XXII
GEBROCHENE MUSIK

[14] Die mutter wenn sie meint dass im gelall

Des säuglings sie zuerst ein wort erkannt:

Sie rührt sich kaum · die augen abgewandt

Mit offnem mund und ohr · dass dieser schall


Sie nochmals rufe .. angst- und zweifelvoll

Hat so die seele oft gelauscht bis Sang

Ein taglang innres wimmern schliesslich klang

Und süss musik und süss die träne quoll.


Doch jezt – wie oft auch meine seele schon

Auf dies gewohnte flüstern horcht – wie ein

Verschlossner dumpfer meeresmuschel-ton:


Es kommt kein sang · allein die stimme dein ·

O bitterlich geliebte! und ihr lohn

Ist einzig unerlaubten betens pein.

Quelle:
George, Stefan: Zeitgenössische Dichter. Erster Teil, Gesamt-Ausgabe der Werke, Band 15, Berlin 1929, S. 14-15.
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