26. Der Löwe und der Stier

[85] Ein Löwe wurde wild.

Ha! wie er brüllt!

Rief's in dem Wald umher! Wehrlose Tiere nahmen

Die Flucht bei Zeiten, und entkamen;

Wehrhafte stellten sich in Haufen,

Zu stehn für einen Mann;

Der wilde Löwe kam gelaufen,

Und sah die Haufen an.


Was willst du? Fragt' ein Stier,

Wir nehmens auf mit dir!


Mit Einem Alle! spricht der Löwe zornig, gehet

Ihr all' in euren Stall;

Und laßt mir diesen Einen; sehet,

Das ist der Fall:

Er ist ein Held, er messe sich!
[85]

Hum! sprach der Stier, sein Diener!

Man wird durch gute Hilfe kühner;

Ich komm ihm nicht, er fräße mich!

Quelle:
Johann Wilhelm Ludwig Gleim: Ausgewählte Werke, Leipzig 1885, S. 85-86.
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