An sein Reitpferd

[107] Mein treuer Hengst! du weißt, ich liebe dich;

Du sollst auch alt in meinem Stalle sterben;

Du weißt, nicht Zorn, nicht Wettlauf reitzte mich,

Mit deinem Blut' die Sporen roth zu färben.

Ich will nicht reich durch deine Füße werden,

Mehr bist du mir als Gold der Wetten werth,

Und warest doch von allen schnellen Pferden

In Newmarket das allerschnellste Pferd!

Ach! gutes Thier, was sind fünf tausend Pfund,

Die so geschwind dein leichter Huf errennet?

Mich machten sie nicht glücklich, nicht gesund,

Mich Kranken, der ein einzig Gut nur kennet.[108]

Dieß ist das Ziel, zu dem wir heute fliegen,

Und dieses Ziel, mein Alles in der Welt;

Der Ruhm, o Roß! hat dich gelehrt zu siegen,

Die Liebe lehrt allein, wie man gefällt.

Kein Wasser sey zu tief, schwimm du hinüber,

Kein Schlagbaum sey zu hoch, kein Steg zu schmal,

Kein Graben dir zu breit, spring rasch darüber,

Sey nirgend, Roß! und sey doch überall!

Sieh auf, mein Pferd! auf halbem Wege schreitet

Die Sonne schon, doch eh' ihr letzter Schein

Noch Purpurfarb' auf mein Gesicht verbreitet,

Muß ich im Arm' von meinem Nantchen seyn.

Nun biege dich, und nimm geschwind mich auf!

Rasch! tummle dich! dieß Ziel noch zu erreichen.

Wie wird sie dir, zum Preis für deinen Lauf,

Den Schwanenhals mit sanften Händen streichen!

Quelle:
Leopold Friedrich Günther von Goeckingk: Gedichte. Teil 1–4, Teil 3, Frankfurt a.M. 1821, S. 107-109.
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