EIN LEZTER BRIEF

[27] Du kannst ohne liebe lächeln · doch ich kann nur hassen. Viele menschen mag deine leichte anmut befriedigen · ich kann sie nicht in tausch nehmen für das wort das du hättest finden müssen und das mich hätte retten können. Du redetest einen ganzen sommer lang von den wolgeformten wolken von den rätselhaften geräuschen der wälder und den klängen der ländlichen flöte · aber für das eine wort bist du stumm geblieben. Was ist all deine schönheit all deine begeisterung wenn du dessen unkundig bist? nicht ein wort · minder als[27] ein hauch · eine berührung! du hast gesehen dass ich tag und nacht darauf wartete. Ich konnte es nicht sagen · ich konnte es nur in träumen ahnen · auch hätte ich es nicht sagen dürfen · da du es hättest finden müssen. So träume und handle auf deine weise – uns ist nichts mehr gemeinsam: wenn du mir nahe kommst so muss ich dich hassen und wenn ferne bist du mir fremd.[28]

Quelle:
Stefan George: Tage und Taten. Gesamt-Ausgabe der Werke, Band 17, Berlin 1933, S. 27-29.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Tage und Taten. Aufzeichnungen und Skizzen
Sämtliche Werke in 18 Bänden. Bd. 17: Tage und Taten. Aufzeichnungen und Skizzen
Tage und Taten: Aufzeichnungen und Skizzen