I

[50] Kam mir erinnerung jener frühlingsstrassen

Lichtfülle in erwartung deines blickes

Und jener abende voll purpurdunkel

Wo hohes leben festlich uns umschlungen

Bis es im nachtgewölb verklang mit flehen:

So schien mir dass aus meinem besten blute

Das bild nur abglanz sei der kraft und würde

Dass ich von unsrem schauer deiner nähe

Beter und Schöner! nicht genug gedeutet ·

Mein lied dem wahren gang mehr nicht entspreche

Als einem ding sein schatten auf der welle ...

Nun weiss ich dass der Seher und der Weisen

Verkündigung seit unsres blühens jahren

Als wirklichkeit ein mund nicht ganz erschöpfe

Nun seh ich hunderte von edlen stirnen

Auf die dein schimmer heimlich eingeflossen

Mit ihrer herrlichkeit dein wesen preisen –

Fügsam ein werker der sein teil vollendet

Will ich nicht mehr mit dichterworten klagen:

Da Du der höhere bist muss ich versagen.

Quelle:
Stefan George: Das Neue Reich. Gesamt-Ausgabe der Werke, Band 9, Berlin 1928, S. 50.
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Sämtliche Werke in 18 Bänden. Bd. 9: Das neue Reich