Sechszehntes Kapitel.

Von dem Wund- und Heilholz ([249] Fraxinus genannt), dessen wunderlicher Kraft

Alle Gewächse haben ihren Anfang und Wachsthum, ihre Vollkommenheit, und dann ihr Abnehmen und Ende der Wirkung. Daher muß man auch in Sammlung der Kräuter die Zeit wohl beobachten, denn weil die Sterne der Kräuter Mutter und Ernährerin sind, so muß man sie auch in der Zeit ihrer besten Kräfte sammeln, widrigenfalls sind sie unkräftig. Vor allen Dingen müssen die Kräuter in ihrer gewissen Zeit, bei ihrer rechten Reise und insonderheit an ihren gewissen Tagen allzeit des Morgens vor Sonnenaufgang mit Wurzel und allem, daß nichts davon abgeschnitten werde, gebrochen und ausgegraben werden, so haben sie die besten Kräfte. Solches erhellt auch an dem Wund- oder Heilholz, daß von dem Eschenbaum zu gewisser Zeit, nämlich im zunehmenden Mond, wenn der Baum voller Blätter und im vollen Saft ist, vor Sonnenaufgang, ich sage auf Johannistag, von unten hinauf muß gehauen oder geschnitten werden, alsdann behält er durch sein durchdringendes Salz seine große Harmoniam. Einige halten dafür, es soll mit einem Hieb in der ersten Stunde, wenn die Sonne in den Löwen[249] tritt (12. Juli); andere auf Petri oder auf eine andere Zeit, und von einem 9jährigen Knaben, der Johannes heißt, gegen Sonnenaufgang in Scheibchen abgesägt werden, welche Ceremonien aber nicht angenommen werden.

Ich habe gesagt vor Sonnenaufgang, denn wenn die Sonne herfürbricht, treibt sie die vom Thau in die Blätter eingesogene Feuchtigkeit einwärts und diese wird den Tag über durch die Röhre des Astes in die Tiefe gezogen. Warum aber möchte einer sagen, eben auf Johannistag? Gestalt Gott im alten Testament den abgöttischen Juden das Tagwählen verboten. Es sage mir Jemand, woher es kommt, daß die Eier, am grünen Donnerstag gelegt, wenn sie von einer Henne hernach ausgebrütet werden, Hühner geben, welche alle Jahr ihre Farbe an den Federn durch das Mausen verändern, also daß sie das erste Jahr kohlschwarz, das andere Jahr schloßweiß, bald weiß und schwarz oder eine andere Farbe an sich nehmen.

So ist ja Niemand verborgen, daß man ein jedes Kraut in seinen besten Kräften einsammeln und zum Nothfall bewahren soll, weil alle Kräuter durch die himmlischen Planeten regiert werden und bekommen nach dem Stand der Gestirne noch dazu eine absonderliche Kraft und edlere Wirkung als sonst. Will Jemand darüber lachen, warum man übersich hauen soll, so sage er mir die wunderbaren sympathischen oder magnetischen Wirkungen, daß wenn man den rothen Beifuß mit einem Messer von unten obenwärts[250] abschneidet, er die Monatflüsse stillt. Wird aber der Schnitt herabwärts gegen der Erde zu gethan, so befördert er denselbigen.

Wenn man einen Borsdörfer gegen die Blüthe zu schabt und ißt, so laxirt er. Schabt man ihn aber nach dem Stiel und ißt ihn, so stopft derselbe.

Wenn man die andere Rinde, nämlich die grüne Schale, des Hollunderbaums aufwärts abschabt und in einer Milch kocht, alsdann die durchgeseihte Milch trinkt, so treibt sie durch das Erbrechen schädliche Feuchtigkeiten ab. Schabt man sie aber unterwärts, so purgirt sie auch unterwärts.

Trägt eine Frau die große Klettenwurzel auf dem Haupt, so zieht sie die Mutter übersich; auf den Fußsohlen aber untersich. Also waltet zwischen beiden eine sonderbare Sympathie.

Wir wollen allhier von der wunderlichen Kraft, Wirkung und Tugend dieses Eschenholzes Meldung thun, zu Jedermanns merklichem Nutzen und Gebrauch, wie man solches in der That mit Dankbarkeit gegen Gottes Güte öfters befunden hat.

1) Wenn einem sein Haupt wehe thut, der bestreiche solches von vornen bis hinten gegen der Schulter und fahre mit Speichel oder Wasser hievon hernach, es hilft.

2) So einem die Nase blutet, die Nase mit diesem Holz überstrichen und mit frischem Wasser gewaschen, auch in derselben Hand das Holz erwarmen lassen, auf welcher Seite das Nasenloch[251] blutet, stillt es sich, wie es dann merklich ist, daß wenn einer sich Köpfe setzen lassen und man ihm ein Stücklein vom Eschenholz in beide Hände gibt, bei Erwärmung von dem Schröpfen kein Tröpflein Blut mehr fließen wird, bis man das Stücklein Holz hinwegwirft.

3) Wenn man den jungen Kindern anstatt der Wolfszähne ein Stücklein dieses edlen Holzes einfassen läßt und das Zahnfleisch unten wohl bestreicht, so bekommen sie Zähne ohne große Schmerzen.

4) Wenn einem Menschen die Zähne oder Füße wehe thun, so mache er einen Zahnstecher von diesem Holz und steche das Zahnfleisch über den Zähnen, wo ihm wehe ist, bis es blutet, es hilft. Oder thue die oberste Rinde hinweg, brenne das andere zu Asche, mache davon mit starkem Branntwein ein Pflaster und lege es auf den Schlaf der schmerzenden Seite. Ist eins von den besten und bewährtesten Mitteln vor das Zahnwehe.

5) Das Wasser von den Blättern distillirt, ist gut für böse Augen, wenn sie oft damit gewaschen werden, deßgleichen auch getrunken für die Nieren und Gelbsucht.

6) Einem Lungensüchtigen eine Messerspitze voll Sägmehl oder Sägspäne von Eschenholz mit Branntwein eingegeben, heilt die verletzte Lunge.

7) Wer das Podagra oder Zipperlein, wie auch die Rose oder Rothlauf hat, der bestreiche und reibe mit diesem Holz die Glieder fleißig[252] und sittig, auch mit dem Speichel, so lindert sich der Schmerz von Tag zu Tag. Oder schabe von dem Holz und binde es darauf. Flandrus hat in der zu London grausam wüthenden Pest das Salz aus dem Aschenbaum vor das einzige Experiment gehalten und befunden, welches er mit Ochsenzungen-, Scabiosen- oder Cardobenediktenwasser auf 11 oder 12 Gran, den Schweiß zu befördern, eingegeben. Das Eschenholz hat mit seinem durchdringenden Salz eine große Harmoniam, und so man ihm kleine Klettenwurzeln zusetzt, so mag keine größere Harmonia und Remedium seyn wider die Pestilenz, Franzosen, Aussatz, denn es ist ein lauter Harmoniacum in der Löschung des Gifts, die zum Herzen dringt. Zur rechten Zeit applicirt, wenn die Sonne ganz unter der Erde, in der Mitternacht am Hals getragen, daß es an der bloßen Haut das Herzgrüblein berühre, oder auch auf den Puls an den Armen gebunden, so constringiren und verschließen sie durch ihre spiritualische Kälte und Trockenheit die Dunstlöchlein der Arterien, daß, nächst Gott, keine Ansteckung hineindringen kann.

8) Wenn ein Mensch, er sey jung oder alt, die Ruhr oder Grimmen der Bärmutter hat und seinen Leib untersich mit solchem Holz bestreicht, alsdann mit dem Speichel darüber fährt, so stillt es dasselbe. Oder eingeschabt in einen Löffel, ein Quintlein mit Bier oder Wein eingenommen, hilft gleichfalls.

9) Heilt und stillt es die rothe Ruhr oder[253] Rothlauf am Menschen und allem Vieh und Pferden, wenn man solches einschabt, ein Quintlein eingibt und fleißig von oben bis unten, am Vieh aber von den vordern bis zu den hintern Füßen bestreicht und mit frischem Wasser darnach fährt, so hilft es am Menschen und Vieh, je öfter desto besser.

10) Wenn ein geschwollenes oder geschwundenes Glied gleichfalls mit diesem Holz und frischen Wasser gleich Anfangs des empfundenen Schmerzens und also bevor es schwürt, fleißig bestrichen wird, so hilft es. Ebenso auch, wenn ein kalter oder hitziger Fluß fällt, es sey wo es wolle, und mit diesem Holz bestrichen, wehrt auch dem hitzigen und kalten Brand.

11) Wenn einem Menschen ein Gewächs oder Ueberbein, ein Krebs oder Fistel wachsen wollte, so streiche man sich mit diesem edlen Wundholz und Speichel fleißig, lege oder binde davon ein Stücklein darauf oder schabe es davon, es hilft.

12) Wenn sichs ansehen läßt, daß einem ein Korn oder Buckel wachsen wollte, so komme man solchem damit zuvor, sobald man es spürt oder empfindet, es mit diesem Holz bestreichen und mit Speichel fleißig darüber fahren, es hilft. Kann man aber gebranntes Wasser von diesem Holz haben, so kann man alle Tage, Morgens und Abends 2 oder 3 Löffel voll zu trinken geben und anstatt des Speichels das gebrannte Wasser brauchen.

13) So einer gestochen oder gehauen wird, oder sich selbst verwundet, es habe einen Namen[254] wie es will, geschlagen, geworfen, gefallen oder gestoßen, es sey geschehen auf welche Weise es will: wenn man den Schaden alsbald mit diesem Holz bestreicht, mit frischem Wasser darüber fährt und die Waffen, womit man beschädigt worden ist, bestreicht, so heilt es ohne einigen Schmerzen, läßt auch keine Inflammation oder Geschwulst dazu schlagen. Daher wird es Wundholz genannt. Staricius sagt, daß wenn man eine Wunde, so weit voneinander steht, mit der innern Rinde dieses Holzes verbindet, so zieht es dieselbe so subtil zusammen, daß es ein Striemlein gibt, wie ein Faden, daß man nichts heften darf.

14) Wer hoch oder nieder fällt, der bestreiche alsbald den Schaden, die Glieder oder das geronnene Blut und netze sie mit frischem Wasser fleißig, darnach nehme er dergleichen Holz ein wenig oder viel und werfe es von dem Ort, wo er den Fall gethan dreimal nacheinander hinunter auf die Erde oder Boden, so schadet dieser Fall keinem nichts, sondern benimmt allen Schmerzen, und wenn es eingeschabt und getrocknet wird, so verzehrt es das geronnene Blut, wiewohl das bloße Ueberstreichen und mit kaltem Wasser waschen, die Schmerzen gleichfalls benimmt und das Blut zertheilt.

15) Die erfrornen Glieder mit diesem Holz überstrichen, werden wieder zurecht gebracht.

16) Die müdgelaufenen Glieder oder Beine mit diesem Holz fleißig bestrichen und mit diesem Wasser gewaschen, verlieren alle Müdigkeit,[255] zumal wenn der Ort bestrichen wird, wo man sich rehe gelaufen.

17) Wenn in Kriegszeiten solches Holz zu Pfeilen und Spießen gebraucht und dem Gegentheil einen Schlag damit gegeben wird, kann er seine Kunst, darauf er sich verläßt, zunichte machen und auflösen. Nicht vergeblich lobt Homerus den langen Spieß Achilles.

18) Wer aus dergleichen Geschirr ißt oder trinkt, der ist vor dem Gift versichert, ihm kann nicht vergeben werden.

19) Wenn ein Pferd vernagelt wird und hinkt, so lasse nur den Nagel wieder herausziehen und stecke ihn in das Holz, es wird gesund.

20) Wenn ein Pferd geschwöllt ist, bestreiche oder schabe von dem Holz darein, so hilft es. Es muß aber geschehen, ehe es schwürt.

21) Wenn ein Roß stätig ist oder fällt und kann nicht gehen, so nimm nur das Holz und schlage es damit, es läuft mit Gewalt wieder.

Die Schlangen fliehen und meiden den Schatten des Eschenbaums, er mag sich erstrecken so weit er will und zwar sogar, daß wenn man einen Ort auf dem Feld, wo ein Eschenbaum ist, mit Feuer umgibt, die Schlangen viel eher in die Flammen springen, als durch denselben Schatten kriechen. Plinius sagt, es sey eine große Antipathie zwischen der Schlange und diesem Baum. Des Aschenbaums Blättersaft soll insonderheit wider Gift dienen.

Vorhin am 7. Satz ist gesagt von der Wirkung gegen die Pestilenz, man nehme nur 6 Loth[256] der innern Rinde vom Eschenholzbaum mit 6 Loth weißem Wein, und gebe dem Kranken alle drei Stunden davon einen Trunk, innerhalb 24 Stunden ist er gesund. Ist also eine wunderliche und heilsame Arznei wider die Pest, sich davor zu präserviren und zu heilen, wahrhaftig und approbirt.

Quelle:
Glorez, Andreas: Des Mährischen Albertus Magnus, Andreas Glorez, Klostergeistlicher und Naturkundiger. Regensburg und Stadtamhof: 1700 [Nachdruck Freiburg am Breisgau 1979], S. 249-257.
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