HERODIAS
HERODIAS DIE AMME

[37] AMME

Lebst du? ist dies nicht einer fürstin schatte?

Dein finger und sein ring zum mund mir! wandle

Nicht länger durch vergessne zeit!


HERODIAS

Zurück!

Die blonde flut · mein unbeflecktes haar ·

Den leib der einsamen umbadend · macht

Ihn starr. Mein haar vom licht durchflochten ist

Unsterblich ... Weib! mich tötete ein kuss

Wäre nicht schönheit tod ..

Was zieht mich hin

Und welch verschollner morgen der profeten

Ergiesst ein trübes fest auf sterbendes

Gefild – ich weiss nicht. Winterliche amme ·

Du sahst in dumpfer gruft aus stein und eisen

Wo meiner löwen wilde jahre schleichen

Mich schreiten im verhängnis – unversehrt

In dieser alten fürsten ödem duft.

Doch hast du meinen schreck gesehn? ich stehe[37]

Von fremder heimat träumend und entblättre

Wie überm brunnen dessen strahl mich grüsst

Die bleichen lilien die in mir sind ..

Und wie verzückt der zarten trümmer fall

Sacht durch mein sinnen hin zu folgen · drängen

Die löwen meines kleides saum und schaun

Auf meine füsse die dem meer geböten ..

Gebiete · du · des greisen körpers schauer

Und komm! da meines haars zu wilde weise

Wie die von mähnen dich beängstet. Hilf mir

Da du mich so nicht mehr zu sehen wagst

Dass ich mich lässig vor dem spiegel kämme!


AMME

Wenn nicht die heitre myrrhe in den urnen –

Willst du geraubte seele alter rosen

Mit ihrer totenhaften macht versuchen ·

Mein kind?


HERODIAS

Lass die gerüche! weisst du nicht

Dass ich sie hasse · amme! oder willst du

Mit ihrem rausch mein mattes haupt ertränken?

Ich mag nicht dass mein haar wie blumen sei

Die über menschenpein vergessen breiten.[38]

Es sei wie gold für immer frei von düften

Grausamen glanzes oder stumpfen schimmers

Des erzes unfruchtbaren frost bewahrend.

Denn in ihm spiegelten der heimat mauern

Geschmeid und wehr seit meiner öden jugend ..


AMME

Verzeih! das alter wischte dein gebot

Aus meinem geiste wie ein altes buch!


HERODIAS

Genug! halt diesen spiegel vor!

O spiegel ·

Wasser durchs leid im rahmen eingefroren ·

Wie oft und während stunden in verzweiflung

Ob träumen und erinnerungen suchend

Wie blätter unter deinem tiefen eise

Erschien ich mir in dir ein ferner schatten!

Doch schrecken! nachts · bei deiner strengen quelle

Ward meines irren traumes nacktheit kund.

O amme · bin ich schön?


AMME

Ein stern fürwahr.

Doch diese flechte sinkt.[39]


HERODIAS

Halt ein im frevel

Der bis zum quell mein blut erstarrt! bezähme

Den griff – bekannte lästerung! und melde

Welch starker dämon dich so fremd erregt!

Dies küssen · dargebotne dufte und (unsagbar

Mein herz!) o diese hand noch schänderisch –

Denn du berührtest mich – sind eines tags

Der nicht ohn unheil auf dem turme endigt ...

Turm den Herodias mit grauen schaut.


AMME

Seltsame zeit fürwahr! behüt der himmel!

Du schweifst · einsam gespenst und neue furie ·

Und schaust frühreif in dich mit angst – und doch

Anbetungswert gleich den Unsterblichen ·

Mein kind! und furchtbar schön und so geschaffen ..


HERODIAS

Berührst du mich nicht eben?


AMME

Gerne wär ich

Dess eigen dem das los dich aufgespart.


HERODIAS

O schweig![40]


AMME

Kommt er nicht dennoch?


HERODIAS

Reine sterne

Hört nicht!


AMME

Wie · wenn nicht unter finstrem schauder ·

Soll man noch unversöhnlicher sich denken

Im gnadeflehn den gott der deiner reize

Kleinod für sich erharrt – und wem · von angst

Verzehrt · bewahrst du den verborgnen glanz

Und deines wesens leer geheimnis?


HERODIAS

Mir!


AMME

O blume einsam trüb die nur bewegt

Ihr schatten den sie starr im wasser blickt!


HERODIAS

Behalt für dich dein mitleid wie dein höhnen!


AMME

Und doch erkläre · du unkindlich kind!

Wird nie die herrische verachtung schwinden ..[41]


HERODIAS

Doch wer berührt mich die die löwen scheuen?

Auch will ich nichts von menschlichem · ein steinbild.

Und siehst du meinen blick nach himmeln suchend:

Denk ich nur deiner milch die ich einst trank.


AMME

O kläglich opfer · dem geschick verfallen.


HERODIAS

Für mich · ich blühe nur für mich · verlassen:

Ihr wisst es · amethystne gärten: endlos

In weissen schluchten blendenden verhüllt ·

Verkanntes gold das alte leuchten bergend

Im düstren schlafe ungenuzten landes!

Ihr steine draus mein auge · reines kleinod ·

Klangvolle helligkeit entnimmt – und ihr

Metalle die ihr meinem jungen haar

Unseligen glanz verleiht und starres wallen ..

Du weib · in schlimmen zeiten aufgezogen

Zur bosheit der sibyllenhöhlen · sprichst

Von einem sterblichen auf dessen wink

Aus meines kleides tulpen · wilder duft ·

Der weisse schauer meiner nacktheit stiege –

Verkünd dass wenn der laue sommer-azur[42]

Für den die frau unschuldig sich enthüllt · mich

In meiner sternenkeuschheit zitternd sähe:

Ich stürbe ..

Graun der jungfrau lieb ich · will

Im schrecken leben den mein haar mir macht

Um abends auf mein lager schleichend – schlange

Unnahbar – auf der brachen brust zu fühlen

Das kalte rieseln deiner bleichen klarheit

Du die hinstirbt du die vor keuschheit brennt

Du weisse nacht aus eis und grausigem schnee.


Einsame schwester · ewig schwester mir!

Mein traum steigt zu dir aufwärts und schon so

In seltner herzenshelle die ihn dachte

Glaub ich allein mich in der öden heimat

Und alles lebt um mich im götzendienst

Des spiegels der in schlafesstille zeigt

Herodias mit klarem demantblick.

O höchster reiz! ich fühl es .. ja! allein!


AMME

So willst du sterben?


HERODIAS

Arme ahnin – nein!

Sei still und geh! verzeih mir hartem herzen![43]

Doch vorher · willst du? schliesse hier! der azur –

Seraphisch lächelt er im tiefen fenster ..

Ich hasse ihn den schönen azur.

Wellen

Dort – wiegen sich. Weisst du nicht fern ein land

Mit düstrem himmel und dem hassesblick

Der Venus die des nachts im laubwerk glüht?..

Dort will ich hin ..

Noch zünde (kindesspiel

Sagst du?) die fackeln wo bei leichtem brand

Das wachs im reinen golde seltsam weint

Und –


AMME

Jezt?


HERODIAS

Leb wohl!

Ihr lüget nackte blumen

Der lippen! Droht doch unbekanntes ding!

Vielleicht auch wisst ihr nichts von dem geheimnis

Und stosst den lezten und zerquälten schrei

Der kindheit · fühlend wie sie unter träumen

Sich endlich löst von kühlen edelsteinen.

Quelle:
George, Stefan: Zeitgenössische Dichter. Übertragungen, Zweiter Teil, Gesamt-Ausgabe der Werke, Band 16, Berlin 1929, S. 37-44.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Lohenstein, Daniel Casper von

Epicharis. Trauer-Spiel

Epicharis. Trauer-Spiel

Epicharis ist eine freigelassene Sklavin, die von den Attentatsplänen auf Kaiser Nero wusste. Sie wird gefasst und soll unter der Folter die Namen der Täter nennen. Sie widersteht und tötet sich selbst. Nach Agrippina das zweite Nero-Drama des Autors.

162 Seiten, 8.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Romantische Geschichten. Elf Erzählungen

Romantische Geschichten. Elf Erzählungen

Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Michael Holzinger hat für diese preiswerte Leseausgabe elf der schönsten romantischen Erzählungen ausgewählt.

442 Seiten, 16.80 Euro

Ansehen bei Amazon