FARINATA UND CAVALCANTE

[35] ›O Tusker der du durch die stadt der flammen

Lebendig gehst und also sprichst mit ehre

Bleib eine weile hier mit mir zusammen ·


Da ich aus deiner sprache mich belehre

Du seist aus jenem edlen heimatlande

Dem ich gemacht vielleicht zu viel beschwere.‹


Plötzlich entschallte dieser laut dem rande

Einer der archen.. dies liess bang mich gehen

Etwas zurück zu meines führers stande.


Der sagte mir: Kehr um! was ist geschehen?

Sieh · Farinata steigt aus seinem schachte ..

Vom gürtel aufwärts wirst du ganz ihn sehen ..


Indem ich ihn mit festem blick betrachte

Hob er sich mit der brust und dem gesichte

So als ob er die hölle tief verachte.[35]


Die hände kühn und fertig zum verrichte

Drängten mich zu ihm durch der särge runde

Als sagten sie: Dein wort sei von gewichte!


Und als ich stand an seines sarges grunde

Da wandt er sich zu mir mit lässiger schaue

Fast unwirsch: Gib von deinen ahnherrn kunde!


Als willig zu gehorchen aufs genaue

Ich ohne hehle alles ihm beschrieben ·

Da zog er in die höhe seine braue


Und sagte: Grimmig feind sind sie geblieben

Für mich für meinen stamm und meine leute ·

Drum hab ich zweimal sie hinausgetrieben.


Wiewol verjagte · sprach ich · und zerstreute

Kam jedmal neu die macht in ihre hände

Indes die euren gleiche kunst nicht freute ...


Da hob sich über ungedeckte rände

Ein schatten neben aufwärts bis zum kinne ·

Es war als ob er auf den knieen stände ·[36]


Sah um mich her als hätte er im sinne

Noch einen zu erspähn der mich begleite ·

Dann aber ward er seinen irrtum inne


Und sagte weinend: Wenn des geistes weite

Dich durch dies dunkele gefängnis sandte:

Wo ist mein sohn? warum nicht dir zur seite?


Und ich: Nicht eigne kraft wars die mich wandte.

Er der dort wartet hat mich mitgenommen

Den wol dein Guido vormals nicht erkannte. –


Zu fragen wie er hiess war ohne frommen

Nach seinem wort und bei der art der qualen ·

Drum gab ich ihm die antwort so vollkommen.


Da sprang er plötzlich auf und rief: ›Vormalen‹

Hast du gesagt? So lebt er nicht mehr droben?

So trifft sein blick nicht mehr die süssen strahlen?


Und als ich eine weile aufgeschoben

Die antwort ihm zu geben und ers merkte

Sank er zurück und kam nicht mehr nach oben.


Hölle · X. Gesang · 22–72.[37]

Quelle:
George, Stefan: Dante. Die göttliche Komödie. Gesamt-Ausgabe der Werke, Band 10/11, Berlin 1932, S. 35-38.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Dante. Die göttliche Komödie
Sämtliche Werke in 18 Bänden. Bd. 10/11: Dante - Die göttliche Komödie. Übertragungen

Buchempfehlung

Schnitzler, Arthur

Therese. Chronik eines Frauenlebens

Therese. Chronik eines Frauenlebens

Therese gibt sich nach dem frühen Verfall ihrer Familie beliebigen Liebschaften hin, bekommt ungewollt einen Sohn, den sie in Pflege gibt. Als der später als junger Mann Geld von ihr fordert, kommt es zur Trgödie in diesem Beziehungsroman aus der versunkenen Welt des Fin de siècle.

226 Seiten, 8.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Sturm und Drang. Sechs Erzählungen

Geschichten aus dem Sturm und Drang. Sechs Erzählungen

Zwischen 1765 und 1785 geht ein Ruck durch die deutsche Literatur. Sehr junge Autoren lehnen sich auf gegen den belehrenden Charakter der - die damalige Geisteskultur beherrschenden - Aufklärung. Mit Fantasie und Gemütskraft stürmen und drängen sie gegen die Moralvorstellungen des Feudalsystems, setzen Gefühl vor Verstand und fordern die Selbstständigkeit des Originalgenies. Michael Holzinger hat sechs eindrucksvolle Erzählungen von wütenden, jungen Männern des 18. Jahrhunderts ausgewählt.

468 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon