Der Gott der Eifersucht

[12] Wir waren in Knidos, meine holdselige Chloe und ich.


Auf ewig grünem Laube spielen

Hier Scherz, und Lenz, und Zärtlichkeit.

Die Blumen küssen, Bäume fühlen,

Und Grotten, welche Zephyrs kühlen,

Verbergen manchen holden Streit,

Wenn eine Dryas hier im Thale

Dem jungen Faun zum erstenmale

Mit lautem Zwange Küsse weiht.


Um einen zu furchtsamen Satyr zu ermuntern, der auf sein eignes Glück argwöhnisch war, floh eine schalkhafte Napäe lachend in den Lustwald. Wir eilten ihr nach, um zu erfahren, ob der Satyr sie erhaschen würde, als plötzlich die Göttinn Venus aus dem Walde hervortrat.


Mit aufgelöstem Gürtel gingen

Die Grazien leicht vor ihr hin,

Ein Amor fliegt mit regen Schwingen

Schnell auf die Brust, schnell auf das Kinn,[13]

Sucht dort ein Knöspchen anzubringen,

Und tändelt hier ein Grübchen hin:

Mit himmlisch sanften Liebesschlägen

Lohnt ihm die Göttinn seine Müh:

Froh flattert er der Straf entgegen,

Und zur Vergeltung küßt er sie.


Unglücklicher! o daß ich diesen Amor nie gesehen hätte! Er war der boshafteste unter seinen Brüdern! der Gott der Eifersucht in seinem betrüglichen Reize.


Er wars, der im Geräusch der Blätter

Untreue Küsse rauschen hört,

Der Sicherheit in Furcht verkehrt,

Die sanftesten mit Wuth bewehrt,

Die Edelsten Neid oder Argwohn lehrt,

Ach! jedes Glück der Liebe stöhrt:

Ach! der gefährlichste der Götter!


Warum mußte der Bösewicht mir mit seinen heuchlerischen Blicken gefallen? Warum entfloh er seiner Göttinn, nur mit mir Armen zu spielen, und von mir gehascht zu werden? Warum schenkte mir ihn die Königinn der Liebe? Seitdem sind die güldnen Tage unsrer Liebe oft durch abwechselnden Kummer umwölkt worden.
[14]

Mich nagt bey Chloens besten Küssen

Ein banger schrecklicher Verdacht:

»Wie, wenn bey diesen Nektarküssen

Ein dritter oft mich still verlacht!

O Chloe! sollt ich dieses wissen!«

Dann nenn ich Chloen den Verdacht,

Und Chloe weint; und ich muß reuig flehen:

Denn weinen kann ich sie nicht sehen. –

Ach! Venus, nimm den Gott zurück!

Er bringt mich ewig um mein Glück.

Quelle:
Heinrich Wilhelm von Gerstenberg: Tändeleyen. Stuttgart 1966, S. 12-15.
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