An Frau von B. die ihn um einen Fasanen gebeten hatte

[153] Du hast vielleicht es längst vergessen,

Was ich seit Monden dir versprach;

Doch traue du dem Worte dessen,

Der nie sein Wort den Schönen brach.

Mir gab das Glück nicht eigne Jagden,

Ja nicht einmal Gelegenheit

Ein fremdes Wildrevier zu pachten,

Am wenigsten zum Jagen Zeit.

Was konnt' ich, Wort zu halten, wählen,

Ich, der am liebsten dir es hält?

Was blieb mir übrig, als: zu stehlen?

Für dich bestöhl' ich alle Welt!

Doch weil von zarterem Gewissen,[154]

(Das wir beim Jäger oft vermissen,)

Du selbst in diesem Punkte bist,

Und weil dein Mund sonst keinen Bissen

Von dem gebratnen Vogel ißt,

So wiß': ein Liebling von Dianen

Hat willig ihn für dich gemißt.

Dieß, hoff' ich, wird ja dem Fasanen

Den Weg zu deinem Munde bahnen;

Wo fänd' er besser auch sein Grab?

Hätt' eine Fürstin ihn hinab

Mit manchem falschen Zahn' geschlungen:

Da hätten Gläser nicht geklungen,

Kein Nachbar einen Kuß getauscht,

Kein Mund das Rheinweinlied gesungen;

Statt daß der Gast mit Ohr und Herzen

Auf Töne deiner Kehl' itzt lauscht,

Ja selbst, bei deines Mundes Scherzen,

Beinah die Weisheit sich berauscht.

Quelle:
Leopold Friedrich Günther von Goeckingk: Gedichte. Teil 1–4, Teil 2, Frankfurt a.M. 1821, S. 153-155.
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