1777

3/544.


An Charlotte von Stein

Gestern Abend ist mir's noch sehr dumm worden. Ich habs Hufelanden gemeldet, und was eingenommen. Werde zu Haus bleiben. auch schweerlich zur Redoute kommen.

Dancke für Ihr Wort gestern Nacht. Ich soll wohl mit den Menschen spür ich sobald noch nicht auseinander kommen. Grüsen Sie die Herzoginn. Ich weis doch allein wie lieb ich euch habe.

G. [Weimar] d. 3. Jan. 76. [77.][127]


3/545.


An Charlotte von Stein

Dancke für die Magenstärckung und Stärckung im Glauben. Die Farbe ist wohl recht nur muss man sehn wie sich zu Nacht ausnimmt und dass sie recht gleich gefärbt wird. Heut hab ich in der Schwachheit meiner Sinne den ersten Ackt verfertigt. Addio. beste. Grüsen Sie den Freund Oger.

[Weimar] d. 3. Dez. 76. [3. Jan. 77.]

G.

Darf ich Sie bitten auf der Redoute dies Band mir zum Gedächtniss zu tragen.[128]


3/545a.


An Friedrich Hildebrand von Einsiedel

[November? 1776.]

Zwar gesättigt bin ich aber ich bin in Weines Noth und auch denen theatralischen Eselskinbacken mit denen man wohl Philister todtschlägt springt der edle Quell nicht. Schicke mir aber was altes denn eure neuen Weine hass ich wie die neue Literatur.

G.[355]


3/546.


An Charlotte von Stein

Indeß Sie lustig waren, war ich fleißig, hier haben Sie ein Stück. Ich bin wieder ganz leidlich komme wohl heute zu Ihnen. Leben Sie froh bis dahin. [Weimar] d. 4. Jan. 77.

Goethe.


3/547.


An Johann Heinrich Merck

Schicke dir abermal zwanzig Carolin benachrichtige mich doch von der Ankunft der ersten Transports1[128] und schick mir eine Rechnung, was ich dir überhaupt noch schuldig bin; ich mögte nach und nach Richtigkeit pflegen. Ich lebe immer in der tollen Welt, und bin sehr in mich zurückgezogen. Es ist ein wunderbaar Ding ums Regiment dieser Welt, so einen politisch moralischen Grindkopf nur halbe weege zu säubern und in Ordnung zu halten. Lebwohl, grüs deine Frau. [Weimar] d. 5. Jan. 77.


1 er ging hier d. 9. Dez. 76 ab mit 44 St. Louisdor und etwas Silbergeld.


3/548.


An Adam Friedrich Oeser

Wir wollen der Herzoginn Louise auf Ihren Geburtstag auf unsern Brettern ein neu Stück geben und bedürfen dazu eines hintersten Vorhanges zum Wald. Wir mögten auf diesem Prospeckt gern eine herrliche Gegend vorstellen mit Haynen Teichen, wenigen Architeckturstücken pp. denn es soll einen Parck bedeuten. Hätten Sie so was vorräthig so schicken Sies doch aber mit nächster Post, allenfalls ein Kupfer von Poussin, oder sonst eine Idee, wir bitten recht sehr drum. Sie haben erinnr ich mich so was auf einem Vorhang in Leipzig. Die Büste kriegen Sie ehstens. Ihr Andencken ist lebendig unter uns. Herzoginn Louise hat mir Vorwürfe gemacht dass ich Sie nicht zu ihr gebracht habe, also müssen Sie bald wiederkommen das gut zu machen. Addio ist Ihnen[129] nichts weiter von meiner Gottheit offenbaart worden?

[Weimar] d. 7. Jan. 77.

Goethe.


3/549.


An Johann Kaspar Lavater

Ich habe zwey Packete von dir erhalten, dazwischen eine Lücke war, das erste enthielt Revision und ist fort. Das andere geht an pag. 39 mit dem dritten Fragment. Du schreibst du hättest etwas grad nach Leipzig also wirds wohl richtig seyn, bey mir ists iezzo bis pag. 72. Diomed und Ulysses soll nicht aufgehalten werden. Es sind herrliche Sachen drinne die mir wohlgemacht haben. Wenn mir nur nicht der Lavaterianismus: das Hezzen, Trümfe drauf sezzen, Schimpfen, Ängstlichkeit, mit Wolcken fechten, mir gleich wieder den guten Eindruck verschunden hätten.

Ausgestrichen hab ich die Anzeige was von mir sey, ich weis gar nicht was es bedeuten soll. Mit der Dedication mags fortgehen, die ist nun schon gedruckt, verspaarts biss auf den vierten etwa – In meinem iezzigen Leben weichen alle entfernte Freunde in Nebel, es mag so lang währen als es will so hab ich doch ein Musterstückgen des bunten treibens der Welt recht herzlich mit genossen. Verdruss Hoffnung, Liebe, Arbeit, Noth, Abenteuer Langeweile, Hass, Albernheiten, Thorheit, Freude, Erwartetes und[130] Unversehnes, flaches und tiefes, wie die Würfel fallen, mit Festen Tänzen, Schellen, Seide und Flitter ausstaffirt es ist eine treffliche Wirthschaft. Und bey dem Allen lieber Bruder Gott sey Danck in mir, und in meinen wahren Entzwecken ganz glücklich. Ich habe keine Wünsche als die ich würcklich mit schönem Wanderschritt mir entgegen kommen sehe. Es ist dein Schicksal daß ich an dir diese Freude nicht erleben soll. Leb wohl grüs alles. Vor Weimar im Garten. d. 8. Jan. 77.

G.


Dein Durst nach Crist. hat mich gejammert. Du bist übler dran als wir Heiden ins erscheinen doch in der Noth unsre Götter.


3/550.


An Charlotte von Stein

Wie haben Sie geschlafen Liebe Frau. Ich recht wohl. befinde mich auch munter und gut, ich schreib's Ihnen weil ich weis dass es Ihnen lieb ist. Gestern hat mich ein einzig Gefühl gefreut, dass ich auf künftigen Sommer viel für Sie zeichnen werde. Addio. Grüsen Sie Steinen.

[Weimar] d. 8. Jan. 77.

G.[131]


3/551.


An Philipp Erasmus Reich

Hier die Fortsezzung iezt ist nichts weiter in meinen Händen. Die Dedication bleibt an den Landgrafen von Hessen Homburg. Wegen Lenzen bitte ich Sie zu verfahren als wenn ich gar nicht existirte, wie ich auch an der ganzen Sache keinen Antheil habe, auch keinen dran nehme.

[Weimar] 13. Jan. 77.

G.


3/552.


An Charlotte von Stein

[Weimar.]

Hier liebe Frau das von Zimmermann, ich habe heute die Haut voll zu thun. Und also nur einen guten Morgen. Gestern Abend war's um sich dem Teufel zu ergeben. Etcetera Amen.

G.


3/553.


An Charlotte von Stein

[Weimar, 2.? Februar 1777.]

Hab ich doch wieder eine Puppe womit ich spielen kann. Eine Hoffnung für Sie! – Wir waren Heut all auf der Sattelkammer. Der Baukontrolleur hat den Auftag es aufzunehmen und ich sinne schon auf Einrichtungen davon nur einige nicht recht gehen wollen. Leben Sie wohl. Und Sie kommen!![132]


3/554.


An Friedrich Justin Bertuch

[Weimar, Anfang Februar 1777.]

Ich muß den ersten Musicis auch ein Douceur für ihre Bearbeitung machen. Ingleichen dem Stadtmusikus was geben. Dazu übersende Seckendorf 42 Thaler, er wird's austheilen. Auch gieb mir zwei Louisd'or für Aulhorn.


3/555.


An Charlotte von Stein

Ich hab heute einen schönen Tag gehabt und versucht wie's thut Sie nicht zu sehn. Dafür haben Sie denn zwey Gesandschafften des Tags, Morgens Blumen und Abends Würste. Philip wird mit der Kochinn Conferenz halten. Ich sizze an meinem einsamen Feuer und habe Sie sehr lieb. [Weimar] d. 4. Febr. 77.

G.


3/556.


An Jakob Friedrich von Fritsch

Wie stehts mit Ihro Excell. Gesundheit? Ich habe nur melden wollen: dass der Herzog auf die Vorstellung von seiner Idee abgegangen ist. Sie haben also die Güte auch weiter nichts von der Sache zu erwähnen. [Weimar] d. 9. Febr. 77.

Goethe.[133]


3/557.


An Charlotte von Stein

Aus Schnee und dichtem Nebel schick ich Ihnen ein Paar freundliche Blumen. Ich gehe in's Conseil sizzen, werde mit unter einen Augenblick bey Ihnen seyn, und vielleicht gar zu Ihnen kommen und um einen Bissen Nachtisch bitten. [Weimar] d. 11. Febr. 77.

G.


3/558.


An Charlotte von Stein

[Weimar, 15. und 16. Febr. 1777?]

Sonnabend früh 9 Uhr.

Ich lief um 12 von der Redoute, schlief ziemlich ruhig, stand aber nicht mit ganz freyem Herzen auf. Ein Zettel von Thusnelda machte mich lachen, es wollte noch nicht recht. Da fand ich eine alte Schottische Ballade die hat mich auf einmal munter gemacht als ich seit drey tagen nit was. Ich musst Ihnen schreiben, gönn Ihnen nun die Freud auf'm Land über die ich vor einer halben Stunde noch murrt. Adieu liebe Frau. Sontag früh. da ist doch noch das Zettelgen wenn Sie wieder kommen versprech ich Ihnen was zu lesen denn ich fürchte nicht dass Ihre Liebe auf dem Lande Launen kriegen wird, wie Louisens Spielgeist.[134]


3/559.


An Charlotte von Stein

[Weimar, 16. Februar 1777?]

Sonntag.

So haben Sie auch auf dem Lande keine Ruh vor unsrer Lieb und Thorheit, wie aber wenn einer statt des Zettelgens selbst gekommen wäre. Hätts auch vielleicht gethan, wenn ich nicht einen Pick auf mich hätte dass ich Sie so lieb habe. Es werden hier im Stillen sehr politische Lieder gesungen. Gestern schrieb ich ein Zettelgen an Sie das hab ich verlegt – Es ergeben sich allerlei Lust, und noch mehr Erderscheinungen, die mögen verschwinden wie sie entstanden sind. Aber ich weis was das keine Erscheinung ist.


3/560.


An Charlotte von Stein

Guten Morgen liebste Frau. Hier ist alles wieder was ich von Ihnen seit einigen Tagen gehört habe. das trübe Wetter drückt mir heut allen Rauch in die Stube dass ich gar übel dran bin. Leben Sie wohl. [Weimar] d. 19. Febr. 77.

G.[135]


3/561.


An Johann Kaspar Lavater

Da hast du von dem herrlichen Lindau einige Blätter. Zimmermann schreibt mir er sey todt ich glaube kein Wort davon.

Deine Phisiognomick geht immer richtig durch meine Hände, ich kann nichts dafür thun als hie und da ausstreichen. Bey Raphael hab ich einen großen Schnitt gemacht, und mir selbst von einem Tag zum andern versprochen den Riss wieder auszufüllen es ging aber nicht.

Ich lebe ganz glücklich in anhaltendem Reiben und Treiben des Lebens, und bin stiller in mir als ie, schreibe niemanden, höre von niemanden, mich kümmert ausser meinem Kreis nun gar nichts.

Kaufmann ist wieder da, ich hab ihn nur einen Blick gesehn, er sizt bei Lynckern auf dem Gute.

Lindaus Petern erwart ich mit dem Frühjahr, ich will sehn ob's glückt was ich mit ihm vorhabe.

Herder ist wohl und vergnügt.

Leb wohl, grüs dein Wibele. Bäben und Kaysern.

Weimar d. 19. Febr. 77.

G.


Nachts in meinem Garten, in einem Warmen Stübgen da mir draussen über Schnee und hellen Mondenschein, Waldhörner übers Thal herüber blasen.[136]


3/562.


An Charlotte von Stein

Ich habe dem Herzog gerathen heute bey Ihnen zu essen. Er ist nicht in den besten Umständen, wenn Sie uns mögen kommen wir gegen 1. Machen Sie aber weitere keine Umstände. Hier schick alten Wein. Addio.

[Weimar] d. 20. Febr. 77.

G.


3/563.


An Johanna Fahlmer

Ihr Brief liebe Tante hat mir recht wohl in meiner verwirrten Einsamkeit gethan. Schreib sie mir irgend wenn's ihr wohl macht. Ich bin beschränckter als iemals, sizze im Schnee im Thal, und brüte über mir selbst, die bunte, dumme, und tolle Wirthschafft um mich fühl ich gar kaum. Sag sie der Frau Aya sie mag mir mit dem Frühjahr wieder Flaschen Alten Weins schicken. Der erste Transport ist kaum die Hälfte getrunken, ich halt ihn werth. Ihr sollt manchmal von mir hören. Adieu grüs sie die Mädels. Grüs sie Frizzen und lebt wohl. [Weimar] d. 21. Febr. 77.

G.


3/564.


An Charlotte von Stein

Dancke herzlich Liebes für das Essen ich habe nur auf den Abend aufgehoben, es sizzt was in mir weis[137] Gott was, ich seh die Sachen gar zu wunderbaar. Einmal wollt ich kommen zum zweyten Ackt will ich aber reiten. Ade. [Weimar] d. 1. Merz 77.

G.


3/565.


An Johann Kaspar Lavater

Mir ists leid dass ich dir über das Scheisgesicht Verdruss mache. Dein Brief kam zu spät. Indess denck ich ists nichts verlohren. du lässts unter den Kupfer Tafeln, man sagt hinten beym Avis au Relieur es solle nach Bachen gebunden werden und im folgenden theil sagt man ein Wort drüber. Lass mich's nur mit Reichen abmachen, die etwa zu entstehende Irrung wieder einzuleiten. Ich lebe in groser Verwirrung, indess giebt mir der Himmel dass ich pflanzen und bauen kann. d. 4. März 77. Weimar.

G.

Was du künftig schnell von Briefen an Reich haben willst, schick gerade an ihn.


3/566.


An Charlotte von Stein

Gestern hab ich mir lächerliche Gewalt angethan Sie nicht zu sehen, und muss nun probieren wie weit ich's heute bringen werde. Morgen gehen Sie! – der Stadthalter hat mich auch eingeladen, und nicht[138] begreifen können warum ich so eine Partie verbat. Addio. Hier schick ich Frizzen was. [Weimar] d. 6. März 1777.

G.


3/567.


An Charlotte von Stein

Dass ich doch auch mich angebe, der ich so offt über andrer Unglauben schelte, gesteh ich Ihnen, dass ich schon heut den ganzen Tag gedacht habe Sie würden weggehen ohne mir was zu sagen, Sie würden's gut seyn lassen, und f. w. und habe grosse Picks auf Sie gehabt. Wenn Sie nicht nach Hof gingen käm ich doch. Also solls so seyn. Adieu lieber Engel. [Weimar] d. 6. März 77.

G.


Verbitte künftig dass Sie mir nicht schreiben was Sie selbst nicht dencken, wie diesmal der Anfang Ihres Billets.


3/568.


An Johann Kaspar Lavater

Lieber Bruder deine Papiere gehn ziemlich ordentlich nach Leipzig, ich thue nichts dran, davon es nicht schlimmer wird. dein Fragment über Wolfen habe weggelassen. Es ging gar nicht. Es wäre hier[139] unendlich lächerlich geworden. Das Kupfer ist zwar wie der Kerl nie ist, doch giebt mich's Wunder dass du dadrinn das mancherley fatale nicht bemerckt hast. Mir dünckt wenn ich auch nichts von ihm gewust hätte hätt ich gesagt dass das wohl ein Virtuos nie aber ein Componist seyn könne. Die garstige Selbstgefälligkeit ohne Drang und Fülle und Dumpfheit.

Ich hatte gehofft mich würdest du herauslassen, da ich dich doch so höflich drum gebeten hatte, und du nicht einen leidlichen Zug von mir hast, indess da es ein Gericht ist das über manche ehrliche Kerls ergeht mags denn seyn.

Herder wird dir auch den Hals voll schelten über sein polirtes Milchgesicht, und den Colosonien Bliz des Fragments dazu.

Adieu. Behalt mich im Herzen. Mir gehts nach dem Rathschlusse der Götter, den ich in tiefer Ahndung ehre. Weimar d. 10. März 77.

G.


3/569.


An Charlotte von Stein

Hier bester Engel schick ich was, da ich nicht selbst kommen kann. Zu Tische gehts nach Tiefurt, heute Abend komme ich wenns auch spät wäre. das Glück des Lebens liegt dunckel auf mir. Addio. [Weimar] d. 10. März 77.

G.[140]


3/570.


An Charlotte von Stein

Wie der herrliche Morgen auf den gestrigen Nebel wohlthut, können Sie dencken. Und ich mögte nun wissen ob Sie das böse Kopfweh verlassen hat. Heut ist zwar Session ich hoffe aber doch um ein Uhr fertig zu seyn, denn es ist nicht viel. Und komme also. denn Nachmittag giebts wieder was zu thun. Abends hingegen sind die Grasaffen zum Feuerwerck eingeladen.

[Weimar] d. 11. Merz 77.

G.

Hier schick ich einen Beutel, beym vingt un an mich zu dencken.


3/571.


An Philipp Erasmus Reich

Hier übersende ich was von Phisiognomick in meinen Händen ist. Seyn Sie doch so gütig mir zu melden ob der neunte Abschnitt der mir fehlt in Ihren Händen ist, oder ob ich ihn noch aus der Schweiz zu erwarten habe. Weimar d. 11. Merz 1777.

Goethe.


3/572.


An Charlotte von Stein

Weil ich Sie schweerlich heute sehn werde, schick ich Ihnen einen freundlichen Blick auf die Ankunft[141] des Frühlings. Es wird eine Zeit seyn, wo dieser Dinge viel um mich herum blühen werden, heut ists wieder so ein kalter Tag, dass es fast unmöglich scheint. Addio bestes. [Weimar] d. 12. März 77.

G.


3/573.


An Charlotte von Stein

Verzeihen Sie dass ich schon wieder allerley Zeug schicke. Sie sehen daraus dass ich von der ältern Kirche bin, da man sich den Göttern ohne Gaben nicht zu nähern traute. Heut habe ich viel Arbeiter, und meinen Garten hält mich. darf ich diese Nacht mit Ihnen essen? Zum Mittage bitt ich mir durch Überbringen eine Wurst oder so etwas zu schicken.

[Weimar] d. 13. März 77.

G.


3/574.


An Charlotte von Stein

Ich esse mit dem Herzog auf dem Zimmer, wenn Sie aber zu Hause bleiben komm ich gleich nach Tische, ich hab grose Lust und Hofnung Sie zu zeichnen. Die grose Welt ist mir bekommen gestern wie dem Hunde das Gras. [Weimar] d. 14. Merz 77.

G.

Mein Auge ist viel besser.[142]


3/575.


An Charlotte von Stein

Dancke herzlich dass Sie sich meiner Auge annehmen wollen, sie sind immer in Einem wie gestern. Ich hätte viel drum gethan um gestern Abends mit Ihnen zu seyn, es war mir nicht sonderlich in meiner Einöde. Das Wetter ist wild. Zu Mittag werd ich wohl aus dem Conseil zu Ihnen flüchten. [Weimar] d. 15. März 77.

G.[143]


3/575a.


An Philipp Erasmus Reich

Sie melden mir daß der achte Abschnitt fehle. So viel ich weis, hab ich den 8 und 10 ten schon überschickt, der neunte fehlt mir aber, ist der in Ihren Händen so ist alles richtig.

[Weimar] d. 16. März 77.

Goethe.[10]


3/576.


An Charlotte von Stein

Nach der Mittags Stunde fangen die Maurer an, schicken Sie mir etwas das ich in Ihrem Nahmen in Grund legen kann. Meine Augen sind leidlich, der Zug aber in den Schenckeln und Seiten fatal. der Wind ist gar leidig, übrigens hab ich aufstehend allerhand Affereyen im Kopf gehabt. Wie sieht das Bild heute aus? und was macht das Original? [Weimar] d. 17. Merz 77.

G.


Dancke bester Engel fürs überschickte es soll wohlverwahrt in Grund kommen.

Wenn Sie zu Haus bleiben komm ich nach Tisch. Das will ich daraus abnehmen wenn Sie nicht wiederschicken. Gehn Sie aber aus oder käme iemand lassen Sie mir's nur vor 1 Uhr sagen, so bleib ich gar zu Hause.

G.[143]


3/577.


An Charlotte von Stein

[Weimar.]

Darf ich heute zu Tisch? ich muss bis nach 12 im Garten bleiben, gegen eins aber bin ich da. da kommt der Winter wieder, und mir ists als wollt ich ihn wohl noch einmal ausstehn. Kästnern muss meine Nachtigall aufzuheben geben.


3/578.


An Johanna Fahlmer

Sagen Sie doch der Mama ich bäte sie, mir, wenn die schöne Zeit kommt, wieder einige Krüge alten Wein zu schicken. Auch wär mirs sehr lieb wenn sie den Vater disponirte dass er mir ein Geschenck von ein Paar Ohm (nicht aus seinem Keller) machte. Es müsste so etwa ein 62 oder 66ger seyn, aber was extra feines, wenn man sich umthut muss man ihn wohl bey euch gut kriegen können.

Georg Jakobi war bey uns, ich hab ihn nur den lezten Abend bey Wieland gesehen. er ging ungerne weg.

Schreib sie mir doch wieder einmal Tängten! Mir ist so wohl und so manichfaltig dass nun kein Mensch mehr von mir hört. Weimar d. 19. März 77.

G.[144]


3/579.


An Charlotte von Stein

[Weimar.]

Wie die Götter mit mir stehen weis ich nicht, so viel weis ich: dass die Geistern Macht über mich gegeben haben, die denn in ihrem Streit mich treten und treiben. Heissen Sie die S. wegen der Schuld ruhig seyn. Ich wollt heut zu Ihnen essen, und hätte den Herzog mitgebracht. Musste aber bauen und pflanzen. Heut abend komm ich noch, wenn ich für Sie, leider nicht gebaut und gepflanzt nur gegrundrisst habe.

G.


3/580.


An Charlotte von Stein

[Weimar.]

Ich habe gleich einen Bissen abgepflückt und das schmeckt gut. Dancke dancke. Denn da ich die Uhr verlohr kam Wende, ich hatte sie vergessen und ich dachte er brächte mir was von Ihnen und da es die Uhr war ärgert ich mich. Also – und Amen! Wenn ich nur Componist wäre ich glaube diese Melodie würde mir am herrlichsten gerathen.

G.[145]


3/581.


An Charlotte von Stein

Hier hab ich ein Morgenbrod für Sie zusammengesucht von mancherley Gesichtern und Fingern. Zu Tische komm ich und hab gute Zeichnungs Hoffnung. Addio beste. [Weimar] d. 21. März 77.

G.


3/582.


An Charlotte von Stein

In dem Augenblick da ich das schreibe bin ich noch unschlüssig ob ich nicht zu Ihnen kommen soll. Doch ich will nach Ettersburg. Adieu. Lassen Sie Steinen sagen er mögte morgen gegen 9 Uhr in meinem Garten seyn ich hab ihm nothwendigs zu sagen. Gezeichnet hab ich wieder heut früh am alten Platz wenn mein Geist nicht um's Bild und um den Plaz wenn mein Geist nicht um's Bild und um den Plaz schwebt; so giebts weder Ahndungen noch Rückkehrende. Er ist um Sie mit leidlicher drolligkeit heute. [Weimar] d. 22. Merz 77.

G.


3/583.


An Charlotte von Stein

Wir reiten erst eilf Uhr weg, kommen also spät wieder, gern wär ich heut früh kommen, da hat mich ein bißgen Unglaube, und ein bißgen Wohlstand abgehalten. Addio Gold. Vom Ohr hat mirs geträumt. [Weimar] d. 23. März 77.

G.[146]


3/584.


An Charlotte von Stein

Ich hoffte heut früh in Ruh meine Ackten zu lesen, und dann bey Ihnen zu seyn und zu zeichnen. Nun komm ich aber drauf dass mir die Handwerksleute einen schweer zu verbessernden Fehler an meinem neuen Bau gemacht haben, das mir grosen Verdruss macht. Und ich muss zu Hause bleiben weil ich fürchte es wird immer dümmer. Hier das Portefeuille. Und den freundlichsten Guten Tag. [Weimar] d. Charfreytag [28. März] 77.

G.


3/585.


An Charlotte von Stein

Danck dass Sie mir am frühen morgen was in Einsamkeit schicken, gestern wär ich bald wieder zu Ihnen gelaufen. es war mir gar närrisch. Guten Tag und alles! Heut Abend seh ich Sie, wo die Schellen klingen. [Weimar] d. Ostertag [30. März] 77.

G.


3/586.


An Charlotte von Stein

[Weimar.]

Über Ihr Billet vergess ich alles. Hier sind noch Blumen die Sie gestern haben sollten hier ist ein Portefeuille dagegen ich mir mein groses ausbitte. Leben Sie wohl beste unveränderliche.

G.[147]


3/587.


An Charlotte von Stein

[Weimar.]

Bitte um meine Bücher, und ein Wort wie Sie geschlafen haben, mich hatte der unendliche Schlaff eingewindelt, dass ich in dumpfen Vergessen glücklich dalag, keine Verhältnisse des Tags mich im Traum plagten.


3/588.


An Philipp Erasmus Reich

Des achten Abschnitts viertes Fragment ist weggeblieben, dafür das folgende angerückt worden, nun möchte aber dieses in Absicht auf die Tafeln einige Anordnung verursachen. Die Kupfer sind assortirt und die LXste Tafel befindet sich drunter, nun dächt ich liesse man sie an ihrem Plaz, gäbe hinten in dem Avis an Buchbinder den Ort an wo sie hingebunden werden sollte, und verspräche das erläuternde Fragment für den folgenden Theil. Schreiben Sie mir gefällig Ihre Meynung darüber. d. 6. Apr. 77. Weimar.

Goethe.[148]


3/590.


An Charlotte von Stein

[Weimar, 20. April 1777.]

Es fällt mir aufeinmal ein zum Stadthalter zu reiten. Denn ich fühle nur zu sehr wie ich denen wenigen Menschen mit denen ich leben kann endlich zur einförmigen Last werden muss. Wenns möglich ist verschon ich Sie einige Tage mit meiner Gegenwart. Hier Herders Hohes Lied und ein paar neuere. Ich weis nicht ob Sie in der


da haben Sie mein gestriges und sehen wie die Menschen nicht können wie sie wollen. Sagen Sie mir wie's Ihnen ist, und bleiben Sie mir.

[Weimar] d. 21. Apr. 77.

G.[149]


3/591.


An Charlotte von Stein

[Weimar.]

Wenn heute Abend iemand zu Haus ist, so komm ich, les den Kindern ein Mährgen, Esse mit euch und ruhe an deinen Augen von mancherley aus. Indess Adieu liebe.


3/592.


An Charlotte von Stein

Liebste Frau was hab ich gestern in der Gegenwart, in dem Hause der schändlichen Creatur ausgestanden, man soll doch seine Empfindung nicht überreden, und seinem Herzen keine Gründe vorsagen. Ich bin aber auch unmenschlich grob gegen sie gewesen. Ich habe wieder Fenster, kan wieder Feuer einmachen, das mir bey der Witterung sehr zu statten kommt. Sagen Sie mir wie und wo Sie heute sind. Ob ich zu Hause bleiben kan weis ich noch nicht. Adieu Gold. [Weimar] d. 27. Apr. 77.

G.


3/593.


An Charlotte von Stein

Hier sind Federn, und von meinem Geschreibe. Gestern hab ich einen wunderbaaren Tag gehabt, habe nach Tisch von ohngefähr Werthern in die Hand gekriegt, wo mir alles wie neu und fremd war. Bin[150] noch Nachts ausgeritten. Adieu. Wie sind Sie heute und wo? wenn der Englische Sprachmeister einmal käme? [Weimar] d. 28. Apr. 77.

G.


3/594.


An Philipp Erasmus Reich

Dancke recht sehr für den Meß Catalog, und bitte mir eine Chur Sächsische Accis Ordnung zu überschicken, auch wo möglich eine Preusische. Dann hab ich schon seit geraumer Zeit ein Paar Duzzend Lieder mit Melodien, von Kaisern in Zürch daliegen, ich weiss dass es nicht die angenehmste Waare ist, drum hab ich bisher nichts davon gesagt. Er erinnert mich aber wieder dran, und so wollt ich fragen ob Sie sie brauchen, oder mir sonst einen Verleger finden könnten. Sie sind wo ich sie gezeigt habe immer mit viel Vergnügen gespielt und gesungen worden. Wenn Klinger in Leipzig ist, und Sie hätten die Güte ihm ein Wort davon zu sagen, könnte der sich auch wohl nach iemanden umthun der sie übernehme. Weimar d. 28. April 77.

Goethe.


3/595.


An Charlotte von Stein

Vergebens hab ich auf die geheimnissvolle Ladung gewartet, es wird wohl nicht seyn. Gern schickt ich[151] Ihnen ein paar Aurickeln will sie aber völlig aufblühen lassen. Schicken Sie mir nur ein wenig zu essen, ich will im Stillen bleiben diesen Tag.

Adieu beste es ist so gar schöne. kämen Sie nicht etwa mit den Misels. [Weimar] d. 29. Apr. 77.

G.


3/596.


An Charlotte von Stein

Sehr gut hab ich geschlafen und bin wohl aufgewacht, nur sizzt mir ein stiller trauriger Zug über der Seele, ich kan lesen und schreiben, wie gestern Englisch erklären, mag nicht fechten und s.w. Gestern fühlt ich recht dass Sie mich lieb haben, obs nun ist dass man's dem Krancken und Übel bestellten mehr zeigt, oder ob der Mensch in solchem Zustand mehr Ahndung und Gefühl für die Empfindungen des andern hat. Das Wetter ist recht zu mir gestimmt, und ich fange an zu glauben dass Witterung in der ich immer lebe auch so den immediatsten Einfluss auf mich hat, und die grose Welt meine kleine immer mit ihrer Stimmung durchschauert. Und dass sich gegen die Witterung abhärten eigentlich seye seinen Körper allen manchfaltigen Verändrungen mitfühlend machen. Ich bleibe wohl zu Hause. Adieu bestes.

[Weimar] d. 1. May 77.

G.[152]


3/597.


An Charlotte von Stein

So gern wär ich diesen Abend noch zu Ihnen. Der Zweifel ob Sie zurück sind, und das herrliche Gewitter das den ganzen Süd überleuchtet hält mich ab. Die Frösche schrillen mir den Kopf wüste. Dancke für Ihr Zettelgen. Ich erhielts als der Herzog und noch iemand und ein Paar Vertrautinnen, zu denen Seckendorf gestosen war mir im Garten saßen, viel Lärmten und Unordnung machten. Es muss Sie wunderlich düncken das vergangne von mir zu lesen. Bleiben Sie mir im Gegenwärtigen und Zukünftigen eine liebe Nachbaarin. [Weimar] d. 2. May 77.

G.

Leider muss ich heute Abend hungrig zu Bette gehn.


3/598.


An Charlotte von Stein

Guten Morgen mit Spargels. Wie ists Ihnen gestern gegangen. Mir hat Philipp noch einen Eyerkuchen gebacken und drauf hab ich in blauen Mantel gehüllt auf die Altan, an den Boden in ein trocken Winckelgen gelegt und im Bliz Donner und Regen herrlich geschlummert, dass mir sogar mein Bett nachher fatal war. Wenn Stein noch zu Haus ist sagen Sie ihm ich möchte gern das neue Pferdgen[153] stallmeisterlich ausreiten er möchte es doch satteln lassen und mir's schicken und wenns ihm nicht zuwider wäre mich abholen.

Zu Tisch komm ich wohl liebstes.

[Weimar] d. 3. May 77.

G.

Ich erziehe schon die ganze Woche an einem Straus für Sie auf Morgen.


3/599.


An Charlotte von Stein

[Weimar, 4. Mai 1777.]

Die Grasaffen haben grose Lust das Gewitter bey mir abzuwarten, und hier haussen zu kampiren. Eyerkuchen haben wir schon gebacken und gegessen Also seyn Sie ohne Sorge, gut sind sie aufgehoben. Morgen sollen Sie wieder haben, und grosen Spaß machts ihnen.

G.

Gute Nacht beste hab ich doch Ihre Kinder da Sie so weg müssen.


3/600.


An Charlotte von Stein

Da schick ich Ihnen die Kleinen wieder sie mögen unsre Wirthschafft erzählen, und den besten Morgen! An den gestrigen Unterschrifft hab ich doch gesehen dass Sie mich nicht mit bösen Geistern verwandt halten. Adieu Beste. [Weimar] d. 5. Mai 77.

G.[154]


3/601.


An Charlotte von Stein

Sie müssen viel draussen in der Welt zu suchen haben dass Sie nicht einmal die Paar Tage da Sie so nach Kochberg gehn warten können. Ich sage aber nichts drüber. Und komme wohl. [Weimar] d. 5. May 77.

G.


3/602.


An Charlotte von Stein

Noch eine Erinnerung auf den Weg, ich hoffe sie sollen bis Kalbsrieth nicht verriechen. Ein schöner Morgen ists mich freuts recht sehr. Wenn Sie doch gehn so muss Sie auch der Himmel so begleiten. Leben Sie wohl Adieu beste.

G. [Weimar] d. 6. May 77.


3/603.


An Charlotte von Stein

Ich wollte den ganzen Tag und Abend zu Ihnen und ward immer abgehalten, könnte aber nicht ruhig schlafen wenn ich Ihnen nicht noch gute Nacht sagte, ob Sie gleich den ganzen Tag in Weimar seyn konnten ohne mich ein Wort hören zu lassen. Gute Nacht, immer bleibende liebste. [Weimar] d. 18. May 77.

G.[155]


3/604.


An Charlotte von Stein

Dancke für das Frühstück hier schick ich etwas dagegen. Heut Nacht hab ich auf meinem Altan unterm blauen Mantel geschlafen, bin dreymal aufgewacht um 12, 2 und 4 und iedesmal neue Herrlichkeit des Himmels um mich. Zu Tische komm ich wenn mich nichts auffängt. [Weimar] d. 19. May 77.

G.


3/605.


An Charlotte von Stein

Ich erwarte das Pferd um nach Belvedere zu reiten. Die Waldner soll schön geplagt werden. Ich mögte Sie heute nicht sehn. Ich wohne in stiller traurigkeit über meinen Gefilden. Es ist alles so unendlich hold. Adieu beste. [Weimar] d. 21. May 77.

G.


3/606.


An Charlotte von Stein

Guten Morgen aus kühlem Regenwetter. Ich bin heute in grader Trockenheit aufgestanden wie's zum Conseil Tag ziemt. Stein ist noch nicht kommen. Was macht Charles. Zu Tische komm ich, und habe Sie sehr lieb. Das hab ich schon so offt gesagt, und[156] mich dünckt das ist eins von den wenigen Dingen die man ohne neue Wendung immer wieder neu zu sagen glaubt. [Weimar] d. 23. May 77.

G.


3/607.


An Charlotte von Stein

Nur dass ich zu Tisch komme und den Herzog mitbring. Wie lieb ich Sie gestern Abend hatte durft ich Ihnen nicht sagen, Wie wunderbaar ich mir vorkam konnt ich nicht. Sie werfen mir vor immer dass ich ab und zunehme in Liebe, es ist nicht so, es ist nur gut dass ich nicht alle Tage so ganz fühle wie lieb ich Sie habe. Ich reite nach Belvedere um Steinen zu sprechen. Adieu beste. [Weimar] d. 26. May 77.

G.


3/608.


An Charlotte von Stein

Ihr Zettelgen erhielt ich gestern Nacht als ich um 10 wieder aufwachte ich hatte mich um achte auf einen Strohsack im Altan Stübgen niedergelegt und war glücklich eingeschlafen. Heut sollt ich einmal nicht kommen. Es ist gar frisch und herrlich im Regen hier. Adieu beste. [Weimar] d. 27. May 77.

G.[157]


3/609.


An Charlotte von Stein

In beykommenden Packet, das ich nicht zu eröffnen bitte, eh ich komme, sind allerley Schreibereyen meiner ersten Jahre, die Sie zum Theil unterhalten werden. Seh ich Sie bey den Springern? Ich komm auf alle Fälle gegen Abend. Was macht Carl? Adieu bestes. Ich mag gar nicht fragen wie Ihnen die Arzney bekommt. [Weimar] Trinitatis [1. Juni] 77.

G.


3/610.


An Charlotte von Stein

[Weimar.]

Gestern hatt ich's bald satt und strich mich. Heut will ich in die Wüste fliehen, mich lagern unterm Wachholderbaum. Addio liebe Frau.

G.


3/611.


An Charlotte von Stein

[Weimar, 3. Juni 1777.]

Kommen kann ich nicht, da haben Sie Abdrücke. das Scheidewasser war nicht so lind als der Pinsel. doch freut michs zu sehn wie's worden ist, denn es ist immer wie's ist. Wir sind mit dem Fürsten von Dessau und freuen uns eines neuen Wesens. Adieu beste.

G.[158]


3/612.


An Charlotte von Stein

Wie übel ich dran bin beste aus dem Wasser ins Feuer geworfen, und von einem Orte zum andern. Sie gehn noch nicht hör ich. Heut sehe ich Sie doch wohl in Belvedere! Adieu allerliebste. [Weimar?] d. 8. Jun. 77.

G.


3/613.


An Charlotte von Stein

Im Garten unter freyem Himmel! Seit Sie weg sind fühl ich erst dass ich etwas besizze, und dass mir was obliegt. Meine übrigen kleinen Leidenschafften Zeitvertreibe und Mieseleyen, hingen sich nur so an dem Faden der Liebe zu Ihnen an, der mich durch mein iezzig Leben durchziehen hilft, da Sie weg sind fällt alles in Brunnen.

Heut früh war ich in Belveder, und haben gefischt und auf der Stelle gebacken, ich und der Waldnern Charlott ein trefflich Essen bereitet.

Harnische werd ich puzzen und neue Einrichtungen und Ausrichtungen werd ich machen. Meine Bäume versorgen! – und werde sehr von den Mücken gestochen. Mit beschmierten Baumwachsfingern fahr ich fort. Ich habe meine Bäume versorgt, und die Räuber abgedrückt![159] – Diese Heilung heischten sie schon Monate her und ich ging immer vorbey. – Ein Poet und Liebhaber sind schlechte Wirthe! – Ists wohl weil der Poet ein Liebhaber, oder weil der Liebhaber ein Poet ist?? – –

Adieu beste! – Bleiben Sie mir! Wie ich Ihnen. Adieu Gold. [Weimar] d. 12. Juni 77.

G.


3/614.


An Charlotte von Stein

[Kochberg, 16. Juni 1777.]

Sie können fühlen wie sauer mir's wird Kochberg zu verlassen. Da es seyn muss ist der schnellste Entschluss der beste. Sie fühlen aber auch daß ich eigentlich nicht weg gehe. Adieu. Möge Freude bey Ihnen seyn wie mein Andencken bei Ihnen ist. Ade Ade.

G.


3/615.


An Charlotte von Stein

[Weimar, 16. Juni 1777.]

Um achte war ich in meinem Garten fand alles gut und wohl und ging mit mir selbst, mit unter lesend auf ab. Um neune kriegt ich Briefe dass meine Schwester todt sey. – Ich kann nur weiter nichts sagen.

G.[160]


3/616.


An Jakob Friedrich von Fritsch

Der Herzog ist zufrieden dass zu Besänftigung des Darmstädter Delegaten Eifers funfzig Dukaten hingegeben werden. Gestern Abend hab ich sogleich Bechtolsheimen davon benachrichtiget, wollten Sie die Güte haben das übrige zu besorgen. [Weimar] d. 21. Jun. 77.

Goethe.


3/617.


An Katharina Elisabeth Goethe

Ich kann Ihr nichts sagen, als dass das Glück sich gegen mich immer gleich bezeigt, dass mir der todt der Schwester nur desto schmerzlicher ist da er mich in so glücklichen Zeiten überrascht. Ich kan nur menschlich fühlen, und lasse mich der Natur die uns heftigen Schmerz nur kurze Zeit, trauer lang empfinden lässt.

Lebe Sie glücklich, sorge Sie für des Vaters Gesundheit, wir sind nur Einmal so beysammen. Die Zeichnung von Krausen ist fertig und wird bald kommen. Adieu. liebe Mutter. Grüse Sie den armen Schlosser auch von mir. Weimar d. 28. Jun. 77.

G.


3/618.


An Charlotte von Stein

[Kochberg und Weimar, 5. – 7. Juli 1777.]

Sonnabends d. 5. Jul. Abends halb 10, Kochberg in Ihrem Schlafzimmer. Nur noch eine gute[161] Nacht. Heute komm ich von Dornburg, und bin in dem Ihrigen mit den Ihrigen. Es ist eine wehe Empfindung dass Sie nicht da sind. Gute Nacht. die Waldner und ich haben immer vergebens auf Briefe gehofft, seit der üblen Zeitung die uns Schardt brachte. Gute Nacht. Müde bin ich und 1000 Gedancken iagen sich mir im Kopfe. Ich mag ich kann nicht anfangen.

Sonntag früh. Guten Morgen beste! Wie ich erstaunt und vergnügt war da ich aufwachte. Ich hatte von Weimar geträumt und wache auf und finde mich hier. – Und Sie nicht! Vorm Jahre waren Sie da und mir wars versagt. Ich bin mit meinem Daseyn und meinen Hoffnungen wie zwischen Himmel und Erde aufgefangen. Ich höre die kleinen Singen und wirthschafften und will zu ihnen.

Sonntag Nachts. Heut früh hab ich im grosen Garten gezeichnet am Plazze wo wir neulich stillstanden und Sie mir die schöne Gegend zeigten. Ich war heut glücklich im Zeichnen, nicht eben mit der tiefen Liebe, aber eben drum in fröhlicher unbefangnerer leichtigkeit. Es ist mir ganz wohl worden von Leib und Seele alle Bürden gelüftet, als wären sie weg. Nach Tisch gingen wir Kästner und die zwey nach Weissenburg wo ganz herrliche Gegend und einzelne vollkommen schöne Pläzze sind. Kästner und ich zeichneten liessen die andern vorausgehn mit dem Boten, und verirrten uns von Mezelbach auf Kuhfras[162] und von Kuhfras auch wieder dass wir über Neusis erst um 10 nach Kochberg kamen gute Nacht Engel es ist iezt mein einziges dass ich Sie noch liebe wie immer.

Montag Abends. Ich bin wieder in Weimar und gleich aus der reinen Stimmung des gestrigen Tags. Ihr Zettelgen hab ich gekriegt, ich vermuthete den Inhalt, und das erstemal wars dass ich eins von Ihnen ungerne aufbrach. Was kan ich Ihnen sagen! Leben Sie wohl.


3/619.


An Charlotte von Stein

[Kochberg, Weißenburg und Weimar,

12. – 17. Juli 1777.]

Kochberg Sonnabend d. 12. Jul. früh 8 Uhr. Mir ists diese Woche in der Stadt wieder sehr wunderlich gangen ich habe mich gestern herausgeflüchtet, bin um halb sechs zu fuß von Weimar abmarschirt und war halb 10 hier, da alles schon verschlossen war und sich zum Bett gehn bereitete. Da ich rief ward ich von der alten Dorthee zu erst erkannt und mit grosem Geschrey von ihr und der Köchinn bewillkommt. Kästner kam auch mit seinem Pfeifgen herab und Carl der den ganzen Tag behauptet hatte ich würde kommen, Ernst der schon im Hemde stand zog sich wieder an, Friz lag schon im Schlafe. Ich tranck noch viel Selzer Wasser wir erzählten einander unsre Wochen Fata, die[163] Zeichnungen wurden produzirt, und iezzo solls weiter dran adieu beste.


Abends 9. Weissenburg wir sind wieder herüber marschirt und werden beym Pachter schlafen! nun ich habe heut den Göttern sey danck von 8 Uhr früh bis Abends 8 gezeichnet, in Kochberg und hier immer mit gleicher Freude, und gleicher Hoffnung dass es Ihnen auch Freude machen soll, so wenig Hoffnung dazu ist! denn wenn die Natur Sie nicht mehr freut wie soll Sie mein stammeln dran vergnügen. Gnug auf dem Papier sind allerley treue gute Augenblicke befestigt, Augenblicke in denen immer der Gedancke an Sie über der schönen gegend schwebte. die Nacht ist ganz herrlich durch das weite Thal. die Jungens sehr lustig und vergnügt ihrer Wandrung, sie wickeln sich auf und bereiten sich zu Bette. Gute Nacht Beste.


Sonntag früh 10. In der Höhle von Weissenburg. Wir haben uns herausgesezt und gezeichnet, es fängt ein Regen an und ich sezze mich unter einen Busch Ihnen guten Morgen zu sagen. Der Tag ist grau aber schön! wie schön die Nacht war und der Mond auf der Saale im Thal lässt sich nicht sagen.


Weimar. Donnerstag d. 17. Jul. Der erste schöne Tag seit ich von Kochberg zurück bin. Hier sind ein Paar Briefe von den Affen. Ich höre dass es mit Steinen besser geht, das ist mir sehr lieb. Von mir[164] ist nichts zu sagen, das Wetter hält uns alle gefangen in Catharren, Zahnweh und Unbehaglichkeit. dieses schreib ich unter den Bäumen in meinem Garten, es ist schön, doch feuchtlich warm. Der Herzog ist wohl sonst seh ich niemanden. Hier kan ich auch nicht zeichnen. Neulich dacht ich so auf der Weissenburg da ich mir's so angelegen seyn lies und so viel Freude dran hatte: Wenn sie nun wieder kommt und sie nichts freut wozu solls alles! – Adieu.


3/620.


An Charlotte von Stein

[Weimar.]

Ernst war sehr übel gestimmt und weinte fast als ich fort wollte und er mit seiner Beschreibung nicht weiter konnte. Ich nahm auf mich das übrige zu melden. Es würde mir aber auch gehn wie Ernsten drum beruf ich mich wie er auf Carlen.

G.


3/621.


An Auguste Gräfin zu Stolberg

Danck Gustgen dass du aus deiner Ruhe mir in die Unruhe des Lebens einen Laut herüber gegeben hast.

Alles geben Götter die unendlichen

Ihren Lieblingen ganz

Alle Freunden die unendlichen

Alle Schmerzen die unendlichen ganz.[165]


So sang ich neulich als ich tief in einer herrlichen Mondnacht aus dem Flusse stieg der vor meinem Garten durch die Wiesen fliest; und das bewahrheitet sich täglich an mir. Ich muss das Glück für meine Liebste erkennen, dafür schiert sie mich auch wieder wie ein geliebtes Weib. Den Todt meiner Schwester wirst du wissen. Mir geht in allem alles erwünscht, und leide allein um andre. Lebe wohl grüse Henrietten! Ist das noch eine euerer Schwestern? oder Christels Frau? zwar sie hat der Brüder Handschrifft! Wenn ich einmal wieder ans Schreiben komme, will ich ja wol sehn ob ich darüber was sagen kan was sie will. Grüse die Brüder und behaltet mich lieb.

Weimar d. 17. Jul. 77.

Goethe.


3/622.


An Charlotte von Stein

Dass ich mich immer träumend an den Erscheinungen der Natur und an der Liebe zu Ihnen weide, sehn Sie an beykommenden. Ich muss mich festhalten sonst risse mich Ihr Kummer mit weg, und da ist mir so weh dass ich das einzige was meinem Herzen übrig bleibt, Ihr Andencken, offt weghalten muss.

Adieu Engel. Die Waldner schickt mir eben das Paquet. Sie geben mir Speise gegen Schatten. – Wenns Steinens Gesucht thulich ist will ich's zu machen suchen. Adieu beste. [Weimar] d. 11. Aug. 77.

G.[166]


3/623.


An Charlotte von Stein

[Weimar, August 1777?]


Ich schlafe, ich schlafe von heute biß morgen

ich träume die Wahrheit ohne Sorgen,

habe heute gemacht den Cammer Etat,

bin heute göttlich in meinem selbst gebad.

Die Geister der Wesen durchschweben mich heut

Geben mir dumpfes, doch süßes Geleit.

Wohl dir Gute wenn du lebest auf Erden

Ohne anderer Existens gewahr zu werden.

Tauche dich ganz in Gefühle hinein,

Um liebvollen Geistern gefährtin zu seyn.

Sauge den Erdsaft, saug Leben dir ein,

Um liebvoller Geister Gefährtin zu seyn.

C. A.


Und ich geh meinen alten Gang

Meine liebe Wiese lang.

Tauche mich in die Sonne früh

Bad ab im Mond des Tages Müh,

Leb in Liebes Klarheit und Krafft,

Thut mir wohl des Herren Nachbarschafft

Der in Liebes Dumpfheit Und Krafft hin lebt

Und sich durch seltnes Wesen webt.


3/624.


An Johann Kaspar Lavater

[Weimar, 14. August 1777.]

Da schick ich dir Briefe von Petern die du weiter spediren sollst.

[167] Mich machts lachen, dass er zum antritt einen Spiesruthen lauffen und einen ausprügeln sieht. Das er wie er sagt nicht wieder sehn mag. Der Junge ist nun mein, und wenn ich's recht kann so soll er wenn ich die Augen zuthue, oder ihn verlasse, oder er mich, von niemanden abhängen weil er von allem abzuhängen fühlen muss. Adio man sagt immer was dummes wenn man was allgemeines, oder was künftig zu thuendes sagt.

Schreib mir ein Wort von Lindau's Vermächtniß Geld, für den Buben, ich dencke wir werden kein Kraut fett damit machen, schreib mir auch ein Wort von dir. Sag Kaysern dass ich ihm das verlangte schicken werde. Adio.


3/625.


An Charlotte von Stein

Dancke allerbeste für das Andencken. heut wollt ich Ihnen Petern schicken, es regnet nur zu sehr. Ich gehe unendlich gelassen weg, denn ich habe nichts hier was mich hielte. und Ihre Entfernung macht dass ich nicht fühle dass ich mich auch von Ihnen entferne. Leben Sie wohl und schreiben mir was nach Eisenach. [Weimar] d. 27. Aug. 77.

G.[168]


3/626.


An Charlotte von Stein

Ich schick Ihnen Petern, denn es ist doch nun so dass Sie immer etwas von mir haben müssen. Ein Messer hab ich verschrieben bleibt aber aus. Ich bin im Packen begriffen. Adieu. Meine Verständnisse sind dunkel, nur ist mir ziemlich klar dass ich Sie liebe. Adieu. Grüsen Sie Kästnern und die Kleinen. Von Eisenach hören Sie bald was.

[Weimar] d. 27. Aug. [1777.]

G.

Morgen d. 28. meinen Geburtstag dencken Sie an mich!

Noch einmal Adieu. Es ist doch in der Welt immer Abschiednehmen. Ich hab noch heut früh die Farben in Ihre Zimmer ausgesucht, mit grün und grau gewechselt, und ein einzigs, das Besuch Zimmer Paille machen lassen. Es wird lichter dadurch. Ich bin oft bey Ihnen.

Schreiben Sie mir doch nach Eisenach.

G.


3/627.


An Charlotte von Stein

[Manebach und Ilmenau, 29. und 31. August 1777.]

d. 29 Abends August 77.

Manebach beym Cantor. Zwischen Gebürg und Fichtenwald hab ich heut Abend gesessen und zeichnen wollen, aber es ging nicht. Meinen Weeg von Ihnen[169] herüber hab ich gestern glücklich gefunden. Wie wohl ist mirs dass ich erst bey Ihnen war. Wie lieb ich Sie habe fühlt ich erst wieder in den Augenblicken da Sie vergnügt und munter waren, die Zeit her hab ich Sie nur leider seyn und das drückt mich so dass ich auch meine Liebe nicht fühle. Bester Engel Sie haben mir Reisezehrung mitgegeben! Gott weis wie ich in Eisenach werde geschunden seyn, ich gehe dunckel meinem Schicksaal entgegen und mags durch Einbildung nicht vorschmecken noch verschlimmern.

Sonntag d. 31. Ilmenau. Ich schicke Ihnen was ich d. 30. früh in des Cantors Gärtgen gezeichnet habe. Wunder dacht ich was ich alles fertigen wollte, und nun ist das alles. Durch diesen Boten können Sie mir was schreiben auch von Petern was, und recht viel bitt ich Sie. Ich bin hier immer allein die andern laufen auf den Gebürgen herum. Mittwoch d. 3ten kommt Prinz Joseph hierher wir bleiben also einige Tage länger. Heut Abend gehn wir nach Stüzzerbach vielleicht schick ich noch was gezeichnetes von da. Meinen Boten erwart ich balde zurück, grüsen Sie alles, und die Waldnern gelegentlich auch.

Auf Morgen hab ich eine grose Freude dass mir der Bote etwas von Ihnen nach Stüzzerbach bringen wird.

G.

Ich habe immer noch von Ihrem Biskuitkuchen und hoffe dass Sie keinen Kaffee mehr trincken.[170]


3/628.


An Jakob Friedrich von Fritsch

So eben sind wir, zwar durchaus nass, aber glücklich übrigens, in Wilhelmsthal angelangt, haben alles in guter Ordnung, nur nicht gefunden wo wir unser Haupt hinlegen. Durchl. wollen morgen hier bleiben und hoffen Ihr. Exzell. hier zu sehn, denn Willkomm der übrigen Eisenacher Welt wünschen sie drinne anzunehmen. Übermorgen soll es alsdenn zeitig hinein. Die Ankunft des Prinzen Joseph auf den dritten hielt uns ab über Schmalkalden zu gehn, wir kommen daher über Georgenthal und Ruhl. Empfehlen Sie mich Herrn Geheimen Assistenz Rath Schnaus, und bleiben mir geneigt. [Wilhelmsthal] d. 4. Sept. 77.

Goethe.


3/629.


An Charlotte von Stein

[Eisenach, 6. September 1777.]

Dancke bestes Gold für den Boten, wir waren den vierten von Ilmenau früh weg also krieg ich das Packet ganz unerwartet erst Eisenach am 6ten. Alles ist wohl nur ich habe mir ein Monster von dickem Backen ganz wider allen Sinn meiner dürren Constitution geholt. In Stüzzerbach tanzt ich mit allen Bauermädels im Nebel und trieb eine liederliche Wirthschafft bis eins. und da kriegt ich den[171] Ansaz und wurde vermehrt durch fatales Gestöber auf der Reise, und muss nun inne sizzen und warme Kräutermilch im Mund haben, und kan nicht auf Misels ausgehn, es wird ein verfluchter Streich seyn, wenn ich mit verzognem Gesicht soll die Maidels belügen.

Ja lieb Gold, ich Glaub wohl dass Ihre Lieb zu mir mit dem Abseyn wächst. denn wo ich weg bin können Sie auch die Idee lieben die Sie von mir haben, wenn ich da bin wird Sie offt gestört, durch meine Thor und Tollheit. Adieu. Ich schick Ihnen nun Zeichnungen oder meine Haare. denn die Gegend ist herrlich hier, wild und (Gott versteht mich) und wenn ich muss zu Hause bleiben und kan nicht zeichnen und schiesen, so schneid ich von meinen Haaren ab und schick sie Ihnen. Grüsen Sie Petern und bitten Sie Kästnern nur einige Pfeifen ihm des Tags auf gute Weise abzubrechen, denn ich halte den Toback denn doch bey so einem Jungen für ein Spezificum, sagen Sie Kästnern er wüsst es schon. und also mag er immer rauchen.

Das Haus hier hab ich auch nicht lieb, ich wohne hinten hinaus, vielleicht auf der Reihe, ich will mir einbilden in dem Zimmer wo Sie wohnten. Liebste! Ich habe Sie doch ganz allein lieb, das spür ich an der Wirthschafft mit den übrigen Frauen.

Eifersüchtig auf mich sind Sie nicht, sonst wollt ich Ihnen ein Mittel sagen. das Futteral zum[172] Souvenir hab ich nicht, aber Ihr Haltstuch hab ich um, aus dem die blaue Farbe auch ausgewaschen ist. Ihr gestümpert Bild hab ich, und Ihre Liebe mehr als ich weis und soll. Adieu. Grüsen Sie die Kinder. Es ist ein Weiter Weeg zwischen uns, der Grade beschweerlicher als der Krumme. Ich seh Sie bald nicht wieder adieu – Engel. Ich hab Sie gegenwärtig Lieber als abwesend, drum könnt ich mir anmasen dass meine Liebe wahrer sey. Adieu.


3/630.


An Jakob Friedrich von Fritsch

[Eisenach, 12.? September 1777.]

Der Herzog wird sich morgen früh zehn zur Session einfinden. Wünsche dass das Eis wohlbekommen, und die collegialische Unvorsichtigkeit keine Folgen haben möge.

G.


3/631.


An Charlotte von Stein

Schon fühl ich liebste Frau dass Sie weit, fatal weit von mir weg sind denn ich weis nicht einmal wie die Briefe vielleicht lauffen und mir stockts gleich in allen Gliedern wie Sie wissen, drum hab ich so lang nicht geschrieben. Auch hab ich ein Knötgen gewonnen an einem Zahn, schon in Stüzzerbach, habs[173] parforce dressirt und hab viel dran gelitten. besonders da schon fast alles gut war tanzt ich wie toll eine ganze Nacht und habe 24 Stunden Geschwullst und grose Schmerzen gehabt. Jezt ists wieder still doch noch ein wenig dick und muss zu Hause sizzen in Eisenach, in dem weitschichtigen Schlössgen und alles ist in Wilhelmsthal und auf Jagden. Da wir nun in der Stube gehezzt wo denn offt aus Mangel andres Wildprets mein armes Ich herhalten muss. Auf den Montag soll Vogelschiesen seyn und weis noch nicht einmal ob ich dazu kann. Die Gegend ist überherrlich und ich kan nicht Zeichnen. Es ist viel Übel in einem kleinen.

Die Wizleben hat glücklich einen Sohn. Vielleicht wissen Sies schon.

Eine Tollheit hab ich erfunden, eine komische Oper die Empfindsamen, so toll und grob als möglich. Wenn Seckendorf sie komponiren will kan sie den Winter gespielt werden ich hab angefangen Philippen zu dicktiren.

Nun gute Nacht bester Engel, was für wunderbaare Operationen muss mein Kopf machen! und doch sind nur wenig Dinge die drinn auf und abgehen wies Firmament über unsern Häupten. Den ganzen Nachmittag hab ich mit tollen Imaginationen gewirthschafftet, diesen Abend mit einem sehr braven Manne von unsrer Landschaft unzähliges geschwäzzt. Stündlich seh ich mehr dass man sich aus diesem Strome des Lebens ans Ufer retten, drinne mit allen[174] Kräfften arbeiten, oder ersaufen muss. Freytag d. 12. S. [1777.] Eisenach.

G.


3/632.


An Charlotte von Stein

[Wartburg, 13. – 17. September 1777.]

Wartburg d. 13. S. 77 abends 9. Hier wohn ich nun liebste, und finge Psalmen dem Herrn der mich aus Schmerzen und Enge wieder in Höhe und Herrlichkeit gebracht hat. der Herzog hat mich veranlasst heraufzuziehen, ich habe mit den Leuten unten, die ganz gute Leute seyn mögen nichts gemein, und sie nichts mit mir, einige sogar bilden sich ein, sie liebten mich, es ist aber nicht gar so. Liebste diesen Abend denck ich mir Sie in Ihrer tiefe um Ihren Graben im Mondschein beym Wachfeuer denn es ist kühl. In Wilhelmsthal ist mirs zu tief und zu eng, und ich darf doch noch in der Kühle und Nässe nicht in die Wälder die ersten Tage. Hieroben! Wenn ich Ihnen nur diesen Blick der mich nur kostet aufzustehn vom Stuhl hinüberseegnen könnte. In dem grausen linden Dämmer des Monds die tiefen Gründe, Wiesgen, Büsche, Wälder und Waldblösen, die Felsen Abgänge davor, und hinten die Wände, und wie der Schatten des Schlossbergs und Schlosses unten alles finster hält und drüben an den sachten Wänden sich noch anfasst wie die nackten Felsspizzen im Monde[175] röthen und die lieblichen Auen und Thäler ferner hinunter, und das weite Thüringen hinterwärts im dämmer sich dem Himmel mischt. Liebste ich hab eine rechte fröhlichkeit dran, ob ich gleich sagen mag dass der belebende Genuss mir heute mangelt, wie der lang gebundne reck ich erst meine Glieder. Aber mit dem ächten Gefühl von Danck, wie der Durstige ein Glas Wasser nimmt, und die Liebheit der Welt, nur nebenweg schaut.

Wenns möglich ist zu zeichnen, wähl ich mir ein beschränckt Eckgen, denn die Natur ist zu weit herrlich hier auf ieden Blick hinaus! Aber auch was für Eckgens hier! – O man sollte weder zeichnen noch schreiben! – Indess wollt ich doch dass Sie wüssten dass ich lebe, und Sie gleich wieder recht liebe da mirs anfängt wieder wohl zu seyn – Und zu trost in der Öde bild ich mir ein, Sie freuen sich über einen Brief oder sonst ein Gekrizel von mir.


Sontags d. 14. Nach Tische.

Da hab ich einen Einfall: mir ists als wenn das Zeichnen mir ein Saugläppgen wäre, dem Kind in Mund gegeben, dass es schweige, und in eingebildeter Nahrung ruhe.

Diese Wohnung ist das herrlichste was ich erlebt habe, so hoch und froh, dass man hier nur Gast seyn muss, man würde sonst für Höhe und Frölichkeit zu nicht werden.[176]

Den ganzen Morgen hab ich für Sie gekrabelt auf dem Papiere. O der Armuth! – Wenn ich mir einen der Meister dencke, die vor so alten Trümmern sassen, und zeichneten und mahlten, als wenn sie die Zeit selbst wären, die das so abgestumpft, und in die Lieblichkeit der Natur wieder, aus dem rauhen groben Menschensinn, verbunden hätten.

Lieber Gott! Die Pfade der Zeit, des Bedürfnisses wie unbemerckbaar den Menschen und den Künstlern. In uns ist Leben und – ich weis wohl was ich will aber wie sagen?

Eben krieg ich Ihr Briefgen vom 11ten.


Nachts halb 12. Eben komm ich wieder aus der Stadt herauf. Noch eine gute Nacht. – Im Mondschein den herrlichen Stieg auf die Burg! – Gestern sagt ichs dem Herzog als erhoben bey mir war: Es sey mir merckwürdig: dass, in unsrer Wirthschafft, alles abenteuerliche natürlich werde. So seltsam mirs vor 4 Wochen geklungen hätte auf der Wartburg zu wohnen, so natürlich ist mir's iezt, und ich bin schon wieder so zu Hause wie im Nest.


Mont. d. 15. Nachts! wieder herauf! Wenn Sie nur einmal zum Fenster hinaus mit mir sehen könnten! Heut haben wir unser Vogelschiesen dum geendigt. ohngefähr auf den funfzigten Schuß lag ein Bursche, von den Zuschauern, auf der Erde, so todt als ie einer, und ein andrer verwundt am Arm.[177] Und hätte, nach den Umständen, ieder von uns können todt schiesen und todt geschossen werden.

Morgen hab ich Misels heraufgebeten. Sie versichern mir alle dass sie mich lieb haben, und ich versichere sie sie seyen Charmant. Eigentlich aber möchte iede, so einen von uns, wer er auch seye, haben, und dadrüber werden sie keinen kriegen.


Dienst. d. 16. Heute früh war wieder alles neu. Philip weckte mich und lies mich ans Fenster gehn! es lagen unten alle Thäler im gleichen Nebel, und es war völlig See, wo die vielen Gebürge, als Ufer, hervorsahen. Darnach hab ich gezeichnet. Wenn ichs fertig nicht verderbe werden Sie Freude dran haben.


Mir ist gestern was aufgefallen. in meinem Diarium steht so offt: ich habe gezeichnet, und es will sich immer nichts finden was ich gezeichnet habe, auser den Paar Dingen die Sie haben.

Adieu. Ich weis dass Sie an mich dencken, denn sonst denck ich nicht so viel an Sie. Ich weiss dass Sie mich lieben, ich spürs daran, dass ich Sie so lieb habe.

Adieu Gold. Ihr Seegen ist eingetroffen, Eisenach und die Sau Wirthschafft schindt mich nicht. Ich sehe täglich mehr dass weniger aber länger zu leiden ist in diesem Mansch. Schreiben Sie mir was von den kleinen und Petern. Sagen Sie Kästnern ich wollte noch einen Tag Zahnweh haben das viel[178] gesagt ist wenn ich ihm könnte den Spas machen, den folgenden hier oben mit mir zuzubringen, wenn er besonders so herrlich wäre wie heut ist. Addio.

G.


3/633.


An Johann Christian Kestner

Wartburg d. 28. Sept. 77.

Lieber Kestner, nicht dass ich euch vergessen habe, sondern dass ich im Zustande des Schweigens bin gegen alle Welt, den die alten Weisen schon angerathen haben und in dem ich mich höchst wohl befinde, indess sich viele Leute mit Mährchen von mir unterhalten, wie sie sich ehmals von meinen Mährchen unterhielten. Wenn ihrs könntet auf euch gewinnen, und mir mehr schriebt, oder nur manchmal, ohne Antwort, glaubt dass mirs werth ist, denn ich seh euch leben und glücklich seyn. – Einen Rath verlangt ihr! Aus der Ferne ist schweer rathen! Aber der sicherste, treuste, erprobteste, ist: bleibt wo ihr seyd. Tragt diese oder iene Unbequemlichkeit, Verdruss, Hintansezzung u.s.w. weil ihrs nicht besser finden werdet wenn ihr den Ort verändert. Bleibt fest und treu auf eurem Plazze. Fest und treu auf Einem Zweck, ihr seyd ia der Mann dazu, und ihr werdet vordringen durchs bleiben, weil alles andre hinter euch weicht. Wer seinen Zustand verändert verliert immer die Reise- und Einrichte-kosten,[179] moralisch und ökonomisch, und sezzt sich zurück. Das sag ich dir als Weltmensch, der nach und nach mancherley lernt wie's zugeht. Schreib mir aber mehr von dir, vielleicht sag ich dir was bestimmt besseres.

Grüsse Lotten, und Gott erhalt euch und die Kleinen.

Ich wohne auf Luthers Pathmos, und finde mich da so wohl als er. Übrigens bin ich der glücklichste von allen die ich kenne. Das wird dir auch genug seyn.

Addio. Grüsse Sophien.

G.


3/634.


An Charlotte von Stein

In meinem Garten, d. 10. Oktbr. [1777.] Wieder hier! und nur zwey Worte da ich höre dass eben ein Bote geht. Mit Weh hab ich meine Wartburg verlassen, und Weimar mit kindischer Freude wiedergesehen. Heut früh fünfe ritt ich mit Lichtenberg aus um halb 12 waren wir hier, und haben eine Stunde beym Stadthalter gefrühstückt. Morgen kommt der Herzog nach. Adieu beste. Ich bin entfremdeter von viel Welt nur nicht von Ihnen.

G.


3/635.


An Charlotte von Stein

[Weimar, October 1777.]

Grüsen Sie die kleinen und Petern, den Sie wohl noch behalten bis ich eingerichtet bin. Und Kästnern.

G.[180]


3/636.


An Charlotte von Stein

Ich hab mich heut den ganzen Tag geplagt Ihnen was zu zeichnen. Durch plagen kommt man zu nichts seh ich wohl. Dancke für alles überschickte, und wünsche dass die Misels alle Spuren von mir mögen ausgelöscht haben. Weise Karten kommen hier. Heut Abend lang zum erstenmal hab ich auch wieder griechische Worte geschrieben. Es ist still still bey mir, eigentlich um mich. Denn ums Herz ists nicht gar so. Ade. [Weimar] d. 29. Okbr. 77.


3/637.


An Charlotte von Stein

[Weimar, 30. October 1777.]

Dass Sie nicht dencken Sie werden bevortheilt schick ich eine Krizzeley die ich zerrissen unter des Herzogs Papieren gefunden und hier wieder aufgeleimt habe. Es stellt vor die Geheimnißvolle Ruhe um Wielands Ehbett. Adieu liebes Gold – ich hab heute eingenommen um die Teufel die am leichsten zu packen sind auszutreiben. Adieu. Morgen fahr ich mit dem Herzog nach Buttstedt und sehe Sie vielleicht wenn mir wohl ist.[181]


3/638.


An Charlotte von Stein

Warum das Hauptingrediens Ihrer Empfindungen neuerdings Zweifel und Unglaube ist begreiff ich nicht, das ist aber wohl wahr dass Sie einen der nicht fest hielte in treue und Liebe von sich wegzweifeln und träumen könnten, wie man einem glauben machen kan er sähe blas aus und sey kranck. Gestern Abend hab ich einen Salto mortale über drey fatale Capitel meines Romans gemacht vor denen ich schon so lang scheue, nun da die hinter mir liegen hoff ich den ersten Theil bald ganz zu produziren. Addio. [Weimar] d. lezten Okbr. Meinen Nahmenstag, auch Reformationsfest. 1777.

G.


3/639.


An Charlotte von Stein

Ich schicke Trauben aus meiner Heimath wie sie dies Jahr worden sind. Habe wohl gethan heut zu Hause zu bleiben denn es war eine Menge Wirthschafft. Adieu liebe. Wie mags andern Menschen gehn da mirs so verworren geht. [Weimar] d. 1. Nov. 77.

G.


3/640.


An Charlotte von Stein

Lieber Engel ich schick Ihnen einen grosen Nahmen auf einem Buche. – Gestern waren Sie im Land[182] der kleinen Spielgen, der Prinz kam zu mir von Ihnen her, unter mein Dach, wo ich mit Knebeln einige Stunden gelacht und gefabelt hatte. Heut ist Conseil, ich weis nicht wann ich Sie sehn kann. Heute ists eben zwey Jahr dass ich herkam. Diese noch einmal zu leben!?? Nun am Ende doch. Adieu Gold. [Weimar] d. 7. Nov. 77.

G.

Mit einem Blick auf den Morgen da ich vor 2 Jahren zuerst in Weimar aufwachte, und nun bis hierher ist mir wunderbaar fröhlich und rührend geworden. Was mir das Schicksaal alles gegeben hat, und wie nach und nach, wie man Kindern Freuen macht, dass ich iedes Gut erst ganz ausgekostet mir so ganz eigen gemacht habe, dass ich in die von mir ehdess entferntesten Gefühle und Zustände, lieblich bin hinein geleitet worden.


3/641.


An Charlotte von Stein

Die Bäume sind angekommen 30 an der Zahl, gute Kirschbäume auch wenige Obst Bäume guter Sorten. wie und wann sollen sie nach Kochberg? sie müssen wohl gepflanzt und sonderlich gegen die Haasen mit starcken Dornen verwahrt werden.

Gestern von Ihnen gehend hab ich noch wunderliche Gedancken gehabt, unter andern ob ich Sie auch[183] wircklich liebe oder ob mich Ihre Nähe nur wie die Gegenwart eines so reinen Glases freut, darin sichs so gut sich bespiegeln lässt.

Hernach fand ich dass das Schicksaal da es mich hierher pflanzte vollkommen gemacht hat wie mans den Linden thut man schneidet ihnen den Gipfel weg und alle schöne Äste dass sie neuen Trieb kriegen sonst sterben sie von oben herein. Freylich stehn sie die ersten Jahre wie Stangen da. Adieu. Ich kam von ohngefähr über den Kalender von vorm Jahr da stund beym 7. Novemb. Was ist der Mensch dass du sein gedenckst pp. [Weimar] d. 8. Nov. 77.

G.


3/642.


An Charlotte von Stein

Die Bäume sind alle für Sie, ein Karrn wird wohl nötig seyn. Machen Sies doch mit Hauptmann. Wenns nur Montag ist. Darnach will ich ihn anweisen wo sie liegen. Die Fortsezzung des Vergleichs hat mich sehr gedemütigt. Was doch der Mensch mit sich vortheilhafft steht!! Ich redete vom Vergangnen verlohrnen, und glaubte die Zweige sprossten schon wieder. Oh! und Sie finden, dass sie neuerdings abgehauen, dass neuerdings kein Schatten und kein Hort drunter ist O Weh! [Weimar] d. 8. N. 77.[184]


3/643.


An Charlotte von Stein

Die Welt war gestern Nacht unendlich schön, sie schien mir den ganzen Sommer nicht so. Es ist gewiss dass der Gegensaz nur einen das hohe schöne fühlen macht. Ade. hier Trauben. [Weimar] d. 10. Nov. 77.

G.

Mich haben gestern Herders Picks auf Z. gefreut.


3/644.


An Charlotte von Stein

Gestern war ich in Ettersburg. Herzoginn Louise war da und die Waldner. Wie ists Ihnen bey der Martins Gans gangen? Sind Sie heute zu Haus? Schicken Sie mir: Jägers Nachtlied, und Süser Todt, und die gedruckten, wo: Grabet in die iunge Linde, dabey ist. Ich bring auch wieder ein lieblich Lied von ihm mit. [Weimar] d. 11. Nov. 77.

G.


3/645.


An Charlotte von Stein

Liebste Frau heut Kommt Schuhmann aus dem neuen Haus, morgen Mittag ist alles gescheuert, hoff ich. Der Windofen wird in der Kinder Stube in wenigen Stunden stehn und das Küchelgen also zum[185] Einräumen bereit seyn. Den Heerd lass ich stehn er hindert wenig. Machen Sie sich also zum Aufbruch bereit. Ich dächte Sie fingen gleich heute an eben den Vorrath und so weiter einzuräumen. Liessen heute Nacht Wenden drinne schlafen dass er die Schlüssel zu sich nähme, und was transportirt wird in Empfang nähme, führen morgen mit Einräumen in die Stuben wie sie sauber werden fort, und könnten also auf den Freytag selbst einziehen. Ist dies Ihr Wille so schreiben Sie mir, oder was Sie wollen. So will ich noch heut früh zu Ihnen kommen und wir wollen alles abreden. Einen Windofen in Ihr grün Zimmergen können Sie immer noch haben. [Weimar] d. 12. Nov. 77.


3/646.


An Katharina Elisabeth Goethe

Sagen kann ich über die seltsame Nachricht Ihres Briefs gar nichts. Mein Herz und Sinn ist zeither so gewohnt dass das Schicksal Ball mit ihm spielt dass es für's neue es sey Glück oder Unglück fast gar kein Gefühl mehr hat. Mir ists als wenn in der Herbstzeit ein Baum gepflanzt würde, Gott gebe seinen Seegen dazu, dass wir dereinst drunter sizzen Schatten und Früchte haben mögen. Mit meiner Schwester ist mir so eine starcke Wurzel die mich an der Erde hielt abgehauen worden, dass die Äste, von oben, die davon Nahrung hatten auch absterben müssen. Will[186] sich in der lieben Falmer wieder eine neue Wurzel, theilnehmung und befestigung erzeugen, so will ich auch von meiner Seite mit euch den Göttern dancken. Ich bin zu gewohnt von dem um mich iezzo zu sagen: das ist meine Mutter und meine Geschwister ppppp. Was euch betrifft so seegnet Gott, denn ihr werdet auf's neue erbaut in der Nähe und der Riss ausgebessert.

Schlosser soll mir das Buch Stuarts Finanz System von Lenzen, auch seine Schrifft über die Gesezgebung schicken. Der Vater kann ihm Poetas Graecos minores schicken sie stehen noch zu Hause in folio denck ich. Den Sophokles soll er mir schencken, ich hab ihn verlohren, oder soll ihn zu Geld anschlagen ich will ihn mit dem was ich für Petern restire bezahlen.

Meine Zahn und Backenwirthschafft will nichts bedeuten es hat sich ein Knötgen in der Kinlade gesezzt gehabt das aber nicht schmerzte und iezt vergeht.

Mein Haushalt fängt an sich zu ordnen, es ist einem in dem Gartenhüttgen, bald wie in einem Schiff auf dem Meere. Adieu. [Weimar, 16.] Nov. 77.

G.


3/647.


An Johanna Fahlmer

Gott seegne dich, und lasse dich lang leben auf Erden, wenn dir's wohl geht. Mir ists wunderlich auf deinen Brief, mich freuts und ich kans noch nicht[187] zurecht legen. Ich bin sehr verändert, das fühl ich am meisten, wenn eine sonst bekannte Stimme zu mir spricht, ich eine sonst bekannte Hand sehe.

Dass du meine Schwester seyn kannst, macht mir einen unverschmerzlichen Verlust wieder neu, also verzeihe meine Trähnen bey deinem Glück. Das Schicksaal habe seine Mutterhand über dir und halte dich so warm, wie's mich hält, und gebe dass ich mit dir die Freuden genieße, die es meiner armen ersten versagt hat. Leb wohl grüse Schlosser und sag was leidlichs Frizzen ich bin gar stumm. [Weimar d. 16.] Nov. 77.

G.


3/648.


An Philipp Erasmus Reich

Ich schicke die ersten Bogen der Phisiognomick, und werde das übrige wie es ankommt nachsenden. Wollten Sie von der Güte seyn mir einige Leyhaus, Leybanck Ordnungen welche Sie habhafft werden können zu schicken, und mir einmal ein Conto zu machen wie ich bey Ihnen angeschrieben stehe. Weimar, d. 25. Nov. 77.


3/649.


An Charlotte von Stein

Adieu liebe Frau, ich streiche gleich ab. Die Feder hab ich vergessen das ärgert mich. Sie hätten mir sie gestern wohl geben können. Indess sollen Sie[188] doch einen Brief haben. Adieu sagen Sie auch Steinen. Ich bin in wunderbaar dunckler Verwirrung meiner Gedancken. Hören Sie den Sturm der wird schön um mich pfeifen. [Weimar] d. 29 Nov. 77.

G.


3/650.


An Charlotte von Stein

[Elbingerode] d. 2. Dez. [1777.] Nur die Freude die ich habe wie ein Kind sollten Sie im Spiegel sehn können! Wie doch nichts abenteuerlich ist als das natürliche, und nichts gros als das natürliche, und nichts pppppppppp als das natürliche!!!!! Heut wie ich auf einer Klippe sas – Sie sollen sie sehn – Wo mich Götter und Menschen nicht gesucht hätten. Ich zeichne wieder den ganzen Tag und werde doch nichts mitbringen, wie gewöhnlich. Ich hab Sie wohl sehr lieb. In der ungeheuern Natur da ich krizzelte und mirs sehr wohl war, fiel mir's ein: wenn du's nur auch heute Abend in der Grünen Stube aufhängen könntest! da ists freylich besser im Stern zeichnen. Aber dafür auch!!! Lieb Gold, Weege mit unter!! Im dreckigen Jerusalem Schwedenborgs ists nicht gröber. Und wenn nun gleich die allzufällige Nacht einem sich an Rücken hängt!! – die Trauer an den langen seichten Wassern hin in der Dämmerung! –

Mich ärgert dass ich das Messer und ein Paar dicke Strümpfe nicht von Ihnen habe, denn das sind Freunde[189] in der Noth! – Zwar hab ich Ihren Handschuh, aber ich bin so ein ehmännischer Liebhaber dass das nicht recht fruchten will. Ohne den mindsten Unfall bin ich bis hier. Einige Frazzen wo der Poete sich nicht verläugnet ausgenommen, so sehr ich mit Kaufmanns Diener Aufmercksamkeit auf das meinige, zu reisen bemüht bin! – Gar hübsch ists Auf seinem Pferde mit dem Mantelsäckgen, wie auf einem Schiffe herumzukreuzen. Gute Nacht.


3/651.


An Charlotte von Stein

Donnerst. d. 4. Dez. 77. [Gosla]r.

Von hier wollt ich Ihnen zu erst schreiben, Sie sehn aber aus dem Bleystifft Blättgen dass ich früher laut worden bin. Ein ganz entsezlich Wetter hab ich heut ausgestanden was die Stürme für Zeugs in diesen Gebürgen ausbrauen ist unsäglich, Sturm Schnee, Schlossen, Regen, und zwey Meilen an einer Nordwand eines Waldgebürgs her, alles fast ist nass, und erhohlt haben sich meine Sinne kaum nach Essen, Trincken, drey stunden Ruhe u.s.w. – – Mein Abenteuer hab ich bestanden, schön, ganz, wie ich mir's vorauserzählt, wie Sie's sehr vergnügen wird zu hören, denn Sie allein dürfens hören, auch der Herzog und so muss es Geheimniss seyn. Es ist niedrig aber schön, es ist nichts und viel, – die Götter wissen allein[190] was sie wollen, und was sie mit uns wollen, ihr Wille geschehe.

Hier bin ich nun wieder in Mauern und Dächern des Alterthums verschenckt. Bey einem Wirthe der gar viel väterlichs hat, es ist eine schöne Philisterey im Hause, es wird einem ganz wohl. – – Wie sehr ich wieder, auf diesem duncklen Zug, Liebe zu der Classe von Menschen gekriegt habe! die man die niedre nennt! die aber gewiss für Gott die höchste ist. Da sind doch alle Tugenden Beysammen, Beschräncktheit, Genügsamkeit, Grader Sinn, Treue, Freude über das leidlichste Gute, Harmlosigkeit, Dulden – Dulden – Ausharren in un – – ich will mich nicht in Ausrufen verlieren.

Ich trockne nun iezt an meinen Sachen! – sie hängen um den Ofen. Wie wenig der Mensch bedarf, und wie lieb es ihm wird wenn er fühlt wie sehr er das wenige bedarf. – Wenn Sie mir künftig was schencken, lassen Sie's etwas seyn was man auf so einer Reise braucht. – Nur das stück Papier wo die Zwiebacke in gewickelt waren, zu wie vielerley mir's gedient hat! – Es kan nicht fehlen dass Sie hier nicht lachen und sagen: Schlieslich wirds also den Weeg alles Papiers gehn! – Genug es ist so – – – Ihre Uhr ist denn doch ein hübsch Vermächtniß. – – –

Ich weis nun noch nicht wie sich diese Irrfahrt endigen wird, so gewohnt bin ich mich vom Schicksaale[191] leiten zu lassen, dass ich gar keine Hast mehr in mir spüre, nur manchmal dämmern leise Träume von Sorglichkeit wieder auf, die werden aber auch schwinden. (NB. ich rede hier von einer kindischen Sorglichkeit, nie übers ganze, sondern über einzelne kleine Fälle.)

d. 5. Dez. Guten Morgen noch bey Lichte. Es regnet gar arg, und niemand reisst ausser wen Noth treibt, und dringend Geschäfft, und mich treiben seltsame Gedancken in der Welt herum. Adieu. Grüsen Sie Steinen.


3/652.


An Charlotte von Stein

[Gosla]r, d. 6. [und 7.] Dez. 77.

Mir ists eine sonderbaare Empfindung, unbekannt in der Welt herumzuziehen, es ist mir als wenn ich mein Verhältniss zu den Menschen und den Sachen weit wahrer fühlte. Ich heise Weber, bin ein Mahler habe iura studirt, oder ein Reisender überhaupt, betrage mich sehr höflich gegen iedermann, und bin überall wohl aufgenommen. Mit Frauens hab ich noch gar nichts zu schaffen gehabt. Eine reine Ruh und Sicherheit umgiebt mich, bisher ist mir noch alles zu Glück geschlagen, die Lufft hellt sich aus, es wird diese Nacht sehr frieren. Es ist erstes viertel. ich hab einen Wunsch auf den Vollmond, wenn ihn die Götter erhöhren, wärs grosen Dancks werth. Ich nehm auch nur mit der Hälfte vorlieb. Heut wollt ich zeichnen,[192] ein lieblich Fleck, es ging gar nicht. Mir ists ein vor alle mal unbegreiflich, dass ich Stunden habe wo ich so ganz und gar nichts hervorbringe. – –

Ich drehe mich auf einem sehr kleinen aber sehr merckwürdigen Fleckgen Welt herum. Die kurzen Tage machen alles weiter. Und es ist gar ein schön Gefühl wenn von Plaz zu Plaz aus Abend und Morgen Ein Tag wird. – Schlafen thu ich ganz ohne Maas.

d. 7. Heute früh hab ich wahrhafftig schon heimweh, es mir als wenn mir mein Thal wie ein Kloz an gebunden wäre. Ich bin immer um unsre Gegenden. und treffe Sie vermuthlich da an. Es ist kalt und heitrer Himmel, heut will ich hier weg, und rücke Ihnen schon wieder einigermassen näher.

um 10 Uhr. Mir ist ganz wunderlich als wenn michs von hier wegpeitschte. Ich hab das Essen früher bestellt und will gleich fort. Adieu dieser Brief geht erst Morgen ab. Adieu.

G.


3/653.


An Charlotte von Stein

[Clausthal, 7. – 9., Altenau, 9. December 1777.]

**l. d. 7. Dez. Abends. Schöne Mondnacht und alles weis im Schnee. Sie sehen wohl dass ich auf den Bergen bin weil ich in so wenig Stunden das Clima so sehr verändern kann. Aber nicht allein Clima. Ich hab Ihnen viel zu erzählen wenn ich[193] wiederkomme. Wenn ich nur hernach erzählen kan. Den sonderbaaren dramatisch-ministerialischen Effeckt den die Welt auf mich macht durch die ich ziehe!! Das schönste von dieser Wallfahrt ist dass ich meine Ideen bestätigt finde auf iedem Schritt, über Wirthschafft, es sey ein Bauergut oder ein Fürstenthum, und dass sie so simpel sind, dass man gar nicht zu reisen brauchte wenn man bey sich was lernte. Nur die Einsamkeit will mir doch nicht recht, ich habs sonst besser gekonnt, bey euch verwöhn ich mich, ich möchte doch in manchen Stunden zu Hause seyn.


d. 8. Dez. Nachts. Diesmal bring ich Sie um eine Menge toller Ideen. heute den ganzen Tag schwäzz ich mit Ihnen was ich des Abends schreiben wollte. Und nun unterhält mich die Menschenwirthschafft durcheinander so sehr dass ich nur gute Nacht sagen kann. Gute Nacht Liebste.


d. 9. Es ist gar schön. Der Nebel legt sich in leichte Schneewolcken zusammen, die Sonne sieht durch. und der Schnee über alles macht wieder das Gefühl von Fröhligkeit. In meiner Verkappung seh ich täglich wie leicht es ist ein Schelm zu seyn, und wieviel Vortheile einer der sich im Augenblick verläugnet, über die harmlose Selbstigkeit der Menschen gewinnen kann. Niemand macht mir mehr Freude als die Hundsfütter, die ich nun so ganz vor mir gewähren, und ihre Rolle gemächlich ausspielen lasse. Der[194] Nuzzen aber den das auf meinen phantastischen Sinn hat, mit lauter Menschen umzugehn die ein bestimmtes, einfaches, daurendes, wichtiges Geschäfft haben, ist unsäglich. Es ist wie ein kaltes Bad, das einen aus einer bürgerlich wollüstigen Abspannung, wieder zu einem neuen kräfftigen Leben zusammen zieht.


d. 9. Dez. Abends*** au.

Was die Unruhe ist die in mir stickt mag ich nicht untersuchen, auch nicht untersucht haben. Wenn ich so allein bin, erkenn ich mich recht wieder wie ich in meiner ersten Jugend war, da ich so ganz allein unter der Welt umhertrieb. Die Menschen kommen mir noch eben so vor, nur macht ich heut eine Betrachtung. Solang ich im Druck lebte, solang niemand für das was in mir auf und abstieg einig Gefühl hatte, vielmehr wie's geschieht, die Menschen erst mich nicht achteten, dann wegen einiger widerrennender Sonderbaarkeiten scheel ansahen, hatte ich mit aller Lauterkeit meines Herzens eine Menge falscher, schiefer Prätensionen – Es lässt sich nicht so sagen, ich müsste ins Detail gehn – da war ich elend, genagt, gedrückt, verstümmelt wie Sie wollen. Jetzt ists kurios besonders die Tage her in der freywilligen Entäuserung was da für Lieblichkeit für Glück drinne steckt.

Die Menschen streichen sich recht auf mir auf, wie auf einem Probirstein, ihre Gefälligkeit, Gleichgültigkeit, Hartleibigkeit und Grobheit, eins mit dem andern[195] macht mir Spaß – Summa Summarum es ist die Prätension aller Prätensionen keine zu haben.

Liebes Gold! Ich hab an keinem Orte Ruh, ich habe mich tiefer ins Gebürg gesenckt, und will morgen von da in seltsame Gegenden streifen, wenn ich einen Führer durch den Schnee finde. Um halb viere fangts schon hier an Nacht zu seyn, und das ist nach der Uhr des platten Lands gewiss erst drey.

Ich dencke des Tags hundertmal an den Herzog und wünsche ihm den Mitgenuss so eines Lebens, aber den rechten leckern Geschmack davon kan er noch nicht haben, er gefällt sich noch zu sehr das natürliche zu was abenteuerlichem zu machen, statt dass es einem erst wohl thut wenn das abenteuerliche natürlich wird.

Es ist eben die Zeit, wenig Tage auf ab, dass ich vor neun Jahren kranck zum Todte war, meine Mutter schlug damals in der äusersten Noth ihres Herzens ihre Bibel auf und stand, wie sie mir nachher erzählt hat: »Man wird wiederum Weinberge pflanzen an den Bergen Samariä, pflanzen wird man und dazu pfeifen.« Sie fand für den Augenblick Trost, und in der Folge manche Freude an dem Spruche.

Sie sehn was für Zeug mir durcheinander einfällt.

Dass ich iezt um und in Bergwercken lebe, werden Sie vielleicht schon errathen haben. Gestern Liebste hat mir das Schicksaal wieder ein gros Compliment gemacht. Der Geschworne ward einen Schritt vor mir von einem Stück Gebürg das sich ablöste zu[196] Boden geschlagen, da er ein sehr robuster Mann war so stemmte er sich da es auf ihn fiel, dass es sich in mehr Stücken auseinanderbrach, und an ihm hinabrutschte, es überwältigte ihn aber doch, und ich glaubte es würde ihm wenigstens die Füsse sehr beschädigt haben, es ging aber so hin, einen Augenblick später so stund ich an dem Fleck, denn es war eben vor einem Ort den er mir zeigen wollte, und meine schwanke Person hätt es gleich niedergedrückt, und mit der völligen Last gequetscht. Es war immer ein Stück von fünf, sechs Zentnern. Also dass Ihre Liebe bey mir bleibe, und die Liebe der Götter.


3/654.


An Charlotte von Stein

[Tagebuch vom 1. – 9. December 1777.]

ganzen Tag in unendlich gleicher Reinheit

† schöne Aussicht die goldene Aue vom Kyffhäusser bis Northausen herauf.

d. 1. Dez. Montag früh 7 von Ilefeldt ab mit einem Boten gegen Mittag in Elbingerode. Felsen und Bergweeg. Gelindes Wetter. Leiser Regen – Dem Geyer gleich pp.

1. Dez. früh nach Elbingerode. herrlicher Eintritt in Harz. Nachmittag in die Baumannshöle

2. den ganzen Tag in der Baumannshöle. Abends nach Elbingerode

[197] 3. auf Wernigerode. Mit Plessing spazieren auf die Berge pppp.

4. Über Ilsenburg, auf Goslar. bey Schefflern eingekehrt grimmig Wetter.

5. früh in Rammelsberg bis auf den Sumpf, durchaus.

d. 6. Nach den Hütten an der Ocker. Gesehn die Messing Arbeit und das Hüttenwerck. Zurück. Gessen. Spazieren vergeblich. gezeichnet. Zu Zech. Gegen Schreiber, geschwäzt. Zurück.

d. 7. Heimweh. nach Clausthal. Seltsame Empfindung aus der Reichsstadt, die, in und mit ihren Privilegien, vermodert, hier herauf zu kommen wo vom unterirdischen Seegen die Bergstädte fröhlich nachwachsen. Geburtstag meiner abgeschiednen Schwester.

d. 8. früh eingefahren in der Carolin und Dorothee. Schlug ein Stück Wacke vor mir den Geschwornen nieder, ohne Schaden als die Streifrizze. Nachmittag durchgelogen. Spazieren und Spas mit den Fremden. d. 9. Früh auf die Hütten. Nach Tische bei Ilsemann sein Kabinet zu sehen. Abends nach Altenau. unendlich geschlafen.[198]


3/655.


An Charlotte von Stein

[Torfhaus und Clausthal,

10. und 11. December 1777.]

d. 10. Vor Tag. eh ich wieder hier aufbreche noch einen guten Morgen.

Nachts gegen 7. Was soll ich vom Herren sagen mit Federspulen, was für ein Lied soll ich von ihm singen? im Augenblick wo mir alle Prose zur Poesie und alle Poesie zur Probe wird. Es ist schon nicht möglich mit der Lippe zu sagen was mir widerfahren ist wie soll ichs mit dem spizzen Ding hervorbringen. Liebe Frau. Mit mir verfährt Gott wie mit seinen alten heiligen, und ich weis nicht woher mir's kommt. Wenn ich zum befestigungs Zeichen bitte dass möge das Fell trocken seyn und die Tenne nass so ists so, und umgekehrt auch, und mehr als alles die übermütterliche Leitung zu meinen Wünschen. das Ziel meines Verlangens ist erreicht, es hängt an vielen Fäden, und viele Fäden hingen davon, Sie wissen wie simbolisch mein daseyn ist – – Und die Demuth die sich die Götter zu verherrlichen einen Spas machen, und die Hingebenheit von Augenblick zu Augenblick, die ich habe, und die vollste Erfüllung meiner Hoffnungen.

Ich will Ihnen entdecken (sagen Sies niemand) dass meine Reise auf den Harz war, dass ich wünschte[199] den Brocken zu besteigen, und nun liebste bin ich heut oben gewesen, ganz natürlich, ob mir's schon seit 8 Tagen alle Menschen als unmöglich versichern. Aber das Wie, von allem, das warum, soll aufgehoben seyn wenn ich Sie wiedersehe. wie gerne schrieb ich iezt nicht.

Ich sagte: ich hab einen Wunsch auf den Vollmond! – Nun Liebste tret ich vor die Thüre hinaus da liegt der Brocken im hohen herrlichen Mondschein über den Fichten vor mir und ich war oben heut und habe auf dem Teufels Altar meinem Gott den liebsten Danck geopfert.

Ich will die Nahmen ausfüllender Orte. Jezt bin ich auf dem sogenannten Torfhause, eines Försters Wohnung zwey Stunden vom Brocken.

Clausthal d. 11. Abends, heut früh bin ich vom Torfhause über die Altenau zurück und habe Ihnen viel erzählt unterweegs, o ich bin ein gesprächiger Mensch wenn ich allein bin.

Nur ein Wort zur Erinnerung. wie ich gestern zum Torfhause kam sas der Förster bei seinem Morgenschluck in Hemdsermeln, und diskursive redete ich vom Brocken und er versicherte die Unmöglichkeit hinauf zu gehn, und wie offt er Sommers droben gewesen wäre und wie leichtfertig es wäre iezt es zu versuchen – Die Berge waren im Nebel man sah nichts, und so sagt er ists auch iezt oben, nicht drey Schritte vorwärts können Sie sehn. Und wer nicht alle Tritte[200] weis pp. Da sas ich mit schwerem Herzen, mit halben Gedancken wie ich zurückkehren wollte. Und ich kam mir vor wie der König den der Prophet mit dem Bogen schlagen heisst und der zu wenig schlägt. Ich war still und bat die Götter das Herz dieses Menschen zu wenden und das Wetter, und war still. So sagt er zu mir: nun können Sie den Brocken sehn, ich trat ans Fenster und er lag vor mir klar wie mein Gesicht im Spiegel, da ging mir das Herz auf und ich rief: Und ich sollte nicht hinaufkommen! haben Sie keinen Knecht, niemanden – Und er sagte ich will mit Ihnen gehn. – – Ich habe ein Zeichen ins Fenster geschnitten zum Zeugniss meiner Freuden Trähnen und wärs nicht an Sie hielt ich's für Sünde es zu schreiben. Ich habs nicht geglaubt biss auf der obersten Klippe. Alle Nebel lagen unten, und oben war herrliche Klarheit und heute Nacht bis früh war er im Mondschein sichtbaar und finster auch in der Morgendämmrung da ich aufbrach. Adieu. Morgen geh ich von hier weg. Sie hören nun aus andren Gegenden von mir. Fühlen Sie etwa Beruf mir zu schreiben geben Sie's nur Philippen, dem hab ich eine Adresse gemeldet.

Adieu Liebste. Grüsen Sie Steinen und die Waldnern, aber niemanden wo ich bin. Adieu.

G.[201]


3/656.


An Charlotte von Stein

[Tagebuch vom 10. – 15. December 1777.]

d. 10. früh nach dem Torfhause. 1 viertel nach Zehn auf den Brocken. ein viertel nach eins droben, heitrer herrlicher Tag, rings die ganze Welt in Wolcken und Nebel, oben alles heiter. Was ist der Mensch dass du sein gedenckest. Um Vieren wieder zurück. bey dem Förster auf dem Torfhause in Herberge. d. 11. früh 7 vom Torfhause ab. über die Altenau. halb eilf wieder in Clausthal. Erhohlt, getruncken, gessen, die Zeit vergängelt abends Briefe und eingepackt. Vom Torfhause geht der Weeg zurück die Lerchenköpfe herunter, an der steilen Wand her. Über die Engels Krone, Altenauer Glück, Lilien Kuppe. d. 12. früh halb sieben im Nebel aufgebrochen. übers Damm haus, den Bruchberg, die Schlufft auf Andreasberg angekommen um 11 Uhr. meist zu Fus. starcker Dufft auf den höhen und Flächen durchdringende Kälte. Im Rathhaus eingekehrt. Abends eingefahren in Samson durch Neufang auf Gottesgnade heraus. Ward mir sauer. nachher geschrieben. Kalteschale gemacht. d. 13. früh 6 in Nacht und glättendem Nebel herab durchs Thal nach Lauterberg war schon feuchter doch noch Schnee. Auf die Königshütte während Fütterns mich umgesehn. Fuhr mir was ins lincke Aug. Über Silckerode nach Duderstadt. Nebel, Koth,[202] und unwissenden Boten. Abends 4 in Duderstadt muste das Auge verbinden legte mich vor langerweile schlafen. d. 14. um 8 Uhr weg, in tiefem Nebel und Koth nach Mühlhausen. Angekommen um 2. blieb da die Nacht. d. 15. früh mit einem Postillon vor sechs weg. War wieder kälter in Eisenach gegen 11. Fand den Herzog da. Englischer Reuter.


3/657.


An Philipp Erasmus Reich

Wollten Sie die Güte haben, mir die Berliner Leihordnung zu verschreiben. Wie auch etwa bey dieser Gelegenheit sonstige neuere Königl. Preusische Verordnungen die man als eine Continuation der Constitutionum Marchikarum sammeln mögte. Die Accise betreffend, besizze ich. d. 18. Dez. 77. Weimar.

Goethe.


3/658.


An Charlotte von Stein

[Weimar, 27.? December 1777.]

Heut früh ahndet ich so was, also adieu für heute. Ich bleibe zu Haus, um mit dem sechsten Ackt fertig zu werden und geh nicht auf die Redoute. Hier sind Plessings Papiere.[203]


3/659.


An Charlotte von Stein

Eine Blume schick ich Ihnen die ich im Ausritt vom Harze, unter dem Schnee aus einem Felsen für Sie gebrochen habe, es war Beylage zum Brief der verlohren ist. Auch einige angefangne Zeichnungen, auch eine Ente, und bitte Sie um meine Gedichte dass ich was einschreiben kan. Ich bin still in meiner Hütte. heut Abend sehn Sie mich in dem Leichtsin der Representation. Addio beste. [Weimar] d. 30. Dez. 77.

G.


Quelle:
Goethes Werke. Weimarer Ausgabe, IV. Abteilung, Bd. 3, S. 143-204.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Hoffmann, E. T. A.

Die Elixiere des Teufels

Die Elixiere des Teufels

Dem Mönch Medardus ist ein Elixier des Teufels als Reliquie anvertraut worden. Als er davon trinkt wird aus dem löblichen Mönch ein leidenschaftlicher Abenteurer, der in verzehrendem Begehren sein Gelübde bricht und schließlich einem wahnsinnigen Mönch begegnet, in dem er seinen Doppelgänger erkennt. E.T.A. Hoffmann hat seinen ersten Roman konzeptionell an den Schauerroman »The Monk« von Matthew Lewis angelehnt, erhebt sich aber mit seiner schwarzen Romantik deutlich über die Niederungen reiner Unterhaltungsliteratur.

248 Seiten, 9.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Biedermeier II. Sieben Erzählungen

Geschichten aus dem Biedermeier II. Sieben Erzählungen

Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Michael Holzinger hat für den zweiten Band sieben weitere Meistererzählungen ausgewählt.

432 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon