Vom kleinen Michel

[57] Unser kleine Michel

Wollte mal regieren:

Hatte er kein Land nicht,

Konnt er nicht regieren!

Nahm seine Mutter ein Faß voll Sand,

Setzt ihn drauf, hier hast du Land!

Faß voll Sand!

Hast du Land!

Allerunterthänigst!


Unser kleine Michel

Wollte mal regieren:

Hatte er kein Scepter nicht,[58]

Konnt er nicht regieren!

Nahm seine Mutter 'n Knotenstock:

Hau' nur immer um dich grob!

Knotenstock!

Nur recht grob!

Allerunterthänigst!


Unser kleine Michel

Wollte mal regieren:

Hatt' er keinen Unterthan,

Konnt er nicht regieren!

Trieb seine Mutter herbei die Schaf':

Hier ist Volk, getreu und brav!

Jedes Schaf

Treu und brav!

Allerunterthänigst!


Unser kleine Michel

Wollte mal regieren:

Hatt' er keine Krone nicht,

Konnt' er nicht regieren!

Nahm seine Mutter 'n Suppentopf,[59]

Stülpt ihn Micheln auf den Kopf;

Suppentopf

Auf den Kopf!

Allerunterthänigst!


Unser kleine Michel

Wollte mal regieren:

Hatt' er keinen Minister nicht,

Konnt' er nicht regieren!

Rief seine Mutter den Philax her,

Schnuppert der am Sande sehr;

Philax her,

Schnuppert sehr!

Allerunterthänigst!


Unser kleine Michel

Wollte mal regieren:

Hatt' er keinen Pfaffen nicht,

Konnt' er nicht regieren!

Rief seine Mutter den Kater Schwarz:[60]

Hier hast du 'was ganz Apart's!

Kater Schwarz,

Was Apart's!

Allerunterthänigst!


Unser kleine Michel

Wollte mal regieren:

Hatte er kein Geld nicht,

Konnt' er nicht regieren!

Nahm seine Mutter 'n Stempelbogen;

Hat er gleich die Schaf' betrogen!

Stempelbogen,

Schaf' betrogen!

Allerunterthänigst!


Unser kleine Michel

Wollte mal regieren:

Hatt' er keine Weisheit nicht,

Konnt' er nicht regieren!

Sagt seine Mutter ihm: Allerhöchst![61]

War er gleich an Gott zunächst.

Allerhöchst,

Gott zunächst!

Allerunterthänigst!


Unser kleine Michel

Wollte mal regieren:

Macht seine Mutter ihm den Spaß,

Daß er konnt' regieren!

Kam sein Vater mit der Knut';

Spielst zu frech, das thut nicht gut!

Nie regieren!

Nur pariren

Allerunterthänigst!

Quelle:
Adolf Glassbrenner: Verbotene Lieder, Bern 1844, S. 57-62.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Schlegel, Dorothea

Florentin

Florentin

Der junge Vagabund Florin kann dem Grafen Schwarzenberg während einer Jagd das Leben retten und begleitet ihn als Gast auf sein Schloß. Dort lernt er Juliane, die Tochter des Grafen, kennen, die aber ist mit Eduard von Usingen verlobt. Ob das gut geht?

134 Seiten, 7.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Biedermeier II. Sieben Erzählungen

Geschichten aus dem Biedermeier II. Sieben Erzählungen

Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Michael Holzinger hat für den zweiten Band sieben weitere Meistererzählungen ausgewählt.

432 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon