Ein und zwanzigster Brief.
[232] Auszug aus einem dänischen Schreiben, das Gedicht eines Skalden betreffend.

– – Auch darinn pflichte ich Ihnen bey, daß die vorangeschickten Erläuterungen nur wenigen Lesern, unter denen weder Sie noch ich eine Stelle verdienen möchten, verständlich und zureichend seyn werden. Das vorige Jahrhundert,[232] das uns mit seinen excerpirten Folianten und entlehnten Materialien so lächerlich vorkömmt, hatte doch wenigstens den Vortheil, belesen seyn zu dürfen, wo gerade nur diese und keine andere bestimmte Art der Erkenntniß erforderlich war. Wir hingegen sprechen lieber in Räthseln, als daß wir uns die misfallende Mühe geben sollten, ein paar Schriftsteller anzuführen, die uns auf einmal ein Licht aufstecken könnten. Fragen Sie doch Ihren Freund, ob er Muth genug haben würde, folgenden Noten, vorausgesetzt, daß sie ihm sonst Genüge thäten, gelegentlich bey einem zweyten Abdrucke, eine Stelle unter seinem Text einzuräumen? Allenfalls ist es mir auch genug, Ihnen gehorcht zu haben, und Ihrer Lieblings-Idee zu einem höhern Grade der Klarheit behülflich gewesen zu seyn.

1. Der Name Thorlaugur Himintung kömmt in dem Verzeichnisse, das uns Ol. Worm aus einer alten Handschrift von den Skalden gegeben hat, nirgends vor. Unter den dänischen Skalden sind die beyden Thoraren Lofftunge, wie Worm sie nennt, richtiger aber, nach der alten norwegischen Chronik des Snorro Sturleson, Thorarer Lofftunge und Thorar Loftunga, berühmt; auch könnte Thorlachus, oder besser, Thorleikur Fagre mit unserm Skalden verwechselt werden, wenn nicht gewisse Züge im vierten Gesange bewiesen, daß er lange vor Knud dem Großen gelebt haben müsse, unter dem und Svend Ulfsen oder Estrithsen die angeführten geblüht haben. Weder Saxo noch irgend ein isländisches Fragment haben uns etwas von ihm aufbehalten: ich begnüge mich daher, anzumerken, daß der Name dieses, so wie fast aller übrigen Skalden, eine poetische Zusammensetzung sey, und die Idee eines Donnerbades (Thor, der Donner oder Donner-Gott, und Laug, ein Bad) und einer Himmels-Zunge (Himin der Himmel, Tung die Zunge) bezeichne, welches letztere in der Eddensprache eigentlich die Metapher eines Sterns ist.

Vielleicht ist es Ihnen nicht zuwider, wenn ich Ihnen[233] die Namen der dänischen Skalden, nach Worm und Snorro, hersetze.

Der älteste bekannte Skalde unter den Dänen ist König Hiarno, dessen Geschichte Sie aus dem Saxo Grammatikus kennen, von welchem Dalin zuweilen ohne historischen Grund abweicht.

Ihm folgt Starkather (Sterkodder) der Aeltere, von dem uns noch verschiedene Sagar oder Gedichte übrig geblieben sind.

König Regner Lodbrog (er sey nun der bekannte König dieses Namens, oder ein Abenteurer, wie Mallet nach Vermuthungen, denen ich in der Geschichte den Zugang verschlossen wünschte, annimmt) war ein großer Skalde. Außer der schönen Saga, die uns Worm von ihm geliefert hat, und von der Sie eine zerstümmelte und untreue Uebersetzung in den Monumens Celtiques eben dieses Herrn Mallet finden, sind noch einige kleinere Fragmente übrig geblieben, die unter den Kiämpe-Viser des vorigen Jahrhunderts, wiewol ziemlich verfälscht und modernisirt, vorkommen.

Unter seiner Regierung blühte Bragda Skald, der Sohn des Bodda.

Unter Knud dem Kleinen (Hagensen oder Lodin Knud) lebten Tritur Skald, Rodgeir Aslasön, Thoralfur Prästur (Präst), Olaus Thordarson (Olafur Thordarsön).

Unter Svend Tiuskiäg der einzige Ottar Svarte.

Unter Knud dem Großen oder Reichen, Sigvardus (Sigvatur) Skald, Ottar Svarte, Thoraren (Thorarer) Loftunge, Halvardur, Hareksblese, Berse Torfason (den die Snorronische Chronik nicht anführt), Steino (Steirn), Skaptasön, Arnor Jarlaskald, Odar Keptur.

Unter Svend Alfivasön, der einzige Thoraren Loftunge (Thorar Loftunga).

Unter Svend Ulfsön oder Estrithsön, Thorlachus [234] (Thorleikur) Fagre, Thordur Kolbeinsön.

Unter Knud dem Heiligen Kalfur Manasön, Skule Illugasön (Illagusön), Markus Skeggiasön.

Unter Erik Emund, Haldor Sqvaldre.

Unter Svend Svifand oder Gratenhede, Einar Skulesön.

Unter Waldemar Knudsön, Thorstein Kroppur, Arnhaldur Thorvaldsön.

Unter Knud Waldemarsön, Thorvardur Thorgeirsön.

Unter Waldemar dem Aeltern, Olafur Thordarsön, Jatgeir Thorfasön, Thorgeir Danaskald, Sugu Valde.

Unter Strutharald Jarl, Thiodolfur ur Hvine.

Unter Sigvald Jarl, Thordur Sigvalda Skald.

Unter Hareker Thorkildsön, Thiodalfor Arnasön.

Unter Thorleifar Hin Spaka, Thiodolfur ur Hvine.

Bey Gelegenheit der Snorronischen Chronik muß ich anzeigen, daß ich nur die dänische Uebersetzung nach der neuen Ausgabe des sel. Anchersen zur Hand habe, die aber von Fehlern wimmelt, ungeachtet schon der jüngere Bartholin in seinem Werke de causis contemptae a Danis adhuc gentilibus mortis viele derselben angemerkt und berichtigt hatte.

Von der Bestimmung und dem Charakter der Skalden könnte ich Ihnen verschiedenes sagen, wenn ich weitläufig seyn wollte. Dieß einzige kann ich nicht übergehen, daß sie, vermöge ihres Standes, als Räthe und Freunde ihrer Könige, verbunden waren, bey den Kriegen, die geführt wurden, (zuweilen, wo die Gefahr nicht dringend war, unter einer Bedeckung von Schilden, welche daher Skialdbörg genannt wurde) zugegen zu seyn, und nichts[235] zu besingen, als wovon sie Augenzeugen waren. Schmeicheley und Erdichtungen konnten dabey nicht leicht Statt haben, weil man richtig genug dachte, sich durch Verfälschungen beleidigt zu finden. Olaus Verelius in nott. in Hervararsaga, cap. 19. Th. Bartolinus antiqu. Dan. l. I. cap. 10.

2. Ists Bragas Lied.] Braga oder Bragar wird der Apoll des alten Nordens genannt. Man thut übel, das System der Nordischen Mythologie mit dem Griechischen zu vermischen, wie fast alle Ausleger gethan. Von ihm heißt die Dichtkunst Bragur, und ihm zu Ehren ward der Bragebecher (Bragefull) getrunken, den Pontoppidan im Dänischen Atlas, 1. B. 67. S. vermuthlich durch Scheffern, so wie dieser durch die dänische Uebersetzung des Snorro, verführt, mit dem Minne oder Minde-Trunk verwechselt. Von ihm haben die lyrischen Schemata: Bragarbott, Toubragur und Hakabragur den Namen: die übrigen heißen Runhenda Drapa, Ferskeit Viisa, Stuthola, Liuflingslag, Liliulag, Skothent, Hernadar Drapa und Toglag. Steph. Jo. Stephanii animadversiones in Sax. p. 12.

3. Ists, Tochter Dvals.] Es gab verschiedene Gattungen von Nornen, die sich bey der Geburt der Kinder einfanden, um ihnen die Zeit ihres Lebens zu bestimmen. Unter diesen waren einige göttlicher Herkunft (Askungar), andere aus dem Geschlechte der Alfen, (Alfkungar), und noch andere Töchter der Zwerge (Dättr Dvalens).


Sumar eru Askungar

Sumar eru Afkungar

Sumar Daettr Dvalens.

Edd. 15.


Diese Nornen fangen den Weihgesang bey Geburten, bey Zweykämpfen, Schlachten und andern Vorfällen des Lebens. Zu ihnen gehören diejenigen Disen, deren die Niala (ein alter noch übrig gebliebener Weihgesang) erwähnt, und die Darradur ein Gewebe aus menschlichem Eingeweide weben gesehen.[236]

4. Wie Blitze Thors.] Thor, der Gott des Donners, wird auch Land-Aß, der Gott der Landschaft, in Eigill Skallagrims Saga genannt, einer der Hauptgötter des alten Nordens. Von ihm hat im Dänischen Thorsdag, der Donnerstag, seinen Namen.

5. Njord.] In der Erläuterung wird er ein Riese oder Halbgott genannt. Bartholin am angeführten Orte, S. 376 rechnet ihn unter die obersten Götter, dessen Name bey Imprecations-Formeln üblich war; z.E.


Folkmygi lat flyia

Freyr ok Niordr af jordum.


d.i. Frey und Niord lasse die Hasser des Volks von der Erde hinwegfliehn!

Als einen Sänger finden Sie ihn in der verkürzten Edda des Herrn Mallet, mit Skada, seiner Gemahlinn, wetteifern. Ich kann mich bey diesen mythologischen Erörterungen hier nicht verweilen, da Sie ohnedieß die dahin gehörigen Punkte in meiner Dänischen Edda, die ich Ihnen vor kurzem übersandt habe1, selbst nachlesen werden.

6. Mimers Haupt.] Einst kam Odin zum Mimer, dem Besitzer des Brunnens der Weisheit, und erbat sich einen Trunk. Da ihm aber dieses abgeschlagen ward, so gab er dem Besitzer ein Auge zum Unterpfand seiner Erkenntlichkeit; er trank und fand sich mit ausnehmender Weisheit und Einsicht begabt.

Odin reitet zum Brunnen Mimis, um für sich und seine Legionen einen guten Rath zu holen. Askur Ygdrasill wird alsdann geschlagen werden; dann fürchten sich Himmel und Erde; denn so spricht die Voluspa: Heimdall läßt das erhobene Horn ertönen, Odin bespricht sich mit dem Haupte Mimers, u.s.w. Edda 48.[237]

7. Der See vom Hauch der Luft etc.] nämlich der Sel-See, der sich von Sandholm nach Hirschholm ausbreitet, und einige Meilen im Umfange hat.

8. Sigtuna.] Die ehemalige Hautstadt des Odin, vermuthlich ehe derselbe seinen Sitz in Dännemark nahm, weil er über Schytien (Rußland) und Schweden nach Dännemark gekommen ist. Sigtuna heißt noch jetzo eine kleine Landstadt in Upland, und bedeutet der Hof des Sigge, (Sigges-Tuna), weil Odin den Zunamen Sigge führte. Diese Bedeutung würde man vergebens in der Edda des Herrn Mallet suchen: Le texte, sagt er in einer Anmerkung p. 45, rapporte un grand nombre de ces noms que j'ai supprimés par égard pour les oreilles qui ne sont pas accoutumées aux sons Gothiques. Wie sehr wäre es zu wünschen, daß er nur halb so viel égard für die Wißbegierde seiner besten Leser gehabt hätte, als er für die Ohren einiger kostbaren bezeigt, die vielleicht zu etwas noch weit schlechtern gewöhnt sind, als zu den sons Gothiques.

Sigtuna ward nach der Vergötterung des Odin unter die Zahl der himmlischen Städte aufgenommen, wo die zwölf Drotts oder Richter ihren Sitz haben, die unter ihm das Regiment führen.

9. Valholl, Asgaard, Valaskialf, Hlidskialf.] Der Himmel, oder mit Bartholin zu reden, das Elysium des alten Nordens, hat seinen Namen von Valr, den Erschlagenen im Kriege, weil diesen vornehmlich die glückselige Zukunft bestimmt war. Walbrynde, welches Saxo cadauerum vel stragis puteus übersetzt, Walstole, der Sitz der Niederlage, und, wo ich nicht irre, auch Wal- oder Wahlstadt haben ihren Namen eben daher. – Holl, ein Palast, ein Hof, ein großes Gebäude, vollendet den Sinn des Worts Valholl, indem dieser Nordische Himmel, nach dem Ausspruche der Grimnismal (eine Saga), fünf hundert und vierzig große Thore oder Eingänge hatte:
[238]

Fimm hundrar dyra

Ok of fiorum tugum

Sua hygg ek a Valholl vera.


Man kann sich vorstellen, setzt Har in der Edda hinzu, daß der innere Raum so vielen Thüren entsprechen, und also allenthalben Gelaß genug für die Ankömmlinge der Erde seyn werde. Tha muntu segia at hitt er undarlegt ef aeigi ma ganga ut ok inn huerr er vill. Enn that er med sonnu at segia at aeigi er throngra at skipa hana en ganga i hana. d.i. »Da möchtest du sagen, es sey wunderlich, wenn nicht ein jeder aus- und eingehen könnte, wo er nur wolle. Und es läßt sich mit Wahrheit sagen, daß allenthalben so viele geräumige Sitze oder Plätze als Eingänge sind.«

Dieses Valholl hat noch, wie man gemeiniglich dafür hält, einige andere Namen, die aber der Dichter, meines Erachtens mit Grunde, für Nebenbestimmungen darinn enthaltener Plätze oder Oerter genommen hat. Ich will Ihnen die eigenen Worte der Edda mit meiner Uebersetzung, die ich für wörtlicher, als die gewöhnliche lateinische, ausgeben kann, abschreiben.

Thar er enn mikill stathr er Valaskialf heitir. Thann stad a Odinn. Thann giordu guthin ok Thoktu skiru silfri. Ok thar er Hlidskialfin i thessum sal. That hasaeti er sua heitir. Ok tha er Alfodr sitr i thi saeti. Tha sier hann um alla heima. d.i. »Daselbst ist ein großer Ort, Valaskialf genannt. Diesen Ort hat (besitzt) Odin. Ihn machten die Götter, und deckten ihn mit reinem Silber. Und er ist Hlidskialfin in diesem Palaste (in dieser Halle). Und dieses wird der Sitz (Thron) genannt. Und da ist es, wo Alfadur auf dem Sitze sitzt. Da übersieht er alle Wohnungen.«

Daß Valholl auch zuweilen Asgaard genannt werde, leidet keinen Zweifel. Bartholin hat aber nicht bemerkt, daß es diesen Namen nur in Beziehung auf die Götter (Asen), so wie den ersten in Beziehung auf die Einheriar, Ankömmlinge oder Helden der Erde, führe.

[239] Thar naest giordu their sier borg i midium heimi er kollod er Asgardr. That kallaz Troia. That bygdu Gudin ok aettir theira ok giorduz thadan af morg tidindi ok graeinir baedi a iordu ok i lopti. Thar er aeinn stadr er Hlidskialf heitir. Ok tha er Odinn settiz thar i hasaeti. Tha sa hann of alla heima. Ok hoers mannz athaevi. Ok vissi alla luti tha er hann sa. d.i. »Hienächst machten sie ihre Burg in der Mitte des Himmels, Asgaard genannt; diese heißt Troja. Da bauten (wohnten) die Götter und ihr Geschlecht, und breiteten sich nachher ihre Angehörigen aus, beydes auf der Erde und in der Luft. Da ist ein Ort, Hlidskialf genannt. Und da sitzt Odin auf diesem Sitze. Da sieht er auf alle Wohnungen herab. Und auf die Werke Aller. Und kennt (durchschaut) alle Leute, die er sieht.«

Ich weis wohl, warum die Ausleger in dieser Stelle keine Schwierigkeiten gefunden haben. Snorro Sturleson hatte weislich, sowol in der Edda, als in der Skalda, die Erinnerung gegeben, daß die Dichter das Recht hätten, die Namen der Götter mit einander zu verwechseln, und folglich Alfadur, Vidri, ja sogar Vidar, der doch ein Sohn oder Abkömmling des Odin war, für Odin selbst zu setzen. Was ihn aber zu dieser Anmerkung authorisirt haben könne, begreife ich nicht; wenigstens wird es schwer fallen, die Widersprüche, die man von dieser Art in den alten Monumenten antrifft, blos dadurch zu heben, wenn man nicht vielmehr annimmt, daß der alte Snorro, als derjenige unter den Isländern, der vor ohngefähr 600 Jahren zuerst darauf verfiel, die einzelnen Götter-Fabeln, die in den alten Gedichten enthalten waren, in ein Corpus überzutragen, in den Fehler des Hesiodus und Ovidius gerathen sey, sie ohne Vergleichung ihres Alters, ihrer Verfasser, und anderer Umstände, in sein System aufzunehmen, woraus eine Vermischung der Epochen entstand, wie etwa die Vermischung der ägyptischen und griechischen Aera in der Mythologie war, die den heutigen Alterthums-Forschern so viel zu schaffen macht.[240] Ich vermuthe sehr, daß die Fabel vom Alfadur, Har, Jafuhar, Tredie etc. viel älter sey, als die vom Odin und seiner Abkunft. Man legte den letztern die Eigenschaften der erstern bey, und Snorro, der der Quelle dieser Uebereinstimmung nicht nachforschte, marterte sich, aus zwey verschiedenen Systemen ein einziges zu machen.

Eben daher leite ich das Einschiebsel (Diese heißt Troja) in der angeführten Stelle her, welches ohne Zweifel ein Zusatz des Sammlers, oder, nach Herrn Mallets Muthmassung, eines neuern Copisten ist; wie es sich denn wirklich nicht in allen Handschriften findet.

Meine obige Meynung von zwey verschiedenen Systemen in der Edda wird durch die bisher noch nicht widerlegte Hypothese des sel. Anchersen bestätigt, daß die Göttinn Hertha zur Zeit des Geschichtschreibers Tacitus ihren Sitz und Tempel hier auf Seeland gehabt habe, wo man itzt noch bey dem ehemaligen Lethra den Ort Hertedal sieht. Niemand, dem die Religions-Geschichte barbarischer Völker einigermaßen bekannt ist, wird den Einwurf machen, daß sich eine Folge drey verschiedener Götter-Systeme in so wenigen Jahrhunderten nicht mit der Denkungsart eines einzigen Volks vereinigen lasse. Als die Insel Rügen lange nach Einführung der christlichen Religion bey ihren Nachbarn durchs Schwert genöthigt wurde, den Dienst des wahren Gottes auf die Trümmer ihrer alten Götzen zu gründen, und den heiligen Vitus als ihren Schutzheiligen zu verehren: wie lange dauerte es, so war aus dem guten St. Veit unvermuthet der vielköpfigte Svantehvit, das abscheulichste Ungeheuer, geworden, das je Heiden angebetet haben? Die sämmtlichen Nationen der angränzenden Slaven schafften sogar ihre Götter ab, um diesem neuen St. Veit zu huldigen, dem das sonderbare Schicksal aufbehalten war, dessen sich noch itzt die tugendhafte Undecimilla im Papstthum zu erfreuen hat. – Inzwischen gebe ich Ihnen gerne zu, daß sich aus Vermuthungen nicht viel machen lasse; und gehe weiter.[241]

Ein neues Synonymon von Valholl und Asgaard soll, nach Bartholins Ausspruch, das in der Edda angeführte Gladheim oder Gladsheim seyn.

Tha maellti Gangleri. Hvat hafdiz Alfodr tha ad. Er giorr var Aasgardr. Haar svarar. I upphafi setti hann stiornarmenn i saeti ok beidi tha at daema med ser orlog manna ok raada um skipun borgarennar. That var thar sem heiter Idavollr i midri borginni. Var that hid fyrsta theirra verk at giora hof that er saeti theirra tolf standa i onnor en hasaetid that er Alfodr a. That hus er bezt gorr a iordu ok mest. Allt er that utan ok innan sen gull aeitt. I theim stad kalla menn Gladsheim. d.i. »Darauf sagte Gangler: Was hatte Alfader zu thun, da Asgaard gemacht war? Har antwortete. Zuförderst setzte er Steuermänner (Statthalter oder Richter) auf die Sitze, und befahl, die Schicksale der Menschen mit ihm zu richten, und mit ihm die Burgbewohner zu regieren. Dieß war an dem Orte, der Ida-Thal heißt, mitten in der Burg. Ihr erstes Werk war, einen Hof (Tempel) zu machen, wo ihre zwölf Stühle umher stehen, und der Sitz des Alfader. Dieß Haus ist das bestgebauete der Erde, und das größte. Alles, was innen und außen ist, glänzt wie Gold. Den Ort nennen die Menschen Gladsheim.«

Mir deucht, nichts kann deutlicher seyn, als daß Gladheim weder Valholl, noch Asgaard, sondern ein darinn enthaltener Palast sey. Grimnismal setzt es außer Zweifel:


Gladsheimr heitir inn fimti

Thars en gullbiarta

Valhaull vid of thrumir

Enn thar Hroptr kys

Huerian dag

Vapndauda vera.


d.i. »Gladsheimer heißt das fünfte Gebäude; da ist das goldglänzende Valholl auf Balken gestützt. Und da nimmt Hroptr (Odin) täglich die mit Waffen Erschlagenen auf.«[242]

Nach seiner innern Bedeutung heißt Gladheim die Wohnung der Freude. Mit dem eigentlichen Ursprunge des Namens Asgaard verschone ich Sie, ob ich gleich dafür halte, daß er nicht schwer auszuforschen, und in einer Stelle der Saga von Hogn und Hedin, die durch eine andere beym Stephanus Byzantius erläutert wird, deutlich genug angezeigt sey. Ich verweise Sie desfalls auf Barthol. ant. Dan. p. 405 sqq.

10. Glasur.] In Asgaard an den Thoren Valholls ist ein Wald, Glasur genannt, dessen Blätter Gold sind, nach dem Gedichte: Glasur steht goldbelaubt vor dem Vorhofe Sygtyr. Dieser Lustwald ist der schönste unter Göttern und Menschen. Edda 59.

11. Vingolf.] So wie Valholl, ein Friedens-Sitz für die abgeschiedenen Helden. Die Edda unterscheidet diese beyden Oerter ausdrücklich; sie werden aber sehr oft mit einander verwechselt.

12. Gotlands Söhne.] Daß ganz Norden ehemals Gotland geheißen, scheinen diejenigen nicht zu wissen, denen es widersprechend vorkömmt, daß eine Ueberschwemmung so großer Völkerschaften aus einem Winkel von Schweden, der heutigen Provinz Gothland, herrühren sollte, weil sie die neuere Geographie mit der ältern verwechseln. Ich will Ihnen die Stellen aus der Edda, und andern Monumenten von gleichem Alter, die allem Zweifel auf einmal ein Ende machen, und, so viel ich weis, noch niemals beysammen gelesen worden, hier gleich hinter einander setzen.

I than tima var kallat alt megin land, that er han (Odin) atti Reidgotland, en eyar allar Eygotland, that er nu kallat Dannaveldi oc Sviaveldi.

d.i. »Damals wurde alles feste Land, was er (Odin) besaß, Reidgotland, und alle Inseln Eygotland genannt, welches nun Danaveldi (Dännemark) und Sviaveldi (Schwedenmark oder Land) heißt.«

Hier haben Sie die allgemeine Eintheilung von Gotland. Nun folgen die Unterabtheilungen.

[243] Jütland wurde zum festen Lande gerechnet, und hieß daher Reidgotland.

That heitir nu Jotland, er tha var kallat Reidgotaland.

d.i. »Das heißt Jütland, was damals Reid-Gotland genannt wurde.« S.d. Vorr. vor der Edda.

Dännemark hieß im Ganzen Gotland, so wie die Inseln, woraus es besteht, Eygotland, die Eyländer oder Inseln Gotlands, genannt wurden.

Skioldr het sonr Othins, er Skiolddungar ero fra komnir. Hann hafdi atseto, ok reth lanndom, thar sem nu er kallat Danmark, enn tha var kallat Gotland.

d.i. »Skiold hieß der Sohn Odins, von dem die Skioldunger kommen. Er hatte seinen Sitz, und beherrschte das Land, was nun Dännemark genannt wird, und damals Gotland hieß.« S. die Vorrede vor Grettasaung.

Ein af sonum Othins er nefnder Skioldr, sa et Land tok ser, that er nu heitir Danmörk. En tha vari thessi land er Asiamen bygdu, kallat Godland, en folkit Godiod.

d.i. »Einer von den Söhnen Othins, Skiold genannt, nahm das Land ein, das nun Dännemark heißt. Und damals wurde dieses Land, welches die Asiamänner bewohnten, Gotland genannt und das Volk Godiod (oder Gothen, welches Torfäus durch Geschlecht der Götter übersetzt). S.d. Rimbegla, imgl. Pontoppidans Dän. Atlas, 1. Bd. 25. S.«

Eine bestimmte Eintheilung lehrt uns Olafur Tryggesöns Saga.

Tok Biorn Jarnsida Uppsalariki Svithiod alla ok huarttueggia Gautland ok all than land er thar liggia til. Sigurdr Orm i auga hafdi Eygotaland ok allar eyiar Skani ok Halland. Huitserkr hafdi Reidgotaland ok thar med Vindland.

d.i. »Biorn Jarnsida (Ironside nennen ihn die Engländer) nahm das Upsalische Reich, ganz Schweden, und beyde Gotland, und alles Land, was daran gränzt.[244] Sigurdr Ormr i Auga (Sigvord Schlangenauge) hatte Eygotland, und alle Inseln, Schonen und Halland. Huitserkr hatte Reidgotaland, und zugleich Vindland.«

Da dieß letztere Reidgotland außer der Verbindung mit dem übrigen festen Lande genannt wird, so erklärt man es billig durch Jütland, welches an das Land der Wenden stößt, die von den Vandalen, den heutigen Mecklenburgern, zu unterscheiden sind, und dem Districte Vendsyssel in Jütland den Namen gegeben haben.

Die Zeit der asiatischen Emigration bestimmt eine Stelle aus der Snorronischen Chronik, die mir gerade beym Bartholin in die Augen fällt, (ant. Dan. l. III. c. 2) ganz genau. I thann tima foro Rumveria hofdingiar vida un heiminn oc bruto undir sik allar thiodir. Enn margir hofdingiar flydu fyrir theim ofridi af eignom sinom. Enn fyrir thui at Odinn var forspar ok fiolkunningr. Tha vissi hann at hans afkvaemi mundi um nordr halfo heimsins byggva. Setti hann tha braedr sina Vili ok Ve yfir Asgaard enn hann for oc med honum diar ok mikit folk annat fyrst vestr i Gardariki ok thadan sudr i Saxland.

d.i. »Damals zogen die Römischen Heerführer weit umher, und brachten die ganze Erde unter sich. Und viele Heerführer (Duces) flohen vor ihnen aus ihren Eigenthümern (Staaten). Und da Odin ein Weißsager und Magus war, so wußte er, daß seine Nachkommenschaft in Norden wohnen würde. Er setzte also seine Brüder Vili und Ve über Asgaard, und zog mit allen Göttern (Asen) und vielem Volke zuerst gegen Abend nach Gardariki (Rußland) und weiter gegen Mittag nach Saxland (das heutige Holstein und Niedersachsen).«

Bey Gelegenheit der vorher angeführten Insel Schonen muß ich anmerken, daß der Name Scandinavia für die gesammten drey Nordischen Reiche nur eine Chimäre der neuern Geographen sey, die von der Ungewißheit herrühret, mit welcher sich Plinius, Mela und Ptolemäus[245] über das große Scandia, Scandinavia oder Scangia erklären, weil sie sich beredeten, daß alles, was jenseits Schonen läge, eine einzige große Insel sey. Anchersen hält die vier Scandien des Ptolemäus nicht ohne Grund für Schonen, Codanonia, (Seeland) Fynen, und Laland, Falster und Möen, welche drey letztere wegen des kleinen sie trennenden Gewässers leicht für Eins genommen werden konnten. Daß Seeland unter Codanonien verstanden werde, leidet keinen Zweifel, und wird vom Cluver und Cellarius für den ursprünglichen Sitz der Teutonen gehalten. S. Grams praef. ad Mölleri Cimbr. lit p. 34.

Ich reiße mich mit Gewalt von diesen Untersuchungen los, die Sie und mich ins Unendliche führen könnten, und mache nicht weniger, wegen dessen, was ich Ihnen verschweige, als für das, was ich zu Ihrer Befriedigung angeführt habe, einen billigen Anspruch auf Ihre Erkenntlichkeit. –

Und doch kann ich einer glücklichen Vermuthung des oftangeführten Herrn Anchersen, oder vielmehr Stephanius, über den Namen Seeland hier die Stelle nicht versagen, weil sie mir eine Schwierigkeit, die Pontan sich macht, sehr glücklich zu heben, und zugleich einen neuen Beweis für den Aufenthalt, den Tacitus der Göttinn Herthus anweist, an die Hand zu geben scheint. Saxo nennt dieses Land beständig Sialandia, um eine Insel anzudeuten, die allenthalben von der See umgeben ist. Dies gilt von allen Inseln, sagt Pontan, und wünscht Sädland, von Saat, zu lesen, wenn es nur nicht gar zu offenbar wäre, daß die alten Einwohner dieser Insel sich wenig um den Ackerbau bekümmert haben. Der Name Seelund, der in der Edda und auch anderswo nicht selten vorkömmt, gibt der ganzen Sache ein neues Licht: denn Lund heißt ein Hayn, und Seelund, ein von der See umflossener Hayn, indem es gewiß ist, daß diese Insel ehemals fast ganz mit Waldungen bewachsen gewesen; woraus sich die etwas undeutliche Stelle unsers Skalden im vierten Gesange erklären läßt:
[246]

In trübem Dunkel schauerte die Küste;

Kein Himmel leuchtete mild durch den Hayn.


Daß diese Vermuthung einen hohen Grad der Wahrscheinlichkeit habe, beweist folgende Stelle der Edda, die Anchersen anführt, und die eine der sinnreichsten unter allen Fabeln ist, weil sie die Aehnlichkeit des Wäler-Sees in Schweden mit der Figur und Größe der Insel Seeland auf eine höchste erfindungsreiche Art aus einander setzt.

Gylfi Kongr reth thar landum, er nu heitir Svitiod. Fra hannom er thet sagt, at hann gaf aeinum farandi i konu at lannum sketanor sinor aeit plogsland i Riki sinu, that er fiorer Oxn draegi up dag oc nott. En su Kona var aein af Asa aett. Hon er naefnd Gefion. Hon tok fire Oexn nordan or Jotanheimun, that verusyns johens nokkurs oc hennar, oc setti tha for plog. En plogriin gekk sua breit oc diopt at upp laisti landit, oc drogi oxinum that land ut um hafit oc vestr, ok nama stadar i sundi nokkuru. Thar setti Gefion landit, oc gaf nafn, oc kalladi Saelunde. En thar sem landit hafdi upgangit, var thar epter Vatn. That er nu logriin kalladr i Svidiod. Oc liggia sua Vikr i leginum sem Nes i Saelunde.

d.i. »Gylf, der König, beherrschte das Land, was nun Schweden heißt. Von ihm wird gesagt, daß er einer fremden Frau in seinem Reiche so viel Land gab, als vier Ochsen in Tag und Nacht umpflügen könnten. Und diese Frau war aus dem Geschlechte der Asen. Sie heißt Gefion. Sie nahm vier Ochsen nördlich aus Jotunheim, (dem Lande der Riesen) welche ihre und eines Riesen Söhne waren, (die sie also verwandelt hatte) und stellte sie vor den Pflug. Und die Pflugschaar gieng so breit und tief, daß sie das Land empor hub, und die Ochsen führten dieß Land nach Westen übers Meer, und gaben ihm eine Stelle zwischen einigen Sunden (Meerengen). Da setzte Gefion das Land, und gab demselben einen Namen, und nannte es Sälunde. Und da, wo das Land herausgehoben[247] war, war nachher Wasser. Dieß ist itzo der große See in Schweden. Und er macht eben solche Buchten, als Sälunde Erdzungen.«

Da haben wir also den drolligten Ursprung der Insel Seeland, den Dalin so ernsthaft in seine Geschichte aufgenommen, und mit neuen Hypothesen zu verschönern gewußt hat.

Ich will noch eine Stelle aus der Hernadardrapu anführen, wo der Name Seelund vorkömmt, und dann genug von dieser Materie!


Knutr var ad Himnum

Hyggek aet at frett

Haralds i her

Hug vel duga

Let lygotu

Lid sudan or Nid

Olafur jofur

Arsael fare. –

Thurdu nordan

Namst that med Gram

Til slets svaler

Silunr kylir

Ena med annan

Onundur Donum

A heuder at ha

Her saenskan fer.


d.i. »Knud (der Große) focht tapfer unterm Himmel. Haralds Geschlecht hat es erfahren. Olafur (König Oluf) der Brave, durchschnitt mit seiner Flotte das Meer, und ließ den östlichen Fluß Nid hinter sich. – Die nordischen Schiffe wagten es unter ihrem Könige auf die Ebene Silunr (Seelands) zu stoßen: aber eine andere Flotte, unter Anführung des Onundur, focht gegen die Dänen.«

13. Rauhen hüglichten Altar.] Die Structur der Altäre ist verschiedentlich. Größtentheils bestehen sie aus einem Erdhügel, auf dessen Gipfel drey Steine von ausnehmender Größe einen vierten, der etwas breiter und flacher ist, stützen, so daß das Ganze wie ein Tisch auf drey Füßen anzusehen ist. Unter diesen drey Steinen findet sich eine senkrechte Hölung in den Hügel hinein, zuweilen[248] ganz offen, zuweilen mit Erde und kleinern Steinen verschüttet, wohin das Blut der Schlachtopfer abfließen mußte. Gemeiniglich trifft man daselbst Feuersteine an: es war nämlich unerlaubt, zum Brandopfer anderes Feuer zu brauchen, als was man durch Hülfe des Feuersteins hervorbrachte. An einigen Orten findet man Altäre, die mit einem gewissen Pompe aufgeführt worden, und sowol unten am Fuße des Hügels, als um den Gipfel herum, einen Kranz von großen Steinen haben. Selten sieht man einen Altar allein; gemeiniglich sind ihrer drey bey einander, welche alsdann Altäre der drey obersten Götter bedeuten. Wo nur ein einziger ist, wie z.E. der bey Sandholm, an der Landstraße von Blauströd nach Hirschholm, in einer romantischen Gegend von Seeland, da ist mehrentheils auch ein Grabmaal, und war derselbe zu einem jährlichen Brandopfer zum Andenken des Verstorbenen bestimmt. Der große Altar in der Gegend des Dorfs Birke hat etwas besonders. Er steht in einem mit großen Steinen verschränkten länglichten Viereck, und hat zween andere Hügel zur Seiten, deren Fuß mit einem ansehnlichen Steinkranze umgeben ist. Der mittlere Hügel oder Altar trägt drey erstaunlich große Steine, auf denen ein vierter noch größerer ruht. Unweit desselben erblickt man noch einen Hügel, unter welchem Langbeen Riese begraben seyn soll, und der einen sechzig Schritt langen und zwölf Schritt breiten Platz mit 56 ungeheuren Steinen einschließt. Wenn man auf diesen Hügel stößt, so vernimmt man einen Hall, woraus sich schließen läßt, daß er inwendig einen ausgemauerten Raum haben müsse. Worm. Mon. Dan. p. 17.

Die Opfer bestanden aus Thieren allerley Art, welche vorher wohl gemästet wurden, weil man glaubte, die Götter, Helden oder Freunde, denen man opferte, würden mit dem Rauchdampfe und dem Blute des Opferviehes, womit man alle Wände bestrich, schon vorlieb nehmen, und so klug war, das gebratene Opfer unter dem Rundtrunke des Minde-Bechers, wenn es für einen Freund war, oder[249] des Brage-Bechers, wenn es für einen Gott, König oder Helden geschah, selbst zu verzehren. Zuweilen trank man sich auch das Opferblut zu. Snorro Sturlesons Chronik im Leben König Adelstans, imgl. Worm. l.c.p. 28.

Wenn die Feyerlichkeiten bey dem Begräbnisse vorbey waren, wurde ein Hügel oder kleiner Berg von Erde und Steinen zusammengetragen, dergleichen die Dänen und Angeln in England eingeführt haben, wo sie barrows genannt werden. Die schlechtesten sind rund und kegelförmig von bloßer Erde aufgeführt; die nur einen einfachen Steinkranz um ihren Fuß haben, sind den Generals und andern angesehenen Männern gewidmet gewesen, so wie jene bloßen Soldaten und Athleten bestimmt waren. Mit der Zeit fing man an, den Vornehmern prächtigere Grabhügel aufzuwerfen: man richtete nicht blos große ausgehauene Steine mit runischen Inschriften auf, sondern schloß auch außer den Steinen, die um die Basis und Spitze herumgingen, das Ganze in einen viereckigen Platz ein, der mit größeren Steinen umgeben wurde. Noch andere sind von ovaler Rundung, und haben an den beyden ausspringenden Ecken des Steinkranzes einen Stein von vorragender Größe. Der Hügel ist alsdann gemeiniglich ein Altar, und scheint ein Familien-Grab anzudeuten, wesfalls auf solchen Altären auch die Opfer geschahen, die für die Sicherheit und das allgemeine Beste des Landes veranstaltet wurden.

Anstatt der Steine sind auch einige Grabhügel mit Bäumen von verschiedener Anordnung umkränzt, welche den Königen in den spätern Jahrhunderten bestimmt gewesen. Von dieser Art ist das schöne Grabmal K. Hotters in dem Dorfe Horleff oder Hottersleff, das von ihm den Namen hat. Worm. l.c.p. 33 sqq.

Ueber die drey Perioden der Grabmäler Roisold, (oder Brunold) das Alter der Verbrennung, wohin der Periode unsers Skalden gehört, Hoigold, das Alter der Hügel, oder vielmehr Leichname, (denn das erste Alter war[250] auch ein Alter der Hügel) und Christendomsold werden Sie Pontoppidans Atlas nachlesen.

14. Alfen.] Dithmar glaubt, daß das Wort Alcis, das beym Tacitus vorkömmt, von Alf, Alp, Elp herzuleiten sey. Dithmar ad Tacit. Germ. c. 43. p. 234.

Sa er thar stadr er kalladr er Alfheim thar bygfer folk that er Liosalfar heita. Enn Dauckalfar bua nithan undir jorthu ok ero their olikr synum ok enn olikari reyndum. Liosalfar ero huitari en sol synum. Enn Dauckalfar svartari en bik.

d.i. »So giebts auch eine Stadt, Alfheim genannt, da wohnen die, welche Liosalfar (Licht-Alfen) heißen. Und Daukalfar (Finsterniß-Alfen) wohnen unter der Erde, und ihre Gestalt ist von jenen verschieden, ihre Gemüthsart aber noch verschiedener. Liosalfar sind weißer, als Sonnenschein. Und Daukalfar schwärzer, als Pech.« Edd. 2.

Da die Alfen gemeiniglich als Geister von weiblichem Geschlecht, und in eben den Beschäfftigungen, wie die Nornen, Disen und Valkyriur ein geführt werden, so könnte man sie leicht mit den letztern verwechseln. Stephanius beklagt, daß Saxo, aus einer falschen Delicatesse, die vortrefflichen Fragmente, deren er sich bediente, nicht lieber in Original, als in seinen lateinischen Uebersetzungen, aufgehoben, weil wir alsdann von den Alfen, Thussen, Duergen, Draugen, und Vanen viel bestimmtere Begriffe haben würden. Ich gebe ihm völligen Beyfall.

Hiebey fällt mir ein, daß eben der Dualen, den ich in meiner dritten Anmerkung zu dem Geschlechte der Zwerge gerechnet habe, auch als eine Alfe, und als ein Runen-Goetz vorkomme.


Runar muntu kunna oc radna staffe

Miog störa staffe miog stimia staffe

Thaer som giordu Ginreigen

Oc faede Fimbulthurur

Oc reist Hroptur Rogna

Med Asum, enn fyror Alfum Dualenn[251]

Daen oc Duergum fyrer

Asvidur Jotnum fyrer

Eg reist sialfur sumar.


d.i. »Du verstehst dich auf Runen und Buchstaben, große Buchstaben, und mächtige Buchstaben, welche das Geschlecht der Götter gemacht, und der Greis Fimbul verbessert hat. Unter den Göttern hat Odin Runen gegraben, unter den Alfen Dualen, unter den Zwergen Daen, unter den Riesen Asvidur; und ich selbst habe einige gerissen (oder gezeichnet).«

Die Namen der Valkyriur oder weiblichen Alfen, die im Liede des zweyten Gesanges vorkommen, sind im Grimnismal ohne weitere Charakteristik enthalten:


Hrist ok Mist vil ek

At mer horn beri

Skeggiold ok Skogul

Hilldr ok Thrudr

Hlokk ok Herfiotur

Gaull ok Geira Hod

Ranngrid ok Radgrid

Ok Reginleif

Thaer bera Einherium ol.


d.i. »Ich will, daß Hrist und Mist mir das Trinkhorn reichen; Skeggiold und Skogul, Hilldr und Thrudr, Hlokk und Herfiotur, Gaull und Geira, Hod, Ranngrid und Radgrid und Reginleif reichen dort das Getränk der Einherium (abgeschiedenen Helden).«

Die Alfen wurden auch als Schutzgeister und Führer der Sterne angebetet. Cleffel. Ant. Germ. p. 474. Aus diesem Grunde wird im dritten Gesangs unsers Skalden der Sonne ein Führer beygelegt, der die Jahreszeiten abschneidet.

Zu ihnen gehören ferner die vielen Genien, die man auf den Innschriften beym Reinesius und andern findet z.E. Genio Avernorum, Genio municipii Antik, Genio municipii Segusimi, Genio Noricorum, Genio pagi Tigor, Genio Lugdunensi, Genio fontis Aginees etc.

Thor machte sich zuweilen eine Beschäfftigung damit, die schwarzen Alfen mit dem Donnerhammer zu zermalmen,[252] und mit Platzregen zu peitschen. Man brauchte daher bey Ungewittern die Behutsamkeit, daß man sich hurtig von den Bäumen oder anderm Obdach, wo die Alfen sich aufhalten könnten, hinweg und ins Freye verfügte, damit Thor nicht etwa einen Fehlschlag thäte, und auf den unrechten Fleck träfe. Verel. ad Hervar. Sag. p. 35.

Die weiblichen Alfen verstanden die Kunst, vermittelst des Gesanges Tempel in den Haynen, Gebirgen und Hölen zu erbauen, wo sie in Orakeln redeten, und die feyerlichen Gelübde annahmen. Sie heißen auch zuweilen Skop von skopur, die Schöpfung.

15. Goldharf.] Besser Mundharp, die Erinnerungsharfe, wovon auch die lyrische Poesie den Namen Mundstringar mar, das Meer der Gedächtniß-Region genannt wird, weil sie sich damit beschäfftigte, das Andenken verdienter Männer zu verewigen.

16. Frö der Gerechte.] Frotho der Große, der zur Zeit der Geburt Christi regierte, hatte unter andern das Gesetz gegeben, daß alle Streitigkeiten durchs Schwert entschieden werden sollten. Saxo. l.V.

Daß der Name Frö oder Frey mit dem Namen Frotho oft verwechselt werde, erhellt aus Olafur Tryggesons Saga.

Eg sagda ydr fyrr at Frey var kendr fridr sa hinn mikli er i Svithiod var um hans daga. Enn Danir kendu thann frid Froda konungi er fyrir Danmork ok kolludu their that Frodafrid.

d.i. »Ich habe euch schon gesagt, daß Frey der große Friede zugeschrieben wird, der zur Zeit seiner Regierung in Schweden blühte. Und die Dänen haben diesen Frieden dem Könige Frotho, der über Dännemark herrschte, beygemessen, und nannten ihn Frothons Frieden.«

17. Der Hahn Valholls.]


Gol um Asom

Gullinkambi

Sa vekr haultha at hiarar

At heria faudrs[253]

Enn annar gol

Fyr iord nethan

Sotraudur hani

At saulom heliar.


d.i. »Es krähte bey den Göttern der mit dem goldenen Kamme. So weckt er die Männer zun Waffen unter dem Vater der Heere. Und der andere krähte unten auf der Erde, der gelbe Hahn in den Wohnungen Heliars.« Voluspa.

Daß auch der Kriegsgott des griechischen Olympus das Gallicinium, wiewohl zu einem verschiedenen Gebrauche, zu nutzen gewußt, lehrt uns der glaubwürdige Schuster Micyllus in folgender erbaulichen Geschichte:

Ἤκουσά τι καὶ πάλαι τοιοῦτον ἀμέλει περὶ ὑμῶν, ὡς ἀλεκτρυών τις νεανίσκος, φίλος γένοιτο τώ Ἄρει, καὶ συμπίνοι τω ϑεω, συγκωμάζοι, καὶ κοινωνοίη τῶν ερωτικῶν. ὁπότε γοῦν ἀπίοι παρὰ τὴν Ἀφροδίτην μοιχεύσων ὁ Ἄρης, επάγεσϑαι καὶ τον ἀλεκτρυόνα. καὶ επειδήπερ μάλιστα τόν ἥλιον ὑφεωρατο, μὴ κατιοδὼν, εξείπη προς τον Ἥφαιστον, εξω προς ταις ϑύραις ἀπολείπειν ἀεὶ τον νεανίσκοήν μηνάσοντα ὁπότε φαίνοι ὁ ἥλιος. είτά ποτε κατακοιμηϑηναι μὲν τον ἀλεκτρυόνα, καὶ προδοῦναι τὴν φρουρὰν ἄκοντα. τόνδε ἥλιον λαϑόντα, επισιηναι τη Ἀφδοδίτη, καὶ τω Ἄρει ἀφρόντιδι ἀναπαυομένῳ, διὰ το πιστεύειν τον ἀλεκτρυόνα μηνῦσαι ἂν, εἴ τις επίοι. καὶ οὕτω τον Ἥφαιστον παῤ ἡλίου μαϑόντα, συλλαβειν αυτους, περιβάλοντα, καὶ σαγηνεύσαντα τοις ϑερμοις ἃ πάλαι μεμηχάνητο επ᾽ αυτούς, ἀφεϑήντα δὲ, τον Ἄρη ἀγανακτησαι κατὰ τοῦ αλεκτρυόνος, καὶ μεταβαλειν ἀυτόν εἰς τουτὶ το οπλοις, ὡς ἄντι τοῦ κράνους, τον λόφον εχειν επί τη κεφαλη, διὰ τοῦτο ὑμας (sc. αλεκτρυόνας) απολεγουμένους τω Ἄρει ὅτ᾽ ουδὲν οφελος. επειδὰν ἄισϑησϑε άνατέλλοντα τον ἥλιον προ πολλοῦ βοαν, επισημαινομένους τὴν ἀνατολὴν ἀυτοῦ.. Luc. Somn. s. Gall.

18. Geir.] Geir bedeutet sowol einen kurzen Speer, als ein Schwert. Brynthvara war ein Spieß, dessen[254] mit Eisen beschlagene und vierschneidigte Spitze zwey Ellen lang war, und einen kurzen Schaft hatte. Von diesem sowol, als einem dritten Spieße, finden Sie eine Abbildung beym Bartholin.

Das Wort Geir ist noch einer andern Ursache wegen merkwürdig. Die Germanen haben ihren Namen daher, weil sie mit dem kurzen Speer oder Wurfspieß bewaffnet waren, und von eben diesem Worte kömmt das französische Wort guerre. Cluver hat diese Abstammung in seiner Germ. ant. nicht gekannt, weil er sonst nicht bey dem Worte guerre stehen geblieben wäre. Resen. ad Volusp. str. 31. it. Anchersen de Solduriis, p. 58.

19. Mit Helmen angethan.] Die Ausrüstung zum Zweykampf bestand in einem Helme, einem Schilde, einem Schwerte und einem Speer. Der Herausgeforderte that den ersten Hieb oder Stoß, und nach dieser Ordnung ward das Gefecht fortgesetzt. Steph. ad. Sax. l. II.

Die Gesetze des Zweykampfs, die Frotho einführte, waren folgende: Es ward ein Kreis gezeichnet; wer aus diese den Fuß zurückzog, ward für überwunden erklärt. Der Kreis war mit Streu bedeckt. Der Zurückgetriebene mußte eine Strafe von zwey Mark löthigen Silbers erlegen. Wer in minder hitzigen Duellen zuerst Blut vergoß, war überwunden. Die Schranken des Kampf-Platzes waren von Holz oder andern dergleichen Materialien, und wurden Heslesteingur genannt. Der Sieger, wenn er seinen Feind getödtet hatte, war desselben Universal-Erbe. Doch war es an diesem Siege nicht genug, um zu beweisen, daß er eine gerechte Sache gehabt. So bald er seinen Mann erlegt hatte, ward ein grimmiger Stier herbeygeführt, den er mit einem einzigen Streiche zu Boden werfen mußte; sonst war es den Anverwandten des Erschlagenen erlaubt, zu appelliren. Der bekannte Skalde, Eigill Skallagrim, war ein großer Athlet von diesem Schlage. Die meisten Processe über Eigenthümer, Erbschaften, Morgengaben, etc. wurden durch den Zweykampf entschieden. Wer sich zu erscheinen weigerte, hatte seine Sache bereits[255] verlohren, und ward als ein erlegter Gegner angesehen. Worm. in monum. Dan. it. Arngrim. Jon. Rer. Island. l. I cap. 9. l. II. p. 134.

20. Fünfter Gesang.] Ich werde Ihnen wenig mehr zur Erläuterung dieses Gesanges sagen können, als was Sie schon wissen. Der ganze Detail desselben gründet sich gänzlich auf die Autorität der Voluspa, und es würde vergebens seyn, wenn ich mich bemühte, in die Oekonomie dieser Fabeln tiefere Blicke zu werfen, als Bartholin, der eine Erklärung derselben förmlich von sich ablehnte. Harum explanationem ne quis a me expectet. Vt enim impressa docti Islandi (Saemundi) mihi non satisfecit expositio, sic multo minus meas in obscurissima materia conjecturas aliis arrisuras praesumpserim.

Inzwischen werden Sie den Verlust einzelner Erläuterungen über einzelne Fabeln so sehr nicht bedauren, und sich an dem allgemeinen Inhalte dieser dithyrambischen Weissagung, der an sich deutlich genug ist, willig begnügen lassen. Der darinn besungene Zeitpunkt ist Ragnarockr oder die Dämmerung der Götter, das Ende ihres bisherigen Welt-Systems, ihr Untergang, und die Schöpfung neuer Welten und Himmel aus den Trümmern der alten. Eine sonderbare Erdichtung! Merken Sie zugleich, daß die Götter, denen dieser Untergang prophezeyet wird, keine andern, als die Asen, die Familien des Odin, sind, und daß Vidar oder Vidri, der hier der Sohn des Odin, vermuthlich wegen der Erbfolge, oder auch aus einer bloßen Verwechselung der Umstände, genannt wird, sonst aber unter dem Namen Alfadur bekannt ist – daß Vidri der Haupt-Held bey dieser großen Scene seyn, alle Feinde des Himmels erlegen, und nebst fünf andern Göttern, nämlich Val, Modo, Magnus, Balder und Höder, allein übrig bleiben soll, den neuen Himmel zu bewohnen. Was sagen Sie dazu? Ist meine obige Vermuthung von zwey verschiedenen Götter-Systemen, deren eins, meiner Meynung nach, älter als das andere war,[256] eine ganz seichte Chimäre? Sollte es wohl wahrscheinlich seyn, daß Odin oder seine Anhänger eine so nachtheilige Prophezeyung ausgestreuet hätten? Müssen wir nicht vielmehr glauben, daß die Freunde der ältern Religion des Alfadur, denen die abscheulichen Thaten des Odin und seines Gefolges ein Aergerniß waren, sich mit einer Hoffnung trösteten, die nur ihnen reizend und wichtig seyn konnte?

Ich hätte Lust, Ihnen die ganze Voluspa hier abzuschreiben, wenn sie nicht gar zu weitläuftig wäre; ich verweise Sie desfalls auf Schützens Lehrbegriff der A.D. und N. Völker vom Zustande der Seelen nach dem Tode überhaupt, und von dem Himmel und der Hölle insbesondere. Leipzig 1750, wo Sie dieselbe auf der 212. S. eingerückt finden.

Und nun, denke ich, habe ich Sie mit meiner Farrago und mit meinen Muthmaßungen lange genug aufgehalten. Ich erwarte nicht, Ihnen durchgehends Genüge gethan zu haben; ich wünsche blos, daß ich im Stande gewesen seyn möge, Ihre Aufmerksamkeit auf das zu sehr vernachläßigte Studium einer alten Fabel-Lehre, die in ihrer Art ganz einzig, und wo ich nicht sehr irre, der griechischen weit vorzuziehen ist, einigermaßen rege zu machen.

1

Wir haben Erlaubniß, eine Uebersetzung dieses Mspts unserer Sammlung einzuverleiben, welches nächstens geschehen wird.

D.S.

Quelle:
Heinrich Wilhelm Gerstenberg: Briefe über die Merkwürdigkeiten der Litteratur, Stuttgart 1890, S. 232-257.
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