitzter Buhler wehrte,

Trieb selbst den Buhler an, daß er sie mehr verehrte.

Arm war sie von Geburt und zart von Leidenschaft,

Mit Schmeichlern stets umringt; und blieb doch tugendhaft?

Doch bringt Geschenke her! Der Diamanten Flehen,

Des Golds Beredsamkeit wird sie nicht widerstehen.


Ein Prinz aus Pontus ist's, der große Mithridat,

Der mit entbrannter Brust sich zu Monimen naht;[86]

Ein König seufzt und fleht. Zu schmeichelnde Gedanken!

Wird nicht bei diesem Glück Monimens Tugend wanken?


»Prinz«, fing sie herzhaft an, »du scheinst durch mich gerührt

Und rühmst den kleinen Reiz, der meine Bildung ziert;

Ich danke der Natur für diesen Schmuck der Jugend,

Die Schönheit gab sie mir; und ich gab mir die Tugend;

Nicht jene macht mich stolz, nein! diese macht mich kühn;

Sei tausendmal ein Prinz: umsonst ist dein Bemühn!

Ich mehre nie die Zahl erkaufter Buhlerinnen,

Nur als Gemahl wirst du Monimens Herz gewinnen.«


So unbeweglich blieb ihr tugendhafter Sinn.

Der Prinz, des Prinzen Flehn, der prächtigste Gewinn,

Des Hofes Kunst und List, nichts konnte sie bezwingen;

Der Prinz muß für ihr Herz ihr selbst die Krone bringen.


O welch ein seltnes Glück! von niederm Blut entstehn

Und aus dem Staube sich bis zu dem Thron erhöhn!

Wie lange, großes Glück! wirst du ihr Herz vergnügen?

Wie lange?

Mithridat hofft Rom noch zu besiegen;

Verläßt Monimens Arm, um in den Krieg zu ziehn.

Doch der, der siegen will, fängt an, besiegt zu fliehn;

Rom setzt ihm siegreich nach, sein Land wird eingenommen.

Doch soll das stolze Rom Monimen nicht bekommen;

Eh' dies der Prinz erlaubt, befiehlt er ihren Tod.

Ein Sklav' eröffnet ihr, was Mithridat gebot.


»So«, ruft sie, »raubt mir auch die Hoheit noch das Leben!

Die für entrissne Ruh' mir einen Thron gegeben,

Auf dem ich ungeliebt durch Reue mich gequält,

Daß ich den Niedrigsten mir nicht zum Mann erwählt!«

Sie reißt den Hauptschmuck ab, um stolz sich umzubringen,

Und eilt, ihr Diadem sich um den Hals zu schlingen:

Allein das schwache Band erfüllt ihr Wünschen nicht,

Es reißt und weigert sich der so betrübten Pflicht.

»O«, ruft sie, »Schmuck! den ich zu meiner Pein getragen,

Sogar den schlimmsten Dienst willst du mir noch versagen?«[87]

Sie wirft ihn vor sich hin, tritt voller Wut darauf

Und giebt durch einen Dolch alsbald ihr Leben auf.

Quelle:
Christian Fürchtegott Gellert: Werke, Band 1, Frankfurt a.M. 1979, S. 86-88.
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