EIN TRAUM

[73] Sie war gestorben. Sie war kalt. Die wunde

War kaum ersichtlich in der einen seite:

Ein kleiner ausgang für so grosses leben!


Weit minder weiss erschien mir als die leiche

Das linnen · niemals wird das auge sehen

Ein ding das weisser ist als jenes weiss.


In flammen traf der ungestüme sommer

Die scheiben und insekten · ungeheure ·

Im schwülen dunste summten ohne ruhe.


Sie war erstarrt. Ich sagte: schläfst du denn?

Mit einem stumpfen fürchterlichen lächeln

Ganz nahe wiederholt ich: schläfst du? schläfst du?


Schläfst du? und denkend dass die schrille stimme

Nicht meine wäre bebte ich vor angst.

Ich horchte. Aber weder hauch noch stimme![74]


Es schien als ob die wände flammen wären.

In jener schwüle hob sich immer stärker

Ein odem wie aus einem grabgewölbe.


Der unbesiegliche geruch des todes

Erstickte mich – ich musste wohl ersticken ·

Ich selber hatte tür und tor geschlossen.


Schläfst du? Schläfst du? sie hatte keine antwort ·

Das linnen schien vor ihr weit minder weiss.

Auf erden werden nie die augen sehen


Ein ding das weisser ist als jenes weiss.[75]

Quelle:
George, Stefan: Zeitgenössische Dichter. Übertragungen, Zweiter Teil, Gesamt-Ausgabe der Werke, Band 16, Berlin 1929, S. 73-77.
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