Die drei Schwiegersöhne

Vor etwa zwanzig Jahren lebte

Ein Kaufmann zu Berlin, der, nach des Vaters Rath,

Im zehnten Jahre schon nach Geld, statt Weisheit, strebte,

Und, als er sechzig war, das nemliche noch that.

Genossen hatt' er freilich von dem Leben

Sehr wenig, oder nichts; doch lagen auch davor

In seinem Pult' zehn tausend Friedrichsd'or.

Ein schönes Geld! doch hätt' ich Thor[211]

Mein bischen Fröhlichkeit ihm nicht dafür gegeben.

Wie schon gesagt: Er war itzt sechzig alt;

Nun wollt' er auch das Leben recht genießen.

Er gab die Handlung auf; drei Töchter waren bald

An Mann gebracht; denn jedem Schwiegersohn'

Den sauren Kelch des Ehstands zu versüßen,

Beglänzten funfzehn tausend Thaler schon

Des Alten Pult; dabei bedung er aus,

Was wohl für diesen Preis ein jeder billig fände,

Ihn Reih herum zu speisen bis ans Ende.

Vorbei ist kaum der letzte Hochzeitsschmaus,

So schlägt der Alte fröhlich in die Hände,

Dankt Gott, und schleicht sich in sein kleines Haus.

Im Anfang' ging das Ding nach Herzens Wunsch!

Man füttert ihn mit Leckerbissen,

Füllt seinen Becher bald mit Bischof, bald mit Punsch,

Und wärmet seines Lehnstuhls Kissen.[212]

O! rief er einst, wie glücklich ich nicht bin!

Wozu soll ich noch Geld besitzen?

Nein! mehr als mir kann's meinen Kindern nützen!

Gleich gab er auch den Rest noch hin.

Doch, Undank ist der Menschen Lohn.

Denn ehe noch ein Jahr vergangen,

War schon der beste Schwiegersohn

Werth, (sprach der Alte,) ihn zu hangen.

Zum Glücke hatt' er einen Freund,

Wie ihrer wenig nur es gibet hier zu Lande,

Zu diesem ging er hin, und weint'

Und klagte seine Noth. »Ach! wärest du im Stande

Auf Einen Tag zehn Tausend Thaler mir

Zu borgen, und ein Hundert ganz zu schenken,

Die letzte Freude dankt' ich dir.«

Und ohne lang sich zu bedenken,

Holt jener so viel Gold, und spricht mit Thränen: Hier![213]

Der Alte bat darauf zu einem Schmaus

Die Schwiegersöhn' und Töchter in sein Haus.

Sie aßen das Confect, und tranken den Burgunder

Von dem Geschenk' der hundert Thaler aus;

Doch nahm's die Herren mächtig wunder,

(Denn seinen Beutel hielt nicht Einer für gesunder,

Als in der That der Hecticus auch war;)

Als aber unterm Essen gar

Sein alter Freund durch ein Billet ihn bat,

Zehn Tausend Thaler ihm, wo möglich, vorzuschießen,

Und unser Alter ging, den Kasten aufzuschließen,

Und Gold auf Gold in einen Beutel that,

Da ließen sich die Herrn der Mühe nicht verdrießen,

Durch leckre Kost und Schmeicheleyn,

Des Alters Bitterkeit ihm willig zu versüßen,

Ja neidisch selbst auf seine Gunst zu seyn.

Er starb, und ward mit großer Pracht,

Wiewohl auf Vorschuß nur, begraben.[214]

Nach einem Monat ward der Kasten aufgemacht.

Was sie darin gefunden haben?

Dieß Zettelchen: Wer alles was er hat,

Den Kindern gibt, wird endlich kaum noch satt

Sich essen, und den Durst kaum löschen können;

Denn außer einem Sarg' wird man ihm nichts mehr gönnen.

Quelle:
Leopold Friedrich Günther von Goeckingk: Gedichte. Teil 1–4, Teil 3, Frankfurt a.M. 1821, S. 209-215.
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