DIE NAJADE

[13] Unter hohen waldesbäumen

Wo ein klarer quell entspriesst

Sizt ein jüngling dem in träumen

Leicht der tag vorüberfliesst.


Da tritt aus dem kühlen bade

Plötzlich vor der grotte rand

Lieblich schön die quell-najade

In hellschimmerndem gewand.


Sie bringt schnell ihn zum erwachen

Streuet blumen vor ihm hin

Und mit einem leisen lachen

Ging sie schnell wie sie erschien.[14]


Er kniet hin mit offnen armen

Fleht nach ihr von wahn betört

Doch die nixe ohn erbarmen

Nicht auf seine stimme hört.


Nur das wasser schien zu lauschen

Auf die bitten die er sprach

Und aus seinem wellenrauschen

Klang ein leises kichern nach.


Oft noch wandelt er zur quelle

Manchmal noch sah er sein glück

Doch ein bild der flüchtigen welle

Wich es eilig stets zurück.


Da erfasst ihn ungemessen

Wilder schmerz .. er härmt sich ab

Nimmer kann er sie vergessen

Und der quell ward ihm zum grab.

Quelle:
Stefan George: Die Fibel. Gesamt-Ausgabe der Werke, Band 1, Berlin 1927, S. 13-15.
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