ABENDBETRACHTUNG

Wenn des abends sanfte kühle

Dämpfte dumpfe sommerschwüle


In der zeit wo nach genüssen

Herzen gieriger verlangen

Lippen offen sind zum küssen

Arme breiten zum umfangen:


Ziellos meine schritte lenkend

Nur an die Geliebte denkend[18]


War auf einsam stillen pfaden

Ich auf einmal vor die mauern

Eines totenhofs geraten.

Es ergriff mich leises schauern


Wo so viele jezt vermodern

Die dereinst zu hellem lodern


Menschliches gefühl entfachten

Wo in ewge nacht versinken

Die anbetend wir betrachten

Und uns niemals wieder winken.

Quelle:
Stefan George: Die Fibel. Gesamt-Ausgabe der Werke, Band 1, Berlin 1927, S. 16-19.
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