1782

[246] 5/1376.


An Charlotte von Stein

Mit dem ersten langsamen Scheine des Tages sag ich dir einen Willkomm in's neue Jahr, du weisst mit welcher Zufriedenheit ich es anfange, und daß ich nur Einen Wunsch habe dir recht danckbaar seyn zu können, da ich dir alles schuldig bin. Es ist mir als wenn mich nun kein Übel berühren könnte, die schönsten Aussichten liegen vor mir. Mein Vorsatz zu Hause zu mahlen ist schwanckend, und doch mögt ich gleich zu Anfange etwas über mich gewinnen. Sage mir liebste wie du geschlafen hast. Ich schicke ein kleines Gerichte. Leb wohl! Leb wohl! d. 1. Jan. 82.

G.

Schicke mir die Everdingens und Dietrichs. Beykommendes bitte als ein Geheimniß zu verwahren, es ist ein lächerliches Werck, und besser ausgeführt als gedacht.[246]


5/1377.


An Charlotte von Stein


Gotha den 1. Januar.

Wiewohl Sie mir schon eine abschlägliche antwort gegeben haben wage ich es doch Sie nochmals auf den Donnerstag zur redoutte zu bitten, niemand weis hier ein wort von dieser invitation als die Frau von Seckendorf, wenn Sie wollen recht artig seyn so Kommen Sie Donnerstag mittag, weil wir da beym Prinz August speisen leben Sie bis dahin wohl und Kommen Sie und zwar bald.

Charlotte.


Diese Briefe erhalt ich eben Liebe Lotte durch eine Staffette. Was das für eine Unruhe in den Fürstlichen Gliedern ist. Sie können weder stille sizzen noch andre lassen. Wenn es noch eine französche Chaussee wäre, lies ichs gelten, aber ein Zug wie durchs rothe Meer nach des ungenannten Beschreibung. Es geht ein Thauwind, und was schlimmer als alles ist, ich mag nicht. Sag du mir auch daß ich nicht soll damit ich meiner Sache recht gewiß bin. Ich will ihr einen artigen Brief schreiben, das mag ihr gnügen. Vor Frühjahr kriegt mich niemand zum Spas aus dem Neste.

Schicke mir doch meine Bücher. Die Kupfer behalte.

Der Wind verdirbt mir eine Eis Parthie ich wollte draus essen. Und hoffte dich, vor oder nach Tisch[247] auch auf dem glatten Elemente zu bewillkommen. Adieu Liebste. Sag mir ein Wort.

Unsre Herrschafften kommen also kaum zur Redoute, wenigstens Marode. Adieu. Willst du hinauf gehn?

d. 2. Jan. 82.

G.


5/1378.


An Charlotte von Stein

Lege, meine Liebe, diese Bogen zu der übrigen Abschrifft, was noch fehlt wird bald nachkommen, alsdenn lass ich dir's binden.

Sage mir wieviel deine Mutter Geld braucht und wie bald sie es erstatten will, wenn es nicht auf zu lange ist kann ich es ihr selbst geben, es ist mir eingefallen wie ich es machen kann.

Sag mir was ich so gern höre. Das entsetzliche Wetter macht mir keine Freude, es ist doch immer schöner wenn die Sonne scheint, es mag innwendig aussehn wie es will.

Ich bleibe zu Hause und bin fleisig. Was beginnst du?

Wie wohl ist mir daß ich nicht unterweegs zum Diné bin. d. 3. Jan. 82.

G.[248]


5/1378a.


An Carl Christian von Herda

Hochwohlgebohrner

Insonders hochgeehrtester

Herr Geheimderath,

Die gütige Zuschrifft womit Sie mich bey dem eingetretnen Jahreswechsel beehrt, war mir ein neuer Beweis von dem Freundschafftlichen Andencken dem ich[17] mich so sehr empfohlen wünsche. Angern habe ich neulich Eisenach zu einer Zeit verlassen, wo ich Ihrer gefälligen Einladung noch erst recht hätte geniesen sollen.

Behalten Sie mir Ihre schätzbaare Freundschafft und glauben daß ich an Ihrer Gesundheit, an allem was Sie angehen mag, besonders an dem Wohl der lieben Ihrigen den lebhafftesten Antheil nehme, mit welchen Gesinnungen und der vollkommensten Hochachtung ich mich unterzeichne

Ew Hochwohlgeb.

gehorsamsten

Diener

Weimar d. 3 Jan. 82.

Goethe.[18]


5/1379.


An Charlotte von Stein

Wie du die Augen aufthust mögt ich dir einen guten Morgen sagen, und hören wie du geschlafen hast. Ich schreibe dies Zettelgen, schon ganz frühe und muss es liegen lassen bis es Tag wird. Indess antworte ich mir selber und sage mir in deinem Nahmen das beste. Ich freue mich auf ein süses Wort von dir im Masken Getümmel, freue mich aber nicht auf das Getümmel, was heute unser schönes ruhiges Zusammenseyn unterbrechen wird. d. 4. Jan. 82.

G.


5/1380.


An Charlotte von Stein

Noch eine Nachschrifft zu diesem Blättgen. Erlaube mir daß ich mit dir esse und nach Tisch den Schirm, wie du es gestern verlangtest, mahle. Hier schick ich auch die Farben und hoffe sie werden gut seyn. Sie kommen von hohen blonden Händen.

d. 4. Jan. 82.

G.


5/1381.


An Charlotte von Stein

Da ich dir ieden Tag etwas geben mögte, und doch nicht ieder Tag reich ist; so ist mir's lieb daß[249] die Abschrifft in einzelnen Bogen kommt. Lege diese auch zu den übrigen, die letzten werden bald fertig seyn.

Meinen besten Grus zum schönen kalten Morgen, bald sehn wir uns auf dem Eise. Heute bleib ich zu hause und bin fleisig. d. 5. Jan. 82.

G.


5/1382.


An Charlotte von Stein

Du kommst mir mit deinem Zettelgen zuvor, schon den ganzen Morgen geh ich um dir zu schreiben, und konnte mich durch die vielen Papiere nicht zu dir durchwinden.

Diesen Mittag bin ich zu Hause, nach Tische seh ich dich, um 4 Uhr ist Probe.

Hier schick ich den Rahmen nimm dich des Werckes an.

Dein Siegel sieht heute so freundlich aus als wenn du mich recht lieb hättest.

Lebe wohl und möge dir meine Liebe seyn was mir deine ist und bleibt.

d. 10. Jan. 82.

G.


5/1383.


An Charlotte von Stein

Mich verlangt ein Wort von dir zu sehen, zu hören wie du dich befindest. Ich bin an des Herzogs Aufzug und werde auch noch Balletmeister. Gegen[250] zwölfe will ich aufs Eis wenns geht. Adieu beste gehst du an Hof.

d. 13. Jan. 82.

G.


5/1384.


An Charlotte von Stein

Endlich wird das Weynachtsgeschencke ganz. Ich will dir's nun einbinden lassen, damit es dir immer bleibe.

Eh ich zur Probe gehe frag ich bey dir an. Die viele Zerstreuung und das Vertrödeln der Zeit ist mir unangenehm, und doch seh ich daß es höchst nothwendig ist, mich mit diesen Sachen abzugeben, und daß man Gelegenheit gewinnt das Gute zu thun indem man zu scherzen scheint.

d. 14. Jan. 82.

G.


5/1385.


An Charlotte von Stein

Wenn ich hören kann daß du wohl geschlafen hast, und besser bist werde ich sehr glücklich seyn. Der Herzog von Gotha hat mir einen Abguss der wahren Büste des Vatikanischen Apolls geschickt, gegen den der unsre ein würcklicher Bauerbube ist, du wirst grose Freude haben ihn zu sehen und zu zeichnen. Nur ein Wort. d. 16. Jan. 82.

G.[251]


5/1386.


An Charlotte von Stein

In Hoffnung daß du gut geschlafen hast, hab ich meine Götter freundlich gegrüst. Sag mir wie du dich befindest, und daß du mir gewogen bist.

d. 17. Jan. 82.

G.


5/1387.


An Charlotte von Stein

Die versprochenen Birn schick ich dir mit einem Morgengruse, und bitte um Nachricht wie du geschlafen hast. Ich frage bald selbst. d. 18. Jan. 82.

G.


5/1388.


An Charlotte von Stein

Sag mir Liebe daß du wohl geschlafen hast und wohl bist, damit mir auch wieder wohl werde.

d. 19. Jan. 82.

G.


5/1389.


An Charlotte von Stein

[19. Januar.]

Wie freut es mich von dir zu hören daß du besser bist. Das ist besser als alle Redouten. Unsre Possen sind gut gegangen und haben gefallen. Ich komme bald hinüber. Adieu.

G.[252]


5/1390.


An Charlotte von Stein

Wie befindet sich meine beste? Wie hat sie geschlafen? Was wird sie vornehmen?

Ich habe den Kopf voll Ideen und Sorgen. Keine für mich denn mir bläst das Glück in den Nacken, desto mehr für andre, für viele. Für sich kan man wohl noch den rechten Weeg finden, für andre und mit andren scheint es fast unmöglich. Solang mich deine Liebe und mein guter Muth nicht verlässt mag es gehn wie's will. d. 20 Jan. 82

G.


5/1391.


An Charlotte von Stein

Gerne mögt ich dir etwas schicken und habe nichts als das Tiefurter Journal. sage mir ein freundlich Wort zum freundlichen Wetter. Ich gehe aufs Eis gegen Mittag und sehe dich vorher. Wir sollen uns scheint es auf der glatten Fläche dies Jahr nicht begrüsen. Adieu.

d. 22. Jan. 82.

G.


5/1392.


An Charlotte von Stein

Hier sind die Lieder, und gute Aepfel. Sie haben zwar Flecken, werden aber doch noch hoff ich geniesbaar[253] seyn. Beym Aufstehen war ich so glücklich mein Lied, bis auf eine einzige Stelle gänzlich zu reinigen. Adieu beste. d. 24. Jan. 82.

G.


5/1393.


An Charlotte von Stein

[24. Januar.]

Der Herzog hat uns zu seiner Frau Mutter geladen, weil des Königsgeburtstag ist. Ich habe nicht einen Augenblick abkommen können dirs zu sagen. Hier schick ich das Lied in seiner heutigen Gestalt.

G.


5/1394.


An Charlotte von Stein

Liebe Lotte schick mir den Schirm, wenn's möglich ist so mach ich ihn fertig.

Heute früh eh es Tag wurde wacht ich auf und rekapitulirte mein ganzes Leben, es ist sonderbar genug und sehr glücklich da es mich zu dir geführt hat. Lebe wohl! Ich dencke heute nicht auszugehen.

Schick mir auch Hausblase mit.

d. 27. Jan. 82.

G.


5/1395.


An Charlotte von Stein

Nach überstandner Tageslast eilt ich zu dir. Da erschröckten mich Geibels erleuchtete Fenster. Doch[254] konnt ich noch hoffen dich zu hause zu finden und ging nur geschwinder. Ich fand dich nicht, und murrte einen Augenblick! dann ging ich in dem schönen Mondschein heraus und fand dein liebliches Wort wofür ich dir dancke. Psyche war nicht stumm. du Liebe! Gute Nacht! Wenn du gewusst hättest wie ich eines Blickes von dir bedarf, du wärst zu Hause geblieben. Ich will kein Kind seyn. Adieu.

d. 29. Jan. 82.

G.


5/1396.


An Charlotte von Stein

[Anfang Februar.]

Wie nothwendig mir gestern Abend als ich nach Hause kam deine Gegenwart gewesen wäre kann ich dir mit Worten nicht ausdrücken, ich unterhielt mich lange im Geist mit dir. Habe tausend Danck für dein Briefgen ich komme noch vor Tische kann aber wegen einer dringenden Arbeit vor 12 Uhr nicht ausgehn. Diesen Abend sind wir zusammen und so immer fort. Lebe wohl. liebe mich es ist mein gröstes Bedürfniß.

G.

Wegen der Maske will ich Friedrichen den Auftrag thun. Du hast die übrigen französchen bon mots hier noch einige dazu.[255]


5/1397.


An Charlotte von Stein

[Anfang Februar.]

Hier ein Brief an Knebeln. Meine Geliebte meine Vertraute. Wenn du meinst will ich ihn der Schardt zu lesen geben so etwas thut manchmal gut.

G.


5/1398.


An Carl Ludwig von Knebel

Wieder einmal ein Wort aus dem Lärm in deine Einsamkeit.

Der Herzog von Gotha und Prinz August sind seit gestern hier, und seit Anfang des Jahres hat es viel Treibens zur Comödie und Redouten gegeben, da ich denn freylich meine Hand den Kräusel zu treiben habe hergeben müssen, die von andern Expeditionen offt schon herzlich müde ist.

Hierbey liegt die Scizze eines Redouten Aufzugs der sich gut ausgenommen hat.

Am 30. haben wir ein Ballet meist von Kindern gegeben, das ich dir auch abschreiben lasse. Ein Amor brachte, am Schluß, der Herzoginn beyliegendes Band.

Auf der letzten Redoute erschien ein Aufzug der weiblichen Tugenden, die in einem Reihen, nachdem iede es zu thun abgelehnt hatte, durch die Bescheidenheit der Herzoginn Kränze überreichen liesen, die mit dem auch beyliegenden Band geflochten waren.

[256] Graf Werther führte einen Aufzug der vier Jahrszeiten auf, die französche Verse sind von ihm.

Ich unterhalte dich von nichts als Lust. Innwendig siehts viel anders aus, welches niemand besser als wir andern Leib und Hofmedizi wissen können.

Doch ist meine Tenazität unüberwindlich, und da es mir gelingt mich täglich mehr einzurichten und zu schicken; so werd ich auch täglich zufriedener in mir selbst. Ich dancke Gott daß er mich bey meiner Natur in eine so eng-weite Situation gesezt hat, wo die manigfaltigen Fasern meiner Existenz alle durchgebeizt werden können und müssen. Die Stein hält mich wie ein Korckwamms über dem Wasser, dass ich mich auch mit Willen nicht ersäufen könnte. Die Schardt ist ein gutes treffliches Wesen. Sie hat neulich in meinem Stück das beste Wort das drinne war, aus dem Munde eines schlechten Ackteurs gleichwie aus der Luft geschossen, das den andern allen entgangen war. Die Werthern gewinnt nichts durch deine Abwesenheit. Ihre Natur die du ausgetrieben oder in die Enge getrieben hattest, kehrt in ihre alten Rechte zurück. Ich seh ihr so im Stillen zu, sie will mir gar nicht gefallen. Vielleicht sollt ich dir so was nicht sagen, aber warum auch immer schweigen.

Händel hats in Curia auch wieder gegeben. Stein, Werther und Seckendorf, haben sich gezanckt ohne sich die Hälse zu brechen. Wir haben an Schardt und Staff zwey Cammer-, an Luck einen Hofjuncker. Die[257] Herzoginnen sind wie es scheint zufrieden und leidlich mit sich und andern, das Prinzessgen wächst in seiner Prinzessheit. Mit dem Herzog hab ich gute Stunden gehabt. Leb wohl und schreibe mir bald.

d. 3. Febr. 82.

G.


Arlekin Burgemeister hat von seinem Bruder dem Milchtopf nichts. Es ist ein elend Pasquill.


5/1399.


An Charlotte von Stein

Bis ietzo hab ich immer gehofft du würdest mir die Iphigenie schicken und mir ein holdes Wort sagen. Hier folgt ein süses Näpfgen, und die Versichrung daß ich, wenn meine Narren Rolle heut Abend gespielt seyn wird, ich mit Sehnsucht zu den Wohnungen der Weisheit und Güte zurückkehren werde.

d. 6. Febr. 82.

G.


5/1400.


An Charlotte von Stein

Zum frühen Tag möcht ich ein gutes Wort von lieber Hand sehen, hören wie du geschlafen hast, ob du wohl bist und daß du mich gerne heute wieder empfängst wie du mich gestern entlassen hast.

d. 7. Febr. 82.

G.[258]


5/1401.


An Charlotte von Stein

Diesen Nachmittag hat ich mich stille gehalten und bin immer um dich geblieben. Schubert spielt noch da ich dies schreibe aus der Violine. Ich habe die Touren zu dem Aufzug der Herzoginnen componirt, er soll hoff ich artig werden und auch zu einem künftigen Ballet die Grundlage geben. Adieu. Indem ich schliefe überfällt mich das Verlangen dich noch zu sehn ich will mich enthalten! Lebe wohl! morgen früh Ackten lesen, und den Tag der Eitelkeit geben die sehr solid wird, da ich dich an der Hand habe. Adieu beste. Und schicke mir es sey was es wolle. d. 7. Febr. 82.

G.


5/1402.


An Charlotte von Stein

Wie meine beste sich befindet mögt ich gerne wissen, es war recht schade daß du gestern nicht beym Thee und Abendessen warst, es ging alles recht gut. Herder sagte Wielanden einmal etwas unartiges und dieser erwiederte was grobes. Ich will nur erleben wenn Wieland älter wird, wie es mit seinem Radotage werden kann, denn er schwätzt alle Tage ärger in den Tag hinein. Der Herzog schmiss die schöne Vestale um und es sprang ein Finger ab, die Herzoginn betrug sich gar himmlisch schön dabey. Übrigens war[259] man vergnügt und gut, mir raunte Mephistopheles einige Anmerckungen Leise zu, und ich lies mir den Punsch schmecken. Adieu Beste sag mir wo du heut bist, ich bleibe bis gegen Abend zu Hause meiner zu warten und aufzuräumen. d. 10. Febr. 82.

G.


5/1403.


An Charlotte von Stein

Sag mir Lotte ein Wort. Es ist mir in deiner Liebe als wenn ich nicht mehr in Zelten und Hütten wohnte als wenn ich ein wohlgegründetes Haus zum Geschenck erhalten hätte. drinne zu leben und zu sterben, und alle meine Besitzthümer drinne zu bewahren. Vor zehen Uhr seh ich dich einen Augenblick. Ich kann dir nicht Lebe wohl sagen denn ich verlasse dich nicht. d. 11. Febr. 82.

G.


5/1404.


An Charlotte von Stein

Dein Liebes Pfand bring ich dir heute früh zurück eh ich in die Probe gehe.

Noch nie hab ich den Schluss des Carnavals so sehnlich gewünscht als diesmal. Von Morgen an zähl ich eine neue Epoche. Und muß und werde ein neues Leben anfangen. Wie ists gestern Abend noch gegangen? Ich wäre gern geblieben. Adieu. Wir[260] waren gar vergnügt. Ich war der fünfte zu 4 Fürstlichkeiten. Sie waren alle recht gut unter einander, und der Prinz munter und unterhaltend. Lebe wohl. Du weist was ich mit iedem Erwachen wiederhohle. d. 12ten Febr. 82.

G.


5/1405.


An Charlotte von Stein

Der Entschluss zu Hause zu bleiben wird mit dem frühen Morgen schwanckend, was wäre ein Tag ohne dich zu sehen. Ich möchte mir die Haare abschneiden und sie dir als so viel Worte der Liebe schicken. Sag mir wie du heute deinen Tag zubringen wirst, und wo ich dich den Abend finde? Lebwohl und sag mir ein Wort.

d. 16. Febr. 82.

G.


5/1406.


An Charlotte von Stein

Beykommendes Zettelgen war schon geschrieben und eben auf dem Weege.

Ich dancke für deinen Grus, werde wohl zu Hause bleiben und dich heut Abend wenn du aus dem Conzert kommst begrüsen. d. 16. Febr. 82.

Es ist mir recht wohl.

G.[261]


5/1407.


An Charlotte von Stein

Meine l. L. erhält hier die verlangten Lieder, ich wünsche daß sie ihr viel Freude im Stillen machen: Zugleich auch einen rothen Bleystifft, zeichne das Landschäfftgen was noch fehlt, das letzte will ich machen. Adieu beste und sag mir ein Wort. d. 17ten Febr. 82.

G.


5/1408.


An Charlotte von Stein

Seit meinem Erwachen bin ich mit dir beschäfftigt und muß dir einige Zeilen schreiben damit ich zu etwas andrem geschickt werde. Ich will heute einnehmen. Sag mir ob du in die Gesellschafft gehst.

Und dann Lotte, ich habe eine Sorge auf dem Herzen eine Grille die mich plagt, und schon lange ängstigt du must mir erlauben daß ich dir sie sage, du must mich aufrichten. Mit Schmerzen erwart' ich die Stunde da ich dich wiedersehe. Du must mir verzeihen. Es sind Vorstellungen die aus meiner Liebe aufsteigen, Gespenster die mir furchtbaar sind, und die nur du zerstreuen kannst. d. 18. Febr. 82.

G.[262]


5/1408a.


An Wilhelm Christoph von Diede

Hochwohlgebohrner Herr,

Hochgeehrtester Herr Geheimer Rath!

Euer Excellenz haben mir durch Herrn von Seckendorf im vorigen Jahre einen Riß mit einigen Anfragen zugeschickt, und ich muß um Verzeihung bitten, daß ich so viel Zeit verstreichen lassen, ohne die verlangten Gedanken zu überschreiben. Indessen bin ich nicht so ganz nachlässig gewesen, als es scheinen mögte, ich habe sowohl über Platz als Anlage selbst als über die anzubringenden Monumente und Inschriften nachgedacht und ich habe meinen alten Freund und Lehrer, Oeser, als ich neulich in Leipzig war, um[18] Rath gefragt. Es gehet auf das Frühjahr zu, und die Hoffnung dieser angenehmen Zeit, wo man sich gerne in Wälder und Büschen etwas zu schaffen macht, bringt auch diese Sache bey mir wieder in Bewegung.

Ich war eben im Begriff, einen kleinen Riß zu verfertigen, als ich für nöthig hielt, bey Euer Excellenz anzufragen, ob Sie nicht seit der Zeit Ihre Gesinnungen vielleicht verändert oder schon etwas bestellt und sonst eingerichtet hätten.

Die mir übersendete Zeichnung, woran ich noch ein Blatt angeheftet habe, lege ich hier bey, und bitte um Nachricht wie das terrain um den Platz, den ich mit H. bezeichne, beschaffen sey, weil, wie ich voraussagen kann, mein Vorschlag dahin gehen wird, den Eingang vom Schlosse her durch den Weg I. zu machen und in H. ein Monument zu setzen, das sogleich in die Augen falle, und die beyden anderen in A. und C. verbinde und erläutere.

Sobald ich Antwort von Euer Excellenz erhalte, wobey ich mir den Riß zugleich wieder ausbitte, will ich sogleich Risse, Zeichnungen und Modelle überschicken, und durch Ausführlichkeit das bisherige Versäumniß wieder gut zu machen suchen.

Die Frau Gemahlin empfehle ich mich aufs beste und unterzeichne mich mit der vollkommensten Hochachtung

Euer Excellenz

gehorsamster Diener

Weimar den 18. Febr. 1782.

Goethe.[19]


5/1409.


An Charlotte von Stein

Der Herzog hat das Conseil aufsagen lassen weil er von seinem Nachtritt ermüdet ist. Im vorbeygehn hofft ich dich zu sehen, und wollte dich um einen Bissen zu Mittage bitten. Nunmehr will ich zu Hause bleiben und den ganzen Tag fleisig seyn. Sag mir wann du diesen Abend nach Hause zu kommen denckst. Schicke mir den Band von Rousseau. und ein Zeichen deiner Gunst. d. 19. Febr. 82.

G.


5/1410.


An Jakob Friedrich von Fritsch

Ew. Exzell. übersende das erste Exemplar der Illmenauer Karte, indem ich das zweyte gern zu behalten wünschte.

Ich finde nichts weiter zu erinnern als daß No 76, welche ich roth unterstrichen, vergessen worden. Herr Zinck wird auch diese zu suppliren die Güte haben und sodann für die Abdrücke sorgen. Eine Anzahl derselben wünschte ich auf geringer Papier, welches er wohl leicht wird verschaffen können, damit man mit den Guten räthlicher umgehen könne. Vielleicht wäre es nicht übel gethan man druckte erst 300 gute und eben so viel geringe, sähe wie weit man reichte, und könnte nachher immer mehrere haben.

[263] Ew. Exzell. gütiger Vorsorge empfehle ich dieses Geschäffte das sich seiner Reife zu nähern scheint, und mich zu fortdaurendem Wohlwollen.

Weimar d. 19 Febr. 1782.

Goethe.


5/1411.


An Gottfried August Bürger

Die Antwort, die ich so lange verzögert habe, konnte nur eine Generalrevision meiner Briefschulden in Bewegung bringen, die ich heute, bey Gelegenheit einer Reise, die mir bevorstehet, wohl mit einiger Scham und Widerwillen unternehme. Doch entschuldiget mich einigermassen gegen Sie die Materie, die wir zu traktiren haben, die sich mündlich so schweer und in Schriften fast gar nicht abhandeln lässet.

Die Unzufriedenheit mit Ihrem Zustande, die Sie mir zu erkennen geben, scheint mir so sehr aus dem Verhältniß Ihres Innersten Ihrer Talente, Begriffe und Wünsche, zu dem Zustande unserer bürgerlichen Verfaßung, zu liegen, daß ich nicht glaube, es werde Sie die Veränderung des Ortes, außer einem geringen Mehr oder Weniger, iemals befriedigen können. Es ist in unserm ganzen Lande keine einzige Justizbeamtenstelle davon nicht der Besizer an eben den Übeln krank läge, über die Sie Sich beklagen. Keine subalterne Stelle ist weder für einen denkenden Menschen, was wir gewöhnlich so nennen, noch dazu eingerichtet, das[264] Leben in einem seinern Sinne, zu geniessen. Tüchtige Kinder dieser eingeschränkten Erde, denen im Schweiß ihres Angesichtes ihr Brod schmeken kann, sind allein gebaut, sich darinn leiblich zu befinden, und nach ihren Fähigkeiten und Tugenden das Gute und Ordentliche zu wirken. Jede höhere Stelle ist nach ihrem Maase unruhiger, mühseeliger und weniger wünschenswerth. Für Sie, habe ich immer gedacht, müßte eine akademische Stelle weit die beste seyn. Ihr bestimmter Geschmak für die Wißenschaften, Ihre schönen Kenntniße, die Sie, mit weniger Mühe gar leicht zwekmäßig erweitern, und nach einem Ziele hinleiten könnten, machen Sie von dieser Seite gewiß vorzüglich dazu geschikt. Wie wenig müßte es Ihnen schweer fallen, als Profeßor der Philosophie, die menschlichen Dinge in einer schönen Ordnung und Vollständigkeit vorzutragen und Sich, indem Sie Sich einem reizenden Studio widmeten, andern nüzlich zu machen. Und wie viel Zierde würden Sie den trokensten Sachen durch Geschmak und durch das richtige Gefühl geben, das Sie immer begleitet. Ihr Nahme selbst der Ihnen iezo beschweerlich wird, müßte alsdann zu Ihrem und Ihres Geschäftes Vortheil gereichen. Diese angenehme Aussicht habe ich mir Zeither mehr als einmal und in weit größerm Detail vorgespiegelt; aber mir ist auch die andere Seite nicht verborgen geblieben. Alle unsere Akademien haben noch barbarische Formen in die man sich finden muß, und der Partheygeist der[265] meistens Collegen trennt, macht dem Friedfertigsten das Leben am sauersten und füllt die Lustörter der Wißenschaften mit Hader und Zank. Prüfen Sie Sich mein lieber Bürger, denken Sie nach vielleicht findet sich etwa in der Nähe eine Gelegenheit, sagen Sie mir Ihre Gedanken, sagen Sie mir, was Ihnen indeßen geschehen ist und überzeugen Sich von dem Antheil, den ich bißher auch stillschweigend an Ihrem Schiksaale genommen.

Weimar den 20. Febr. 1782.

Goethe.


5/1412.


An Michael Salom

Auf Ihr gefälliges Schreiben, dem Sie eine Probe der Überzeugung meines Werthers beyfügten, und welches schon eine ganze Zeit bey mir liegt, hätte ich früher antworten sollen. Vergeben Sie diesen Aufschub meiner Laage, die mich oft hindert, das gegen Auswärtige zu thun, was ich mir sonst für Pflicht achte.

Ihre Übersetzung habe ich mit Vergnügen gelesen und daraus gar leicht gesehen, daß Sie meine kleine Schrift und ihre Absicht wohl verstanden haben, und ich glaube Ihnen meine Dankbarkeit für Ihre Bemühung nicht besser bezeigen zu können, als wenn ich mich erbiete Ihr Manuskript durchzugehen, über einzelne Stellen meine Gedanken zu sagen und Ihnen[266] zu überlaßen was Sie alsdann davon brauchen wollen. Solches zu thun, würde ich mich, bey meiner wenigen Kenntniß der italiänischen Sprache, nicht wagen, wenn ich nicht einen Gelehrten um mich hätte, der selbst in Italien lange gewesen, der, nach seiner Rückkunft, sich das Studium der Sprache jederzeit angelegen seyn lassen, und der selbst den Werther zu übersezen einen Versuch gemacht. Wenn Sie selbst gegen wärtig wären, so brauchte es vielleicht dieses dritten Mannes nicht, ohne den ich aber in der Entfernung Ihnen nicht nüzlich seyn zu können glaube. Sobald ich Ihre Übersezung erhalte, will ich einige freye Stunden, deren mich der nächste Sommer hoffen läßt, solange dazu widmen biß ich diesem Versprechen, soviel möglich Genüge thue.

Die Vorliebe die ich für Ihre Sprache habe, macht mir es wünschenswerth, diejenigen Gedanken und Empfindungen, die ich im deutlichen auszudrücken und zu verbinden gesucht in ihr, in einer für mich neuen und überraschenden Gestalt wieder zu erblicken. Leben Sie wohl und behalten Sie lange in allen Ihren Geschäften die Munterkeit und den Muth, die nöthig waren, eine Schrift zu übersezen, der ich einen so großen Werth wünschte, als Schwierigkeiten bei dieser Arbeit sind. Weimar d. 20. Febr. 1782.

Goethe.[267]


5/1413.


An Johann Gottlob Immanuel Breitkopf

Sie werden es dem Vertrauen, das ich zu Ihrer Güte habe, zuschreiben, wenn ich mich in einer kleinen litterarischen Angelegenheit an Sie wende.

Im Jahre 1752 ward eine Ausgabe des Reineke Fuchs bey Ihnen gedrukt. In derselbigen sind Kupfer, um die es mir eigentlich gegenwärtig zu thun ist. Da sie sehr ausgedrukt, und an einigen Stellen aufgestochen sind, so läßt sich vermuthen, daß sie schon zu einer oder mehrern ältern Ausgaben gedient haben. Die älteste nun von diesen zu erfahren und, wo möglich, zu besizen, wünschte ich gar sehr, indem ich auf die Werke des Albert van Everdingen, der sie verfertiget, einen großen Werth lege. An wen könnte ich mich mit beßerer Hoffnung wenden, als an Sie, und bin wenigstens gewiß, daß ich einige sichere Nachricht durch Ihre Güte werde erhalten können. Sie verzeihen aus alter Neigung und Freundschaft der Freyheit, deren ich gebrauche, beehren mich mit einer baldigen Antwort und halten Sich versichert, daß ich Ihnen iederzeit mit vorzüglicher Hochachtung ergeben bleibe.

Weimar den 20. Febr. 1782.

Goethe.[268]


5/1414.


An Charlotte von Stein

Da ich dencke du bist in der Zeichenschule, schick ich erst ietzo meinen Morgengrus mit den lange versprochnen Blumen. Ich bitte um die Schachtel zurück.

Auch das Portrait soll bald gebracht werden. Sag mir wo du heute bist und ob du nicht spazieren fahren magst.

Lebe wohl und sag mir ein liebes Wort.

d. 21. Febr. 82.

G.


5/1415.


An Charlotte von Stein

Sage mir ein gutes Wort l. L. in meine Einsamkeit. Ich gehe still in meinem Wesen fort bin fleisig und sehe einige ruhige Tage vor mir. Heut Abend ist großer Thee bey dem Grafen. Du bist wohl schweerlich geladen. Sage mir den Plan deines Lebens, in den ich doch auch gewiss mit gehöre. Adieu vielgeliebte.

d. 22. Febr. 82.

G.


5/1416.


An Charlotte von Stein

Mir ists gut L. Lotte. Daß keine Cour ist freut mich nur halb. Ich nahm mir vor die Herzoginn Mutter zu besuchen, und habe schon deswegen geschrieben. Eh die Antwort kommt bleibt mein Schicksal[269] unentschieden. Die Kreppel schmeckten fürtrefflich. Hier ist das unvollendete Portefeuil. Adieu liebste ich sehe dich Nach Mittag d. 24. Febr. 82.

G.


5/1417.


An Charlotte von Stein

Guten Morgen liebe Lotte! Nur daß ich erfahre was du vor hast, daß ich die Züge deiner Hand sehe. Ich habe viel zu thun und sehe immer queer durch nach dir. Adieu Beste.

d. 25. Febr. 82.

G.


5/1418.


An Charlotte von Stein

Der Herzog hat mir noch nichts sagen lassen vielleicht schickt er noch.

Mir ists ganz wohl ich bin schon auf meinen Hügeln gewesen.

Hier schick ich alles. Auch eine Reisfeder. Adieu liebste ich sehe dich auf alle Fälle.

d. 25. Febr. 82.

G.


5/1419.


An den Herzog Carl August

[Ende Februar.]

Sie haben bester Herr, Schumannen aufgetragen den Aufzug zu mahlen, er verlangt von mir die Liste.

[270] Erlauben Sie daß ich einige Remonstrationen vorbringe.

Diese Feyerlichkeit war an sich ein gewagter Scherz, ist glücklich abgelaufen, hat gute Würckung gethan und Freude gemacht, und wird iedem der Zuschauer als eine abenteuerliche und angenehme, vorübergegangene Erscheinung zeitlebens vor Augen schweben.

Bey hellem Tage mit nüchternem Muthe muß man so was nicht betrachten. Sollte es daher wohlgethan seyn mit Schumannischen Figuren aufs Papier zu heften, was nur als Traum vorbeyziehen sollte und was weder gemahlt noch beschrieben werden kann.

Ich wünschte sogar daß Sie verböten etwas davon in's Wochenblat zu setzen. Lassen Sie die Zuschauer sich untereinander davon unterhalten und es Fremden, es künftig ihren Kindern erzählen, der grösste Reiz wird bey aller Überlieferung das unaussprechliche bleiben, die Imagination wird arbeiten und Sie Ihres Zwecks nicht verfehlen, statt daß Schumanns Handwercks Faust diese Schmetterlinge sicherlich, und ieden schönen Effeckt ihres faltternden Lebens, ermordet.

s. m.

G.


5/1420.


An Carl Ludwig von Knebel

Gestern ist ein Kästgen an den Herzog, woraus ich für mich die Amazonenkönigin erhalten habe, angekommen,[271] und es werden heute von dem an Frau von Stein geschikten Mehl Waffeln gebaken.

Ich beneide dich um die Ruhe deines Zustandes und um die Nachbarschaft der Raphaels. Neuerlich lese ich die Schriften des verstorbenen Mengs und da lernt man sich bescheiden, daß eigentlich Niemand als ein solcher Künstler über die Kunst reden sollte. Sie sind in allem Betracht vortreflich und gereichen mir zu rechtem Trost, da ich so vieles, was bisher bey mir nur Stükwerk war, verbinden, und meine Erkenntniß der vortreflichen Sachen immer mehr schärffen kann.

Du hast recht wohl gethan, deinem lezten Brief iene lange Rechtfertigung einzurüken. Es ist immer gut, wenn man vergleichen Gegenstände unter sich abhandelt, denn gewöhnlich sezt man sich etwas in den Kopf und ie länger es treibt und Wurzel schlägt, desto schweerer ist es auszurotten.

Unser Carnaval ist zu meinem großen Vergnügen endlich auch vorbey. Ich habe viel ausgestanden, da ich mich, aus alten und neuen Ursachen, dienstfertig erwieß und verschiedene Aufzüge erfand und besorgte. Ich lege dir den Entwurf und die Verse des lezten bey, welchen die beyden Herzoginnen aufführten.

Das Theaterstük zu der Herzogin Geburtstag laß ich dir auch abschreiben. Da es meist Pantomime und Tanz war, so ist freylich nicht viel dran zu lesen. So viel von der glänzenden Schaale unsers Daseyns,[272] das Innere ist im Alten, nur daß mit einem immerwährenden Wechsel, sich das eine Capitel verschlimmert, indem sich das andere verbeßert. Das alberne Geschäft der Auslesung iunger Leute zum Militare, sezt mich in die Nothwendigkeit nächstens vier Wochen im Lande herum zu reiten. Ich denke mir die Reise angenehm und auf alle Weise nüzlich zu machen. Es giebt gar vielerley Weisen die Welt anzusehen und Vortheil von ihr zu ziehen. Mein Gedicht auf Mietings Tod sollst du haben, so bald es fertig ist. Es hat in seiner unvollendeten Gestalt schon einen Beyfall erhalten, der mich vergnügen muß.

Übrigens ist, wie sich es versteht, in dieser Jahreszeit niemand wohl.

Es wäre mir angenehm, wenn Prestel aus seinem Werke dieienigen Kupfer, die nach Raphaelen sind um einen leidlichen Preiß einzeln verlaßen wollte.

Lebe wohl. Nächstens, vielleicht noch vor meiner Reise, die ich den 14. Merz antrete, ein mehreres.

Weimar den 26. Febr. 1782.

G.


5/1421.


An Charlotte von Stein

Was macht der Fus? denn ich wünschte heut mit dir in dem schönen Wetter zu spaziren. Wie hat meine liebe geschlafen? Was hat sie heute vor? Vielleicht[273] könnte man sich heute bey mir versammeln. Lebe wohl. d. 28. Febr. 82.

G.


5/1422.


An Charlotte von Stein

Mit was für Gedancken ich aufstehe das weist du. Sag mir wie du geschlafen hast? Hier schick ich das französche deutsche Theater. Vous y trouveres une tragedie d'un Mr. Goethe, qui s'est acquis une grande Renommee par ses ecrits et qui naquit en 1749 pour Vous aimer en 1782 et toute sa vie.

Hast du ein Heft des Tiefurter Journals bey dir, so schick es mir. Prinz August verlangt darnach.

d. 2. Märtz 82.

G.


5/1423.


An Charlotte von Stein

In der Hoffnung meine Liebe heute bey mir zu sehen fang ich den Tag an, schicke ihr eine schöne Rose und wünsche daß ihr meine Neigung immer so schön vorkommen möge als diese Blume aussieht.

d. 3. März 82.

G.


5/1424.


An Charlotte von Stein

Sag mir liebste wie du geschlafen hast? Hier die versprochnen Blumen, da noch die Welt dürr und[274] rauh ist. Was ihnen an Wahrheit abgeht, gewinnen sie an Schönheit der Nachahmung und an Dauer. Beyliegende Verse sende doch ia zur rechten Zeit, mit einem Porzellanteller voll Hafer an die Jöchhausen wenn der Thee beysammen ist. Daß es aber ia recht bestellt wird. Adieu. An diesem Abendleuchten mir keine schöne Sterne.

d. 4. März 82

G.


5/1425.


An Auguste Gräfin zu Stolberg

Ihr Brief meine Beste hat mich beschämt, und mich meine Nachlässigkeit verwünschen gemacht.

Zu Anfang des Jahrs redete ich mit der kleinen Schardt ab, Ihnen ein Portefeuille zu mahlen und es zum Geburtstag zu schicken. Es stand lange gestickt in meiner Stube und ich konnte nicht dazu kommen, daß endlich der 15te verstrich. Wäre es fertig geworden so hätten Sie es den Tag drauf als Ihr Brief abgegangen war erhalten. Nun hat es Frau v. Stein gemahlt, ist aber auch nicht glücklich gewesen der Atlas floss, er war zu dünne, es ist eben kein Glück und Segen dabey.

Behalten Sie mich lieb, grüsen Sie die Brüder! alles Glück dem neuen Paare! Ich bin wohl und noch immer in meinem Thale. Geniesen Sie des Lebens.

Weimar den 4. März 82.

Goethe.[275]


5/1426.


An Jenny von Voigts

Sie sind gütig mir oft ein Zeichen Ihres Andenkens zu geben.

Danken Sie Ihrer fürtrefflichen Fürstinn für den Anteil den sie an meinem Daseyn nehmen will, sehr lieb wäre es mir mich durch sie besser kennen zu lernen, sagen Sie ihr: Sie könne versichert seyn daß ich mir's in der Welt sauer werden lasse.

Das Leben Prinz Bernhards von Weimar, das ich zu schreiben unternommen hatte, liegt, mit vielen andern Anschlägen, auf der Seite. Vielleicht kann ich einen geschickten Mann, den wir jetzt in der Nähe haben, veranlassen es nach meinem Plane zu schreiben.

Herrn v. H. grüsen Sie. Es ist mir immer erfreulich wenn ich sehe, daß die Unarten meiner vorigen Zeiten keinen so übeln Eindruck bey den Menschen zurückgelassen haben als ich wohl verdient hätte.

Ihrem Herrn Vater schick ich ehstens von meinen Sachen. Ein Verzeichniß davon bin ich selbst nicht wohl im Stande zu fertigen, es sind so viele Kleinigkeiten.

Leben Sie wohl, und vergessen das versprochene Bild nicht.

Weimar, d. 4. März 1782.

Goethe.[276]


5/1427.


An Charlotte von Stein

Hier l. Lotte ist ein Brief von Knebeln, mit einem guten Morgen, ich sehe dich balde, dich

α/ω

d. 7. März 82.

G.


5/1428.


An Charlotte von Stein

Ich wünschte gar sehr zu wissen wie meine beste geschlafen hat? Wie sie sich befindet? und was sie heute vorhat? Sodann erwart ich das Portefeuille mit Freuden. d. 9. März 82.

G.


5/1429.


An Carl Ludwig von Knebel

Hier von Lieben und Guten einige Töne in deine Einsamkeit. Dabey das Ballet zum 30. Januar. Die Artigkeit der Kinder, die in alte Weibchen und Gnomen verkleidet waren, und das Saubere der Ausführung bey einer gefälligen Musik gab dem Stücke den Werth.

Lebe wohl und bete für mich!

G.[277]

d. 9. März 82.


5/1430.


An Charlotte von Stein

Mein erstes Verlangen beym Aufwachen geht wieder zu dir, und es will gar nicht mit der Nothwendigkeit übereinstimmen mich bald zu entfernen. Lebe wohl. Mein ganzes Wesen wird dir immer fester verbunden. Du weisst es, aber fühl es auch und sey glücklich wie du mich glücklich machst. Leb wohl! ich kan so wenig von diesem Papier als von deiner Gegenwart mit Willen scheiden.

d. 14. März 1782.

G.


5/1431.


An Charlotte von Stein

Der Kutscher soll diesen Grus überbringender bald zurückfährt. Ich bin schnell und bequem herüber gekommen, dancke dem Herzog dafür. Da das Wetter so übel ist fürcht ich für Dornburg, deswegen thu ich einen andern Vorschlag wenn ienes nicht möglich würde. Den 19ten frühe kämt ihr nach Osmannstädt wo ich auch zeitig seyn wollte, und Abends gingen wir auseinander. Davon müsst ich die Nachricht d. 18ten in Apolda haben. Lebe wohl. Allein in Osmannnstädt müsstet ihr etwas mitbringen dort kan ich für nichts sorgen. Adieu ich schwebe um deine Schultern.

Jena d. 14. März 82.[278]


5/1432.


An Charlotte von Stein

Wie es Nacht wurde wollt es schon nicht recht mit mir fort, und nun schlagen sie den Zapfen Streich den ich sonst an deiner Seite zu hören gewohnt bin, und mein Verlangen dich zu sehen wird schmerzlich.

Wie wird es werden wenn das Wetter dich Sonnabends wie ich fürchte hindert.

Es geht mir wohl hier, weil manches wohl geht. Ach Lotte was kann der Mensch! Und was könnte der Mensch.

Lebe wohl, ich bin auf alle Weise dein. Und muss dir's sagen, und kann mich nicht bey einzelnen Vorfällen aufhalten.

Ich freue mich auf's neue unsere Naturlustige Gesellschafft künftigen Winter zu bewirthen, die Einrichtung wird gewiss artig, wenn nicht der böse Dämon der Plattheit, der mir so manches verderbt hat, auch dieses zerstört.

Adieu. Meine Gedancken eilen zu dir und freuen sich dich auf halbem Weeg anzutreffen.

Jena d. 14. März 82.

G.


NB. Zum Glück werd ich gewahr daß ich heute früh durch ein Versehen falsche Datums geschrieben habe. Ich kann d. 19ten in Osmannstädt seyn und[279] den Tag da zubringen, wenn ich d. 18ten davon in Apolda Nachricht erhalte. also dies zur Beherzigung wenn der Ausfall auf Dornburg misglückte.


5/1433.


An Charlotte von Stein

Dornburg d. 16ten März 82.

Abends um 6

Als ich heute früh erwachte und die schöne Sonne sah, hofft ich du würdest kommen und so bracht ich meinen ganzen Tag zu. Jetzt da es Nacht wird sinckt mein Vertrauen nach und nach, und die Resignation tritt ein.

Der Herzog wird in einer Stunde hier seyn und der bringt mir hoff ich einige Worte von dir.

Auf den Dienstag wirds vielleicht eher, ich darf mir nicht dencken daß der auch vorbey gehn soll ohne daß ich dich sehe, und soll dir so nah seyn.

Du denckst dir nicht mein Erwarten und Sehnsucht, um drey, vier Uhr wo mir ieder Augenblick dich bringen konnte.

Mein Mieting ist fertig, ich hofft ihn dir vorzulesen, und euch einen guten Abend zu machen. Mir scheint das Ende des Anfangs nicht unwerth und das ganze zusammenpassend.

Nun will ich über den Egmont und hoff ihn endlich zu zwingwen.

[280] Noch betrügen mich Stimmen und die Erwartung bald denck ich den Schach zu hören, Bald als käm eine Kutsche und es wird immer dunckler, und gewisser du kommst nicht.


d. 17ten Sonntags. früh.

Gestern kam der Herzog und brachte mir deine Beyden Briefe die er in Jena aufgefangen hatte, ich war herzlich vergnügt deine Hand zu sehn und was ich von deinen Lippen zu hören hoffte, in dem Briefe zu finden.

Heut und Morgen will ich recht vergnügt zubringen da mir den Dienstag das Glück dich zu sehn bevorsteht. Jetzt ist mir's lieber daß du nicht gekommen bist. Der halbgeschmolzne Schnee zwischen den schwarzen Bergen und Feldern, giebt der Gegend ein leidig Ansehn. Du sollst sie im Sommer zum erstenmal besuchen.

Der Herzog ist vergnügt, doch macht ihn die Liebe nicht glücklich sein armer Schatz ist gar zu übel dran, an den leidigsten Narren geschmiedet, kranck, und für dies Leben verlohren.

Lebe wohl meine beste, du immer gleiche. Möcht ich dein Glück machen wie du meins. Adieu. ich bin immer um dich, und du hast mich noch nicht einen Augenblick verlassen.

Dienstags um zehn erwart ich dein in Osmannstädt.

G.[281]


5/1434.


An Charlotte von Stein

Dornburg. Sonntag [17. März] Abends.

Der Tag ist stille hingegangen. Wir haben geschwäzt und gelesen, sind ein wenig gegangen pp Ich bin ganz leise fleisig, ich möchte nun Egmont so gar gerne endigen, Und seh es möglich.

Es geht morgen ganz früh ein reitender Bote nach Weimar, so kannst du dies zum guten Tag haben.

Meinen Montag bring ich in Hoffnung des Dienstags zu. Wenn du nur gesund bleibst! Ich bin in Sorge denn es macht mir gar grose Freude, und alsdenn vergehn acht Tage eh ich dir näher komme.

Mein Gedicht hat der Herzog sehr gut aufgenommen, ich bin auf sein weitres Schicksaal verlangend. Ich habe der Schrötern zu ehren zwölf Verse drinne, die du hoff ich schön finden und in allem Sinne damit zufrieden seyn sollst.

Tobler hat noch drey Stücke des Aeschylus geschickt, und ein Paketgen aus der Griechischen Anthologie für dich, die Werthern und die Kleine.

Lebe wohl. ich bin dein. Meine Seele schliest sich in sich selbst zusammen wenn mir dein Anblick fehlt. Diesmal wird mir Osmannstädt wohl unterhalten und meublirt vorkommen. Adieu meine liebste. Sey fleisig am Apoll.

G.[282]


5/1435.


An Charlotte von Stein

Das Wetter ist so wenig einladend und die Welt auch nicht, und ich soll wieder aus deiner Nachbarschafft. O wenn ich dich nur noch einen Augenblick sehen und dir ein Abschieds Wort sagen könnte mein Herz rastet nicht dich zu lieben, ich komme nicht weg von dir. Werde nicht müd immer dasselbe zu hören. Mein Egmont ist die einzige frohe Aussicht auf die Acht Tage das einzige was ich zwischen mein Verlangen zu dir einschieben kann daß es mir nicht schmerzlich wird. Adieu Grüse den Herzog und danck ihm. Dir kann ich nicht dancken als mit meinem ganzen selbst. Hier sind Briefe die dir gefallen werden. Wie hoff ich in Alstädt ein Wort von dir an zu treffen. Sey fein fleisig am Apollo, so bald ich wiederkomme bestell ich dir den Gitterrahm. Adieu. Der Wagen hält und ich stehe so ungern von dieser Schrifft auf. Tausendmal Adieu. d. 20. März 82.

G.


5/1436.


An Charlotte von Stein

Buttstädt d. 20. März.

Mein Verlangen zu dir meine Geliebte läßt mich dir fast nicht schreiben, wenn ich ihm folgte, so setzte ich mich auf und ritte hinein, denn der Zeit nach wär[283] ich doch Morgen zur rechten Stunde wo ich seyn soll. Wäre es lieblich Wetter so geschäh es auch, nun hält mich der Sturm, und der entsetzliche Weeg von dir ab.

Beym Mittagsessen erzählten die Stadtvögte, und besonders Castrop, alte Geschichten wie sie sich im Kriege aus allerley Verlegenheit geholfen. Es ist mir auch im Kleinen interessant zu sehen wie der Mensch sich wendet und dreht und sein Geschick gelten macht.

Die Unstrut ist ausgetreten, ich werde umreiten müssen, und Morgen Nacht wohl in Kalbsrieth beym würdigen Curius schlafen der auch Rüben brädt, aber nicht in der Asche.

Nun will ich mich hinsetzen und einen alten Geschichtschreiber durchlesen damit Egmont endlich lebendig werde, oder auch wenn du willst daß er zu Grabe komme. Heute früh hab ich auch an Wilhelm Meistern gedacht gebe der Himmel daß Garvens Weissagung eintreffe, denn wenn nichts zu thun ist hab ich nichts was ich zwischen mein Verlangen zu dir legen kan als die liebe Kunst die auch mir armen in der bösen Zeit bey steht.


Abends.

Ich habe gelesen, ausgezogen und geschrieben. Den ersten Tag daß ich von dir weg bin will es nie recht gehn, mich reisst iedes Fäsergen meines Wesens zu dir. Heute war mir's fast unerträglich daß ich dich erst in acht Tagen wiedersehen sollte. Was für wunderbare[284] ich mag wohl sagen thörige Bewegungen in mir vorgehen darf ich dir nicht erzählen.

Zum Egmont habe ich Hoffnung, doch wirds langsamer gehn als ich dachte. Es ist ein wunderbaares Stück. Wenn ich's noch zu schreiben hätte schrieb ich es anders, und vielleicht gar nicht. Da es nun aber da steht so mag es stehen, ich will nur das allzuaufgeknöpfte, Studentenhaffte der Manier zu tilgen suchen, das der Würde des Gegenstands widerspricht.

Diesen Brief erhälst du durch einen Boten der Morgen frühe weg soll.

O du beste! Ich habe mein ganzes Leben einen idealischen Wunsch gehabt wie ich geliebt seyn mögte, und habe die Erfüllung immer im Traume des Wahns vergebens gesucht, nun da mir die Welt täglich klärer wird, find ichs endlich in dir auf eine Weise daß ich's nie verlieren kann. Lebe tausendmal wohl.

G.


d. 21ten früh.

Noch einen guten Morgen eh ich Buttstädt verlasse. Heut Abend werd ich in Kalbsrieth seyn. Morgen find ich einen Brief von dir das ist mein sehnlichster Wunsch. Wenn ich von dir weg bin werd ich nicht eh beruhigt bis ich wieder ein Paar Zeilen von dir sehe.

Was macht dein Hals? Wie befindest du dich. Lebe wohl. Von Alstädt schick ich dir den Mieting wenn Gelegenheit ist ich lasse dir ihn abschreiben.

[285] Der Tag ist heute besser als gestern doch wird immer etwas zu leiden seyn. Leb wohl du liebste Aussicht meines Ganzen Lebens. Leb wohl du einzige in die ich nichts zu legen brauche um alles in dir zu finden.

G.


5/1437.


An Charlotte von Stein

Kalbsrieth. d. 22. März 1782.

Gestern kam ich schon zeitig hierher, und hörte mit grosem Vergnügen daß die Seckendorf und Caroline kommen würden. Ich wusste daß der Präsident auf dem Weege war, und zwischen Vater und Sohn, gegen die mein innerstes zugeschlossen ist, dachte ich mir ein Paar betrübte Tage. Solange als die kleinen Gäste erwartet wurden hatte ich nicht den Verstand zu hoffen daß meine Liebste mir mit dieser Gelegenheit schreiben würde, so fest hatte ich mir in den Kopf gesetzt daß ich durch Reviglio in Alstädt einen Brief haben sollte. Wie fröhlich war ich als mir Carolingen ein Papier gab, ich danckte deiner Sorgfalt tausendmal, und alle Besorgnisse waren mir verschwunden, als ich wieder von deiner Hand die Versichrung deiner Liebe las. Wir waren munter und vergnügt. Ich erzählte ihnen ein Mährgen, worüber viel gelacht wurde, indem sich aus einer weitläufigen Geschichte der Ursprung eines grosen Löffels den der Stadtrath zu Rastenberg aufbewahrt, und des[286] graziosen Lächlens einer bekannten Standsperson offenbaarte.

Mit diesem schicke ich dir die Abschrifft von Mie tings Trauergedicht durch einen Expressen. Lass mich Sonntag Abends in Grosrudstädt etwas von dir finden.

Montags Abend bin ich schon wieder bey dir, länger möcht es nicht auswärts gehn, besonders da ich zu Ende der Woche wieder fort muß.

Ich komme aber Montags späte, dies schreib ich dir nur damit du mir zu liebe zu Hause bleibest und ich dich gewiss antreffe.

Im Strada der den alten Niederländischen Krieg geschrieben hat, finden sich gar treffliche Schilderungen von Personen die ich dir übersetzen will. Wenn ich nach hause komme will ich die Stelle Quintilians nach der du fragst aufschlagen und sie mit dir lesen.

Lebe wohl liebes Leben. Wenn du mir nur schreibst daß du gut geschlafen hast, giebt mir's neue Kräffte auf den ganzen Tag. Gott erhalte dich. Seit ich in deiner Liebe ein Ruhen und Bleiben habe ist mir die Welt so klar und so lieb. Unter den Menschen nenne ich deinen Nahmen still für mich, und lebe auch entfernt von dir nur um deintwillen. Ich habe dir viel artiges zu erzählen.

Gegenüber schreib ich, was ich dir von Briefen seit Mittwochs geschickt habe, mercke dir auch was du mir schreibst. damit nicht ein Billet verlohren gehe.[287]


Mittwochs d. 20ten früh.

In Weimar ein Billet mit einem Briefe von der Jöchhausen und Oesern.

Von Buttstädt ein Billet durch den Kutscher frühe, das hast du d. 20ten Nachts um 10 Uhr noch nicht gehabt.

Von Buttstädt durch einen Boten einen Brief d. 21. frühe.

Dieses von Kalbsrieth. d. 22ten. früh.

G.

Adieu! grüse den Herzog.


NB. heute bleib ich hier.

Morgen d. 23. auf Alstädt. Abends wieder Kalbsrieth.

Sonntags d. 24. auf Grosrudstädt.

Montag Abend nach Weimar.


Wenn du dem Boten heute Abend ein Paar Zeilen mitgiebst, so find ich sie Morgen Abend hier, wen ich von Alstädt wieder zurückkomme.

Schreibe mir doch ia von der Gräfinn Brühl daß ich etwas für die Weibgen habe.


5/1438.


An Charlotte von Stein

Vergnügt und beruhigt geh ich zu Bette weil ich weis morgen schlaf ich nicht ein ohne meiner Geliebten[288] gute Nacht gesagt zu haben. Wir haben heute eine kalte Reise gehabt, wäre es Stöperwetter wie gestern gewesen, würde es uns noch härter gedäucht haben. Ich bin merck ich müde und auch verdrüslich über eine kalte und raucherige Stube. Also nur diese Zeilen als Vorboten daß ich komme. Hier einen Brief von der Gräfinn der dir wird Lachen erregen, er hat recht gute Stellen. Danck sey dir tausendmal für alles gute was du an mir zeither gethan hast.

Wir sind im eigentlichen Sinne nicht von einander entfernt gewesen. Ich habe dir vielerley zu erzählen.

Mir graut vor Eisenach wo ich lange von dir nichts hören werde. Doch wird die erfindungsreiche Liebe auch wohl da ihr Recht behaupten. Gute Nacht. Ich gebe dir alles in Gedancken zurück um es von dir wieder zu empfangen.

Grosrudstädt d. 24. März 82.

G.[289]


5/1438a.


An Johannes von Müller

[kurz vor 25. März 1782.]

Lassen Sie sich um vier Uhr durch einen kleinen Herder an die sogenannte gothische Kirche in des Herzogs Garten führen; ich will so bald als möglich da seyn und freue mich herzlich Sie zu sehn.

G.[19]


5/1439.


An Charlotte von Stein

Es dringt so vielerley auf mich zu Liebe Lotte daß ich mir nicht kan so wohl seyn lassen dir ein gut Wort zu schreiben. Nur also diesen Grus, und die Hoffnung dich vor Tisch zu sehn.

d. 26. März. 82.

G.[289]


5/1440.


An Charlotte von Stein

Gern möcht ich dir ieden Morgen eine Blume schicken, von rechtswegen müssten auch schon Veilgen da seyn wenn der Schnee nicht das Land bedeckte. Hier hast du eine Aurickel,


von Mädgen Hand geschickt hervorgebracht.

Du weisst daß ich dir immer einen schönen Kranz binde. Lebe wohl. d. 27. M. 82.

G.


5/1441.


An Charlotte von Stein

Leider ist heute wieder der letzte Tag den ich in deiner Nähe zubringe, und werde nicht einmal viel bey dir seyn können. Diesen Morgen seh ich dich einen Augenblick, und freue mich auch auf diesen. Lebe wohl und schicke mir die Rolle, und – es war sonst noch etwas das ich vergessen habe.

Adieu du immer gleiche unvergleichliche.

d. 28. März 82.

G.


5/1442.


An Charlotte von Stein

Erfurt d. 29. März.

Dieses zum Zeichen daß die Fluthen bey Linderbach mich nicht verschlungen haben, und eine Bitte.

[290] Besser ist es für den Reisenden an das zu dencken was ihm bevorsteht als an das was er zurück lässt. Darüber hab ich meinen Mantel vergessen. Zum Glück ist es noch trocken Wetter.

Schicke ihn an den Kriegs Kanzellisten Seeger der kann ihn mitnehmen er geht den zweyten Feyertag weg und kann mir auch von dir etwas bringen.

Lebe wohl mir thun die Arme noch von der Gewalt weh, die ich anwenden musste, den stärcksten aller Knoten zu zerreissen.

G.


5/1443.


An Charlotte von Stein

Die liebe süse Ordnung meiner Tage und Stunden ist ganz aufgehoben und in dem Zirckel eines neuen Lebens mit fortgerissen, fühl ich mich mir selbst fremde. Man ist wie immer sehr freundlich und auf alle Weise gefällig gegen mich, und ich thue das Meinige dagegen. Dein Brief liebste Lotte rief mich wieder ganz zu dir hinüber, ich lebe nur bey dir und durch dich. Die Herzoginn sitzt schon vielleicht sechs Wochen, lässt sich tragen, und niemand glaubt ihre Kranckheit, man hält es für Verstellung und niemand kann doch sagen warum oder wozu. Der Herzog ist auch nicht recht, er macht sich starck, und kann es nicht ganz verläugnen. Der Prinz ist gar gut, er hat recht viel Kenntnisse und Verstand, mit ihm ist angenehm leben.[291] Die Oberhofmeisterinn find' ich wenig verändert, wir haben schon wieder redlich geschwäzt. Von der Diede hab ich eine Abneigung die ich nicht überwinden kan, ich weis nicht warum, es kan sich legen, genug iezt wenn sie da ist kan ich nicht den Mund aufthun, es sey denn von gleichgültigen Sachen. Der Mensch ist eine wunderliche Zusammensetzung. Adieu Liebste. Sehnlich erwart ich mehr von dir durch Seeger. Es ist spät. Adieu. Sonnabends d. 30. März. Gotha.

G.


5/1444.


An Charlotte von Stein

[Gotha] Sonntag [31. März]

Nachts halb zwölfe.

So verkehrt ist die Ordnung meiner Stunden daß ich dir zu dieser Zeit schreibe. Liebste Lotte mich wundert nicht daß die Reichen so kranck und elend sind, mich wundert daß sie nur leben. Ich bin vergnügt weil ich mitten durch die vielerley fremde Menschen, mich an dem Faden der Liebe zu dir, sachte und sicher winde. Wie die Muscheln schwimmen wenn sie ihren Körper aus der Schaale entfalten, so lern ich leben indem ich das in mir verschlossne sacht auseinander lege. Ich versuche alles was wir zuletzt über Betragen, Lebensart, Anstand und Vornehmigkeit abgehandelt haben, lasse mich gehen, und bin mir immer bewusst. Und ich kan dir versichern daß alle[292] die ich beobachte, weit mehr ihre eigne Rolle spielen als ich die meine. Wie angenehm wird mir dies Spiel da ich keine Absichten habe, und keinen Wunsch als den, dir zu gefallen und dir immer willkommen zu seyn. Wenn ich wiederkomme sollst du meiner ganzen Erndte theilhafftig werden. Gute Nacht! Vergebens sinn ich drauf dich diese vierzehn Tage einmal zu sehen, ich komme nur immer weiter von dir weg.


Dienstag d. 2ten Aprill. Es ist ein Husar da der dir diesen Brief bringen soll.

Nach Tafel geh ich auf Eisenach und rücke immer weiter von dem Ziel meines Lebens. Hier ist mir's wohlgegangen und ich glaube man wird mit mir zufrieden seyn. Wenn unsre Begriffe sich zu berichtigen anfangen dann gehts mit Macht. Zu Diedens hat sich auch das rechte Verhältniss gefunden und so hoff ich solls immer fort gehn. Wenn man in Liebe und Freundschafft glücklich ist, daß unser Herz in der Weiten Weit nichts zu suchen braucht so hat man mit den Menschen einen guten Stand, und man kann sich der Wahrheit gemäs mit ihnen betragen, eben als wenn man nichts politisch von ihnen haben will.

Tausend und aber tausend Danck für deine Liebe, du schreibst mir noch einmal auf Eisenach, dann auf Meinungen. Inzwischen sollst du auch immer von mir etwas erfahren. Mit der Gräfinn Brühl nimmts ein böses Ende. Gib acht sie prostituirt sich am offnen[293] Tage, daß kein Mensch einen Zweifel über ihre Hirnlosigkeit behält. Der Obermarschall ist nicht besser. Grüse die Freundinnen. und Steinen. Witzleben hat seinen Luzerne.

G.


Eisenach den 2ten Aprill.

Von Gotha wo es mir so weich wie einem Schooskinde ergangen, komm ich hierher wo mich die Sorgen wie hungrige Löwen anfallen. Hätte ich die Angelegenheit unsres Fürstenthums, auf so einem guten Fus als meine eigne, so könnten wir von Glück sagen, und wäre alsdenn das Glück uns so treu und hold als du mir bist, würde man uns vor dem Todte seelig preisen können.

Liebste Lotte daß doch der Mensch so viel für sich thun kan und so wenig für andre. Daß es doch ein fast nie befriedigter Wunsch ist Mensch zu nutzen. Das meiste dessen ich persönlich fähig war hab ich auf den Gipfel des Glücks gebracht, oder sehe vor mir es wird werden. Für andre arbeit ich mich ab und erlange nichts, für mich mag ich kaum einen Finger rühren und es wird mir alles auf einem Küssen überreicht.

Der Weise Mambres nährt sich von Gedancken, du sollst alles hören wenn mich die guten Stunden zu dir führen.

Ich habe viel vom Sturm ausgestanden auf meinem Weege, doch es freut mich daß ich gegen alle[294] Unbequemlichkeit völlig gleichgültig bin so bald es seyn muß, und das Unternehmen einen Zweck hat, das zwecklose macht mich rasend und ich hab ihm eine ewige Feindschafft angekündigt.

Ein köstlich illuminirt Kupfer nach Raphael hab ich bey dem Herzog gesehn. Durch diese obgleich immer sehr unvollkommne Nachbildung sind mir wieder ganz neue Gedancken aufgeschlossen worden. Wenn du es nur sehen könntest.

Gute Nacht meine liebe! Wie freu ich mich daß ich zur rechten Zeit und ohngegessen zur Ruhe gehn kann.


Eisenach d. 3ten Abends. Der Brief muß fort, nur noch von heute einen Grus.

Hierbey ein Muster hiesigen Styls.

Bey Bechstolsheim hab ich viel gegessen denn mich hungerte und es war gut, nun seh ich für den Abend einem peinlichen Nachtmal bey Herden entgegen. Adieu liebste. Hier schick ich dir die ersten Blumen die ich sah, und über die ich recht herfiel.

Es ist hier unter den Menschen ein mehr geniesender Geist als bey uns, die Verdammniß daß wir des Landes Marck verzehren lässt keinen Seegen der Behaglichkeit grünen.

Adieu. Sey die Gunst des Himmels bey dir wie meine Liebe.

G.[295]


5/1445.


An Charlotte von Stein

Creutzburg d. 5ten Aprill.

Deinen Brief l. Lotte hat mir der Herzog mitgebracht, ich hoffte drauf, denn nun hör ich schweerlich vor Meinungen etwas von dir.

Ich führe dich immer in dem feinsten Herzen mit herum und habe mir etwas ausgedacht das dir einen vergnügten Augenblick machen soll. Die Welt ist eng, und nicht ieder Boden trägt ieden Baum, der Menschen Wesen ist kümmerlich, und man ist beschämt wie man vor so vielen tausenden begünstigt ist. Man hört immer sagen wie arm ein Land ist, und ärmer wird, theils denckt man sich es nicht richtig, theils schlägt man es sich aus dem Sinn, wenn man denn einmal die Sache mit offnen Augen sieht, und sieht das unheilbaare, und wie doch immer gepfuscht wird!! –

Ich habe dir vieles, und menschliches zu erzählen, und hoffe du sollst sehn daß sich meine Augen auch in die Nähe gewöhnen. Adieu Liebste. Schreibe mir ia viel. Nach Meiningen und Illmenau. Wenn ich von dem letzten Ort zurückkomme, und man begegnete mir halbweegs, würde es noch schöner seyn als das vorigemal.

Adieu tausendmal.

G.[296]


5/1446.


An Charlotte von Stein

Gerstungen Abends d. 5. Aprill 82.

Als wir von Creutzburg weggiengen erhielt ich deinen lieben Brief vom zweyten. Deine Worte kommen mir mit den Frühlingslüfften gar zu lieblich entgegen, und rufen mich zu dir hinüber. Manchmal fühl ich recht mit Ungeduld daß ich dich noch so lange entbehren muß. Bewahre mir deine Liebe in der Stille und gieb mir auf einmal was mir die Entfernung versagt.

Der Herzog ist gar gut, und verständig – und ich mercke daß ich so durchaus müde bin daß ich nicht weiter schreiben kann. Hier ein Brief von Knebeln.


d. 6ten früh.

Der Herzog ist weggeritten wir treffen uns zu Mittage wieder in Bercka. Das Wetter ist gar zu schön, und ich hoffe es soll bleiben, da ich denn Morgen einen Spaziergang auf den Craynberg machen und vielleicht etwas zeichnen will.

Möge dir die Sonne so freundlich scheinen wie mir, und du so wohl seyn als ich's wünsche.

Am Egmont ist nichts geschrieben die Zerstreuung lässts nicht zu.

Hier ist ein Bogen von Lavaters Pilatus. Ich kan nichts drüber sagen. Die Geschichte des guten[297] Jesus hab ich nun so satt, daß ich sie von keinem als allenfalls von ihm selbst hören mögte.

Lebe wohl. Dieses geb ich dem Herzog mit. Und schreibe dir bald wieder. Adieu. O daß doch schon die vielen Berge überstiegen wären die mich von dir trennen.

G.


Donnerstags d. 18ten Geh ich von Illmenau auf Weimar, wenn mir doch da etwas freundliches halbweegs begegnen könnte.


5/1447.


An Charlotte von Stein

Tiefenort d. 6. Sonnabends Abend.

Hier liebe Lotte geht das alte Lied wieder an, daß nach einem verlebten Tage, nach verändertem Aufenthalt ich dir noch einige Worte zuschicke dich zu versichern daß dir Gedancken zu tausenden zugeflogen sind.

Der Herzog ist auf Barchfeld, ich ziehe einen einsamen Sonntag hier einem gesellschaftlichen dorten vor. Die Prinzen und Prinzessinnen haben sich immer etwas zu sagen, uns andern wird die Unterhaltung bey gewissen Umständen schweer. Dies zeugt nicht von der sichersten Lebensart, doch mag ich's vor der Hand nicht ändern.

Mit Batty hab ich mich diesen Abend vom Detail der Landwirthschafft unterhalten. Wie richtig und[298] sicher der Mensch ist! In Beurtheilung des Bodens und der Landsart nehme ich immer zu. Besonders da ich mir nicht einbilde etwas zu wissen, noch mir einfällt darinne ie zu pfuschen.

Morgen will ich auf den Craynberg wo eine schöne Aussicht ist, und ein alt Schloss, das ich vielleicht zeichne, nur um dir etwas mitzubringen.

Noch zwölf Lange Tage eh ich dich wiedersehe! Ich muß recht leise auftreten daß mir der Gedancke an dich nicht zu lebhafft wird, sonst ist mir's unerträglich.

Noch ein Wort vom Pilatus! Wenn unser einer seine Eigenheiten und Albernheiten einem Helden aufflickt, und nennt ihn Werther, Egmont, Tasso wie du willst, giebt es aber am Ende für nichts als was es ist, so gehts hin und das Publikum nimmt insofern Anteil dran als die Existenz des Verfassers reich oder arm, merckwürdig oder schaal ist, und das Mährgen bleibt auf sich beruhen. Nun findet Hans Caspar diese Methode des dramatisirens (wie sies nennen) allerliebst, und flickt seinem Cristus auch so einen Küttel zusammen und knüpft aller Menschen Geburt und Grab, A und O, und Heil und Seeligkeit dran, da wirds abgeschmackt dünckt mich und unerträglich. Überhaupt bin ich überzeugt daß er es viel zu ernstlich meynt um iemals ein gutes Werck in der Art zu schreiben. In allen solchen Compositionen muß der Verfasser wissen was er will aber nirgends dogmatisiren,[299] er muß in tausend versteckten GestaIten, (niemals grade zu,) andeuten, und mercken lassen wo es hinaussoll.

Noch ist ein böses dabey. Er bildet sich ein, ein besserer Kriste als Klopstock zu seyn, und doch klopstöckelt er allen Augenblick.

Die leidigen Exklamationen, Trümpfe, Zerfleischungen gar nicht mit gerechnet.

Vielleicht bin ich ungerecht, wir wollen warten biß das Ganze kommt und andre hören.

Wenn ein Groser Mensch ein dunckel Eck hat dann ists recht dunckel! Ihm hat die Geschichte Cristi, so den Kopf verrückt daß er eben nicht los kommen kann. Mich wunderts nicht, freylich ists Tausenden so gegangen. Aber auch Wie? Wann? Wo? Wem?

Er kommt mir vor wie ein Mensch der mir weitläufigen erklärte die Erde sey keine akkurate Kugel, vielmehr an beyden Polen eingedruckt, bewiese das auf's bündigste, und überzeugte mich daß er die neusten ausführlichsten richtigsten Begriffe von Astronomie und Weltbau habe; was würden wir nun sagen wenn solch ein Mann endigte: schlieslich muß ich noch der Hauptsache erwähnen, nämlich daß diese Welt deren Gestalt wir aufs genauste dargethan, auf dem Rücken einer Schildkröte ruht sonst sie in Abgrund versincken würde.

Verzeih mir das Gleichniss, in meinen Augen knüpft sich bey Lavatern der höchste Menschenverstand,[300] und der grasseste Aberglauben durch das feinste und unauflöslichste Band zusammen.

Verzeih meine Invecktiven, so offt er seine Anfälle auf unser Reich erneuert, so offt müssen wir uns wenigstens protestando verwahren.

Gute Nacht Lotte. Leb wohl du liebe Gewissheit, du liebster Traum meines Lebens.


Sonntags d. 7. früh.

Ein Husar nimmt dies mit auf Eisenach. Vielleicht erhältst du es eher als den Brief den der Herzog mitbringt. Die Crokus, Leberblümgen, und das Grün der Stachelbeeren machen sehr freundliche Gesichter. Wie wirds erst den 18ten seyn! Bitte! bitte!

G.


5/1448.


An Charlotte von Stein

Deinen Brief vom vierten und fünften erbrach ich auf dem Craynberg wohin mir ihn der Husar brachte bey schönem Sonnenschein. Ich habe gefürchtet du möchtest kranck seyn und der Brief giebt mir die traurige Gewissheit. Die Hoffnung die uns immer gütig täuscht, sagt mir vor daß du ietzt schon wieder wohl seyst.

Nicht wahr liebste du weist doch immer daß ich nie von dir weiche. Wäre ich nur bey dir daß ich dich warten und pflegen könnte.

[301] Daß es mit Brühls so gehn würde hab ich vorausgesehn, da der Herzog sich entfernt, und sie den heimlich tückischen Hofleuten überläßt. Nimm dich ihrer an daß sie nur mit Ehren durchkommen. Sie zu defrayiren mögte angehn, wenn man es sehr artig machte sonst sieht es aus als tracktiere man sie völlig wie Virtuosen. Es ist der gröste Unverstand von ihr daß sie nicht spielt, wenn sie klug wäre, würde sie alles thun um sich andern gleich zu stellen.

Übrigens aber weh dem der sich von groser Herrn Gunst in's freye locken läßt, ohne sich den Rücken gedeckt zu haben. Adieu l. Lotte. Der Bote eilt. Mögt ich bald hören daß du wohl bist. Ach schweerlich, schweerlich vor Meinungen, doch wer weis. Tausendmal Adieu. Du tausendfach Geliebte.

d. 7. Abends Tiefenort.

G.


5/1449.


An Charlotte von Stein

Kaltennordheim d. 9ten Apr. 82.

Ich habe dir lange nicht geschrieben, nun bin ich hier angekommen und schreibe dir in eben der Stube wo wir dir vor anderthalb Jahren die Verse mit den Ochsen abfertigten, wie anders seh ich alles seit der Zeit, da ich weis welch eine Liebe drüben über den Bergen meiner wartet.

Über dein leztes Blat sind mir viel traurige Gedancken[302] aufgestiegen, ich habe in einer Nacht recht bitterlich geweint da ich mir vorstellte daß ich dich verlieren könnte. Gegen alles was mir wahrscheinlich begegnen kann, hab ich ein Gleichgewicht in mir selbst, gegen das einzige nicht. Die Hoffnung hilft uns leben, nun denck ich wieder du bist wohl und wirst wohl seyn wenn du dies Blatt erhälst.

Die ersten Veilgen und ein Stück altes Moos leg ich zwischen dies Papier, die ersten sind nicht weit von den Ruinen gepflückt die ich gezeichnet mitbringe. Es ist alles vergebens ich bringe nichts vor mich im Zeichnen, ietzo seh ich täglich mehr wie eine anhaltende mechanische Übung endlich uns das geistige auszudrucken fähig macht, und wo iene nicht ist, bleibt es eine hohle Begierde dieses im Flug schiesen zu wollen.

In Barchfeld fand ich die guten Ehleute recht wacker und gefällig. Sie fragte nach dir, klagte daß sie lang keinen Brief von dir habe, und sagte du schriebst nicht gern, worüber ich mich heimlich freute, denn ich hatte deine lezten in der Tasche.

Von Barchfeld ritt ich auf die Probstey Zelle wo ich mich hatte beym Probst anmelden lassen, um einmal fremde Menschen zu sehen, und von fremden Verhältnissen reden zu hören.

Er ist iung, erst ein Jahr an diesem Platz, ein Herr v. Warnsdorf, gefällig, offen, unbefangen und unverfänglich wie einer der reich gebohren ist. Einen[303] katolischen national und familienschnitt. Seine Mutter eine behägliche verständige Frau. Unsre Diskurse führten uns nach Fulda, Würzburg, Bamberg, Maynz. Die Verfassung dieser Provinzen bildet ganz andre Menschen als die unsrige, und ich erreichte meinen Zweck.

Ich habe zwar nichts auserordentliches doch vielerley Betrachtungen gesammelt die ich gerne mit dir theilen will. Wenn ich vor mir allein bin, erzähl ich mir was ich gesehn habe als wenn ich dir's erzählen sollte und es berichtigt sich alles. Liebste was bin ich dir nicht schuldig. wenn du mich auch nicht so vorzüglich liebtest, wenn du mich nur neben andern duldetest, so wär ich dir doch mein ganzes Daseyn zu wiedmen verbunden. Denn hätt ich wohl ohne dich ie meinen Lieblingsirrthümern entsagen mögen. Doch könnt ich auch wohl die Welt so rein sehn, so glücklich mich drinne betragen, als seitdem ich nichts mehr drinne zu suchen habe.


Ostheim d. 10ten. Endlich am weitsten Punckt [darüber: Aphelio] meiner Reise, so nah meinem Vaterlande als dir, und doch von ienem hundert Meilen in Gedancken entfernt und dir so nah als wenn Hand zu Hand reichte.

Morgen ist mir ein lieber Tag denn ich werde jagen können: in acht Tagen werd ich sie wiedersehn. Bis dahin werd ich noch manchmal Berg auf und[304] ab müssen. Morgen auf Meinungen wo die zwey Herzoge allein sind, dann (und will's Gott bald) nach Barchfeld wo die Prinzessinnen sich aufhalten. Über den Türinger Wald hernach auf Illmenau und dann meiner Geliebten entgegen. In dieser Erwarwtung will ich recht artig seyn, denn da du dich nun einmal meiner angenommen hast, so mögt ich daß iedes, wie unsre Gräfinn, dir zulispelte: pour celui la, on Vous le pardonne.

Ich schäme mich dir zu wiederhohlen, wie und wie immer ich an dich dencke. Du bist mir in alle Gegenstände transsubstanziirt, ich seh alles recht gut und sehe dich doch überall, ich bin weder abwesend noch zerstreut und doch immer bey dir und immer mit dir beschäfftigt.

Heute unterweegs hielt ich eine Philippikam gegen den Pontius Pilatus, stille vor mich hin. Das beste davon will ich dir aufbewahren. Wenn nur der May schön wird daß wir glückliche Spaziergänge machen können.


Ostheim d. 11ten endlich ist der erwünschte Donnerstag gekommen, der nächste wird noch erwünschter seyn. Ich gehe auf Meiningen und hoffe dort Briefe von dir zu treffen. Es graut mir vor dem Anblick zweyer iunger erst freygelassner Prinzen, und noch dazu solcher. Die Hofmeister iunger Fürsten die ich kenne vergleiche ich Leuten denen der Lauf eines Bachs[305] in einem Thal anvertraut wäre, es ist ihnen nur drum zu thun daß in dem Raum den sie zu verantworten haben alles fein stille zugehe, sie ziehen Dämme queer vor und stemmen das Wasser zurück, zu einem seinen Teiche, wird der Knabe Majorenn erklärt, so giebts einen Durchbruch und das Wasser schiest mit Gewalt und Schaden seinen Weeg weiter und führt Steine und Schlamm mit fort. Man sollte Wunder dencken was es für ein Strom wäre, bis zulezt der Vorrath ausfliest und ein ieder zum Bache wird, gros oder klein, hell oder trüb wie ihn die Natur hat wer den lassen, und er seines gemeinen Weeges fortfliest. Verzeih mir das lange Gleichniß. Gilt es doch auch von der strengen Privaterziehung. Adieu liebste. Grüse Steinen, Fritzen, die Waldner, Carolingen. Ernsten.

Empfiel mich dem Herzoge und der Herzoginn.

Dieser Brief wird erst spät zu dir kommen von hier aus gehen die Posten nicht sehr regelmäsig. Grüse die kleine Schwägerinn.

G.


5/1450.


An Charlotte von Stein

Meiningen d. 12ten Apr.

Dein lieber Brief den ich hier fand hat mir einen freundlichen Willkommen gegeben. Ich logire bey Bibra, und meine Sachen gehn gut. Die Herzoge wenden[306] Erde und alte Mauern um, und machen Thorheiten die ich ihnen gern verzeihe weil ich mich meiner eignen erinnere. Sie fragen mich um Rath, und ich habe gelernt nicht mehr zu rathen als was ich sehe daß auszuführen ist.

Die Frau v. Hendrich leidet viel um ihren ältsten Sohn, ich habe ihr wenig Hoffnung für das Kind geben können, es ist aus seiner innersten Natur heraus ohnmächtig und schleppt ein Hülfloses Leben. Sie will mir seines Zustandes Geschichte aufsetzen und ich soll Huflanden konsultiren. Der Frau von Bibra verschreib ich eine Mamsell von Lausanne, und habe noch eine Menge eben so ungleicher Aufträge übernommen, du siehst daß ich Wort halte.

O liebe Lotte was sind die meisten Menschen so übel dran! Wie eng ist ihr Lebenskreis und wo lauft es hinaus! Wir beyde haben dagegen Schätze daß wir Könige auskaufen könnten, laß uns im Stillen des bescheerten geniessen.

Stein wird schweer geheilt werden, du dauerst mich. Wenn du noch von dieser Seite beruhigt wärest, so würden wir die Last der Welt wenig fühlen. Ich habe mich diese Tage her recht bemüht meine Gedancken auf die Erdschollen zu konzentriren, und bin nur überzeugter daß ein Mensch der seine Lebzeit am Spieltisch zugebracht hat, nicht ein Bauer werden kann. Man muß ganz nah an der Erde gebohren und erzogen seyn um ihr etwas abzugewinnen.

[307] Es ist ein erhabnes, wundervolles Schauspiel wenn ich nun über Berge und Felder reite, da mir die Entstehung und Bildung der Oberfläche unsrer Erde und die Nahrung welche Menschen draus ziehen zu gleicher Zeit deutlich und anschaulich wird; erlaube wenn ich zurückkomme daß ich dich nach meiner Art auf den Gipfel des Felsens führe und dir die Reiche der Welt und ihre Herrlichkeit zeige.

Morgen geh ich auf Barchfeld und bleibe da biß Dienstag früh. Laß mich Dienstag Abend ia ein Wort in Illmenau finden und eine Hoffnung auf den Donnerstag. Er wird ia auch kommen, und mir wohlthätig seyn, es ist mir ia bisher alles so gut gegangen.

Die arme Herzoginn dauert mich von Grund aus. Auch diesem Übel seh ich keine Hülfe. Könnte sie einen Gegenstand finden der ihr Herz zu sich lenckte, so wäre, wenn das Glück wollte, vielleicht eine Aus sicht vor sie. Die Gräfinn ist gewiss liebenswürdig, und gemacht einen Mann anzuziehen und zu erhalten. Die Herzoginn ists auch, nur daß es bey ihr wenn ich so sagen darf immer in der Knospe bleibt. Der Zugeschlossne schliesst alle zu, und der offne öffnet, vorzüglich wenn Superiorität in beyden ist. Man kann nicht angenehmer seyn als die Herzoginn ist, wenn es ihr auch nur Augenblicke mit Menschen wohl wird; auch sogar wenn sie aus Raisonnement gefällig ist, das neuerdings mehrmals geschieht, ist ihre Gegenwart wohlthätig.

[308] Wenn ich komme sag ich dir noch viel hierüber, auch über die Gräfinn was ich weis.

O du beste! wer kann der Liebe vorschreiben? Dem einfachsten und dem grilligsten Dinge in der grillenhafften Zusammensetzung die man Mensch nennt. Dem Kinde das bald mit elendem Spielzeuge zu führen ist, bald mit allen Schätzen nicht angelockt werden kann. Dem Gestirn dessen Weeg man bald wie die Bahn der Sonne auf den Punckt auszurechnen im Stande ist, und das offt schlimmer als Comet und Irrlicht den Beobachter trügt.

Hier beste ein Epigramm, davon die Dichtung dein ist. Du wirst dich verwundern wie Herr Jourdain, qui faisoit de la prose sans le scavoir.

Königen sagt man hat die Natur vor andern Gebohrnen,

Zu des Reiches Heil längere Arme verliehn.

Doch auch mir geringen gab sie das fürstliche Vorrecht,

Denn ich fasse von fern und halte dich Psyche mir fest.


Nun hab ich noch ein Conzert und ein Souper auszustehn.

Mit den Prinzessinnen hoff ich soll es schon besser gehn, besonders da sie die kleine Thunger bey sich haben der ich gut bin. Nicht wahr du erlaubst mir freundlich und artig zu seyn, denn ich bringe dir doch immer den Ganzen wieder zurück. Tausendmal Adieu.

G.[309]


5/1451.


An Charlotte von Stein

Barchfeld d. 14ten Apr. 82.

Heut fängt sich die Woche an, vor deren Ablauf ich meine Lotte wiedersehen soll.

Ich habe dir recht artige Sachen zu schreiben und zu sagen. Hier ist es zu unruhig, und deswegen nur wenige Worte.

Die Prinzessinnen sind lustig und artig, die Oberhofmeistrinn gesezt wie du sie kennst, und die kleine Dunger ein recht kurioses Wesen das ich dir beschreiben will, ich hoffe das Bildgen soll dich unterhalten, ich bin ihr recht gut. Aber wie wundersam, und wie auffallend wenn ich so ein fremdes Völckgen wo gewissermassen kein Wort auf eine Saite in mir trifft beysammen sehe und mit ihm lebe. Ich will mich gut halten. Und hoffe auf den Donnerstag. Du wirst einen Brief von Ostheim und Meinungen von mir haben oder bald erhalten. Lebe wohl beste. Lass mich etwas von dir in Illmenau finden. Lebwohl du mein einziges, eingebohrnes, und angewöhntes Glück. Bibra hat mich hierher begleitet, ein gar rechtschaffner guter Mensch. Adieu.

G.[310]


5/1452.


An Carl Ludwig von Knebel

Illmenau d. 17ten Apr. 82.

Die Erinnerung der guten Zeiten die wir vermischt mit bösen Stunden zusammen hier genossen treibt mich an, dir zu schreiben, besonders da ich weis, wenn ich nach Weimar zurückkomme drängt sich gleich eine Menge Sachen auf mich zu.

Seit Charfreytags habe ich einen weiten, und offt beschweerlichen Weeg über Gotha, Eisenach, Creutzburg, Gerstungen, Tiefenort, Barchfeld, Kaltennordheim, Ostheim, Meiningen und über den Thüringer Wald hierher gemacht, und viel gesehen und erfahren was mir Freude macht.

Du erinnerst dich noch mit welcher Sorgfalt und Leidenschafft ich die Gebürge durchstrich, und ich die Abwechslungen der Landsarten zu erkennen mir angelegen seyn lies. Das hab ich nun, wie auf einer Einmal eins Tafel, und weis von iedem Berg und ieder Flur Rechenschafft zu geben. Dieses Fundament läßt mich nun gar sicher auftreten, ich gehe weiter und sehe nun, zu was die Natur ferner diesen Boden benutzt und was der Mensch sich zu eigen macht. Ich kan dir versichern daß wenn ich mit Bätty umherreite, der keine Theorie hat, meine Theorie mit seiner richtigen Praxis immer übereinstimmt, worüber ich denn wie du dencken kannst grose Freude habe. So steig[311] ich durch alle Stände aufwärts, sehe den Bauersman der Erde das Nothdürftige abfordern, das doch auch ein behäglich auskommen wäre, wenn er nur für sich schwizte. Du weißt aber wenn die Blattläuse auf den Rosenzweigen sitzen und sich hübsch dick und grün gesogen haben, dann kommen die Ameisen und saugen ihnen den filtrirten Safft aus den Leibern. Und so gehts weiter, und wir habens so weit gebracht, daß oben immer in einem Tage mehr verzehrt wird, als unten in einem organisirt [darüber: beygebracht] werden kann.

ad alia.


Hier hast du eine Innschrifft aus dem Alterthum die man einem komischen Schauspieler aufs Grab sezte.


Pro iocis quibus cunctos

oblectabat

Si quid oblectamenti apud

vos est

manes insontes reficite

animulam.


Ich finde sie eben in meiner Brieftasche wieder, sie hat mich sehr gefreut.

Einige Tage hab ich mit den Gothischen, einige mit den Meinungischen Herrschafften zugebracht, und fühle mich recht glücklich daß ich an iedem Orte ohne Vorurteil leben und in einem richtigen Verhätniß, zu meinem, und der andern Vergnügen existiren kan.

[312] Schreibe mir balde, und werde nicht federfaul, wie es in der Entfernung gar leicht geschieht.

Wenn du meinen Mieting noch nicht hast; so soll gleich ein Exemplar abgehn wenn ich nach Weimar komme. Ich bin mir noch keiner so schönen Sensation bewußt, als dieses Gedicht in unserm Kreis gemacht hat, und wünsche daß es bey dir auch so anschlagen möge.

Schicke mir von deinem Virgil, du sollst auch alle die kleinen Sachen haben mit denen ich mir das Leben würze, ich bin nun auch in den Geschmack der Innschrifften [darüber: Epigramms] gekommen, und es werden bald die Steine zu reden anfangen.

Von Weimar weis ich wenig. Der Graf und die Gräfinn Brühl werden dir schon empfohlen seyn. Es wird ein neu Stück von Einsiedeln gespielt. Lebe wohl. Grüse deine liebe Schwester.


5/1453.


An den Herzog Ernst II. von Sachsen-Gotha

Durchlauchtigster Herzog,

Gnädigster Herr.

Eben erhalte ich von dem iungen Tischbein einen Brief, den ich in Abschrift beilege, weil das Original nicht ganz orthographisch und leserlich geschrieben war. Mich rührt der Zustand des Menschen, und ich überlasse[313] mich denen Gedanken über ihn um so lieber, da die Gnade von Ew. Durchl. mich hoffen läßt, ihn künftig glücklich zu sehn. Ich bin völlig überzeugt, daß er jede Unterstützung verdient, und es war mir nie deutlicher, wie hohl und eitel der ganze caffelische Kunst- und Alterthumskram sei, als in dem Augenblicke, da ich den Werth dieses verschmähten Zöglings erkenne.

Die Portraits, deren der Brief erwähnt, stehen bei mir und sind das beste Zeugniß, was er ist und was er werden kann, wenn man das Bekenntniß, das er von sich ablegt, und den Gesichtspunkt, woraus er sich betrachtet, mit dazu nimmt. In wenigen Tagen werden diese Bilder nachfolgen und für sich selbst sprechen. Wollten mir nunmehr Ew. Durchl. einen Vorschlag erlauben, so hielte ich für das Rathsamste, wenn man ihn kommen ließe. Durchl. könnten alsdann verschiedene Portraits von ihm fertigen lassen und ihn gegenwärtig beurtheilen.

Sodann würde ich bitten, mir ihn auf einige Zeit herüber zu geben, ich wollte ihn in meinem Hause aufnehmen, ihn Verschiedenes zeichnen und malen lassen, und mit meinem besten Dichter- und Künstlersegen weiter befördern. Ich brenne für Verlangen, ihn über gewisse Sachen zu sprechen, um ihn auf diejenigen Theile der Kunst zu weisen, die ich, nach Anleitung der größten Meister, für die wesentlichen und höchsten zu halten genöthigt bin.

[314] Zu allem Vergnügen, das Ew. Durchl. durch diesen jungen Mann bevorsteht, der nach seiner Kunst und seinem Herzen ein wahrer Schatz ist, wünsche ich zum Voraus Glück, und ich bin versichert, daß auf diesen Eckstein, den die Bauleute verworfen haben, Ew. Durchl. eine wohlgegründete Schule aufrichten werden.

Die Liebe und Freundschaft, womit mein gnädigster Herr Ew. Durchl. zugethan ist, hält ganz allein den kleinen Neid zurück, der bei diesem Anlasse beinahe hervorsprießen möchte.

In Erwartung fernerer Befehle unterzeichne ich mich

Ew. Durchl.

Weimar,

unterthänigster

den 22. Apr. 1782.

Goethe.


5/1454.


An Charlotte von Stein

Sag mir l. L. ein einzig Wort wie du geschlafen hast. Und schicke mir Coxens Reisen nach der Schweitz. Ich kann nicht wohl seyn, wenn dirs nicht ist. d. 23. Apr. 82.

G.


5/1455.


An Charlotte von Stein

Ich dancke dir für dein Andencken und deine Liebe. Hättest du mir auch gesagt wie es mit deiner Gesundheit steht.

[315] Zu Mittag esse ich bei der Herzoginn, Morgen kommt der Abbé Raynal, und der Prinz August.

Es ist ein angenehmer Morgen, du musst bald kommen meine Hyazinthen zu sehn.

Nach Zwölfen seh ich dich, vielleicht eher.

d. 24. Apr. 82.

G.


5/1456.


An Charlotte von Stein

[27 April.]

Hier liebe Lotte ein Paar Briefe die ich heut Abend verschicke.

Sie unterhalten dich wohl einen Augenblick.

Sende sie mir zurück.

G.

NB was der Herzog von Gotha Tischbeinen in Rom offerirt ist gar nicht acceptabel.


5/1457.


An Charlotte von Stein

Sag mir l. Lotte wie es mit deiner Gesundheit ist. Das Wetter scheint nicht den May zu verkündigen. Heute bleib ich zu Hause, gegen Abend werd ich dich sehn. Sage mir daß du mich liebst, damit meine Seele festgehalten werde. Ich habe von deinem Geschenck gekostet, es schmeckt trefflich.

[316] Viele tausend Gedancken treiben sich in mir um. Lebe wohl, keine Zerstreuung entfernt mich von dir.

d. 29. Apr. 82.

G.


5/1458.


An Charlotte von Stein

Mein Bote geht in die Stadt, und ich bitte dich um Iphigenien und deine Liebe.

Duklos ist fein und geistreich, doch fehlen ihm grose Blicke: Ich muß heute auch wieder im kleinen kramen, dafür wenn ich zu dir komme finde ich ein weites Feld des Guten und des Vergnügens. Adieu liebste. d. 30. Apr. 82.

G.


5/1459.


An Charlotte von Stein

Ich dancke dir du gute für das schöne, leider vergängliche Westgen. Gestern Abend ging ich nach Hause und las Wielandens Horaz und im Düklos. Heute bin ich wieder bey Hofe, und schon im voraus müde.

Vor Sonnabends hab ich nun keinen guten Tag, dorthin verspaar ich alles und habe recht artige Sachen beyseite gelegt. Adieu beste. d. 1. May 82.

G.[317]


5/1460.


An Charlotte von Stein

Ich kan nicht ruhig schlafen gehn ohne dir noch gute Nacht zu sagen. Du mußt etwas von mir finden wenn du nach hause kommst. Die Spargel waren gut. Dazu hab ich in Schlözers Briefwechsel und Wielands Horaz gelesen, und zwischen inne immer an mein nächstes gedacht.

Schlafe wohl und mit dem Gefühl ein, daß ich deines ganzen Wesens eifriger Liebhaber bin, und zugleich dein treuer Freund wie du ihn wünschen magst.

Gute Nacht, Morgen ist ein Tag der Mühe, übermorgen Abend wird's uns wohl, wenn es uns geht wie ich hoffe.

d. 2. May 82.

G.


5/1461.


An Charlotte von Stein

Hier das gewonnene das du wieder verschencken willst. Es mag seyn denn du hast etwas anders gewonnen das du wohl nicht weggeben wirst.

Dein Hut war mir ein angenehmer Anblick als ich erwachte.

Lebe wohl ich sehe dich heute.

d. 5. May 82.

G.[318]


5/1462.


An Carl Ludwig von Knebel

Die Zeichnungen sind glücklich angelangt und ich danke dir dafür. Der Weidenbaum ist vortreflich von der Hand des Waterloo; die Kirche ist gar leicht und geistreich gewiß auf dem Plaz entworfen. Wann du manchmal so etwas erhaschest so schike mir es zu.

Von dem Abbé Raynal, der uns einige Tage sehr angenehm unterhalten hat, werden dir deine Correspondentinnen wohl manches schreiben. Er stikt voll der angenehmsten Anekdoten die er mit dem französisch-philosophischen Weltgeiste unter einander verbindet. Er sagt den Königen die Wahrheit und schmeichelt den Frauen, läßt sich aus Paris verbannen, und weiß sich sehr gut in ieden kleinen Hof zu schiken. Ich habe, wie du dir leicht vorstellen kannst, sehr viele Ideen durch ihn komplettiret. Hier lege ich ein Antwortsschreiben des Kaisers an den Churfürsten von Trier bey, das du vielleicht noch nicht gesehen hast. Wenn es autentisch ist, wie mich ein und anderer Umstand vermuthen läßt, so ist es meiner Meinung nach doch ein wenig zu schnakisch. Zwar läßt sich es einem Kayser schweer vorschreiben, wie er die Sache behandeln soll.

Die Inschriften die du auf beyliegenden Blättern findest, werden ehestens, in steinerne Tafeln eingegraben, erscheinen.

[319] Wir haben auf des Abbé Raynal histoire philosophique des Indes eine Gesellschaft gegründet, die wöchentlich dreymal zusammenkommt und es durchlesen will. Wir nehmen die Karten dazu und ein ieder trägt zu Erklärung für die Damen das seinige bey. Es ist wenigstens ein Band auf eine Weile und wir wollen sehen wie es hält. Hast du Wielands Übersezung der Horazischen Episteln gesehen? Ich bin neugierig ob das Publikum ihm den verdienten Dank davor abtragen wird. Wenn man sie laut in Gesellschaft liest, fühlt man, wie glücklich er mit dem einen Fuß auf dem alten Rom und mit dem andern in unsrem deutschen Reiche stehet, und sich angenehm hin und herschaukelt. Ich fürchte man wird sich, wie gewöhnlich an einige Stellen hängen, wo ihn der gute Geist verlaßen hat, und ich gestehe selbst wenn man das lateinische dazu nimmt so erhält dieses so ein Übergewicht, daß man den Werth der Übersezung fast zu gering angeben mögte.

Herders Geist der hebräischen Poesie habe ich noch nicht gesehen.

Lebe wohl und laß mich bald wieder von dir hören.

Weimar den 5. May 1782.

Goethe.


Könntest du mir ohne deine Beschweerde eine Schilderung des Anspacher Hofes machen, vornehmlich auch derer die in Geschäfften gelten. Vielleicht brauchen wir das Haus balde. Lass dich aber nichts mercken.[320]


5/1463.


An Jenny von Voigts

Sie erhalten hier einen Versuch, den ich vor einigen Jahren gemacht habe, ohne daß ich seit der Zeit so viel Muße gefunden hätte, um das Stück so zu bearbeiten wie es wohl seyn sollte. Legen Sie es wie es ist Ihrem Herrn Vater vor, und dann bitte ich Sie recht aufrichtig und ausführlich zu seyn und mir umständlich zu melden, was er darüber sagt. Mir ist eben so wohl um sein Lob als um seinen Tadel zu thun. Ich wünsch zu wissen, von welcher Seite er es ansieht.

Ich füge nur eine Bitte hinzu, daß Sie die Abschrift nicht aus den Händen geben mögen, und erwarte sie bald wieder zurück. Ich lege noch eine Kleinigkeit bey und hoffe zu hören, daß sich Ihr Herr Vater wieder recht wohl befinde. Möchte das versprochene Portrait doch recht balde ankommen, damit ich ihm sogleich in dem neuen Quartier, das ich so eben beziehe, seinen Plaz anweisen könne.

Weimar, d. 5. May 1782.

Goethe.


5/1464.


An Charlotte von Stein

Guten Morgen Beste.

Ich habe schon lange auf deine alte Theemaschine ein Auge gehabt deswegen schick ich dir diese neue,[321] und bitte um iene dagegen. Sie soll in meinen Garten gestifftet werden. Lebe wohl an dich zu dencken, und deiner Liebe gewiss zu seyn ersetzt mir die Sonne.

d. 6. May 82.

G.


5/1465.


An Charlotte von Stein

[7. oder 8. Mai.]

Ja liebe ich komme so bald als möglich, doch wohl vor 12 Uhr nicht, denn ich will diesen Morgen noch alles bey Seite bringen.

Den kleinen Bernsdorf schick ich dir zum essen. Ich dencke gar nichts über unser Scheiden. Noch nie waren wir vor unsrer Trennung so glücklich. Lebe wohl. Bleibe mein.

Ich bin nach Tiefurth geladen werde aber wohlt nicht hinunter gehn. Habe auch weder Pferd noch Wagen.

G.


5/1466.


An Charlotte von Stein

Gotha. Himmelfahrts Tag [9. Mai] 82.

Ich bin unter Vorwande von Müdigkeit aus der Gesellschafft bey der alten Mama heraufgeschlichen, dir noch zu sagen was ich gerne sage und du gerne hörst.

Heute hatt' ich einen schönen Tag, den ersten Sonnenschein seit lange. Genisse doch ia des ersten[322] Grüns und der Nachtigallen in meinem Garten. Im Herreiten hab ich den Plan des Gedichts erfunden das ich meinen bald verlassnen Hausgöttern wiedmen wollte, und habe ausserdem noch viele gute und artige Gedancken gehabt.

Den armen Herzog finde ich in einer traurigen Lage. Seine Frau ist sehr kranck, und seine Geliebte sterbend. Die Diede ist auch von der allgemeinen Seuche angesteckt, die ganze Stadt voll Klagens und Schupfens.

Mama hat mir die neue schöne Genfer Edition von Rousseau geschenckt, die Confessions sind dabey. Nur ein paar Blätter die ich drinne gesehen habe, sind wie leuchtende Sterne, dencke dir so einige Bände! Welch ein Himmel voll! Welch ein Geschenck für die Menschheit ist ein edler Mensch.

Der Prinz ist mir immer sehr geneigt, und eine gar liebe Seele.

Es steht hier alles wunderbar gegen einander, ich hielt es nicht acht Tage aus. Als Einheimischer versteht sich, ein Fremder kommt immer wie Israel durchs rothe Meer, ein Zauberstaat macht die feuchten Wände stehen, wehe dem über dem sie zusammenschlagen.

O meine Lotte! Wie freu ich mich auf meine neue Einrichtung! Auf alles was mir deine Liebe wird ordnen und erhalten helfen. Mögest du so viel Freude haben als du mich glücklich machst.

Ich bin herzlich müde. Gute Nacht. Das Wetter[323] wird morgen mir einen sehr angenehmen oder sehr beschweerlichen Tag geben denn ich muß gerade über den Wald.


d. 10ten früh.

Das Wetter ist schön, die Berge die ich übersteigen soll liegen klar vor mir, und nun ein fröhliges Adieu.

Meine Lotte denck an mich, verlangt nach mir, wird mir schreiben, und weis wie sehr und wie allein ich sie Liebe.

G.

Grüsen Sie den Herzog vielmal und die Herzoginn, Steinen und die philosophische Gesellschafft.


5/1467.


An Charlotte von Stein

Meinungen d. 10ten May. 82.

Ein schöner und glücklicher Tag! Ich ritt um 7 von Gotha nach dem Gebürg. in Friedrichrode fing mich der Bergrath Baum auf, ich mußte zu Tisch bleiben, und kroch mit ihm vorher in den Eingeweiden der Erde herum, und that mir was rechts zu gute. Er ist eine glückliche Art Menschen, hat mit der Krumhälser Arbeit angefangen, (wenn du das Wort nicht kennst lass dir's vom Herzog erklären der weis es sehr gut) und ist nun das fac totum in einem zwar kleinen aber doch sehr manigfaltigen Kreise,[324] wo einer vielerley wissen, vielerley thun und ein Geschick haben muß sich in allerley Menschen und Umstände zu richten. Er versicherte es ginge nichts über das Vergnügen ein Bergmann zu seyn, und wenn er auch die Gaben hätte und er könnte Minister seyn, würde er es ausschlagen, meynte er, und ich glaub es gerne. (besonders wenn er recht wüsste was das hiese Minister seyn).

Auch muß ich dir mein Glück wieder preisen, ich hatte den ganzen Tag das schönste Wetter und wie ich vom Pferde steige fängts an zu regnen. Du hast mich wohl heute besonders lieb.

Um ein weniges grüner find ich hier die Bäume als bey uns.

Gute Nacht beste ich sage dir nicht wie du in ieden Meiner Gedancken verwebt bist, du weisst es.


d. 11ten. Die Post geht ab und ich habe nicht Zeit etwas hinzuzufügen. Sonnabend vor Pfingsten geh ich durch Kochberg es liegt mir wenig ausser dem Weeg. O wenn ich dich da fände. Vielleicht komm ich auch einen Tag früher vielleicht einen später durch. Liebste wenns möglich ist so sey da. Tausendmal Adieu.

G.[325]


5/1468.


An Charlotte von Stein

Meiningen d. 12ten May 82.

Meine Sachen gehen ordentlich und gut, es ist freylich nichts wichtiges noch schweeres indessen da ich, wie du weisst, alles als Übung behandle; so hat auch dies Reiz genug für mich. Ich habe als Gesandter eine förmliche Audienz bey beyden Herzogen gehabt, die Livree auf dem Saal, der Hof im Vorzimmer, an den Thürflügeln zwey Pagen und die gnädigsten Herrn im Audienz Gemach, Morgen geh ich nach Coburg dieselbe Comödie zu spielen, will in Hildburghausen mich auch an Hof stellen, und gegen Ende der Woche nach Rudolstadt gehn da ich einmal auf dem Weege bin und hiermit alle Thüringische Höfe absolviren. Von Rudolstadt schick ich einen Boten auf Kochberg zu hören ob du da bist.

Da ich einmal im Gewinnst sitze; so fällt mir alles zu, da ich aufmercksam bin des Glücks zu gebrauchen; so vermehrt sichs täglich, und ich verschleudre nichts. Wäre das was ich gewinne Geld; so wollt ich bald eine Million beysammen haben. Verschiedne sind auf verschiednes in der Welt angewiesen. Goldreich werd ich nie, desto reicher an Vertrauen gutem Nahmen und Einfluss auf die Gemüther.

Und was ich erlange bring ich zu deinen Füssen. Es ist gewiss meine Liebste, meine Sinne gehören dir[326] so zu eigen, daß nichts bey mir ein kann ohne dir Zoll und Akzise zu bezahlen.

Du hast in meinen Augen und meinen Ohren kleine Geister angestellt, die von allem was ich sehe und höre den Tribut der Verehrung für dich fodern.

Ich wohne gegen der Kirche über, das ist eine schröckliche Situation für einen der weder auf diesem noch auf ienem Berge betet, noch vorgeschriebne Stunden hat Gott zu ehren. Sie läuten schon seit früh um viere und orgeln daß ich aufhören muß denn ich kann keinen Gedancken zusammenbringen. Adieu liebe liebe Lotte.


Coburg d. 13. May 82 Abends.

So weit wäre mein Feldzug vorgerückt und ganz glücklich und püncktlich. Wenn der Kopf weis was er will und das Herz nicht nötig hat ausheimisch zu seyn daß es ihm wohl werde so gehts ia wohl. Das danck ich dir Liebste alle Tage daß ich dein geworden bin und daß du mich aufs rechte gebracht hast. Ich verlange nicht mehr von den Menschen als sie geben können, und ich bringe ihnen wenigstens nicht mehr auf als sie haben wollen, wenn ich ihnen gleich nicht alles geben kann was sie gerne mögten.

In Meiningen hat man mich auf das allerartigste behandelt, es ist ohnmöglich, mehr Attention Freundschafft und Gefälligkeit zu haben. Ich trete demohngeachtet sehr leise auf und nehme nichts an als was sie mir, iedes einzeln und alle zusammen gewiß nicht[327] zurücknehmen. Die Seele aber wird immer tiefer in sich selbst zurückgeführt iemehr man die Menschen nach ihrer und nicht nach seiner Art behandelt, man verhält sich zu ihnen wie der Musikus zum Instrument, und ich könnte es nicht Acht Tage treiben wenn mein Geist nicht in der glückseeligen Gemeinschafft mit dem deinigen lebte.

Dürckheim ist noch gar nicht wohl. Die famose Kranckheit überfällt auch unversehens in diesen Gegenden viele Menschen. Wenn ich nur hören könnte daß du wohl bist. In Meinungen hat mich kein Brief getroffen ich habe deswegen Bibra Commission gegeben.

Heut Mittage hab ich in Hildburghausen bey dem Alten gegessen. Er war sehr munter und freundlich, gab mir Audienz im Bette, und war nachher gleich angekleidet zu Tafel.


Coburg d. 14. früh.

Eben erhalte ich deinen lieben Brief vom 9ten und 10ten, du hast mir damit eine unbeschreibliche Freude gemacht. Ich wünschte recht sehnlich von dir etwas zu sehen als er ankam.

Nun rücke ich nicht weiter, und übermorgen näher zu dir. Ich lasse mich nirgends halten und gehe zur gesetzten Stunde weg. Es ist gar artig eine Reihe Phisiognomien von Städten und Höfen zu sehn, ieder Hof hat einen dezidirten eignen Charackter der sich von oben herein bildet. Ich verspreche dir eine Reihe Schilderungen die dir gefallen sollen.[328]


Coburg d. 15ten früh.

Nun wäre ich auch hier so weit fertig, will mich heute nach Gegenden und Menschen umsehen und morgen in die Gebürge reiten.

Gestern war es ein schöner Anblick als ich mit der Herrschafft ausfuhr auf einmal die ganze Gegend grün zu sehen. Es hatte in Einer Nacht sehr starck getrieben. Es fehlt nichts als daß du nicht da bist, die Landschafft ist auserordentlich schön.

Heute früh werde ich auf die Feste fahren, es ist auch ein schöner Morgen. Ihr werdet auch solches Wetter haben, und ich hoffe du besuchst meinen Garten.

Lebe wohl liebste Lotte Dieser Brief sucht dich in Kochberg auf. Findet er dich nicht so geht er traurig auf Weimar. Bist du in Kochberg so komm ich Sonnabend Abend hin. Wärst du nicht da so gehe ich über Jena. Adieu vielgeliebte. Wer dich gefunden hat weis warum er in der Welt ist.


d. 15ten Nach Mittags.

Die Aussicht von der Vestung ist sehr schön und ich habe einen angenehmen Morgen gehabt, es wird mit Gewalt grün, und des armen Menschen Freude, wenn wieder einmal etwas iung wird, ist gar gros, weil er doch selbst immer altert.

Heute fahren wir noch auf eine Marmel Mühle[329] von Thümmeln, was das sey erfährst du weitläufig wenn ich komme.

Adieu, ich muss schliesen. Morgen frühe geh ich von hier weg.

G.


5/1469.


An Carl Ludwig von Knebel

Coburg d. 13. May 82.

Du wirst dich wundern wie ich dir auf einmal so nahe komme. Ich habe hier zu thun und sehr ungerne kehr ich zurück ohne dich und die Raphaels besucht zu haben. Die schönen Tage haben mich neu belebt, ich bin zu Pferde über Gotha Meinungen Hildburghausen hierher gegangen, und werde über Rudolstadt zurück gehn und also alle Thüringischen Höfe auf einmal besuchen. Ich werde durch die Berge der Ämter Sonneberg und Schalckau mich aus der Stein Jagd erlustigen, und auf unsre vorige Pfade wo wir vorm Jahre vergnügt reisten wieder treffen.

Daß du an meinem Mieting Freude gehabt ergözt mich sehr, ich habe noch ein Gedicht im Sinne, einen Abschied an meinen Garten da ich eben zur schönsten Zeit genötigt bin hereinzuziehen. Sollte es fertig werden, so schicke ich es dir.

Deinen grosen Schreibtisch hab ich in meine Stube schaffen lassen, deine Meubles und übrige Sachen will auch aufheben, da ich Platz habe, und werde sie gegen ein Inventarium von Ludekus übernehmen.

[330] Wie wunderbaar es ist. Sonst dacht ich es mir ärger als den Todt aus meinem Garten zu gehn, iezt aber da bey verwickelten Verhältnissen eine unerträgliche Unbequemlichkeit, Versäumniß pp für mich und andre daraus entsteht, so ist mirs eine rechte Wohlthat, daß ich mich ausbreiten, und meine Sachen beysammen haben kann und gewiss am Ende genieß ich den Garten, mit meinen Freunden doch noch besser.

Villoison habe ich nur einige Tage gesehen, es ist ein guter, unterhaltender, glücklicher Mensch.

Der Mahler und sein Weibgen sind ein artig Pärgen kein groser Künstler ist er nicht.

Lebe wohl. Schicke mir meinen Tasso zurück.


d. 15ten Abends.

Morgen frühe geh ich wieder zurück. Die Gegend ist sehr schön und das iunge Grün auf einmal sehr erquicklich. Adieu.


5/1470.


An Charlotte von Stein

[etwa 20 Mai.]

Ich hatte heute schon einen sehr schönen Anfang mit Fritzen gemacht. Er ist den ganzen Tag bey mir und fleisig munter und gut. Ich hoffe diesen Abend bey dir zu seyn und kann der Hoffnung nicht entsagen. Gegen fünfe will ich durch den Hof gehen[331] und laut reden. Wenn du mich sehn magst so komm ans Fenster. Sey ruhig es wird sich geben. Thue nur vorerst das Kind drüben weg und laß ihn hüben schlafen wenn Ernst weg ist, denn es schickt sich auf alle Fälle nicht länger. Dann wollen wir es einzuleiten suchen, und ich will ihm alles seyn was ich kann. beruhige dich. Lebe wohl und fürchte nicht. Ich bin immer dein und der deinigen.

G.


5/1471.


An Charlotte von Stein

Willst du l. Lotte mir heute ein wenig Essen machen lassen meine Leute sind über und über beschäfftigt. Ich lasse es gegen 1 Uhr holen. Denn ich will zu hause bleiben, und alte Sünden aufräumen. Adieu. Ich sehe dich gegen Abend und wir schreiben weiter. Wie hast du geschlafen.

15 d. 25. May 82.

G.


5/1472.


An den Herzog Carl August

Das gnädigste Rescript wegen Besetzung beyder Theologischen Stellen mögte wohl auf das baldigste zu erlassen seyn.

Man könnte vorerst von Blaschen schweigen. Obgleich die Sache bald (wäre es auch nur wegen des Lecktions-Catalogi wo ihm sein Rang angewiesen wird) zur Sprache kommen muß.

[332] Von Coburg ist, wie ich vernommen habe, ein Rescript eingelaufen, das ihm Sitz und Stimme im Senat zutheilt, vermuthlich wird das Meiningische gleichlautend seyn.

Ich habe auch bey gepflogenen Unterhandlungen, nach Maasgabe der mir gleichsam als Instrucktion, mitgegebenen Ackten-Extrackte, seiner Sitzung im Senate nicht entscheidend widersprochen, sondern nur auf das festeste behauptet, daß man ihm, wenn es ja seyn sollte, seinen Platz unter Polzen anzuweisen habe.

Übrigens mit vorstehendem völlig einverstanden.

d. 25. May 82.

G.


5/1473.


An Charlotte von Stein

Es war mir gar nicht gemüthlich dich heute zu verliehren, und so hab ich mich deines Fritzens bemächtigt und habe ihn überall herum geführt. Erst in's neue Quartier, dann zu der Schröter die Kranck ist. Darauf sind wir in den Garten gegangen und Fritz bleibt bey mir.

Wir waren in seinem Gärtgen und seine Bohnen interessiren mich mehr als meine Bäume. Ich dancke Gott der mir den Sinn gegeben hat ihm seine Aqueducs nicht zu verderben, sondern sie zu ehren.

Gute Nacht ich liebe dich in ihm und in allem.

d. 25. May 82.

G.[333]


5/1474.


An Charlotte von Stein

Dancke für den frühen Morgen Grus, durchs rauhe Wetter. Hier ein Zettelgen von Fritz der mir ein vergnügter Anblick diesen Morgen war, gestern Abend haben wir noch im Linne von den Fischen gelesen und zwar im Bette.

Diesen Morgen will ich bey mir bleiben, gegen ein Uhr komm ich mit dir zu essen, ich habe bey Hofe mich entschuldigen lassen, und ich will gerne Mittags und Abends was du willst, wenn wir bey deiner Schwägerinn lesen könnten wäre es sehr gut. Adieu ich binn dir ganz ergeben. Hier eine Inschrifft.


Der Nachtigall

Dich hat Amor gewiß o Sängerinn fütternd erzogen

Kindisch reichte der Gott dir mit dem Pfeile die Kost

Damals saugtest du schlürpfend den Gifft in die liebliche Kehle

Denn wie Cypriens Sohn trifft Philomele das Herz.

d. 26. May 82.

G.


5/1475.


An Charlotte von Stein

[Mai.]

Liebste Lotte ich war schon dich zu suchen bey dir, und finde nun erst dein Billet.

[334] Ich komme gegen sechse, wenn wir Zeit finden zu schreiben, so wird mir es sehr lieb seyn. Viel Vieles hab ich dir zu erzählen. Adieu. Du weisst was ich sage und sagen will.

G.


5/1476.


An Charlotte von Stein

[Mai.]

Ich muß zu Hause bleiben um heute mit Fritzen alles in Ordnung zu bringen, sonst wäre ich schon bey dir. Wolltest du heute Abend mit einer kleinen Gesellschafft Thee bey mir trincken so sage wen wir nehmen wollen, und Lottgen käme alsdann und besuchte die ihrigen. Schicke mir doch das gestrige Conzept von Fritzen.


5/1477.


An Charlotte von Stein

[Mai.]

Ich bin so fleisig an der Landschaft die heute noch gerne ferdig machen möchte das ich Ihnen durch meinen Geheimen Secretair schreiben, und mich nach Ihren Wohlseyn erkundigen muß Fritz wird bei mir bleiben und diesen Abend komme ich Sie zu besuchen. Haben Sie doch die Güte mir einen von denen Ramen zu schicken worin die Mondscheine hängen über Ihren Schreibtisch. Leben Sie wohl und denken Sie an Ihre abwesende Freunde.[335]


5/1478.


An Charlotte von Stein

Zum erstenmale aus dem neuen Quartier schreib ich und schick ich dir was du aus dem alten so offt erhieltest, einen Morgengrus und die Versicherung meiner Liebe. Es ist mir ganz einerley wo ich bin wenn ich dir nur nahe wohne. Zugleich folgt ein Bund Spargel den ich diesen Mittag mit dir zu verzehren hoffe. Adieu. L. ich sehe dich bald.

d. 2. Juni 82.

G.


5/1479.


An Charlotte von Stein

Guten Morgen meine liebste Nachbarinn. Eine Kutsche die Wielanden nach hause brachte und das Rufen der Wache hat mich schon fühlen lassen daß ich von meiner schönen Einsamkeit getrennt bin. Bin ich es doch nicht von dir vielmehr dir immer näher. Adieu schreibe mir heute wohin deine Weege gehn.

d. 3. Jun. 82.

G.


5/1480.


An Charlotte von Stein

Ich habe Carolingen geschrieben, der Brief ist fort. Das Wetter ist nicht liebreich, wenn du es mir nur bleibst.

[336] Diesen Morgen wird gekramt. Mittags bin ich bey Hofe und dann bey dir.

Hier schick ich dir das Diplom damit du nur auch weissest wie es aussieht. Ich bin so wunderbar gebaut daß ich mir gar nichts dabey dencken kan.

Wieviel wohler wäre mir's wenn ich von dem Streit der politischen Elemente abgesondert, in deiner Nähe meine Liebste, den Wissenschafften und Künsten wozu ich gebohren bin, meinen Geist zuwenden könnte.

Adieu. Liebe mich denn ich bin dein.

d. 4. Juni. 82.

G.


5/1481.


An Charlotte von Stein

Sage mir meine beste ob du dich wohl befindest? Ich habe keine fröhliche Stunde so lang du kranck bist. Gestern Abend war Fritz gar lieb, er bot sich mir zum Vorlesen an und las mir in den Confessions recht artig, und schien das meiste zu verstehn.

Leb wohl. Ich habe viele Briefe zu schreiben.

d. 5. Jun. 82.

G.


5/1482.


An Jakob Friedrich von Fritsch

So eben erhalte ich beyliegendes Colleckten Buch nebst dem Briefe der Frau Gräfinn. Was glauben[337] Ew. Exzell. das für den Mann etwa zu thun seyn möchte? Und was ich ihm für eine Resolution geben könnte?

Ew. Exzell. ganz gehorsamster

d. 5. Juny 82.

Goethe.


5/1483.


An Moritz August von Thümmel

Hochwohlgebohrner

Insonders hochzuehrender

Herr Geheimberath

Das Andenken der schönen, leider nur zu kurzen Tage, die ich bei Ihnen zu geniesen das Glück gehabt, erneuert sich bei mir auf das lebhafteste da ich die Feder ergreifte Ew. Hochwohlgeboren wegen einer Akademischen Sache nochmals zu behelligen.

Ihres gnädigsten Herrn Durchl. geruhten mir zu versichern, daß hochdieselben alles nach meinem Unterthänigsten Antrage, und nach dem Wunsche meines Herrn des Herzogs, würden verfügen lassen. Darunter war, ausser der Vokation des Herrn Döderlein zur zweyten Theologischen Stelle, auch die des Herrn Ausfeld zur dritten, und die gefällige Communikation mit den beyden übrigen Höfen.

Wie ich vernehme so fehlet Serenissimi Coburgensis gnädigste Rescript an die Akademie wegen Herrn Ausfelds, auch siehet man in Gotha einer beifälligen[338] Comunikation entgegen, um gleichfalls an die Akademie zu rescribiren.

Herr Döderlein hat sich erklärt er wolle die Vokation annehmen, und es wird also keine Zeit zu verliehren seyn.

Mit der heutigen Post gehen hierüber Comunikations Schreiben an die sämmtlichen Höfe ab und ich bitte Ew. Hochwohlgeboren noch ganz besonders um Beförderung und Berichtigung dieser Sache.

Auch Herr Blasche leidet unter dem Verzuge indem man hiesiger Seits vor der Berufung des Herrn Ausfelds sich ihm zu der Erfüllung keiner Bedingung verbunden hält.

Mir selbst ist persönlich daran gelegen daß dieses Geschäfte berichtigt werde, weil es sonst scheinen könnte als hätte ich mich in Betreibung desselben einiger Nachlässigkeit schuldig gemacht.

Die nicht genug zu preisende Gnade Ihres gnädigsten Herrn, welche mir höchstdieselben bezeigt, läßt mich das beste hoffen, und das Zutrauen, das ich auf Ew. Hochwohlgeboren Mitwürkung setze, wird gewiß vollkommen befriedigt werden.

Darf ich bitten mich den höchsten Herrschaften zu Füssen zu legen, und für die vorzüglich erwiesene Gnade meine Dankbarkeit zu bezeugen.

Der Frau Gemahlin und Herrn Schwager empfehle ich mich auf das angelegentlichste.

Mit angefügter Bitte mich gelegentlich mit den versprochenen Naturalien zu bedenken, versichere ich[339] meine Vollkommenste Hochachtung und Dankbarkeit und unterzeichne mich mit den ergebensten Gesinnungen

Ew. Hochwohlgeb.

Weimar

gehorsamster Diener

d. 5. Juni 82.

Goethe.


Die Erledigung des Ordinariats mit den verbundenen Stellen wird nächstens eine Comunikation veranlassen, deren Beförderung ich zum Voraus bestens empfehle.


5/1484.


An Charlotte von Stein

Es ist alles fort und m. L. ist noch da, und so ist für mich alles hier. Wie schön daß ich dir es einmal an einem schönen Morgen sagen kann. Diesen Mittag esse ich bey dir, wenn du willst so spazieren wir den Abend und ich will kaltes Essen in meinen Garten bestellen. Nur wenig. Vielleicht mag deine Schwägerinn oder sonst iemand dazu. d. 9. Jun. 82.

G.


5/1485.


An Charlotte von Stein

[11. Juni.]

Ohne ein groser General zu seyn, sah ich das traurige Ende vorher das die Maneuvres unsrer Herrschafften heute Abend nehmen würden. Ein vollstimmiges Conzert war ins Closter bestellt, die Musici[340] im Anzug, die keglenden Prinzen ieden Augenblick zu erwarten. Die Fürstinn bestellte sich noch über das alles einen Thee und der Regen brach herein. Ist alles besser geworden als ich dencke, und hast du dich gerettet; so sage mir es, denn ich bin noch angezogen dich zu besuchen.

G.


5/1486.


An Charlotte von Stein

Mir ist's wohl in dem Gedancken daß ich dich immer wieder finde meine beste.

Da Alles Epochen weise mit mir geht so hoff ich die neue Veränderung und Erweiterung meiner Bestimmung soll mir und andern wohl thun.

Adieu alles was ich habe ist für dich.

Diesen Abend such ich dich auf.

Lebe wohl. Ich bin fleisig.

d. 13. Jun. 82.

G.


5/1487.


An Charlotte von Stein

Ich mögte nur eine Zeile von deiner Hand sehen, wissen wie du geschlafen hast, und mit einer Versicherung deiner Liebe eine schöne Aussicht auf den Tag eröffnet sehen.

Um 10 geh ich ins Conseil, vorher einen Augenblick zu dir. Lebe wohl. Es ist mir immer wenn[341] ich an dich dencke als wenn ich dich halben Weegs zu mir anträfe.

d. 14. Jun. 82.

G.


5/1488.


An Philipp Christoph Kayser

Lieber Kayser ich bin recht beschämt daß ich so lange geschwiegen habe.

Der Strom des lebens reist mich immer stärcker, daß ich kaum Zeit habe mich umzusehn.

Auch ietzo auf alle Ihre Verlangen, nichts, als: balde sollen Sie etwas hören und erhalten.

Was Sie mir schicken ist damals glücklich angekommen.

Im Orden heis ich Meister das heist nicht viel, durch die übrigen Säle und Kammern hat mich ein guter Geist extrajudizialiter durch geführt. Und ich weis das unglaubliche.

Wenn Sie mir einige Melodien schickten! Sie haben ia wohl etwas neues.

Ich schicke ehstens. Und antworte ausführlicher. Ich habe in der schönen Jahrzeit meinen Garten verlassen müssen. Es wird mir iede Wohnung zum Zelt, Veränderlich nach dem Bedürfniss.

Leben Sie wohl.

d. 14. Juni. 82.

G.[342]


5/1489.


An Charlotte von Stein

Von dem Augenblick da ich dein Billet erhalte geht erst mein Tag an, ich war immer in Sorgen, du mögtest kranck seyn. Nach Tische geh ich hinaus die Wohnung der Ruhe einzuweihen. Mit wieviel Freude erwart ich dich hineinzuführen.

15. Jun. 82.

G.


5/1490.


An Charlotte von Stein

[15. Juni.]

Es ist noch lange hin bis diesen Abend. Ich muß dir noch ein Wort sagen und eins von dir hören.

Wenn du magst so will ich eine Bier Kalteschaale unter dem Zelt geben, und wenig kaltes. Wenn die Herzoginn nichts weiter hat so wäre es liebreich von ihr wenn Sie uns nicht verschmähte. Frage sie und sage mir ob Stein auch kommen will und was weiter.


5/1491.


An Charlotte von Stein

Zum schönen Morgen auch ein zierlich Blat. Ich war heute früh auf und mein erster und liebster Gedancke war daß du Morgen so erwachen würdest. Zum Dejeuné mag die Herzoginn ia vor sieben kommen,[343] um achte ist die gröste Schönheit vorbey. Adieu ich überlasse dich dem Priester für heute früh, gewiss daß du auch unter dem Gebet meiner gedencken wirst. Ich bleibe zu Hause sag mir was du diesen Abend vorhast und wie und wann du einziehen willst.

d. 16. Jun. 82.

G.


5/1492.


An Jakob Friedrich von Fritsch

Hochwohlgebohrner

Insonders Hochzuehrender

Herr Geheimderath

Ew. Exzell. werden, wie wir hoffen glücklich in Carlsbad angelangt seyn und unter der Menge von Gästen Sich schon ziemlich umgesehen haben; ich wünsche daß die Wasser an Ihnen und allen Weimaranem recht merckwürdige Kuren thun und sich durch unsre liebe Landsleute berühmt machen mögen.

Durch die Frau Gräfinn und Wedeln denen ich mich bestens empfehle haben wir ia wohl die ersten Nachrichten zu erwarten.

Der Fürst von Dessau (daß ich nun von unsern Merckwürdigkeiten spreche) hat sich mit seiner Gemahlinn nur wenige Zeit aufgehalten. Serenissimus haben sie bey ihrer Abreise begleitet und wie ich höre in die Eisenacher Alterthümer eingeweiht. Von da wird er in's Oberland gehen, wo Bätty wahrscheinlich[344] seine Wässerungen bis auf den kleinsten Graben produziren wird.

Unsere Fürstinn ist wohl, vergnügt und freundlich. Ich habe mich besonders der Gnade und Güte zu rühmen womit sie mir einen Adelsbrief der von Wien angelangt war zustellte, und wodurch dieses Dokument erst einigen Werth für mein Herz erhielt.

Erlauben Ew. Exzell. daß ich auch bey dieser Gelegenheit für die mir erzeigte Gewogenheit und Freundschafft dancke, mich Ihren besten Gesinnungen empfehle und die Unwandelbarkeit der meinen auf's neu versichre.

In Geschäfften ist nichts merckwürdigs vorgekommen.

Geh. Rath Kochen habe ich auf eingelaufenes unverdächtiges Zeugniß von Darmstadt die vakante Stelle angetragen. Es fällt eingezogner Erkundigung ohnerachtet noch immer schweer die damit verknüpften Emolumente bestimmt anzugeben.

In einigen Tete a Tete mit Herrn Geh. Rath Schnaus ist verschiednes was Serenissimi Beystimmung nicht erforderte abgethan worden.

Das schöne Wetter wird hoffentlich, wie erst das böse, sein Zelt über einen grosen Weltstrich ausspannen, und Ew. Exzell. werden, auch zwischen den entfernten Bergen, Theil an unserm klaren Himmel haben, wenn nur nicht die zusammengefasste Hitze zugleich mit der Wärme des Sprudels beschweerlich wird.

[345] Der Frau Gemahlin die wie ich höre im Begriff ist nach Serhausen zu gehen hoffe ich noch aufzuwarten.

Ich erneue und wiederhohle alle Wünsche zu Ew. Exzell. Wohlbefinden und unterzeichne mich mit der vollkommensten Hochachtung

Ew. Excell.

Weimar

ganz gehorsamster Diener

d. 16. Jun. 82.

Goethe.


5/1493.


An den Herzog Carl August

Haben Sie lieber gnädigster Herr viel Danck für Ihren Brief. Den meinigen werden Sie erhalten haben und ich sehe durch den Husaren einer Antwort entgegen. Dieser soll Sie wenn das Glück gut ist in Sonneberg empfangen.

Zuförderst viel Glück zum schönen Wetter das die Honneurs der alten Berge gar trefflich machen wird.

Ihre Frau Gemahlinn ist, und mich dünckt nicht ganz mit Unrecht, ungehalten daß der Fürst und die Fürstinn so sehr hier wegeilten und doch so viele Zeit fanden in Eisenach zu bleiben. Wie ihm auch sey, so freut mich daß der Alte diesen schönen Theil Ihres Besitzthums gesehen. Ich sehne mich recht iene Plätze auch einmal im Geist und Sinn zu geniesen, und mit neuen Augen anzusehen, davon wir das reitzende zuerst im Taumel verschlangen und welche ich nachher,[346] unangenehmen Erinnerungen auszuweichen, nur flüchtig besuchte.

Der Herzog von Gotha hat mir geschrieben und bestimmt 100 Dukaten. Tischbein soll heute Nachricht erhalten.

Ihre Frau Gemahlinn hat Sonnabends bey mir gegessen, das Kleine bat auch: liebe Waldnern! dableiben! Es wurde auf dem Altan mit zu Tische gesetzt und gefiel sich sehr wohl. Heute früh gab die Stein der Herzoginn ein Frühstück in meinem Garten.

Gestern hab ich einen herrlichen Morgen genossen. Ich stand um halb viere auf. Seit dem mein Garten mir ist was er soll, Zufluchtsort; so hat er für mich einen unaussprechlichen Reitz.

In meinem neuen Hause breite ich mich aus und alles kommt in die schönste Ordnung. Dabey rekapitulire ich mein Leben, vergleiche die Epochen und seze das karackteristische der Gegenwärtigen fest. Sie gewährt mir gute Hoffnungen und Aussichten. Wie viel mir die neue Einrichtung an Arbeit erleichtert, ist kaum zu sagen, ich kann in eben der Zeit und mit gleicher Mühe noch einmal so viel thun.

Die neue Staatsveränderung hat zu einer Menge Aneckdoten Gelegenheit gegeben die Sie bey Ihrer Rückkunft unterhalten sollen. Das Publikum verabschiedet auch Wetken und Bertuch. Jenem wird fast einstimmig der Stab gebrochen.

In Rousseaus Wercken finden sich ganz allerliebste[347] Briefe über die Botanick, worinn er diese Wissenschafft auf das fasslichste und zierlichste einer Dame vorträgt. Es ist recht ein Muster wie man unterrichten soll und eine Beylage zum Emil. Ich nehme daher den Anlas das schöne Reich der Blumen meinen schönen Freundinnen aufs neue zu empfehlen.

Geh. Rath Thümmel von Coburg schreibt mir: »So wunderlich es klingt so ist es doch gewiß daß wir in der Hitze unsres guten Willens den Herrn Ausfeld ganz übersehen haben; der Fehler ist nun berichtigt« pp.

An Koch hab ich auch geschrieben.

Villoisons Cynismus ist dem Herzog von Gotha sehr aufgefallen.

Der Husar bringt Ihren Brief. Geleite Sie der Himmel. Dieses Blat trifft Sie also in Sonneberg sehr richtig.

Derartigen Fräulein und den schönen Damen überhaupt werden Sie ia wohl gelegentlich etwas verbindliches von mir gesagt haben.

Was den Venus betrifft so find ich Ihren Gedancken sehr glücklich. Unter allen Subalternen dieser Classe, auch wohl weiter hinauf hab ich keinen, der so resolut, gescheid, ehrlich, aufmercksam und unverdrossen wäre. Ich habe ihn über seine beym Brand beschädigte Füse examinirt. Sie sind wieder ganz zu, am liebsten trägt er Stiefel, doch kann er auch in Strümpfen gehn wann er sich nur gegen die Mücken verwahrt. Ich verliehre dabey, denn auch bey der[348] Kriegs Casse ist mir seine Maitre Jaquesschafft fast unentbehrlich geworden. Auch in der Folge zum Cammerdiener wäre er zu brauchen, da Ihnen auch näher sein strackes Militarisches Wesen nicht unangenehm seyn wird.

Weimar, d. 16. Jun. 82.

G.


5/1494.


An Charlotte von Stein

Lang gehofft kommt auch. Es war mir heute ein rechter Ruhe Tag wie ich lange keinen genossen. Mit der Zeichnung ists wie immer, wie mit Rousseaus Musick. Wenn du wolltest bey meinem Garten vorbeyfahren, um halb 7 hielte ich mich in Bereitschafft. Adieu Beste. Du Ziel meiner Arbeit und meiner Ruhe. d. 16. Jun. 82.

G.


5/1495.


An Charlotte von Stein

Laß mich eine Zeile von deiner Hand sehen sag mir wie du geschlafen hast, sag mir was ich so gerne höre und was mich allein beruhigen und glücklich machen kann.

d. 17. Jun. 82.

G.[349]


5/1496.


An Charlotte von Stein

Ich war nicht ohne Sorge ob du nicht etwa durch einen Zufall erschröckt werden könntest. Wie freu ich mich deiner unter meinem Dache. Wie danck ich dir daß du dir den Ruheplatz zueignen, und so mir doppelt zum meinigen machen wollen.

Möge ein kühles Lüftgen euch lange einen angenehmen Aufenthalt gönnen. Empfiehl mich der Herzoginn.

Still und fleisig will ich diesen Morgen zubringen, und meine Sehnsucht dich zu sehen mit der Hoffnung einwiegen, die mich dich wieder am Ende des Tags als die schönste Aussicht erblicken lässt.

d. 17. Jun. 82.

G.


5/1497.


An Charlotte von Stein

Am Himmel ist kein Wölkgen auch nicht in meiner Seele, droben regiert die Sonne hierunten deine Liebe. Sage mir wie du den Tag zubringst und schicke mir meine gedruckten Schrifften ich habe einen wunderlichen Einfall und will sehn ob ich ihn ausführe.

d. 19. Jun. 82.

G.[350]


5/1498.


An Charlotte von Stein

Meiner liebsten den besten Morgengrus. Gestern Abend log mir meine Uhr zu balde zehn, sonst wäre ich noch zu dir gekommen. Meine ersten Capitel von Wilhelm Meister sind nun bald in der Ordnung und dann hoff ich soll die Lust kommen fortzufahren. Unsre Probe lief gestern ganz leidlich ab. Sage mir etwas freundliches, und wo du heute bist? Ich bin geschäfftig, still und vergnügt und lebe in dir.

d. 21. Jun. 82.

G.


5/1499.


An Charlotte von Stein

Einen guten obgleich späten Morgen. Ich habe schon wieder angefangen an Wilhelm zu schreiben, nachdem ich lange geschlafen hatte. Es sollen nicht zwey Tage einander gleich seyn. Bey Hofe habe ich mich diesen Mittag entschuldigen lassen, ich kann mich nicht von meinen Büschen trennen als zu dir. Mache immer deine Besuche. Und wenn du diesen Abend nicht nach Hofe gebeten wirst; so sind wir zusammen. Sag mir es noch du immer gleich Geliebte.

d. 23. Jun. 82.

G.[351]


5/1500.


An Charlotte von Stein

[24. Juni.]

Heute abends eh ich mich in die Geheimniße vertiefe bring ich dir meine Schlüssel selbst. Dancke für das Buch und bin eben über meinem geliebten dramatischen Ebenbilde. Lebe wohl, liebe mich und laß diesen immer währenden Sonnenschein unsre Freude bleiben, und ein immer schönes Clima um uns schaffen.

Am Joh. Tage 82.

G.[352]


5/1260.


An den Herzog Carl August

Wenn Sie Ihr Kreuzzug liebster gnädigster Herr, nach Sonneberg geführt hat, so werden Sie einen Theil des Vorwurfs zurücknehmen daß ich nicht schreibe, und die übrige Hälfte soll hoff ich der eingeschlossene Brief vertilgen.

Ihren Brief von Kaltennordheim der Montags geschrieben war erhielt ich erst zu Ende der Woche. Der Husar fand in Neehausen die Wohnung leer, und lies dem Sekretair den Brief und erst gestern erhalte ich was beyliegt, mit einem sehr artig stylisirten Briefgen dabey, das iedoch völlig in der Form abgefaßt ist als wenn der Herr Gemahl das Conzept signirt hätte.

Wenn es möglich ist, und Sie noch länger aussen bleiben; so bitt ich um einige Nachrichten, Ihrer Zurückkunft, und des Meinungischen Besuchs. Eins wegen des Abfeuerns, das andre wegen dramatischer Einrichtungen für Tiefurt.

Friede und Einigkeit haben bisher unter uns gewohnt, Ihre Frau Gemahlinn ist vergnügt, Ihre Frau Mutter auch, iedes in seinem Wesen. Die Wärme ist eine allgemeine Unterhaltung wie vor kurzem die Influenza, und die kalten Winde. Die Oberhofmeisterinn ist zurück, und das Brautpaar geht im Mondenscheine spazieren.

[155] Mit der grösten Philister Behaglichkeit sitze ich in meinem Neste, nachdem ich mich vorher nach Art der Windhunde mehrmal herumgedreht habe, um ihm eine meinem Körper analoge Form zu geben.

Kalb hat Abschied genommen und ist heute weg.

Unsre Johannisloge war magrer als ein Hof zur Curzeit. Und wenn Bode nicht noch durch einen Spas bey Tisch die Vorsteher beleidigt hätte, so daß gar der alte Germer den Hammer niederlegen wollte, und Rothmaler eine lange Rede aus dem Stegreife hielte, so wären wir ohne das geringste Interesse geschieden. Mehr Böcke sind wohl überhaupt im Ritual und Formal an keinem Johannistage vorgegangen. Ein deputirter, unpräparirter Meister vom Stuhl, zwey Vorsteher aus dem Stegreife pp. Und sobald von so etwas der Pedantismus getrennt ist; dann gute Nacht.

Leben Sie wohl und geniesen des Lebens.

Hitze werden Sie mit unter ausstehn.

Die Herzoginn wird wohl das übrige von neuem und altem vermelden.

Weimar d. 26. Jun. 82.

G.[156]


5/1501.


An Charlotte von Stein

Hier schick ich durch einen freundlichen Boten einen schönen Grus. Der Erde wird heute wohl ihr Wunsch gewährt daß der Regen sie erquickt, und mir der meinige daß ich dich sehe. Leb wohl. ich bin an Wilhelm. d. 27. Juni 82.

G.


5/1502.


An Charlotte von Stein

Eh ich weiter meinen Tag hinauf gehe muß ich wissen wie du geschlafen hast, wie du dich befindest. Heute Abend seh ich dich. Mit iedem Tage wird bey mir das alte neu, und das vergängliche scheint die Unvergänglichkeit angezogen zu haben.

d. 29. Jun. 82.

G.[352]


5/1503.


An Charlotte von Stein

Sage mir ein Wort das mich dir näher bringe, und daß ich wisse was du heute vorhast. Liebe Lotte ich habe heute nichts geschrieben, dafür ziemlich mein zweytes Buch im ganzen zu Stande. Adieu. man hat mir keine Ruhe gelassen.

d. 30. Jun. 82.

G.


1782

6/1504.


An Charlotte von Stein

Hier meine Lotte das verlangte. Ich liebe dich wie immer. War am Wilhelm fleisig. Schreibe ietzt Briefe. Werde Probe der Operette haben, und fragen wie mein liebstes lebt. Addio.

d. 1. Jul. 82.

G.


6/1505.


An Charlotte von Stein

Hier liebe Lotte überliefre ich dir meine Capitale, ich kann mich nun nirgends mehr vor dir verschliesen. Und übergebe mich dir aber und abermal zum Eigenthum.

Gestern hatte ich einen falschen Schlüssel ergriffen es ging aber noch ganz gut.

Adieu beste was thust du heute. Diesen Abend kommt die Schröter und Seidler und Aulhorn in meinen Garten das Stück zu probiren. Lebe wohl meine einzige und empfange mich wie immer

d. 2. July 82.

G.[1]


6/1506.


An Charlotte von Stein

Ich habe recht nach einem Wort von dir verlangt und nicht einen Augenblick Zeit gefunden darum zu bitten. Dancke daß du mir es so gewährst.

Das Wetter will nicht leiden daß die Probe im Garten seye.

Gegen Abend gehe ich aus und bezahle erst Zoll und Geleite an der Strase wohin ich mit meinem Geschirre gezwungen bin. d. 3. Iuli 82.

G.


6/1507.


An Charlotte von Stein

Du machst mir allein meinen Tag gut durch die Nachricht daß dirs wohl ist. Ich stecke in Zahlen und Ackten. Liebe mich so hab ich eine Aussicht auf ieden Morgen und ieden Abend.

d. 6. Jul. 82.

G.


6/1508.


An den Herzog Carl August

Durchlauchtigster Herzog,

Gnädigster Fürst und Herr!

Auf Ew. Hochfürstlichen Durchl. gnädigsten besonderen Befehl, habe ich mich bisher, die in Jena[2] nunmehr verbundene Naturalienkabinette in die nöthige Ordnung bringen zu lassen, bemühet. Wie weit man mit diesem Geschäfte gekommen, werden Höchstdieselben aus dem von dem Professor Loder vor seiner Abreise eingereichten unterthänigsten Berichte zu ersehen geruhen. Es bleiben nunmehro noch einige Punkte zurük, welche in dessen Abwesenheit zu berichtigen seyn möchten und welche ich gegenwärtig submissest in Anfrage stelle. Schon in dem vorigen Jahre befahlen Ew. Hochfürstl. Durchl. gedachtem Professor Loder für den Unteraufseher Magister Lenz, ingleichen für den Aufwärter Dürrbaum Instruktionen zu entwerfen, woraus man dieselben weissen und sie in der Folge darnach beurtheilen könnte. Die von ihm hierauf entworfenen Punkte werden Ew. Durchl. in beygebogenen Blättern vorgelegt und erwarten höchste Genehmigung und nähere Bestimmung. Was sodann Ew. Durchlaucht wegen Verpflichtung obgenannter beyden Personen nicht weniger wegen künftiger Abnahme der Rechnung, welche für diesmal Ew. Durchl. hiermit vorgelegt wird, zu befehlen geruhen werden, wird bey diesem Geschäfte zu fernerer Richtschnur dienen. Der ich mit aller Devotion unterzeichne

Ew. Hochfürstl. Durchl.

unterthänigst treugehorsamster

Johann Wolfgang Goethe.

Weimar, d. 8. Juli 1782.[3]


6/1509.


An Charlotte von Stein

Es ist wieder wie gewöhnlich L. Lotte so lang ich kein Wort von dir habe fehlt mir die Stimmung auf den Tag wie den Caffeetrinckern wenn ihr Frühstück aussenbleibt. Sage mir wie du geschlafen hast, und ob du ganz wohl bist. Wohl und übel bin ich dein. Ich sehe dich bald. d. 8. Jul. 82.

G.


6/1510.


An Charlotte von Stein

Ich bin schon angezogen und komme noch vor dem Conseil zu dir. Ich hoffte auf ein Briefgen und erwartete es nicht.

Dancke für das doppelte Frühstück.

Ich bin dein. d. 9. Jul. 82.

G.


6/1511.


An Charlotte von Stein

Sag mir wie du geschlafen hast und ob dein Übel vorbey ist? und was dein Tag heute mit sich bringt? Lebe wohl ich bin fleisig, und verliere doch immer das eine nicht aus den Augen, worinn mein Glück und meine Hoffnungen vereinigt sind. Die Briefe kommen nach. d. 10. Jul. 82.

G.

Hier ist doch der eine.[4]


6/1512.


An Charlotte von Stein

Laß einem bemühten und geplagten ein Wort von dir zu Hülfe kommen, daß er den Rest des Morgens getrost hinbringen könne. Wie gehts mit der Zeichnung? Kannst du die blauen Augen noch nicht fassen.

Lingen hat mir heute ein französch Billet geschrieben worinn alle Vokalen und Consonanten befindlich waren ob ich gleich merckte daß sie die e recht künstlich vermieden zu haben glaubte.

Adieu. Der deinigste. d. 11ten Jul. 82.

G.


6/1513.


An Charlotte von Stein

Ich werde bald seyn wo mein Herz Tag und Nacht ist.

d. 12. Jul. 82.

G.


6/1514.


An Charlotte von Stein

Leider muß ich dir einen schrifftlichen Guten Morgen sagen, nachdem ich deinen Auftrag etwas schönes zu träumen wohl ausgerichtet habe. Viel Glück in die Zeichenstunde. Diesen Abend erwarte ich dich sehnlich, vielleicht seh ich dich noch eher.

d. 13. Jul. 82.

G.[5]


6/1515.


An Charlotte von Stein

Aus dem Garten einen guten Morgen an den schönen Garten in dem mein Herz immer wie unter Rosen und Lilien spazieren geht. Diesen Nachmittag komm ich in die Stadt und frage bey dir an.

Lebe wohl. Und sage mir auch ein Wort. Diesen Abend sind wir wohl wie immer unzertrennlich.

d. 14. Jul. 82.

G


6/1516.


An Charlotte von Stein

Du hast schon einen Morgengrus von mir und nun den zweyten mit einem Dancke. Es ist eine unaussprechliche Glückseeligkeit wenn Gesinnungen und Empfindungen zwischen zwey Wesens wechseln ohn irgend anzustosen, zurückgehalten oder geschröckt zu werden. Lebe Wohl und fühle daß ich weis was du bist. d. 14. Jul 82.

G.


6/1517.


An Charlotte von Stein

Meine Geliebte erhält den verlangten Brief. Ich kann mir meinen Engländer dencken wenn er diese Epistel erhält. Gegen viere komm ich da wollen wir zu dem Manne mit den Thieren gehn. Nimm etwa[6] noch iemand mit. Fritz mag auch so etwas gerne sehn. Lebe wohl. Ich bin vergnügt und wohl, weil ich alle Hände voll zu thun und ein ganzes Herz voll Liebe zu dir habe. Diesen Abend ist Probe in Tiefurt. d. 15. Jul. 82.

G.[7]


6/1517a.


An Wilhelm Christoph von Diede

Hochwohlgebohrner

Hochzuehrender Herr,

Heute früh ist das Monument abgegangen, ich wünsche und hoffe daß es glücklich und zur rechten Zeit ankommen werde. Der Bildhauer hat sein möglichstes gethan, und biß zur Stunde da es aufgepackt worden daran gearbeitet. Acht oder vierzehn Tage länger hätten es freylich besser ausarbeiten lassen. Indessen wenn es an seinen Ort kommt, wird es doch seinen Effekt thun, besonders wenn es gut angestrichen wird. Lassen ihm Ew. Exzellenz nun indessen eine weisgraue Farbe geben, wie die Buchstaben abzuschattieren sind, schicke ich ein Muster mit der fahrenden.

Wie das Monument aufzustellen, wird wohl kein Zweifel seyn.

Dem dreifachen etc. etc.

kommt vorne hin, alsdenn giebt sich das obere von selbst. Nur daß es die rechte Höhe erhält, weil es sich alsdenn erst dem Auge gefällig zeigt.

Eine Innschrift an den Baum wo das runde Altärgen steht hab ich mir auch so gut es werden wollte ausgedacht, ich füge sie hier bey, weil vielleicht Ew. Exzellenz sie auf eine Tafel nur einsweilen schreiben lassen, biß die eingegrabene kommt, welche wenn[20] Sie befehlen gleich angefangen werden kann. Ein Fuhrmann überbringt sie leicht.


Was die gute Natur weislich nur vielen vertheilet

Gab sie mit reichlicher Hand alles der einzigen ihr,

Und die so herrlich begabte, die von so vielen begehrte

Gab ein liebenden Geschick günstig dem Glücklichen mir.


Dabey erbitte ich mir die Erlaubnis noch vielleicht ein und das andere Wort verändern zu dürfen.

Ich eile zum Ende, empfehle mich der Frau Gemahlinn aufs beste, und bitte wenn ich sonst dienstlich sein kann, mich nicht vorbey zu gehn.

Ew. Exzellenz

gehorsamster

Weimar d. 15. Jul. 82.

Goethe.[21]


6/1518.


An Charlotte von Stein

Unsere Probe ist gut ausgefallen, hier ist das Stück, zeige es noch nicht weiter.

Die Melone wollen wir zusammen verzehren, und uns zusammen noch einer süseren Kost freuen die Sommer und Winter das schmackhaffteste ist. Lebe wohl. eh ich in's Conseil gehe komm ich einen Augenblick.

d. 16. Jul. 82.

G.


6/1519.


An Johann Heinrich Merck

Lieber Bruder es geht mir wie dem Treufreund in meinen Vögeln, mir wird ein Stück des Reichs nach dem andern auf einem Spaziergang übertragen.

Diesmal muß mirs nun freylich Ernst und sehr Ernst seyn denn mein Herr Vorgänger hat saubre Arbeit gemacht. Für deine Liebe und gute Meynung dancke ich dir. Das Leben geht geschwind, und mit mir[7] nimmts einen frischen Gang, manchmal wird mir's sauer, denn ich stehe redlich aus dann denck ich wieder

hic est aut nusquam quod quaerimus.

Koch in Giesen hat uns einen Korb gegeben. Schreibe mir doch was von Gatzerten und Höpfnern zu halten ist, bald und offen. Auf das Cabinet renunzire ich. Der Herzog hat doch eigentlich keine Existenz in diesen Sachen, obgleich viel Liebhaberey dazu. Und wie ich iezt stehe muß ich mich für nichts so sehr hüten als eine Ausgabe zu veranlassen die man meiner Leidenschafft zuschreiben könnte.

Das Capital von der Herzoginn können wir wohl sonst wo brauchen schreibe mir ein näheres.

Hast du meinen Mieding erhalten. Ehstens wirst du ein Wald und Wasser Drama zu sehen kriegen. In Tiefurth aufgeführt thut es sehr gute Würckung übrigens verzeih, wenn es wie ein Protokoll tracktirt ist. Mein Quartier in der Stadt, hilft mir viel und meinen Garten genies ich erst iezt. Lebe wohl.

Auf die Zeichnungen freu ich mich. Von Tischbeinen hab ich schöne Köpfe und Studien nach Raphael erhalten die du kennst. Er hat mir geschrieben, und ist eine gar treue Seele.

Ich verlange recht ihn wieder in Rom zu wissen. Welch ein Unterschied gegen den Müller der den Titel Mahler zu früh vor seinen Nahmen gesezt hat.

Lebe wohl. Weimar, d. 16. Jul. 82.

G.[8]


6/1520.


An Caroline Herder

Dies kleine Stük gehört, so klein es ist,

Zur Helfte dein, wie du bey'm ersten Blik

Erkennen wirst, gehört Euch beyden zu

Die Ihr schon lang für eines geltet. Drum

Verzeih' wenn ich so kühn und ohngefragt,

Und noch dazu vielleicht nicht ganz geschikt,

Was er dem Volke nahm dem Volk zurük

Gegeben habe. Denn wir andern, die

Wir ieden Tag berupft zu Bette gehn,

Und dennoch kleine, ausgestopfte, bunte,

Erlogen-wahre Vögel aus den Markt

Zu bringen, von den Kunden solcher Lust

Gefordert werden, können's warlich nicht

Aus eignen Mitteln immer, müßen still

Was da ein Pfau, ein Rabe dort, und was

Ein andrer hier verlohren, sammlend schleichen.

Und wenn du nun, wie man durch einen Blik

Zum Händedruk, durch den zu einem Kuß

Gelokt wird, es durch diese Blätter wirst,

Zu sehn was man gedrukt nicht lesen kann,

Weil es gespielt und nicht gesprochen wird,

Auch wohl gesprochen wird doch schlecht, geschrieben

Sich ausnimmt, o so komm, ich lade dich

In deren Nahmen ein, die unserm Spiele

Den Raum giebt, und die Nacht um uns erhellt.[9]

Doch darfst du Müttergen dem feuchten Reich

Des Erlenkönigs dich bey kühler Nacht

Nicht anvertrauen, so entschäd'ge dich

Ein Zauberschatten, zeige dir im Bild

Den schönen Blik, wie Wald und Fluß im Thal

Auf einmal rege wird, und wie die Nacht

Von Feuern leuchtet um ein loses Kind.


Weimar d. 17. Juli 82.

G.


6/1521.


An Charlotte von Stein

Gieb L. L. ein Zeichen des Lebens und der Liebe von dir. Gestern konnte mir den ganzen Tag nicht wohl werden.

d. 18. Jul. 82.

G.


6/1522.


An Charlotte von Stein

Sage mir L. Lotte wie bist du aufgestanden? sag mir ist es phisisch oder hast du etwas in der Seele was dich kränckt. Du glaubst nicht was mich dein Zustand gestern geängstigt hat. Das einzige Intresse meines Lebens ist daß du offen gegen mich seyn magst. Das Eingeschlossne halt ich nicht aus. Lebe wohl. Der deine

d. 19. Jul. 82.

G.[10]


6/1523.


An Charlotte von Stein

[20. oder 21. Juli.]

Hier schick ich die ganze Pappe, Krause mag sich aussuchen. Die grosen Bände liegen beym Herzog darinn auch die beyden Figuren sind. Du hast mein Herz in Verwahrung und also brauchst du weiter nichts. Die Zeit wird ia wohl auch wieder kommen wo das deinige sich öffnet. Adieu.

G.


6/1524.


An Charlotte von Stein

Ich will nicht überlästig seyn, aber nur so viel sagen daß ichs nicht verdient habe. Daß ichs fühle. Und schweige.

d. 22. Jul. 82.

G.


6/1525.


An Charlotte von Stein

[23. Juli.]

Ich schicke das Büchelgen nur zum Vorwande. Denn du mußt mir noch ein Wort sagen, sonst hab ich keine Ruhe. Ich bin dir viel schuldig das weis ich wohl, aber du bist mir's auch. Laß mich nicht so.[11]


6/1526.


An Charlotte von Stein

So war es denn Gott sey Danck ein Mißverständniß das dich dein Billet schreiben lies. Ich bin noch betäubt davon. Es war wie der Todt man hat ein Wort und keinen Begriff für so etwas. Von meinem gestrigen Stück, das sehr glücklich ablief, bleibt mir leider nichts als der Verdruß daß du es nicht gesehn hast. Lebe wohl. Öffne mir dein Herz wieder l. L.

d. 23. Jul. 82.

G.


6/1527.


An Charlotte von Stein

[24. Iuli.]

Während daß ich schlief kam die Erquickung von dir, wie ich aufwache erhalte ich sie. Noch weis ich nicht wie mir ist, o daß der Zustand bald vorüber gehn möge. Es ist noch so heis, in einigen Stunden will ich kommen, will abwarten wo es hinaus will, mein ganzes Wesen ist in seinem innersten angegriffen. So tief deine Liebe drang und mir wohl machte so tief hat der Schmerz die Weege gefunden und zieht mich in mir selbst zusammen. Ich kan nicht weinen, und weis nicht wohin. Adieu verzeih mir. Dein Schmerz ist's der mich ängstigt. Wenn dir's nicht wieder mit mir wohl werden kann so geb ich auf eine freudige Stunde zu haben.[12]


6/1528.


An Charlotte von Stein

[24. Iuli.]

Es wird hoff ich werden, noch sitze ich da und sehe vor mich hin, es ist mir so wie eine Leerheit in meinem Ganzen Wesen. Tausend Danck für deine Liebe. Ich kann nichts zusammenbringen. Ängstige dich nicht du kannst alles. O Geliebte. Ich will kommen, so bald ich nur kann.

G.


6/1529.


An Charlotte von Stein

Ich habe lang geschlafen und gut, dein frühes Zettelgen empfängt mich und ist der erste Grus des neuen Tags. Mir ist um vieles besser, noch wie ein vom Blitz gestreifter fühl ich eine kleine Lähmung, die wird aber bald verschwinden wenn die einzige Arzeney angewendet wird. Wenn ich noch daran zurück dencke so graust michs wieder, und ich kann nicht eher ruhig werden, als biß ich für die Zukunft sicher bin. Wie gern will ich mich heute durch die Blechkasten und Ackten durch arbeiten, da ich zu dir mit Freuden meine Gedanken wenden kann. Lebe wohl und sey versichert daß mein ganzes Wesen an dich gebunden ist. d. 25. Jul. 82.

G.[13]


6/1530.


An Charlotte von Stein

Hat dich das Gewitter nicht beunruhigt? Hast du wohl geschlafen. Ich muß in der Hitze in's Conseil und komme vorher einen Augenblick die Versicherung meines Glückes zu hören. d. 26. Jul. 82.

G.


6/1531.


An Victor Leberecht Plessing

Mein Betragen gegen Sie will ich nicht für Tugend ausgeben, nothwendig war es. Hätten Sie damals gedacht wie Sie iezt dencken so wären wir näher. Doch der Mensch hat viel Häute abzuwerfen biß er seiner selbst und der weltlichen Dinge nur einigermasen sicher wird.

Sie haben mehr erfahren, mehr gedacht, mögten Sie einen Ruhepunckt treffen und einen Würckungskreis finden.

So viel kann ich Sie versichern daß ich mitten im Glück in einem anhaltenden Entsagen lebe, und täglich bey aller Mühe und Arbeit sehe daß nicht mein Wille, sondern der Wille einer höhern Macht geschieht, deren Gedancken nicht meine Gedancken sind.

Leben Sie wohl. Wenn Sie Sich mit mir unterhalten mögen, sollen mir Ihre Briefe iederzeit willkommen seyn.

Weimar d. 26. Jul. 82.

G.[14]


6/1532.


An Johannes von Müller

Noch habe ich Ihnen nicht für die Schrift gedankt, worinn Sie Sich des dreifachgekrönten Obermönchs annehmen, dessen Vorfahren, ohne es sonderlich zu verdienen, von der Welt angebetet wurden, und der nun, ohne es verschuldet zu haben, seinen eignen Kindern zum Gespötte wird.

So wenig wir uns dem Strome der Zeit entgegen stellen können, so ist es doch immer um der einzelnen willen gut, wenn eine Stimme dem Beifall widerspricht, den das Menschengeschlecht oft Handlungen und Begebenheiten zujauchzt, die sie ins Verderben führen.

Und wer eine Anlage hat klug zu werden, mag's nächst dem Leben in der Geschichte suchen.

Leben Sie wohl und behalten unser Andenken im Guten.

Weimar d. 26. Jul. 1782

Goethe.


6/1533.


An Charlotte von Stein

Heute ist wieder ein Tag der in der Stille bis gegen Abend zugebracht werden muß. O Laß mir es heute an dem nicht fehlen was mir so nothwendig ist, es sey heis oder kalt. Lebe wohl und sey mir hold.

d. 27. Jul. 82.

G.[15]


6/1534.


An Carl Ludwig von Knebel

So lange habe ich dir nicht geschrieben daß ich nicht weis wiederhohl ich mich, oder übergeh' ich etwas. Du wirst durch andre mehr wissen. Daß Kalb weg ist, und daß auch diese Last auf mich fällt hast du gehört. Jeden Tag, ie tiefer ich in die Sachen eindringe seh ich wie nothwendig dieser Schritt war.

Als Geschäfftsmann hat er sich mittelmäsig, als politischer Mensch schlecht, und als Mensch abscheulich aufgeführt. und wenn du nun nimmst daß ich diese dreye wohl mit der Feder sondern kann, im Leben es aber nur ein und derselbe ist; so dencke dir. Doch du kannst dirs und brauchst dir's nicht zu dencken. Es ist vorüber.

Nun hab' ich von Johanni an zwey volle Jahre aufzuopfern, biss die Fäden nur so gesammelt sind daß ich mit Ehren bleiben oder abdancken kann. Ich sehe aber auch weder rechts noch lincks, und mein altes Motto wird immer wieder über eine neue Expeditions Stube geschrieben

Hic est aut nusquam quod quaerimus.

Dabey bin ich vergnügter als iemals denn nun hab ich nicht mehr, wenigstens in diesem Fache das Gute zu wünschen und halb zu thun und das Böse zu verabscheuen und ganz zu leiden. Was nun geschieht muß ich mir selbst zu schreiben, und es würckt[16] nichts dunckel durch den dritten und vierten, sondern hell gleich grade auf mich. Daß ich bisher so treu und fleisig im Stillen fortgearbeitet habe hilft mir unendlich, ich habe nun anschauliche Begriffe fast von allen nothwendigen Dingen und kleinen Verhältnissen und komme so leicht durch.

Du kannst dencken daß ich über diese Dinge mit niemanden spreche, und also bitt ich dich auch keinen Gebrauch hiervon, selbst zu meinem Vorteile zu machen. Die Menschen müssen verschieden über solche Vorfälle urtheilen und man muß thun was man muß.

Da nun meine Zeit so sehr genommen ist, wird es ein groses Glück daß unsere Herrschafften ein leichtes und leidliches Leben in und unter sich haben, daß man die wenigen Stunden des geselligen Lebens in Friede auch wohl in Freude zu bringt.

Für Tiefurt hab ich eine Operette gemacht, die sehr gut und glücklich aufgeführt worden. Da du das lokale so genau kennst, wirst du dir beym Lesen den schönen Effeckt dencken können. Die Zuschauer sasen in der Mooshütte wovon die Wand gegen das Wasser ausgehoben war. Der Kahn kam von unten herauf pp. Besonders war auf den Augenblick gerechnet wo in dem Chor die ganze Gegend von vielen Feuern er leuchtet und lebendig von Menschen wird.

Hierbey liegt eine Invitations Epistel an die Herdern.

Auch einige Epigramms.

[17] Das zweyte Buch von Wilhelm Meister erhälst du bald ich habe es mitten in dem Taumel geschrieben.

Lavaters Erscheinung in der Gegend von Franckfurt hat grose Bewegung gemacht. In Wilhelmsbad hätte ich ihn selbst sehen mögen. Lebe wohl und schreibe manchmal.

d. 27. Jul. 82.

G.


Wovon dir Tobler schrieb und was du wol nicht verstanden hast ist folgendes. Wie er das erstemal hier weggeht, schreibt er in einem Briefe an Lavatern, über uns alle Urtheile die mit unter nicht die günstigsten sind, und lässt unvorsichtig das Blatt in ein Paar Beinkleidern stecken die er dem Schneider zur Reparatur hinterläßt. Von da zirkulirt dieses Dokument im Publiko und macht leidige Sensationen. Doch ist alles getischt und vorbey. Ich hab ihm zur Warnung die Sache nicht verschwiegen u.s.w.


6/1535.


An Charlotte von Stein

Du wirst nun auch mein Zettelgen haben. Der Herzog war heute frühe bey mir. Es ist schon sehr warm. Ich möchte gerne erfahren was du heute vorhast. Lebe wohl. Ich bin und bleibe dein und um dich. Heute Früh kam mir's vor als wenn kein Mensch in einer glücklichern Lage seyn könnte als ich.

d. 27. Jul. 82.

G.[18]


6/1536.


An Charlotte von Stein

Du bist herzlich gut und lieb aber du kannst auch nicht zu viel thun. Denn nur ein Hauch nur ein Laut der nicht stimmend von dir zu mir herüber kommt verändert die ganze Athmosphäre um mich.

Adieu auf heute Abend. Dein Halstuch hab ich noch und behalte es bis in Garten.

d. 27. Jul. 82.

G.


6/1537.


An Charlotte von Stein

Wenn mein Lottgen nicht in der Kirche ist so sagt sie mir wie sie geschlafen hat. Beym Erwachen sah ich wieder dein Zeichen. Sah es gestern Abend als ich zur Thüre hereinging. o du Gute! Hier schick ich ein Frühstück. Die Portion ist gros damit Friz und Ernst ein Theil davon haben können.

Umschwebe mich mit deinen Flügeln lieber Schutzgeist. Ich soll bey Hofe, und ginge gern wenn es nur nicht so heis wäre. Adieu. Wenn ich hingehe; so komm ich vorher zu dir.

Schon iezt mögt ich zu dir laufen. Mögte daß du an den schönen kühlen Pläzen meines Gartens mit mir wärest. Lebe wohl du einzig verlangte.

d. 28. Jul. 82.

G.[19]


6/1538.


An Johann Kaspar Lavater

Der Fürst v. Dessau, der uns heute sehr angenehm überraschte, hat sich wie ich hoffte sehr gut mit dir gefunden, ich gönne dir daß du diesen merckwürdigen Sterblichen auch hast kennen lernen. Da die Nachricht kam du seyst in Franckfurt sagte die Herzoginn er kommt gewiß, der Herzog er wird wohl kommen, und ich sagte ich glaub es nicht. Leider war meine Divination die richtigste. Schön sehr schön wäre es gewesen. Nun es konnte wohl nicht seyn.

Du verwendest und verthust manchen Augenblick, gönne mir auch über Menschen und Sachen, die du auf dieser Reise gesehn hast ein Wort, ich verdiens und brauch es.

Allenfalls gieb der Schulthes aus, damit ich nicht leer ausgehe. Daß ich wieder eine Anmuthung von dir habe wie mir der Fürst heute gegeben hat.

Da ich zwar kein Widerkrist, kein Unkrist aber doch ein dezidirter Nichtkrist binn, so haben mir dein Pilatus und so weiter widrige Eindrücke gemacht, weil du dich gar zu ungebardig gegen den alten Gott und seine Kinder stellst. Deinen Pilatus hab ich so gar zu parodiren angefangen, ich habe dich aber zu lieb als daß mich's länger als eine Stunde hätte amüsiren sollen.

Drum laß mich deine Menschen Stimme hören[20] damit wir von der Seite verbunden bleiben, da es von der andern nicht geht.

Von mir hab ich dir nichts zu sagen als daß ich mich meinem Beruf aufopfre, in dem ich nichts suche, als wenn es das Ziel meiner Begriffe wäre.

Damit du einen Faden habest bitt ich dich um Worte über

Prinz Ferdinand

Erbprinz von Hanau

Marckgraf v. Baden.

Marckgräfinn.

Edelsheim.

Fürst von Dessau vor allen.

Seinen Sohn.

Waltersee.

Pfeffel

Lersé

Caliostro

Branckoni

Mieg in Heidelberg.

Bode.

Frau v. Diede.

Etwa iemand neues. pp.

Treibe Tischbein daß er mir balde näher antwortet. Der Herzog von Gotha ist ungedultig zu wissen wie und wann er nach Italien gehn will.

Seegne ihn ia noch recht ein auf Treue und Wahrheit, Reinheit und Reinlichkeit.

[21] Ich möchte gar gerne das Portrait das er von dir gemacht hat behalten.

Lebe wohl, und gedencke meiner in Liebe.

Weimar, d. 29. Jul. 82.

G.


6/1539.


An Charlotte von Stein

Meiner L. L. schick ich neues Brod, mögten wir es doch recht lange zusammen geniessen. Sage mir was dein Fus macht, und ob du mich immer so gerne empfängst als du mich ungerne wegschickst, und ob du weisst daß in dir die Hoffnung und die Freude meines Lebens ruht.

d. 30. Jul. 82.

G.


6/1540.


An Charlotte von Stein

[Ende Juli]

Meine liebste meine einzigste wie danck ich dir für alles was du mir thust. Ich wäre auch ohngefordert gekommen wie kannst du es anders dencken. Aber ich bedarfs auch glaub es mir. Jeder Zweifel von dir erregt ein Erdbeben in den innersten Festen der Tiefe meines Herzens.

G.[22]


6/1541.


An den Herzog Carl August

[Anfang August.]

Bey der Büttnerischen Bibliothek-Angelegenheit ist verschiedenes zu bedenken. Besonders da, außerdem was bisher vorgekommen, Magister Grellmann eine nicht unwahrscheinliche Aussicht giebt, daß Büttner wohl seinen Büchern nach Jena folgen mögte.

Serenissimus haben einmal diese Bibliothek acquirirt und es wird selbige wenigstens an 8000 Thlr. zu stehen kommen. Diese Ausgabe sei nun successiv oder nicht, so ist sie immer ansehnlich genug. Nächst diesem kommen die Transportkosten, worunter ich die Douceurs vor Grellmann mitrechnen will. Ferner was die Aptierung des Platzes hier oder in Jena, wo sie aufgestellt werden soll, kosten wird. Diese drey Ausgaben sind ganz und gar unvermeidlich und sind zum Theil noch ganz bevorstehend, man wird also darüber sogleich zu denken haben. Magister Grellmann wünscht, daß sogleich einige Fuhren nebst Kisten von hier nach Göttingen gehen mögten. Was diesen Punkt betrift, so mögte es wohl nothwendig seyn, vorhero noch einmal an Grellmann zu schreiben, ob er so weit in Bereitschaft sey, daß die Bücher gleich gepackt werden könnten und die Fuhren nicht aufgehalten würden. Vor allen Dingen aber wäre wegen des Platzes, wo die Bibliothek hinzubringen, in Jena[23] sich umzusehen. Da ich mit völliger Überzeugung gegen alle neue Acquisitionen und weitaussehende Pläne stimmen muß, so würde ich mein Auge vorzüglich auf das neue Convictoriengebäude wegen Nähe der Bibliothek richten. Sollte dieses nicht angehen, so wäre meines Bedünkens im Schlosse hinreichender Platz. Unten auf der Erde linker Hand ist ein großer Saal, worinn die Studenten Comödie gespielt haben. Rechts eine Art von Gallerie, die eine schöne Breite und Höhe hat. An beyde Orte kann schon eine ungeheure Menge Bücher placiret werden. Wollte man eine Treppe hoch, wenn man hinauskommt, rechts die Zimmer noch dazu nehmen, so garantire ich daß die Büttnerische Bibliothek Platz haben soll. Wie denn auch das Naturalienkabinet im zweiten Stocke noch einmal so reich werden kann, ehe es mehr Platz braucht, als es gegenwärtig einnimmt, so blieben alsdann noch immer Serenissimo, wenn Sie nach Jena kommen alle die Zimmer im ersten Stock, wenn man hinaus kommt linker Hand und zum Speißen, wenn Sie viele Personen hätten, das runde Säälgen im Thurm, der Zimmer in der Reitbahn, wo ich noch nicht gewesen bin, nicht zu gedenken. Hier hatte man denn also einen sehr schicklichen und geräumigen Platz und die Ausgabe wäre allein für Repositorien und Schränke, welche immer noch ein ansehnliches betragen würden. Man könnte daher auf das baldigste, weil dieses das erste ist, von Grellmann Nachricht einziehen, wie viel[24] Quadratfüße Wand ohngefähr die Bibliothek bedecken werde, welches, da sie gegenwärtig noch steht, sehr leicht auszurechnen ist. Nach diesem also wäre keine Frage, daß man mit dem Transport den Anfang machte und Büttner von Michael an seine 300 Thaler Pension jährlich erhielte.

Ich komme nunmehr zu dem zweiten Punkt, der Bütttners Person selbst betrifft. Es scheint mir nach seinem Verhältniß zu der Akademie als auch zu seinen Kreditoren, daß er besonders, wenn Grellmann zu manövriren fortfährt, in Friede weder bleiben noch scheiden mögte, worauf man sich denn allerdings vorzusehen hat. Daß er für Jena von großem Nutzen seyn werde, glaube ich nicht, ob es gleich immer den Lärm und den Ruf vermehrt und von der Seite gute Wirkung thun kann, wenn man ihn ohne große Unstatten dahin bringen könnte, nach Jena zu ziehen. Dort zu privatisiren und sein Leben zuzubringen und dort sein Geld zu verzehren, mögte nicht übel seyn. Man könnte ja allenfalls seine jährige Pension erhöhen, weil man nicht viel verlöhre, sondern nur geschwinder von dem ganzen Kapital loskäme. Ein freyes Quartier ließe sich ihm villeicht sehr leicht und angenehm verschaffen, wenn man Lodern ein andres Quartier miethete und ihm die Zimmer, die der Obrist inne gehabt eingäbe. Einige Umstände, die dies erleichtern, werde ich mündlich eröffnen.

Wenn seine Gläubiger sich regen und ihm beschwerlich[25] werden wollen, müßte und würde man freylich am Ende sich ins Mittel schlagen. Besonders wenn man sich wegen des früher bezahlten Kapitals an dem verminderten Preiße des Ganzen villeicht noch einigermaßen zu entschädigen suchte. Überhaupt muß ich in dieser ganzen Sache wünschen, daß auf das menagirlichste zu Werke gegangen werde. Besonders auch, damit man nicht etwa am unrechten Orte knickern müsse, da Serenissimus gegen den alten Mann schon so großmüthige Gesinnungen gezeigt, die er auch in der Hauptsache und ohne zu große Unstatten der fürstl. Casse souteniret wünschet. Vorerst wäre also an Grellmann zu schreiben 1. Wieviel Platz die Bibliothek eingenommen. 2. Ob es so weit, daß einige Fuhren, die man abschickte, nicht zu warten brauchten. 3. Kasten wolle man schicken, sie alsdann auspacken und leer wieder nach Göttingen gehn lassen.

G.


6/1542.


An Charlotte von Stein

Sage mir l. Lotte wie du geschlafen hast und ob Kopf und Füse schmerzenlos sind. Der gestrige Tag hat mir einen gar schönen Eindruck hinterlassen den ich dir auch wünsche. Diesen Mittag will ich nach Tiefurt und seh dich vorher und nachher.

d. 1. Aug. 82.

G.[26]


6/1543.


An Charlotte von Stein

Wieland war bey mir drum konnte ich nicht gleich schreiben. Wäre die Hitze nicht so entsetzlich; so sollte ich nach Tiefurth ich bin die ganze Woche nicht drausen gewesen. Auf einen kühlen Abend freu ich mich, und bleibe indess in meinem Stübgen. Die Banck will ich besorgen und den Stern benennen. Lebe wohl. Liebe mich und geniesse von den Früchten. d. 3. Aug. 82.

G.


6/1544.


An Charlotte von Stein

Diese Nacht habe ich von dir geträumt und wie ich aufwache vermisse ich dich. Ich wende meine Gedancken auf alle Gegenstände und sie kehren immer wieder zu dir. Mein ganzes Wesen ist an dich geknüpft und ich fühle es ist unmöglich dich zu entbehren. Schon mögt ich statt zu schreiben wieder zu dir eilen und dich mündlich meiner Liebe versichern. Wo seh ich dich heute? Schreibe mir, und schreibe viel. Lebe wohl. Ich scheide auf iede Weise ungern von dir. Auch mag ich das Blat nicht verlassen das du in Händen halten sollst. d. 4. Aug. 82.

G.[27]


6/1545.


An Charlotte von Stein

[4. August.]

Wie schön ist's doch, ich hatte ein wenig geschlafen und wie ich aufwache begegnet mir deine Liebe ich will auch hinauskommen und seyn wo du bist, wenn ich die Pferde nicht haben kann geh ich zu Fuse. Vielleicht komme ich noch vorher dich zu sehen. Es ist ein angenehmer Abend, wie mehr wird er's in deiner Gegenwart seyn.

G.


6/1546.


An Charlotte von Stein

Mit Mühe stell ich Ackten, Correspondenz pp zwischen das Verlangen dich zu sehen. Ich werde wohl denck ich einen Vorwand finden durchzubrechen und bey dir zu seyn. Sage mir ein liebes Wort. Heute Mittag muß ich nach Tiefurt. Wie wirst du es diesen Abend halten. Lebe wohl zu Tausendmalen.

d. 5. Aug. 82.

G.


Wie die Zeit vergeht, seitdem ich deiner Liebe gewiss bin ist's wie gar keine Zeit.[28]


6/1547.


An Jakob Friedrich von Fritsch

Ew. Excellenz

haben meinen ersten Brief so gütig aufgenommen, daß ich für den zweyten wohl ein gleiches Glück hoffen kann. Möge die Nachkur welche Dieselben angefangen haben, allen Ihren und unsern Wünschen entsprechen und Sie zur guten Stunde recht wohl und vergnügt zurücke kehren.

Rath Ludekus hat würcklich wunderbare Sachen erzählt und ich freue mich von Ew. Exc. mehreres und näheres zu hören.

Der Todt Herzogs Carl von Meiningen wird Dieselben wie jedermann wohl auch frappirt haben, seine Constitution versprach ihm kein langes Leben auch nur äußerlich anzusehen, und da nun gar die Secktion den Schleyer aufgehoben hat, so wird dieses noch gewisser. Demohngeachtet hätte er sich länger erhalten können. Er beschleunigte die tödtlichen Würckungen seiner Übel durch falsche Behandlung seines Körpers, und lies sich von den seinigen nicht einreden. Leider geht es solchen Naturen wie Leuten die einen bösen Magen haben, je schlimmer er wird, je größer wird die Lust ihn noch mehr zu verderben.

Unsre gnädigsten Herrschaften sind allerseits wohl und vergnügt.

Serenissimus haben seit ihrer Zurückkunft ziemlich[29] bey uns ausgehalten. Der Fürst von Dessau war auf seinem Weege nach Hause einige Stunden hier, und Durchlaucht der Herzog fuhren mit ihm bis Naumburg. Seit einigen Tagen wird ein großer Stein im Rathsbruche in Bewegung gesetzt der irgendwo zur Verzierung eines Platzes aufgestellt werden soll; die mechanischen Operationen bey dieser Arbeit unterhalten einen Geist dem es an sinnlicher Beschäftigung nicht fehlen darf, wenn er nicht Unmuth und Langeweile empfinden soll.

Serenissima dagegen richten ihre Spaziergänge ganz in die Stille, sind dabey munter und scheinen zufrieden.

In Tiefurt haben die dramatischen Musen eine Erscheinung gemacht; vielleicht unterhält diese Kleinigkeit die Frau Geheimde Räthin, der ich mich bestens empfehle, einige Augenblicke, ich lege deswegen ein Exemplar des Stückchens bey.

Prinz Constantin hat befohlen seine Pferde zu verkaufen und seine Leute abzudanken, es scheint als wenn er seinen Aufenthalt in fremden Landen verlängern wolle.

Unser Prinzesschen endlich wird täglich artiger und zeigt einen sehr lebhafften Geist.

Da ich nun die Fürstliche Familie der Ordnung nach durchgegangen bin, so glaube ich die Vermehrung nicht übergehen zu dürfen, welche der Familie unsers guten Herrn Collegen bevorsteht. Das Beyspiel[30] der Kinder hat die Eltern aufs neue belebt, und ich bereite mich schon zu der bevorstehenden Gevatterschafft.

Die Angelegenheiten unsers kleinen Staates gehen so sachte vor sich hin. Ich unterhlalte Ew. Exc. nicht davon, sondern werde mir nach Dero Wiederkunft über Verschiedenes ein kurzes Gehör erbitten.

In allem wird die, von Ew. Exc. mir zugesicherte Gunst eine der ersten Triebfedern seyn mich selbst täglich zu bearbeiten, und indem ich mich verbessere mich nützlicher zu machen. Möge Ihr Wohlseyn, Zufriedenheit und die gute Meinung von meinem besten Willen und den aufrichtigsten Gesinnungen sich immer gleich erhalten, und ich zu meiner Aufmunterung, manchmal davon versichert werden.

Die mir aufgetragenen und ausgerichteten Empfehlungen werden bestens erwiedert. Der Raum nötigt mich abzubrechen und mich zu unterzeichnen

Ew. Excellenz

ganz gehorsamster Diener

Goethe.

Weimar d. 5. Aug. 1782.


6/1548.


An Charlotte von Stein

Dancke für das gute Mittel. Ich glaube an alles was von dir kommt und will es gebrauchen. Hier ein artiger Brief von Seckendorf. Du kannst ihn der Herzoginn schicken, vielleicht ists ihr angenehm[31] wegen des Grosfürsten nur wünsch ich daß sie es nicht sagt.

Adieu geliebteste über allen Ausdruck.

d. 5. Aug. 82.

G.


6/1549.


An Charlotte von Stein

Zu Mittage hab ich einen Gast, Nach Tische wird wohl Bertuch kommen.

Gegen Abend such ich dich und finde dich hoff ich wie immer.

d. 8. Aug. 82.

G.


6/1550.


An Johann Jost Textor

Wohlgebohrner

Insonders Hochzuehrender Herr Oheim!

Es hat der Franckfurter Schuz-Jude Elias Löb Reiss, der schon seit 1766 von Durchlaucht dem Herzog meinem gnädigsten Herrn das Prädicat eines Hoffactors erhalten, neuerdings um das Prädicat eines Hofagenten und um Vermittelung bey dem dasigen Magistrat nachgesucht, dass ihm die Erlaubniss, Sonn- und Festtags ausser der Gasse zu gehen, mögte mitgetheilet werden.

Nun hat sich dieser Mann um die Angelegenheiten der Eisenachischen und Apoldischen Kaufleute jederzeit besonders bemühet, so dass Durchlaucht der Herzog[32] ihm wohl einige Distinction und Gnadenbezeugung von ihrer Seite mögten wiederfahren lassen; da sie aber auch nicht gerne durch ihre Intercession etwas gegen die Verfassung der Stadt verlangen und so sich entweder einer abschlägigen Antwort ausstellen oder einen ansehnlichen Magistrat etwas wiewohl ungerne zu gewähren in die Verlegenheit setzen wollen, so habe ich den Auftrag erhalten, bei Ew. Wohlgebohrn privatim anzufragen, in wie ferne Sie glauben, dass und auf was Art für gedachten Juden etwas günstiges zu thun seyn mögte. Haben Sie die Gefälligkeit mich mit einer baldigen Antwort zu beehren, mich der Frau Großmutter, der Frau Tante und allen werthen Angehörigen zu empfehlen und Sich überzeugt zu halten, dass ich mit der vollkommensten Hochachtung sey

Ew. Wohlgebohrn

ergebenster Diener

Weimar, den 8. August 1782.

J. W. von Goethe.


6/1551.


An Johann Heinrich Merck

Weimar, den 8. Aug. 1782.

Ich habe zwar auf meinen letzten Brief, wo ich bei dir wegen Gatzert anfragte, noch keine Antwort, finde mich aber genöthigt, wegen einiger anderer Angelegenheiten noch einmal zu schreiben. Laß mich[33] doch wegen der Auszahlung Eurer Commission etwas Näheres wissen, und sage mir, ob man ohne große Umstände auf Ostern eine Summe von 15 – 20.000 Thalern erheben könnte?

Ferner hat die regierende Herzogin längst schon ihrem Gemahl ein schönes Gemählde verehren wollen. Sollte gegenwärtig in der Gogelischen Sammlung nicht etwas Rechts zu haben seyn? Allein es müßte auch seinen Werth haben und etwas seyn, woran man immer seine Freude haben könnte. Schreibe mir deine Gedanken darüber, du hast ja alle die Sachen gesehen. Lebe wohl. Vergiß den Nachtrag zu Lavater's Wandel am Maine nicht.


Da dieser Brief schon zugesiegelt war, erhalte ich den deinigen, es mag also mit Euren Juristen sein Bewenden haben. Die ganze Welt läuft voller Leute, die versorgt seyn wollen und wenn man einmal zu einem Platze einen tüchtigen Mann braucht, so sieht man erst, wie einzeln die brauchbaren Leute gesät sind.

Auf Michael und Weihnachten brauch ich kein Geld, auf künftige Ostern wär es eher eine Sache. Sobald du mir es gewiß sagen kannst, so kündige ich ein ander Kapital auf, das zu höhern Interessen steht als jene. Traktire aber die Sache still vor dich, ich wollte nicht, daß es Jemand erfährt.

Die Nachricht von des Grorßfürsten Erscheinung und Betragen in Darmstadt hat hier viel Vergnügen[34] erregt. Der Streich war gescheut und glücklich ausgeführt und der Großfürstin selbst ist hierdurch ein wahrer Dienst erzeigt worden. – – –

Daß Schrautenbachen allerlei Gutes begegnet, ergötzt mich, auch daß er sich mit dem Propheten gut gefunden hat. Lebe wohl. Weimar, den 11. Aug. 1782.[35]


6/1551a.


An Wilhelm Christoph von Diede

Hochwohlgebohrner

Hochgeehrtester Herr,


Ew. Exzellenz Zufriedenheit mit dem übersandten Monument beruhigt mich recht sehr, wie auch dessen glückliche Ankunft, das ausgesprungene Stück habe ich hier auf dem Platze nicht bemerckt.

[21] Mögte ich doch so glücklich seyn den nunmehr so ausgezierten Raum selbst zu betreten! Indessen nehme ich es als eine gute Vorbedeutung an daß Sie mir erlauben wollen mein Gedächtnis daselbst aufzustellen und meinen Nahmen in so gute Gesellschaft einzuschreiben.

Die Platte würde daher in weniger Zeit nach Ew. Exzellenz Verlangen fertig werden können, wenn mich nicht einige Bedencklichkeiten auf andere Gedancken gebraucht hätten. Wie soll man sie an den Baum befestigen? und wie wird sie sich zum Übrigen ausnehmen? Wenn es mir daher erlaubt wäre auch noch an diesen Ort ein Monument zu stiften, das Inschrift, Bild und meinen unwürdigen Nahmen zusammen enthielt, so würde mir es zu grosem Vergnügen gereichen. Die Idee habe ich schon, ich würde mir aber die Erlaubnis davon machen zu dürfen es sollte eine Winter Arbeit und mit dem Frühjahr sollte es aufgestellt seyn.

Wegen einer scheinbarer oder würcklichen Erhöhung des schon stehenden dreyseitigen Monuments wird sich noch eins und das andere überlegen lassen, ich bitte Ew. Exzellenz nur einige Zeit in Geduld zu stehen biß ich Raum finde auch darüber etwas bestimmteres zu sagen.

Sie haben einen unerwarteten Besuch von Lavater gehabt, fast wäre ich in Versuchung gerathen die Frau Gemahlin mit einem Brief anzugehen und[22] mir nun ihre Gedancken über dieses Phänomenon zu erbitten.

Empfehlen mich Ew. Exzellenz ihr auf das beste und behalten mich in gnädigem Andencken.

Ew. Exzellenz

gehorsamster Diener

Weimar d. 8. Aug. 82.

Goethe.[23]


6/1552.


An Charlotte von Stein

Gegen deinen Kuchen kann ich dir nur Commißbrod schicken, aber Liebe gegen Liebe. Gern will ich zu Mittage kommen und von deinem Wesen Freude nehmen. Vielleicht schreiben wir diesen Nachmittag ein wenig. Cervantes hält mich iezo über den Ackten wie ein Korckwamms den Schwimmenden. Adieu beste einzige L.

d. 9. Aug. 82

G.


6/1553.


An Johann Kaspar Lavater

9. August 1782

Mein Kopf ist von irdischen Sorgen für andere befasst, drum nur ein Wort, möge es das Mißverständniß nicht vermehren. Wenn ich vor dir stünde, so würden wir in einer Viertelstunde einander verständlich seyn. Wir berühren uns beyde so nah als Menschen können, dann kehren wir uns seitwärts und gehen entgegengesetzte Wege; du so sichern Schrittes als ich. Wir gelangen einsam, ohne an einander zu denken, an[35] die äußersten Gränzen unsers Daseyns; ich bin still und verschweige was mir Gott und die Natur offenbart, ich kehre mich um und sehe dich auf Einmahl das deinige gewaltig kehrend. Der Raum zwischen uns ist in dem Augenblicke wirklich, ich verliere den Lavater, in dessen Nähe ich wohl auch von dem Zusammenhang seiner Empfindungen und Ideen hingeriffen worden, den ich erkenne und liebe; ich sehe nur die scharfen Linien, die sein Flammenschwert schneidet, und es macht mir auf den Moment eine widerliche Empfindung. Es ist sehr menschlich, wenn auch nur menschlich dunkel.

Du hältst das Evangelium wie es steht für die göttlichste Wahrheit, mich würde eine vernehmliche Stimme vom Himmel nicht überzeugen, daß das Wasser brennt und das Feuer löscht, daß ein Weib ohne Mann gebiert, und daß ein Todter aufersteht; vielmehr halte ich dieses für Lästerungen gegen den großen Gott und seine Offenbarung in der Natur.

Du findest nichts schöner als das Evangelium, ich finde tausend geschriebene Blätter alter und neuer von Gott begnadigter Menschen eben so schön, und der Menschheit nützlich und unentbehrlich. Und so weiter!

Nimm nun, lieber Bruder! daß es mir in meinem Glauben so heftig Ernst ist wie dir in dem deinen, daß ich, wenn ich öffentlich zu reden hätte, für die nach meiner Überzeugung von Gott eingesetzte Aristokratie[36] mit eben dem Eifer sprechen und schreiben würde, als du für das Einreich Christi schreibst; müßte ich nicht alsdann das Gegentheil von vielem behaupten, was dein Pilatus enthält, was dein Buch uns als unwidersprechlich ausfordernd ins Gesicht sagt!

Ausschließliche Intoleranz! Verzeih mir diese harten Worte. – Wenn es nicht uns neu verwirrte, so möcht ich sagen, sie ist nicht in dir, sie ist in deinem Buche.

Lavater, der unter die Menschen tritt, der sich den Schriftstellern nähert, ist das toleranteste schonendste Wesen. Lavater als Lehrer einer ausschließenden Religion ihr mit Leib und Seele ergeben, nenn es wie du willst – du gestehst es ja selber.

Es ist hier nicht die Rede vom Ausschließen, als wenn das Andre nicht oder nichts wäre, es ist die Rede vom Hinausschließen, hinaus wo die Hündlein sind, die von des Herren Tische mit Brosamen genährt werden, für die abgefallene Blätter des Lebensbaumes, getrübtere Wellen der ewigen Ströme, Heilung und Labsal sind.

Verzeih mir, ich sage dieses ohne Bitterkeit. – und so ausschließlich ist dein Pilatus von Anfang bis zu Ende, es war deine Absicht ihn dazu zu widmen. Wieviel Ausforderungen stehen uns darinne: Wer kann? Wer darf? u.s.w. – Worauf mir im Lesen manchmahl ein gelassenes, und auch wohl ein unwilliges Ich! entfahren ist.

[37] Glaub mir ich habe über dein Buch dir viel und weitläuftig und gut spechen wollen, habe manches drüber geschrieben, und dir nichts schicken können, denn wie will ein Mensch den andern begreifen!

Laß mich also hiedurch die Härte des Wortes Intoleranz erklärend gemildert haben. Es ist unmöglich in Meynungen so verschieden zu seyn ohne sich zu stoßen. Ja ich gestehe dir, wäre ich Lehrer meiner Religion, vielleicht hättest du eher Ursach mich der Toleranz mangelnd zu schelten, als ich jetzo dich.

Hauche mich mit guten Worten an und entferne den fremden Geist. Der fremde weht von allen Enden der Welt her, und der Geist der Liebe und Freundschaft nur von einer.

Der Fürst hat mir einen Geruch deines Paradieses schon an seinen Kleidern mitgebracht. Ich schrieb dir auch noch selbigen Tag einen Brief, den du haben wirst.


6/1554.


An Charlotte von Stein

Zur guten und schlimmen Stunde sehnt sich mein Wunsch nach dir. Gute Nacht von einem Halbkranken. Ich schreibe es der Lufft zu denn ich weis es von vorigen Zeiten. Adieu das wird vorüber gehn. Etwas anders nicht. Seit dem du den Hof der Löwen gesehen hast, ist mir der Alhambra lieber, weil ich nun auch mit dir darinne spaziren gehn kann.

d. 9. Aug. 82.

G.[38]


6/1555.


An Charlotte von Stein

Heute früh habe ich das Capitel im Wilhelm geendigt wovon ich dir den Anfang dicktirte. Es machte mir eine gute Stunde. Eigentlich bin ich zum Schriftsteller gebohren. Es gewährt mir eine reinere Freude als iemals wenn ich etwas nach meinen Gedancken gut geschrieben habe. Lebe wohl. Erhalte mir die Seele meines Lebens, Treibens und Schreibens.

d. 10. Aug. 82.

G.


6/1556.


An Charlotte von Stein

Hierzu erhalt ich dein Zettelgen. Ja liebe du must mir viele Nahmen geben und mir viel seyn. Wenn ich keine scharfe Arbeit habe fühle ich mich leidlich.

Ich erwarte euch im Garten, im Hause bin ich noch nicht eingerichtet. Es wird wohl enge. Sie werden sich schon vertragen. d. 10. Aug. 82.

G.


Laß Carlen mitkommen.


6/1557.


An Charlotte von Stein

Es wird mir ganz wohl seyn, wenn ich hoffen kann dich wie immer zu sehen.

[39] Weder die Lufft des Himmels noch der Erde scheinen mir Ruhe geben zu wollen.

Adieu ich suche dich auf so bald ich frey bin. Und freue mich ewig deiner Liebe.

d. 11. Aug. 82.

G.


6/1558.


An Charlotte von Stein

Seiner Geliebten Vertrauten sendet allerley der beständige. Ich bin ganz leidlich, meine Krabbeligkeit um nicht zu sagen mein Fleis, geht mit der neuen Woche wieder an.

Etwas aber geht nicht an, sondern es schlingt sich aus einer Woche in die andre.

Adieu beste. Sende mir die Papiere bald wieder.

d. 12. Aug. 82.

G.


6/1559.


An Charlotte von Stein

Die Erscheinung der Sonne verschafft mir eine freyere Welt. Ich hoffe heute besser des guten geniesen zu können was mir so reichlich in dir und durch dich bereitet ist.

d. 14. Aug. 82.

G.


6/1560.


An Charlotte von Stein

Meiner Geliebten kann ich sagen daß das Zahnweh so ziemlich ruht. Daß ich wohl geschlafen, ia[40] sogar die Kanonenschüsse überschlafen habe. Daß ich mich freue ihr Angesicht zu sehn, und daß ich an ihre Augen gebunden bin. d. 17. Aug. 82. Wenn nur der Donnerstag nicht bevorstünde.

G.


6/1561.


An Charlotte von Stein

Ich habe gut geschlafen, meine Zähne necken mehr als daß sie schmerzen. Meine Hoffnung ist dich zu sehen eh ich in meinen Garten gehe und dann um sechse. Lebe wohl. Liebe mich, das ist das einzige und schönste Band meines Lebens.

d. 18. Aug. 82.

G.


6/1562.


An Charlotte von Stein

Der Frau v. Palm wenn sie eine gute Frau ist mag ich gern die Freude deiner Bekanntschafft gönnen, wenn sie mir nur nicht die paar letzten Tage raubte die ich mit meiner Lotte zuzubringen hoffte. Es will mir gar nicht ein. Adieu ich stehle einen Augenblick dich zu sehen. Adieu tausendmal. d. 19. Aug. 82.

G.


6/1563.


An Charlotte von Stein

Wie hat meine vielgeliebte geschlafen, und wie findet sie sich mit ihrem Gaste. Der alte Parent[41] grüst sie freundlichst zum guten Morgen, und versichert ihr, daß er recht glücklich ist, wenn er mitten unter den Menschen fühlt daß sie ihn liebt. Adieu ich suche dich heute auf. d. 20. Aug. 82.

G.

Dein liebstes Zettelgen ladet mich so süse ein daß mir das Herz warm wird, und ein Wohlbefinden sich über mich ganzen ausbreitet. Ich komme! Adieu bis dahin Allerbeste.


6/1564.


An Charlotte von Stein

Ist dein Gast fort? und was habe ich von dem heutigen Tage zu hoffen. Ich will im Garten essen, wenn du mit einigen wolltest zu mir kommen, Thee trincken und Abends bleiben! Was ihr wollt; so würdest du mich glücklich machen der Mond würde recht schön aufgehen und mir an deiner Seite leuchten. Lebe wohl. d. 21. Aug. 82.

G.


6/1565.


An Charlotte von Stein

Mögtest du dich doch den letzten Tag in meiner Nähe recht wohlbefinden, und mir mit Fröhlichkeit sagen was ich so gern höre, damit ich auf den langen Zwischenraum gestärckt werde den ich durchleben muß biß ich dich wiedersehe.

Lebe wohl und bleibe mir.

d. 22. Aug. 82.

G.[42]


6/1566.


An Charlotte von Stein

d. 23. Aug. Die erste schrifftliche gute Nacht, nach dem ersten leider ohne dich verlebten Tage. Um 9 und 10 begrüst ich den Mond, mit dem Herzog auf dem Platze herumgehend.

Wie viele Gedancken an dich kehrten wieder zu mir zurück, wie vieles musst ich verschweigen was ich nur dir sagen kann.

Dem fürstlichen Ehpaare laß ich Wilhelms IItes Buch unter dem Zelte vor, und es ward gut aufgenommen, ich eile damit fertig zu werden eh du zurückommst.

Das an Lavatern geschickte Portrait ist Villoisons, ich habe ihm sein Elogium in's französche übersetzt.

Was ich dir auch schreibe, will die Feder immer nur sagen: ich liebe! ich liebe!

Wie verlang ich deine Hand zu sehen!

Gute Nacht. Ich kann heute nicht schwätzen und würde dir wenn ich meinem Herzen folgte dir wie die Herzoginn Mazarin ihrer Freundinn einen ganzen Brief voller Kreutze schicken.

Morgen steh ich Gevatter bey Schnaus, dem ein Sohn gebohren worden.


d. 24ten Aug.

Wie die Mädgen dieses Briefes Boten worden, mögen sie dir selbst erzählen, es hat die Lust von einem ganzen Abend gemacht.

[43] Gerne wäre ich mit gegangen und sie baten mich gar schöne darum. Der Prinz August ist erst gekommen und ich mag da nicht aufbrechen.

Wie du mir fehlst mag ich dir nicht sagen. Heute war viel Welt bey mir. Die Herzoginn war ganz allerliebst, laß dir es die Affen erzählen, die Gräfinn Bernstorff war auch da, blieb nicht zu Tische. Die Oberhofmeisterinn habe ich auch eingeladen, sie lies durch die Wöllwoarth eine Entschuldigung machen.

Mitkommede Pfirschen hab ich für dich erbettelt und erbeutet.

Das neue Kegelspiel that gute Würckung.

Du weist doch l. Lotte wie ich dich liebe.

Dancke für dein Zettelgen.

Gute Nacht! Meine Gedancken verlassen dich nicht. Lebe tausendmal wohl.

Grüse Stein und die Kinder.

G.


6/1567.


An Charlotte von Stein

d. 25. Aug. 82.

Wie sehr gönn ich den Kindern um dich in diesem Augenblicke zu springen und zu iubiliren, und wie sehr beneide ich sie. Wenn ich an diesem schönen Tag dein Angesicht sehen könnte wie glücklich wäre ich.

Abends. 8.

Wenn Lavater predigt eins ist noth! So fühl ich auch das Eine das mir Noth ist, dich meine Geliebte[44] mir fehlen. Wie eine süse Melodie uns in die Höhe hebt, unsern Sorgen und Schmerzen eine weiche Wolcke unterbaut, so ist mir dein Wesen und deine Liebe. Ich gehe überall herum bey allen Freunden und Bekannten als wenn ich dich suchte, ich finde dich nicht und kehre in die Einsamkeit zurücke.

Ein grimmiges Wetter bricht herein und wird deinen Gästgen unfreundlich nach Hause leuchten, ich erwarte sehnlich einige Worte von dir. Heute den ganzen Tag hab ich mir stille Vorwürfe gemacht daß ich nicht mit der Gesellschafft gegangen bin.

Um 10.

Sie sind noch nicht da und ich hoffe so sehnlich auf ein Blättgen von dir.

So hab ich noch nie an dich geschrieben, so noch nie deine Entfernung gefühlt. Ich sehe dich immer unter den deinigen, bin in euch transsubstanziirt. Liebe Lotte! hab ich wieder zwanzigmal des Tages mit leisen Lippen ausgesprochen.

Ich kann dir nichts melden.

Der Prinz ist gut, freundlich und gesprächig.

d. 26. früh.

Endlich erhalt ich dein Blätgen. O du liebe. Ja glaube mir und fühle daß ich dir immer gegenwärtig bin.

Die Kinder sind erst um 1 Uhr angekommen ich weis nicht wie es ihnen ergangen ist. Hier eine Frucht.

[45] Rousseaus Briefe, ein köstlichier Theil seines Nachlasses.

Und das Landschäfftgen.

Und meiner Bleibenden Liebe und Leidenschafft Versicherung. Grüse die deinigen. Tausend adieu.

G.


d. 26. Abends.

Die Melonen wollen nicht reifen und so liegt das Blat noch da.

Wenn ich einen Tag gearbeitet habe, ohne dich Abends zu finden, so weis ich eben nicht wozu alle die Mühseeligkeit soll.

Heute hab ich ganz alleine zugebracht, indem in Tiefurt gros Essen und Versammlung war. Die schöne Gräfinn und die abgeschmackten Grafen.

Ich bin so gewohnt ausführlich gegen dich zu sehn, dir alles zu sagen was ich dencke, daß mir es schweer wird dir zu schreiben. Es stellt sich mir alles auf einmal vor und ich mögte dir alles sagen.


d. 27. früh.

Liebe Lotte komm zurück! Ich weis bald nicht mehr warum ich aufstehe.


Abends.

Diesen Abend war allgemeiner Frost unter dem Zelte. Um achte ging ich nach hause. Die Sterne standen über dem deinigen und deine Fenster waren nicht erleuchtet, die Sterne die mich sonst so schön[46] führen. Ich schlich durch meine Ackerwand und bin nun bey dir.

Soll ich denn noch dich Donnerstags erhoffen!

Der Prinz ist gar verständig und lieb, es läßt sich mit ihm etwas reden und treiben. Ich schicke dir einen artigen Aufsatz über Rousseau, von ihm. Er ist auserordentlich bescheiden, bey sehr richtigem Gefühl, und hat keine fürstliche Queeren.

Die Herzoginn ist so angenehm als man seyn kann, der Herzog ist wacker und man könnte ihn recht lieben, wenn er nicht durch seine Unarten das Gesellige Leben gerinnen machte, und seine Freunde durch unaufhaltsame Waghalsigkeit nötigte über sein Wohl und Weh gleichgültig zu werden.

Es ist eine kuriose Empfindung, seines nächsten Freundes und Schicksaals Verwandten Hals und Arm und Beine täglich als halb verlohren anzusehen und sich darüber zu beruhigen ohne gleichgültig zu werden. Vielleicht wird er alt und grau, indeß viele sorgliche abgehn.

Gute Nacht liebe Lotte morgen ist mein Geburtstag. Mit dir will ich enden und anfangen wie immer.

G.


6/1568.


An Charlotte von Stein

Aug. d. 28. früh.

Guten Morgen meine Geliebte. Ungern trete ich aus einem Jahre meines Lebens das mir so viel Glück[47] gegeben hat, und das mir durch die Versicherung deiner Liebe unvergeßlich werden wird. Ich habe für das nächste wenig Wünsche, nur den sehr eifrig daß du mir bleiben und gleich bleiben mögest. Warum bist du eben abwesend daß ich den Segen nicht von deinen Lippen erhalten kann.

Mein Bote muß fort. Adieu tausendmal.


6/1569.


An Johann Heinrich Merck

den 28. Aug. 1782.

Ich schicke dir hier die Bedingungen, unter welchen ein Ordinarius nach Jena berufen wird. Die fixe Besoldung ist gering, aber ein guter Arbeiter kann sich außerordentlich gut stehen. Seine vorzüglichste Eigenschaft muß freilich das Urtheilverfassen seyn; denn unsere Fakultät und Schöppenstuhl haben deswegen bisher in dem besten Credit gestanden. Er mag sich darüber prüfen. Handle vorsichtig in dieser Sache, wie du auch schreibst, damit wir Euch nicht schaden, ohne uns zu nutzen. Die Darmstädter haben uns ohne dies schon ein paroli gemacht und nach Benner's Tod Griesbachen berufen, der sich aber gegen uns äußerst honnett beträgt.

Gib beiliegendes Papier nicht aus der Hand, damit unsere Dinge nicht überall offenbar werden.

Damit ist aber doch, wenn er sich entschließen sollte, unser Handel nicht ganz gemacht; denn die[48] übrigen drei Höfe müssen auch noch drein willigen, und ist doch möglich, daß von daher Widerspruch kommen könne, ob es gleich nicht wahrscheinlich ist.

Für dein übriges Alles danke ich und bin recht neu gierig auf eine Stuttgarter Relation von deiner unpoetisch-poetischen Hand.

Köpfner kann über dies nirgends einen Posten erhalten wo ihm die zeitliche Ehre so wohl schmecken wird, als nach dem Ton der in unsrer Gegend herrscht ihm werden kann.

Lebe wohl. Ich bin wie immer der Sündenbock und dein Getreuer.

G.


6/1570.


An Charlotte von Stein

Mein Bote war weg als der deinige kam, ich dancke dir für dein Andencken, deine Liebe und Güte. Auf den schönen Braten will ich den Prinzen zu Gaste bitten, und dabey dein gedencken.

Fritz soll ein Stück Kuchen für sein Ey erhalten.

Grüse alles. Liebe mich! Lebe wohl.

Ich dachte wohl daß du morgen nicht kommen würdest. Adieu.

d. 28. Aug. 82.


6/1571.


An Charlotte von Stein

d. 28. Abends im Garten.

Ich dachte mit dem Prinzen nach Tiefurt zu fahren als ich hörte es ginge alles hinaus. Darauf entschloss[49] ich mich kurz und gut unter mein altes Schindeldach zu kriechen und im Stillen mir und dir zu leben. Einige Geschäfftgen sind beyseite gebracht, ein Leben im Plutarch gelesen, und nun sag ich dir einen guten Abend. Morgen wird mich die alte mit einem Zettelgen erfreuen, nun hast du meine Post, und denckst gewiss an mich und bist vielleicht auch begriffen mir es zu sagen. O du beste! was deine Briefe einen Glanz von Liebe und Treue haben, wie ich mir dein Herz so sachte und schön geöffnet sehe! Wie ich mich auf den Montag freue!


den 29ten.

Heute hab ich den grösten Theil des Tags mit dem Prinzen August zugebracht er hat den Braten nicht verzehren, sondern nur anschneiden helfen, schade daß es nicht eine grose Gesellschafft war.

Dein Brief und Schachtel kamen über Tisch. Ich erfreute mich recht herzlich ieder Sylbe. Montags lade ich dich mit den deinigen ein, ich will es auch in deinem Quartier sagen. Welch ein schöner Tag wird es mir werden.

Der Herzog geht auf Dresden, er hat mich gar gut eingeladen mit zu gehn oder zu folgen, ich werde aber wohl bleiben. Der Prinz bleibt. Übermorgen wird die Comödie gegeben. Dies sind unsre Neuigkeiten. Gute Nacht liebste. Das zweyte Buch Wilhelm Meisters ist balde fertig.[50]


d. 31. Aug.

Gestern war ich den ganzen Tag in Bewegung und Zerstreuung. Heute früh erhalte ich dein liebes Packet und die Versicherung daß du kommst. Ich träume alle Nacht von dir und hoffe es soll bald wahr werden.

Heute wird die Comödie gegeben, die du auch nicht sehen sollst. Wäre der Herzog nicht gegangen, so wäre es später geworden.

Die Anstalten zur Dresdner Reise sind mir zuwieder. Der Herzog macht sie auf seine Art, das heist nicht immer die nächsten, und disgustirt einen nach dem andern. Stein ist auch ungehalten daß er im Oberlande hat für Wedeln vikariren müssen der nunmehr mitgeht.

Ich bin ganz ruhig denn es ist nicht zu ändern und es freut mich nur daß es keine Fürstenthümer gilt, um welche offt mit dergleichen Karten gespielt wird.

Isenflamm ist angekommen mit dem will ich brav politisiren. Der soll mir Wien inn und auswendig schildern.


d. 1. Sept.

Das Stück ist ziemlich gut abgelaufen.

Ich höre daß heute Abend die Pferde zu dir gehen also nur Ein Wort.

Ich erwarte dich morgen zu Mittage in meinem Garten wo ich dir ein Essen bereiten will. Welche[51] Freude dich wieder zu sehen und neues Leben von deinem daseyn zu nehmen.

Adieu liebste, zärtlichste und zärtlich geliebteste.

G.


6/1572.


An Charlotte von Stein

Wie vergnügt bin ich daß ich dir wieder in der Nähe guten Morgen sagen kann. Leider wird dieses Glück nicht lange währen. Ich gehe in's Conseil, esse bey Schnaus, sehe dich noch vorher, und erfahre wie du deinen Tag eingetheilt hast.

Hier schick ich Knebels Brief und Lavaters. Liebe mich und hilf mir leben.

Weimar, d. 3. Sept. 82.

G.


6/1573.


An Charlotte von Stein

Zum guten Morgen Eine Frucht. Ich stehe mit meinem täglichen Verlangen auf dich zu sehen und dir angenehm zu seyn.

Über unsern politischen Diskurs von gestern habe ich dir noch verschiednes nachzuholen. Adieu ich sage dir balde was heute mit mir wird.

d. 5. Sept. 82.

G.[52]


6/1574.


An Charlotte von Stein

Sage mir l. L. wie du geschlafen hast wie du dich befindest? du mein geliebtes erstes und letztes. Könnte ich dich doch immer wohl wissen.

Adieu gegen eins bin ich bey dir.

d. 8. Sept. 82.

G.


6/1575.


An Charlotte von Stein

Ja liebe Lotte du bists und wirsts bleiben. Vor Tische seh ich dich, und bedaure schon meinen einsamen Abend. Morgen soll es desto besser werden. Ans Scheiden mag ich gar nicht dencken. Ich bin dir so fest angebunden daß ich mein Leben zerreisen würde, wenn ich an eine Trennung dächte. Leb wohl Liebste und froh am fröhligen Tage.

d. 8. Sept. 82.

G.


6/1576.


An Charlotte von Stein

Meine Lotte muß noch einen guten Abend von mir finden. Dein Besuch hat mir viel Nachdencken erspart, da ich nicht bey dir seyn konnte ging ich nach meinem Garten, und iede Rose sagte zu mir: und du willst uns weggeben. In dem Augenblicke fühlt ich daß ich diese Wohnung des Friedens nicht entbehren[53] könnte. Ich hatte dich zwey drey Tage immer gesehn und so glaubt ich mir das übrige nicht nothwendig. Hab ich dich denn immer? Nein Lotte ich gäbe viel weg und gäb ihm nichts. Meine übrigen Betrachtungen morgen früh. Heute nur noch das Liebste was die Liebe sagen kann. d. 8ten Abends.

G.


6/1577.


An Charlotte von Stein

Zum Morgengrus erhalte ich deine gute Nacht.

Ich legte mich zeitig zu Bette, mein gewöhnlich Mittel wenn mir's in der Welt unheimlich wird, und las und schlummerte und dachte an dich. Der Herzoginn Befehle sind mir lieb da sie mich schneller zu dir bringen meine beste. Punckt achte sind wir wieder da. Leb wohl. Glaube daß mir nichts am Herzen liegt als deiner Werth zu seyn. d. 9. S. 82.

G.


6/1578.


An Charlotte von Stein

Guten Morgen leider bald nicht mehr so nah. Du weisst daß der beste Theil meines Lebens mit dir weggeht. Ich werde bestellen daß ich noch wenn du vorbeyfährst dich einen Augenblick sehe. Lebe wohl und bringe mir bald dich und deine Liebe zurück.

d. 10. Sept. 82.

G.[54]


6/1579.


An Charlotte von Stein

d. 10ten Abends.

Du mußt die beyden letzten Tage bemerckt haben daß ich nicht ganz bey dir war.

Ich fand mich in einen unangenehmen Handel verflochten, eigentlich von keiner Bedeutung, aber nach meiner Art Sachen an einander zu knüpfen, und Entschliesungen auf die Spitze zu stellen, von Folgen die sich nicht übersehen liesen. Ich habe mir nicht nachgesehn, mich so wacker als möglich gehalten, das Glück hat mich begünstigt und alles ist abgethan.

Der erste freye Augenblick war Sehnsucht nach dir, und ich fühlte erst daß du weg warst, schickte dir tausend Gedancken nach und erfreute mich deines daseyns auch in der Ferne. Der Abend war köstlich im Thale. Um sechse ritt ich auf Tiefurt, wo Schlick spielte, Villoison schwätzte, und übrigens iedes sich nach seiner Art verhielt.

Bey Tische saß ich neben der Gräfinn und redete einmal laut für mich. Sie sah mich steif an und sagte was rechnen Sie? Sie mogte gehört haben als spräch ich Zahlen aus. Nun Gute Nacht. Hier die schönsten Ballen von der Welt. Addio tausendmal Geliebteste.

G.[55]


6/1580.


An Charlotte von Stein

[Mitte September]

Von mehr als einer Seite verwaist,

Klag ich um deinen Abschied hier

Nicht allein meine Liebe verreist

Meine Tugend verreist mit dir.


Denn ach bald wird in dumpfes Unbehagen

Die schönste Stimmung umgewandt,

Die Leidenschafft heist mich an frischen Tagen

Nach dem und ienem Gute iagen,

Und denck ich es recht sicher heim zu tragen,

Spielt mir's der Leichtsinn aus der Hand.

Bald reitzt mich die Gefahr ein Abenteur zu wagen,

Ich stürze mich hinein und halte mutig Stand,

Doch seitwärts fährt die Lust auf ihrem Taubenwagen,

Die Luft wird balsamreich mein Herz geräth in Brand;


Mein Schutzgeist eil es ihr zu sagen

Durchstreiche schnell das ferne Land.

Sie soll nicht schelten soll den Freund beklagen.

Und bitte sie zu Lindrung meiner Plagen

Um das geheimnißvolle Band.


Sie trägts und offt hat mir's ihr Blick versprochen.

G.


6/1581.


An Charlotte von Stein

Du solltest sehen wie ich dich überall suche Liebe Lotte! Meine Geschäffte gehn stille hin, Zerstreuung hab ich nicht, meine Erhohlungen selbst sind absichtlich[56] und gebunden, zu dir allein kann meine Seele noch einen Flug nehmen, denn in irrdischen Dingen gilt waten, nicht schwimmen. Sonst gehn meine Sachen gut.

Du solltest sehn wie der Sonntag vor mir steht und wie ich wünsche daß der Himmel auch Amen dazu sage. Dem Lande wollt ich Regen gönnen, Morgen und übermorgen damit wir dann trocken und erquickt reisten.

Gestern früh that ich allerley ab, war mit dem Prinzen in der Zeichenschule. Hatte die Schrötern, Probsten und den Bruder der letztern der auf Leipzig geht zu Tische. Spazierte, war zum Thee und Abendessen bey der Herzoginn, wo es artig zu ging. Der Herzog will von Dresden wieder auf Dessau, er vergisst über der Parforce Jagd daß der Prinz hier ist, und im stillen Glossen darüber macht. Wenn auch vielleicht nicht er, doch gewiss die Gothaner.

Gastfrey ist der Herzog, und er weis auf iede Art sich von seinen Gästen frey zu machen. Gut daß es die Menschen nicht so genau mit einander nehmen, und Fürsten sich immer wechselsweise viel zu verzeihen haben wenn sie mit einander leben wollen. Zwar mit dem Prinzen ist dies der Fall nicht.

d. 12. Abends.

Dein Brief begrüst mich wie ich nach Hause komme.

O Lottgen wie gut wie süs bist du. Gute Nacht. Jetzt lebe ich eigentlich nur dem Sonntag entgegen. Morgen führe ich die Mädgen an und den Prinzen dazu. Wenn's gelingt giebts eine Geschichte auf Zeitlebens!

G.[57]


6/1582.


An Charlotte von Stein

d. 17. Sept. 82 Abends.

Ganz stille habe ich mich nach Hause begeben, um zu lesen, zu kramen und an dich zu dencken. Ich binn recht zu einem Privatmenschen erschaffen und begreiffe nicht wie mich das Schicksal in eine Staatsverwaltung und eine fürstliche Familie hat einflicken mögen.

Dir lebe ich meine Lotte, dir sind alle meine Stunden zugezählt, und du bleibst mir das fühle ich.

So lang ich dich gestern sehn konnte wehte ich mit dem Schnuptuche, auf dem Weege war ich bey dir, nur wie ich die Stadt erblickte fühlt ich erst den Raum der mich von dir trennte.

Ich versuchte mir den ersten Theil, vielmehr den Anfang meines Mährgens ausführlicher zu dencken und stellenweise Verse zu versuchen, es ginge wohl wenn ich Zeit hätte, und häusliche Ruhe.

d. 18ten früh.

Die ersten Tage meiner Entfernung von dir sind immer sehr schmerzhafft ieden Augenblick mögte ich zu dir laufen, und kann meine Gedancken nirgendhin ableiten. Sehnsuchtsvoll erwarte ich ein Briefgen von dir, und wie dir es in Rudolstadt gegangen ist.

Wie schön wird es seyn wenn du wieder da bist und nur die Ackerwand uns trennt du einzige.[58]

Nachts.

Die Fischerinn ist gespielt. Wie bey allem und nach allem ich dein verlange!

Sie haben schlecht gespielt, und hundert Schweinereyen gemacht, am Ende war freylich das Stück vorüber, wie wenn einer nach einem Reh schösse es fehlte und durch ein ohngefähr einen Hasen träfe. So ists mit dem Effeckt! pp Der beste Effeckt ist den zwey gleiche Seelen auf einander machen. Der auch in der Entfernung nicht fehlen kann und der von keinen dritten, Ackteurs oder Instrumentalisten abhängt.

Ich habe dir einen Vorschlag zu thun doch den Morgen frühe. Heut gute Nacht.


d. 19ten früh.

Mein Vorschlag ist der du sollst mir Sonntags in Blanckenhahn begegnen. Ich ritte zu guter Zeit hinaus und fände dich, wir blieben den Tag zusammen und gingen Abends zurück. Ich kann nicht bis Michäl warten, und kann täglich weniger ohne dich seyn.

Auch kann ich nicht warten bis ein Bote kommt, ich schicke meinen Purschen zu Pferde der mag sich durch Wind und Wetter schlagen.

Hierbey empfängst du allerley.

Und die eifrigste Versicherung meiner Liebe.

G.

Wenn du willst kann Götze uns gleich bey Schleusing melden.

[59] Hier auch ein Billet von den Kindern ein Tiefurter Journal pp.

Eben fällt mir ein daß die Lengefelds mit dir kommen vielleicht hindert dich das. Dein Bruder kommt erst den Montag.


6/1583.


An Charlotte von Stein

d. 23. S. 82.

Als ich aufwachte und noch halb im Schlafe war sagte ich zu mir: Es ist zeit daß du aufstehst und fortreitest! denn es war mir nicht anders als wenn ich vorhätte zu dir zu gehn. Mit dem völligen Erwachen, trat auch die Wahrheit ein und die süse Hoffnung verschwand für diesmal.

Aber nicht das fröhliche Gefühl daß du mir angehörst, und ich dir. Ich kann dir nicht sagen wie angenehm mir der Ritt nach hause war. Tausendfältig ist meine Freude dich zu sehn, auch tausendfältig das Gefühl wenn ich dich verlasse. Diesmal war es still, beruhigt, mit Gewißheit auf die Zukunft.

Es ist heut Abend Abschieds Thee bey der Herzoginn, der Prinz geht morgen fort. Die übrige Woche will ich fleisig seyn und Sonntags mein Glück aufsuchen.


d. 24ten.

Der Prinz ist weg und hat noch bey mir sein Frühstück eingenommen. Ich bin ihm herzlich gut[60] und wollte er wäre unser, es wär ihm nütze und uns auch. Er hat die Kenntnisse und das Intresse das unsern fürstlichen Personen fehlt, um das in Bewegung zu setzen und zu erhalten was so reichlich bey uns vorräthig ist, und was auserdem ieder für sich behält. Wie verlangt mich mit dir zu reden, und zu seyn, und dir vielerley zu erzählen und auszulegen.


d. 25ten.

Ich fertige meinen Boten ab, der zugleich sechs Zitronen überbringen soll, willst du ihrer mehr, so schreibe ich kann sie Sonntags mitschaffen. Vergebens habe ich nach Obst und sonst etwas mich umgethan, es fehlt an allem. Weintrauben brachte man mir, die waren sauer und meine Liebe soll bey nichts Saurem sich meiner erinnern.

Lebe wohl, bald kann ich dich wieder unterhalten von dem was meines Lebens bestes Theil ist. Ein guter Brief von Knebeln ist mir zugekommen.

Grüse Steinen und deinen Bruder. Ich binn immer bey dir.

G.


6/1584.


An Friedrich Heinrich Jacobi

Lieber Fritz

Laß mich dich noch einmal und wenn du dann willst zum letzten mal so nennen, damit wir wenigstens in Friede scheiden.

Schlossers waren bey dir, möget ihr gute Tage[61] gehabt haben. Bey ihrer Rückreife haben sie gegen meine Mutter einer Schuld gedacht, in der ich noch bey dir stehe.

Du halfst mir damals aus einer grosen Verlegenheit und ich will es nicht entschuldigen daß ich der Sache so lang nicht erwähnte. Bald hatte ich die Summe nicht beysammen, bald vergaß, bald vernachlässigte ich es, und besonders seit der Zeit da du unzufrieden mit mir warst konnte ich mich gar nicht entschliesen davon zu schreiben. Nun ist mir herzlich lieb daß auch dieses abgethan wird. Meine Mutter wird es besorgen, ich weis warrlich nicht mehr wie viel es war, und was es nun betragen mag, sie wird deswegen an dich schreiben, mache es mit ihr aus und nimm meinen herzlichen Danck dafür und für alles was du mir sonst liebes und Gutes erzeigt hast.

Wenn man älter und die Welt enger wird denckt man denn freylich manchmal mit Wunder an die Zeiten wo man sich zum Zeitvertreibe Freunde verschertzt, und in leichtsinnigem Übermuth die Wunden die man schlägt nicht fühlen kann, noch zu heilen bemüht ist.

Meine Lage ist glücklich, möge es die deine auch seyn.

Wenn du mir nichts freundliches zu sagen hast, so antworte mir gar nicht, beendige mit meiner Mutter das Geschäfte, und ich will mir's gesagt halten. Adieu! Grüse die Deinigen.

Weimar d. 2 Oktbr 82.

Goethe.[62]


6/1585.


An Charlotte von Stein

Kaum hab ich meine Briefe und Packete erbrochen und durchsucht; so wendet sich meine Seele schon wieder zu dir, und ietzt empfinde ich erst das Glück bey dir und dein zu seyn, da ich so weit von dir entfernt bin und noch eine Ferne von mehreren Tagen uns scheidet. Ich wollte dir nicht schreiben und finde bey meiner Zurückkunft einige schöne Früchte, die ich selbst zu essen, für einen Raub halte. Hier sind sie, mögen sie dir statt meiner recht viel süses vorsagen. Lebe wohl und sey und bleibe mein Glück.

d. 2. Okbr. 82.

Ich bin an deiner Seite zu diesem Monat hinausgekommen, ich weis nicht wie, möge mir es auch mit dem Leben so gehen.

Von meiner Mutter hab ich einen Brief gefunden der fürtrefflich ist. So lang ich euch beyde habe kann mir's an nichts fehlen. Lebe tausendmal wohl, du meine einzige.

d. 3. Oktbr.

Beym Erwachen glaubte ich in meinem Kochberger Bette zu liegen und habe wieder die ganze Nacht von dir geträumt.

Es ist ein leidlicher Tag. Meine Alte mag wandern. Behalte sie heute Nacht dorten, fertige sie aber diesen Abend ab, damit sie Morgen in aller Frühe[63] aufbrechen kann. So betrüge ich die Abwesenheit. Und werde in Hoffnung tüchtig etwas zu thun.

Lebe wohl du bleibende sey gesund und fröhlich.

G.


6/1586.


An Johann Kaspar Lavater

Weimar den 4. Oktober 1782.

Vor das viele Gute was du zeither an uns gethan hast, habe ich dir noch nicht danken können, und auch iezo habe ich nicht so viel Sammlung um dir etwas dagegen von dem meinigen zu geben, denn daß man immer von dir empfängt bist du gewohnt.

Die kurze Schilderung der Personen die du auf deiner Reise im Fluge berührtest, hat mir viele alte Bekanndtschaften neu und mich auf unbekante aufmerksam gemacht. Was du von dem Fürsten von Deßau sagst bestätigt mein Verhältniß zu diesem würdigen Manne noch mehr. Zwar sind wir bisher einander noch nichts geworden, und ich bin alle Tage auch gegen gute und trefliche Menschen weniger andringend, genug wenn man weiß daß eine schöne und große Natur irgendwo existirt, und daß man sie, wie es so tausendfältig geschieht, nicht verkennt.

Der erste Theil deiner Bekenntniße, wie ich sie nennen will, hat mir großes Vergnügen gemacht. Es ist immer sehr intereßant dergleichen zu lesen, ob ich gleich wieder dabey die Bemerkung gemacht habe,[64] daß wenn ich so sagen darf, der Leser eine eigene psychologische Rechnungsoperation zu machen hat um aus solchen Datis ein wahres Facit heraus zu ziehen. Ich kann meine Idee iezo nicht auseinander legen, nur so viel davon: Das was der Mensch an sich bemerkt und fühlt, scheint mir der geringste Theil seines Daseyns. Es fällt ihm mehr auf was ihm fehlt, als das was er besizt, er bemerkt mehr was ihn ängstiget, als das was ihn ergözt und seine Seele erweitert; denn in allen angenehmen und guten Zuständen verliert die Seele das Bewußtseyn ihrer Selbst, wie der Körper auch, und wird nur durch unangenehme Empfindungen wieder an sich erinnert; und so wird meistentheils, der über sich selbst und seinen vergangenen Zustand schreibt, das enge und schmerzliche auszeichnen, dadurch denn eine Person, wenn ich so sagen darf, zusammenschrumpft. Hierzu muß erst wieder das, was mir von seinen Handlungen gesehen, was wir von seinen Schriften gelesen haben chymisch hinzugethan werden und alsdenn entsteht erst wieder ein Bild des Menschen, wie er etwa mag seyn oder gewesen seyn. Dies von vielen tausend Betrachtungen Eine.

Daß du mir in deinem Briefe noch einmal den innern Zusammenhang deiner Religion vorlegen wolltest, war mir sehr willkommen, wir werden ia nun wohl bald einmal einander über diesen Punkt kennen und in Ruhe laßen. Großen Dank verdient die[65] Natur daß sie in die Existenz eines ieden lebendigen Wesens auch so viel Heilungskraft gelegt hat, daß es sich, wenn es an dem einen oder dem andern Ende zerrißen wird, selbst wieder zusammenfliken kann; und was sind die tausendfältigen Religionen anders als tausendfache Äußerungen dieser Heilungskraft. Mein Pflaster schlägt bey dir nicht an, deins nicht bey mir, in unsers Vaters Apotheke sind viel Recepte. So habe ich auf deinen Brief nichts zu antworten, nichts zu widerlegen, aber dagegen zu stellen habe ich vieles. Wir sollten einmal unsere Glaubensbekenntniße in zwey Columnen neben einander sezen und darauf einen Friedens- und Toleranzbund errichten.

An Tischbeinen habe ich heute geschrieben und ihn an dich gewiesen. Du wirst meinen Brief wohl verstehen aber nicht ganz; ich kann ihm weder gewähren noch verschaffen was er gerne mögte, denn der Herzog von Gotha siehts anders an und hat seine festgesetzen Begriffe über die Sache, auf die ich weiter nicht wirken kann. Rede ihm ia zu, daß er sich besonders gegen Reifensteinen leidlich beträgt, denn dieser Mann hat Einfluß auf die Großen. Freylich mag dem guten Tischbein, der Gott sey Dank in weltlichen Dingen noch nicht geübt ist, so ein Verhältniß ganz und gar fatal und unerträglich scheinen; indeß ist immer beßer er weiß so etwas voraus, und richtet sich einigermaßen darnach, als daß er in seinem Wesen hin geht[66] und wir in einem halben Jahr den Lärmen haben. Es wird ohnedies nicht ganz ohne alles abgehen du weißt es am besten lieber Bruder, daß wo Menschen zusammen zu schaffen haben, es mehr oder weniger Friktion giebt. Je älter man wird desto gewißer sieht man das wie und wo voraus und kann sie doch weder bey sich selbst noch andern immer so gern man wollte verhüten. Besonders treib ihn daß er fortkommt, denn der Herzog ist schon über das Zaudern und über meine Vorstellungen, die ich nicht gespart habe, verdrieslich. Wenn wir unter einander etwas haben, so können wir herüber hinüber markten, ein großer Herr will gehorcht seyn. Sie sind nicht alle wie der Herzog von Weimar, der ieden gerne auf seine Weise das Gute thun läßt und doch daran Theil nimmt. Adieu Bruder! Ohne Berührung sagst du ist keine Religion; ohne Berührung ist keine Freundschaft. Lebe herzlich wohl alter Christe und grüse Bäben.

G.


Sag mir doch gelegentlich ein Wort über das Portrait Carls des fünften von Albrecht Dürer das du bey Merck gesehn hast, wir haben es gegenwärtig hier. Es ist ganz herrlich, ich mögte auch dich drüber hören.[67]


6/1587.


An Charlotte von Stein

Endlich ist der liebe Morgen da der sich von so vielen andern dadurch unterscheidet daß meine Geliebte nur 300 schritte weit von mir erwacht.

Ich binn und lebe mit und bey dir und werde diesen und alle Tage so einrichten daß mir von deinem köstlichen Umgange von dem glücklichen Seyn mit dir so wenig als möglich verlohren geht. d. 8. Oktbr. 82.

G.


6/1588.


An Charlotte von Stein

Es ist schon neune und das versprochne Wort von meiner lieben kommt noch nicht.

Mit Mühe hab ich mich vom Aristoteles losgerissen um zu Pachtsachen und Trifftangelegenheiten überzugehen.

Sage mir wolltest du nicht von 12 bis 1 mit mir spazieren gehn ich möchte dich gerne noch einmal in meinen Garten führen.

Nimm allenfalls Fritzen mit.

Ich hole dich ab. Dann äsen wir zusammen schieden für den Nachmittag um Abends wieder da zu seyn wo es gut seyn ist. d. 10. Oktbr. 82.

G.

Eben kommt dein liebes Zettelgen, nun bitte ich noch um Antwort auf dieses.[68]


6/1589.


An Charlotte von Stein

Es ist mit unserm Umgange, mit unserer Liebe, wie mit den ewigen Mährchen der berühmten Dinarzade in der Tausend und einen Nacht, Abends bricht man sie ungern ab, und Morgends knüpft man sie mit Ungeduld wieder an.

Du hast gefühlt daß ich gestern mit Absicht zauderte du kannst mich heute nur schadlos halten.

Ich habe allerley zu thun.

Diesen Mittag musst du mich zu Tische haben und nur die Aussicht auf Nachmittag und Abend kann mich an meinem Schreibtische halten. Lebe wohl. du aller allerliebstes.

d. 12. O. 82.

G.[69]


6/1589a.


An Wilhelm Christoph von Diede

Hochwohlgebohrener

insonders Hochgeehrtester Herr.

Ew. Exzellenz preise ich glücklich, daß Sie einen solchen Entschluß haben fassen können und wünsche daß Sie mit Gesundheit und Fröhlichkeit das gelobte Land durchziehen mögen.

Mir geht es bey solchen Abschieden wie einem Ufer des Meers in einem Turm gefangen, die weisen Segel sich aus dem Hafen entfernen sähe.

Ich lege einen kleinen Aufsatz bey, der zwar von keiner Bedeutung ist doch aber vielleicht von einigem Nutzen seyn kann.

H. v. Villoison der sich noch bey uns aufhält kann wohl auch einiges beytragen, ich habe ihn drum ersucht und werde seinen Aufsatz Ew. Exzellenz nachsenden.

[23] Wie sehr wünschte ich mir Muße meine eignen Gedancken zu sammeln, wie viel mehr noch Ihnen an irgend einen Plaze begegnen zu können.

Mit Aufträgen wage ich nicht Ew. Exzellenz zu beschweren und dancke auf das beste für das verbindliche Anerbieten.

Das kleine für den Ziegenberger Parck bestimmte Monument ist in der Arbeit, ich sage nichts davon bis Sie es bey Ihrer Rückkehr selbst finden. Sobald es fertig wünschte ich es abzuschicken haben Sie die Güte mir jemand zu nennen an den ich es adressiren kann, der es beym Abpacken wohl in Acht nehmen liese und wohl verwahrte. Es soll mir die größte Freude seyn wenn es Ihren und der Frau Gemahlinn Beyfall erhält.

Über dessen Aufstellung u. f. w. künftig.

Lassen Sie mich hoffen daß Sie mir Ihre Gewogenheit auch in fernen Landen erhalten, und bey einer glücklichen Rückkunft sie wieder unversehrt mitbringen werden. Empfehlen Sie mich der Fr. Gemahlinn bestens und gedencken mein bey großen Gegenständen der Natur und Kunst.

Darf ich mir schmeicheln auch manchmal aus der Ferne ein Wort von Ihnen zu hören.

Ew. Exzellenz

ganz gehorsamster

Weimar d. 12. Oktober 82.

Goethe.[24]


6/1590.


An Charlotte von Stein

Auch ich wollte schon lange schreiben, und war immer abgehalten.

Der Engländer war bey mir. Ein wundersam Original.

Ich bin bey Hofe, und komme vorher dir zu dancken und zu sagen und zu hören was man nicht satt wird.

d. 13. O. 82.

G.[69]


6/1591.


An Charlotte von Stein

[Mitte October]

Meiner einzigen lieben sage ich noch eh sie in Gesellschafft geht, einen guten Tag, und versichre sie daß ich in ihrem Andencken hier haussen in dem alten Garten recht glücklich lebe.

Das Camin das ich zu hause entbehren muß ist mir in dieser Regenzeit sehr angenehm. Und viele alte Ideen steigen mit dem Feuer auf. Adieu. Ich sehe dich um sieben, bis dahin stärcke mich noch mit einem Wörtgen. Lebe wohl.

G.


6/1592.


An Charlotte von Stein

Schon lange sehn' ich mich nach einer Bothschafft von dir meine Geliebte. Wie du dich befindest. Denn wenn meiner Hälfte übel ist, wird mir Ganzen weh. Ich bin an Wilhelmen fleisig das dritte Buch ruckt zu. Adieu. Was thust und treibst du heute.

Morgen Abend will ich bey Wieland essen.

d. 18. Oktbr. 82.

G.


6/1593.


An Charlotte von Stein

Ich habe immer verzögert dir zu schreiben weil der Wind unsern Plan verruckte. Wie gerne höre ich[70] daß du wieder wohl bist. Nach Tische dicktirte ich dir gerne eine Stunde. Ich war schon fleisig.

Um 5 oder 6 oder wann deine Tagseinrichtung es fordert ging ich von dir. Adieu geliebtestes.

d. 19. O. 82.

G.


6/1594.


An Charlotte von Stein

Ich war heute früh fleisig und erwartete von Augenblick zu Augenblick ein Wort von dir.

Vier Capitel sind in der Ordnung und unter des Abschreibers Händen. Nun muß ich das Merck beyseite legen und meine andern Geschäffte treiben. Sag mit von deinem Befinden, von deinem heutigen Tage und schicke mir das Körbgen, zu den Trauben.

d. 20. O. 82.

G.


Habe ich nicht mein Portefeuille bey dir liegen lassen?


6/1595.


An Carl Ludwig von Knebel

Hier folgt endlich dein Tibull. Bisher war mit deinen wenigen Sachen nicht in Ordnung zu kommen, nun habe ich sie, Bücher und alles nach einem Inventario übernommen und bewahre sie in meinem Hause, wo ich Platz genug habe, und wo du wohl auch gelegentlich ein Absteigquartiergen finden könntest.

[71] Du sollst ehstens das erste und zweyte Buch Wilhelm Meisters erhalten. Jenes für deine Schwester, dieses für beyde. Das dritte ruckt auch schon vor und wird wahrscheinlich geschwinder fertig als die ersten. Es thut mir gar zu wohl wenn ich manchmal einige Augenblicke diesen alten Lieblingen zu wenden kann.

Dein Schöning ist ein guter Mensch und hat sich hier so ziemlich wohl befunden. Die Zeichnungen die er mitbrachte sind artig sauber und charackteristisch.

Ich dancke dir auch für das Prestelische Blat. Der Herzog ist von seiner Dresdner Reise sehr zufrieden zurückgekommen, man ist es auch von ihm und alles sonst gut abgelaufen.

Eine neue Hof und Jagduniform sezt die Gemüther sehr in Bewegung, bis sie endlich zum alletags Rock werden wird. Hat man dir schon von einem grosen Stein gemeldet der nach den neuen Anlagen zum Point de vue und Monument transportirt wird?

Lebe wohl. Schreibe mir bald, und behalte Anteil an uns.

Weimar, d. 20. O. 82.

G.


6/1596.


An Charlotte von Stein

Guten Morgen Geliebte. Ist dein Zahnweh ausgeblieben? Wie steht es sonst mit dir? Wollen wir heute wieder reisen und die Vulkanischen Gebürge besuchen.[72] Wenn du mich recht lieb hast sind alle Weege eben.

d. 21. O. 82.

G.


6/1597.


An Charlotte von Stein

Wie befindet sich meine liebe? und will sie mich heute haben? wie heist der Nahme des empfohlenen Mannes? Lebe wohl.

Zu Eurer Fahrt habt Ihr Gut Wetter. Möge dein Zahnweh vorbey seyn. d. 22. Oktbr. 82.

G.


6/1598.


An Charlotte von Stein

Bis ietzo konnte ich keinen Augenblick finden zu fragen wie meine Liebste lebt.

Sage mir ob das Zahnweh vorüber ist? Ob du deiner andern Leiden los bist.

Oeser ist hier und ich muß heute nach Tiefurt.

Wie wirst du diesen Nachmittag zubringen? Adieu Beste.

d. 23. O. 82.

G.


6/1599.


An Charlotte von Stein

Sage mir Geliebte wie dir das Abendessen bekommen ist. Hüte dich ia auch um meintwillen vor[73] allem Übel, wie dirs möglich ist. Heute esse ich zu Mittage in Tiefurt bin aber gegen Abend wieder da. Wenn die regierende Herzoginn Oberried gerne sehen will so ist kein schicklicherer Weeg als ich bringe ihn zu dir und da kann sie wie von ohngefähr dazu kommen.

Lebe wohl und sage mir ein liebes Wort.

d. 24. O. 82.

G.


6/1600.


An Charlotte von Stein

[24. October.]

Wenn es der Herzoginn gelegen ist; so lade ich ihn auf diesen Abend ein. Will sie selbst kommen; so ist es auch sehr artig. Ich freue mich herzlich. Adieu.

G.


6/1601.


An Charlotte von Stein

[etwa 25. October.]

Ich kann weder verlangen noch wünschen daß meine Gute zu mir komme es wird besser mit mir, doch ist es um mich weder so anmutig noch so reinlich daß ich dich mit gutem Gewissen einladen kann. Ich will mich heute kasteyen und trösten. Damit ich morgen desto freyer die Freude dich zu sehn geniessen könne. Lebe wohl †††††††††

G.[74]


6/1602.


An Charlotte von Stein

Mein Zahnweh ruht, um es nicht aufzuwecken will ich den Tag zu Hause bleiben. Gegen Abend erwart ich dich und Steinen zum Thee. Komm nicht zu spät damit du zuerst meine neuen Stuben betreten mögest. du erstes und letztes. d. 26. O. 82.

G.


6/1603.


An Johann Heinrich Merck

Das Bild ist glücklich angelangt, nur daß die Papiere, die zwischen Rahmen und Kasten staken, nicht gut befestigt waren. Eins hat sich los gemacht und an der Stirne ein wenig den Firniß weggescheuert. Es hat großen Beyfall erhalten und die Herzogin hat es ihrem Gemahl verehrt und du sollst das Geld nächstens ohne Abzug erhalten. Du kannst mir immer ein paar Pfund schwarze Kreide in den Kauf geben, die ich durch den nächsten Postwagen zu überschicken bitte.

Deine Knochenuntersuchungen haben mir viel Vergnügen gemacht. Sey doch so gut und schreibe mir etwas von Campers Incognito und schicke mir überhaupt seine Briefe; du sollst sie gleich wieder haben. Ich weiß meine Osteologie auf den Fingern auswendig[75] herzusagen und bey jedem Thierskelet die Theile nach den Nahmen, welche man den menschlichen beigelegt hat, sogleich zu finden und zu vergleichen. Es macht mir ein großes Vergnügen und du wirst wohl thun, mich manchmal damit zu unterhalten. Alle die Knochentrümmer, von denen du sprichst und die in dem obern Sande des Erdreichs überall gefunden werden, sind, wie ich völlig überzeugt bin, aus der neusten Epoche, welche aber doch gegen unsere gewöhnliche Zeitrechnung ungeheuer alt ist. In dieser war das Meer schon zurückgetreten, hingegen floßen die Ströme noch in großer Breite, doch verhältnißmäßig zum Niveau des Meeres, nicht schneller und vielleicht nicht einmal so schnell als jetzt. Zu derselbigen Zeit setzte sich der Sand mit Leimen gemischt in allen breiten Thälern nieder, die nach und nach, als das Meer sank, von dem Wasser verlassen wurden und die Flüsse sich in ihrer Mitte nur geringe Beete gruben. Zu jener Zeit waren die Elephanten und Rhinozeroße auf den entblösten Bergen bey uns zu Hauße und ihre Reste konnten gar leicht durch die Waldströme in jene große Stromthäler oder Seeflächen herunter gespült werden, wo sie mehr oder weniger mit dem Steinsaft durchdrungen sich erhielten und wo wir sie nun mit dem Pfluge oder durch andere Zufälle ausgraben. In diesem Sinne sagte ich vorher, man finde sie in dem oberen Sande, nemlich in dem, der durch die alten Flüße zusammengespült[76] worden, da schon die Hauptrinde des Erdbodens völlig gebildet war. Es wird nun bald die Zeit kommen, wo man Zersteinerungen nicht mehr durch einander werfen, sondern verhältnißmäßig zu den Epochen der Welt rangiren wird.

Ich habe gehört, daß man in einem Marmorbruche bey Altdorf den versteinerten Kopf eines Alligators gefunden habe, welches mir ein sehr merkwürdiges Phänomen ist, weil ich nur Schaalenthiere in den Marmorn kenne und ich nicht weiß, ob man in dem eigentlichen Marmor Fische oder was noch mehr ist, Amphibien bisher gefunden hat. Es kommt auf eine Zeichnung und auf ein Musterstück der Steinart an.

Ich habe einen Brief von Lavatern über den Albrecht Dürer, der mir schreibt, er möchte über so ein Gesichte und über so ein Werk ein ganzes Buch schreiben. Oeser ist auch sehr entzückt davon, er sagt er habe mehr als 100 Stücke von diesem Meister gesehen und dies sey nur das zweyte von solchem Werthe. An dem Harnische erkenne man Albrecht Dürern, im Gesicht habe er sich selbst übertroffen. Doch giebt er einem Gedanken Beyfall, den ich gleich hatte, als ich das Bild ansah. Es ist nehmlich größer gewesen, ein Brust- oder Kniestück, ein Theil davon durch die Zeit verunglückt und so zusammengeschnitten worden. Dies nimmt dem was noch übrig ist, nichts von seinem Werthe. Für die übrigen Nachrichten deines[77] Briefes danke ich und werde sie zu seiner Zeit benutzen. Lebe wohl und laß wieder bald etwas von dir hören.

Weimar den 27. Okt. 1782.

G.


Höpfner hat mir geschrieben und ich schreibe ihm heute selbst, weil es doch zur Sprache kommen muß.


6/1604.


An Ludwig Julius Friedrich Höpfner

[27. October.]

Wohlgeborner,

insonders hochzuehrender Herr!

Wie angenehm sollte mir es seyn, wenn unsere so wunderbar angefangene Bekanntschaft Gelegenheit geben sollte, Ew. Wohlgeb. an einen Platz zu versetzen, der Ihrer würdig wäre, und an welchem Sie durch Ihre Talente einen ausgebreiteten Nutzen stiften könnten. Ihr Schreiben giebt mir dazu gewisse Hoffnung, indem Sie mir erklären, daß Sie, wenn man Ihnen in der Folge eine Zulage zu der fixen Besoldung verspräche, die Stelle eines Ordinarii zu Jena anzunehmen geneigt seyen. Für einen thätigen Mann ist dieser Platz, auch so, wie ihn Herr Hellfeld besessen, einträglich, allein ich kann Ihnen auch für die Zukunft eine Zulage von 300 Thlrn., welche Sie nach dem Verlauf von 5-6 Jahren erhalten sollen, zusichern. Der Charakter eines Geheimen-Justizrathes,[78] wie solchen Herr Hellfeld gehabt, wird Ihnen auch sogleich ertheilt werden können.

Keine weitere Überredung mag ich nicht anfügen. Es ist ein angenehmer Ort und ein angesehner und ehrenvoller Posten an und vor sich und besonders bey den gegenwärtigen Gesinnungen unserer Höfe. Haben Sie die Güte, mich auf das Baldigste von Ihrer Entschließung zu benachrichtigen und seyen Sie versichert, daß ich Alles was an mir liegt beytragen werde, um Ihren Aufenthalt angenehm zu machen.

Der ich mich mit besonderer Hochschätzung unterzeichne

Ew. Wohlgeb.

ergebenster Diener

Goethe.[79]


3/522.


An Ludwig Julius Friedrich Höpfner

Weimar, den 237. Okt. 1782.

Wohlgeborner, insonders hochzuehrender Herr!

Wie angenehm sollte mir es seyn, wenn unsere so wunderbar angefangene Bekanntschaft Gelegenheit[115] geben sollte, Ew. Wohlgeboren an einen Platz zu versetzen, der Ihrer würdig wäre, und an welchem Sie durch Ihre Talente einen ausgebreiteten Nutzen stiften könnten. Ihr Schreiben giebt mir dazu gewisse Hoffnung, indem Sie mir erklären, daß Sie, wenn man Ihnen in der Folge eine Zulage zu der fixen Besoldung verspräche, die Stellung eines Ordinarii zu Jena anzunehmen geneigt seyen. Für einen thätigen Mann ist dieser Platz, auch so, wie ihn Herr Hellfeld besessen, einträglich, allein ich kann Ihnen auch für die Zukunft eine Zulage von 300 Thlrn., welche Sie nach dem Verlauf von 5-6 Jahren erhalten sollen, zusichern. Der Charakter eines Geheimen-Justizrarhes, wie solchen Herr Hellfeld gehabt, wird Ihnen auch sogleich ertheilt werden können.

Keine weitere Überredung mag ich nicht anfügen. Es ist ein angenehmer Ort und ein angesehner und ehrenvoller Posten an und vor sich und besonders bey den gegenwärtigen Gesinnungen unserer Höfe. Haben Sie die Güte, mich auf das Baldigste von Ihrer Entschließung zu benachrichtigen und seyen Sie versichert, daß ich Alles was an mir liegt beytragen werde, um Ihren Aufenthalt angenehm zu machen. Der ich mich mit besonderer Hochschätzung unterzeichne Ew. Wohlgeboren ergebenster Diener

Goethe.[116]


6/1605.


An Charlotte von Stein

Ich bin zweymal durch deinen Hof gegangen ohne bey dir anfragen zu können. Sage mir wie du lebst? Mein Zahnweh ist leidlich doch hab ich mich bey Hofe entschuldigt. Weil es gar leicht erregt und arg wird. sage wie ist's Nachmittag und Abends. Gehst du an Hof? Ich mögte Lichtensteins wegen einen Augenblick hinauf.

d. 27. O. 82.

G.[79]


6/1606.


An Charlotte von Stein

Meiner L. einen guten Morgen zu sagen hat mich allerley, zuletzt der Jude Ephraim abgehalten.

Von ihm zu erzählen wird mir ein Spas seyn. Bald hab' ich das bedeutende der Judenheit zusammen. und habe grose Lust in meinem Roman auch einen Juden anzubringen. Adieu. ††† Hieroglyphe der Duchesse Mazarin.

d. 28. O. 82.

G.


6/1607.


An Charlotte von Stein

Ich dancke dir wie für alles Gute auch für das Bild mit der beständigsten lebhafftesten Liebe. Hier sind zwey Briefe. Den andern bring ich. Lebe wohl süses Herz und dencke an den deinigen. Diesen Abend will ich auch zur Cour.

d. 30. O. 82.

G.


6/1608.


An Charlotte von Stein

Versprechen macht noch keinen Besitz. Madame Basch mag es mit mir ausmachen denn ich habe dein Weibgen in meine Gewahrsam gebracht.

Bald komme ich dich zu suchen, und dir zu wiederhohlen was dir bekannt ist.

[80] Den Thee verleg ich auf den Sonnabend und lass es heute herumsagen.

d. 31ten O. 82.

G.


6/1609.


An Johann Heinrich Merck

[November.]

Was das Langensalzer Horn betrift, so wirst du aus dem Merkur die Zeit her näher gesehen haben weß Geistes Kind es ist und ich würde deinen Auftrag sogleich ausrichten, wenn ich nicht fürchtete dir selbst den Kauf zu verderben. Ich mag schreiben laßen durch wen ich will so merkt man daß es von hier kommt, glaubt daß es vor das Jenaische Cabinet soll und fordert nur mehr. Im Merkur wird so schon von Königen und Fürsten geschwäzt die es bezahlen sollen. Schreibe du lieber gerade zu dahin als bürgerlicher Liebhaber, so erhälst du vielleicht beßere Conditionen.

Reichert hat dir schon geantwortet, wie ich von ihm höre.

Coiter ist nicht auf der hiesigen Bibliothek, wenn er in Jena ist sollst du ihn haben.

Voigt ist auf dem Harz gewesen und hat recht artige Bemerkungen gemacht. Er giebt iezt sein Werkchen über das Fuldische heraus, und wenn du von deiner Seite hübsch fleißig bist, so werden wir bald zusammenrüken. Ich habe die Charpentierische mineralogische[81] Charte erweitern laßen, so daß sie nun vom Harze biß an den Fichtelberg, von dem Riesengebürge biß an die Rhön reicht, laß dir doch etwa nur eine Homannische Charte durchzeichnen und trage mit Charpentiers Zeichen darauf die Gebürgarten ein wie du sie erfährst. Es ist das sicherste Mittel bald Begriffe von dem Ganzen zu kriegen. Ich habe große Lust bald eine mineralogische Charte von ganz Europa zu veranstalten das man mit weniger Arbeit schon gegenwärtig im allgemeinen wird machen können.

Man läßt nur eine Anzahl Exemplare abdruken und kann, ie mehr man erfährt und zusammenträgt auf der Platte nachstechen laßen.

Der Abbé Giraud Soulavie hat eine artige Bemerkung gemacht. In den höchsten Kalchbergen, welche zugleich die untersten sind im mittägigen Frankreich, finden sich versteinerte Seethiere die gegenwärtig nicht mehr lebendig existiren. Das Gebürg das niedriger ist und auf dem vorigen aufliegt enthält Überreste von ienen zugleich aber auch von solchen deren Geschlechter noch fortdauern. Die dritte Gebürgsreihe welche auf der zweiten wieder aufliegt enthält allein Versteinerungen welche noch im Mittelländischen Meere leben. Es ist die Frage und wird bald zu untersuchen seyn ob dieses bey uns auch so ist. Es scheint nicht so, denn die blankenburger Marmore enthalten Ammonshörner wie der Ettersberg auch. Hat irgend von den Versteinerungsammlern etwa einer schon aus[82] diesem Gesichtspunkte die Sache betrachtet und etwas darüber geschrieben? Ich glaube kaum.

Ich sehe alle Tage mehr daß wir zwar werden auf Büffons Weege fortgehen aber von denen Epochen die er festsezt abweichen müßen. Die Sache wird, wie mir scheint, immer konplicirter.

Wegen des Granits, ob ich gleich überzeugt bin daß er die Basis unserer bekannten Oberfläche ist, werden wir aber doch wohl nachgeben und einen granit secondaire statuiren müßen. Es wird dieses zu vielen Discusionen Anlaß geben. Allein mir scheint als wenn auch dieses am Ende sich so schweer nicht lösen wird; wir sehen daß der aufgelöste Granit als Gneuß wieder zum festen Steine wird, warum sollte er aufgelöst nicht auch wieder als Granit zum zweytenmale zur Festigkeit gelangen. Wir finden welchen der mit den Säuren braußt; sollte dies nicht Granit der zweyten Zeit seyn? Was hältst du von der Idee, daß aus einem Granite, in dem Feldspat und Glimmer zum größten Theile verwittern, wenn ihn eine Auflösung von Eisen durchdränge und er sodann wieder in den Zustand der Versteinerung käme, daß daraus eine Art rothen Porphyrs entstehen müße.

Ich habe zu wenig Zeit zu lesen und weiß also nicht, was man über diese Sache schon gedrukt hat. Wenn ich aber hie und da in einem Journale sehe so scheint mir doch als wenn man mit allgemeinen und treffenden Ideen noch ziemlich zurüke sey.

[83] Die Harzer Wakke, welche mit dem Thonschiefer durchaus abwechselt macht iezt Voigten und mir viel Kopfbrechens. Auch davon sollst du mit Gelegenheit mehreres hören.

Zwischen Schweden und Norwegen ziehet sich ein wunderbarer hoher Gebürgsrüken, der durchgehends aus einem Gemenge von Quarz und Glimmer besteht. Beide Substanzen liegen nicht verwirrt unter einander, sondern in Schichten die von einer Linie biß zu einem Zoll dik werden und sich leicht von einander ablösen laßen, dabey findet man im Quarz allemal etwas weniges Glimmer im Glimmer hingegen allemal, obgleich wenig Quarz. Man mögte also wohl dieses eine besondere Art von Gneuß nennen. Auf tieferen Punkten besteht das Gebürge aus Granit. Noch eins von dem Granit sekondaire! Der Abbé Soulavie vermischt in seinem übrigens sehr schönen Buche offenbar mehrere Steinarten unter diesem Tittel, und beschreibt einige daß man ganz deutlich sehen kann es sey der Gneuß darunter zu verstehen. Dieser kann nun freylich auf dem Marmor aufliegen. Die übrigen Kennzeichen die er von seinem Granit sekondaire giebt sind mir nicht ganz deutlich. Wenn du etwas davon liesest oder findest laß es mir zukommen.

Der Herzog hat dir über Tischbeins Bild geschrieben, ich weiß zwar nicht was, aber so viel hab ich doch gemerkt, daß er ihm nicht ganz hat Gerechtigkeit wiederfahren laßen. Laß ia den iungen Künstler[84] nichts davon merken, denn so ein guter Mensch wird irre gemacht und weiß gar nicht woran er ist.


6/1610.


An Charlotte von Stein

[Anfang November.]

Von dem frühsten Morgen an habe ich dich bey mir gehabt und hoffe zu Mittage auf die Erfüllung dieses wachenden Traumes. Recht sehnlich erwarte ich dich und bin immer dein. An Wilhelm hab ich recht viel dicktirt, wenn ich so fortfahren könnte sollte dieses Buch in einer Woche fertig seyn. Lebe wohl. Ich war zu Hofe geladen habe aber abgesagt. Erfreue mich bald mit deiner Gegenwart.

G.


6/1611.


An Charlotte von Stein

Ich wünsche ein Wort von deiner Hand zu sehen, denn ich bin in einem Sonnabends Getreibe, damit ich erquickt werde.

Komm diesen Abend ia um fünfe und mache die Wirthinn da wo du es unsichtbar immer bist.

d. 2. Nov. 82.

G.[85]


6/1612.


An Charlotte von Stein

Wenn du um vier Uhr von deiner Mutter zurückkommst wirst du mich finden, der deiner mit Sehnsucht erwartet. Du gehst nicht an Hof, ich auch nicht, wir wollen schreiben und lesen und was der Himmel giebt. Lebe wohl du nimmer Abwesende. d. 3. Nov. 82.

G.


6/1613.


An Charlotte von Stein

Seit fünf Uhr da ich erwachte bin ich bey dir. Ich habe an Wilhelm dicktirt, das dritte Buch rundet sich es soll hoff ich balde fertig werden. Nachmittag bin ich bey dir und immer und ewig. Adieu.

d. 4. Nov. 82.

G.


6/1614.


An Charlotte von Stein

Heute sind es sieben Jahre daß ich herkam, mögte ich doch auch mit heute eine neue Epoche meines Lebens und Wesens anfangen wodurch ich dir immer gefälliger würde. Tausend Gedancken gehen zu und von dir. O meine Geliebte die Schicksale der Menschen sind wunderlich.

Hier schick ich dir die Weltkarte die du einige Zeit vermissest, es ist kein Pläzgen drauf gezeichnet oder[86] drinn enthalten wo ich nicht dein mit Liebe und Treue gedencken würde. Lebe wohl und sey und bleibe mir was du bist alles und alles. d. 7. Nov. 82.

G.

Heute Abend erwarte ich dich.

Soll ich etwa die Gräfinn und Boden einladen daß ich auch diese mit guter Art bewirthe.[87]


6/1614a.


An Carl Christian von Herda

Hochwohlgebohrner

insonders hochzuehrender Herr

Als Ew. Hochwohlgeb. gefälliges Schreiben bey mir einlief, war man eben Fürstl. Kammer mit den Aufschlägen beyder allenfalls zu verkaufender Güter Osmannstädt und Neumark fertig geworden. Derienige dem diese Arbeit übertragen war, glaubte zwar, indem er sie, wie sie hier beyliegen, ausarbeitete, seiner Pflicht gemäs zu handeln; allein man fand doch bey näherer Durchsicht mehrerer Pertinenzien die er zu hoch angeschlagen. Sie sollen also gegenwärtig sowohl als die beygefügte Beantwortung der von dem Herrn von Riedesel aufgesetzten Punkten, vorzüglich dazu dienen, um die Kauflustige von der wahren Beschaffenheit beyder Güter auf das genauste zu unterrichten. Dagegen will man eine weit gemäßigtere und dem Ertrage zu 4 p. C. sich näherende Forderung thun, und zwar für das Gut Osmannstädt 45000 Thaler und für das Gut Neumark 40000 Thaler verlangen. Man hofft daß die Herren Käufer bey näherer Erkundigung sich überzeugen werden, daß diese Forderungen in der Art seyen, daß darauf ein beyden Theilen vortheilhafter Handel geschloßen werden könne. Sollte es dem Herrn von Riedesel wichtig seyn, gedachte Güter, welche eigentlich bisher[25] Mannlehn gewesen, als Sohn und Tochter-Lehn zu besizen, so würde man wegen der Veränderung der Lehnsqualität sich noch besonders vergleichen können. Haben Ew. Hochwohlgeb. die Güte dieses Geschäft sich zu weiterer Beförderung angelegen seyn zu laßen und mir gelegentlich von dem Erfolge einige gefällige Nachricht zu ertheilen. Der ich mich mit vollkommener Hochachtung unterzeichne

Ew. Hochwohlgeb.

gehorsamer Diener

Weimar den 7 Nov. 1782.

J. W. Goethe.[26]


6/1615.


An Charlotte von Stein

Heute hab ich dir schon lange im Stillen für deine Liebe und Treue gedanckt, ich stieg eine Stunde früher auf als gewöhnlich und werde es so fortsetzen. Mein Wilhelm läuft zum Ende seines dritten Buchs. Wenn ich schreibe dencke ich es sey auch dir zur Freude. Lebe wohl fürchte das achte Jahr nicht und keine bestimmte noch unbestimmte Zeit. Lebe wohl und liebe mich wie gestern und immer.

d. 8. Nov. 82.

G.


6/1616.


An Charlotte von Stein

Da die Ausstellung um 9 Uhr seyn soll kann ich meine Lotte vorher nicht sehen. Sage mir wie du geschlafen hast und wohin sich das Angesicht deines Tages wendet? Was deine Füse machen und dein[87] Kopf. Lebe wohl, nach Tische seh ich dich, und finde dich wie immer. d. 8. Nov. 82.

G.

Diedens gehn nach Italien, gestern Abend fand ich einen Brief von ihm.


6/1617.


An Charlotte von Stein

Mir ists wohl wie dirs besser wird. Ruhe dich ia aus und pflege dein auch um meintwillen. Mattei wird bey mir essen.

Nach Tische suche ich dich. Lebe wohl bis dahin. Wilhelm ist wieder um ein Capitel geruckt.

d. 9. Nov. 82.

G.


6/1618.


An Charlotte von Stein

Willst du mir L. Lotte auch nur mit einem Worte Verzeihung meiner gestrigen Unart gewähren? Es ist mir unerträglich dir auch nur im geringsten eine unangenehme Empfindung zu machen. Du gehst also nach Hofe. Ich komme vorher. Wir fahren zusammen. Adieu geliebteste. Wilhelm ruckt.

d. 10. Nov. 82.

G.


6/1619.


An Charlotte von Stein

Nachdem ich heute früh das dritte Buch meines Wilhelms glücklich beschlossen grüse ich dich meine Liebe,[88] mit der Versichrung daß meine größte Freude dabey ist, es dir vorzulesen und deinen Beyfall zu haben. Diesen Abend sehen wir uns, auch noch früher hoffe ich. Diesen Nachmittag muß ich spazieren. Zu Tische kommt der Magus. Morgen Abend hab ich Fritschens. Adieu. Du hast mich immer.

d. 12 Nov.

G.


6/1620.


An Charlotte von Stein

Gar sehr wünsche ich ein Wort von dir zu sehn. Gestern Abend ward mir's auf einmal gar wehe daß ich weg mußte. Der Schlaf hat alles fortgenommen. Nur brauch ich deine Liebe täglich mehr um den bösen Geistern zu widerstehn die mich anfallen. Adieu beste.

d. 13. Nov. 82.

G.


6/1621.


An Charlotte von Stein

Laß mir nur eine Zeile von deiner Hand sehen, eher geht mein Tag nicht an. Gieb mir ein Zeichen dessen woran ich nicht zweifle. Mein ganzes Wesen ist an dich geknüpft. Liebste Lotte gehst du zu der Titanischen Arbeit? Leb wohl und sage mir ob du wohl bist.

d. 14. Nov. 82.

G.[89]


6/1622.


An Charlotte von Stein

Ich bleibe zu Hause und erwarte dich einzige unter vielen heut Abend. Meine Seele neigt sich zur Einsamkeit, und mein Herz empfielt sich dem deinigen.

d. 16. Nov. 82.

G.


6/1623.


An Charlotte von Stein

Dein Anblick, eine Zeile von dir ist mir so anziehend. Das einzige was mir noch recht anziehend ist. Ich mögte zu dir daß du mir's recht ansehen könntest wie ich dich liebe. Danck für dein Mitleiden. dein mit mir Leiden und verzeih mir und liebe mich.

d. 17. N. 82.

G.

Schicke mir doch Fritzen nach Tische.


6/1624.


An Charlotte von Stein

Frühe hab ich, zwar nicht vor Tag doch mit dem Tage meine erste Wallfahrt gemacht. Unter deinen Fenstern grüst ich dich und ging nach deinem Steine. Er ist ietzt der einzige lichte Punckt in meinem Garten. Die schönen Trähnen des Himmels rollten an ihm herunter, es soll hoff ich nichts zu bedeuten haben.

[90] Ich strich um mein verlassen Häusgen, wie Melusine um das ihrige wohin sie nicht zurückkehren sollte, und dachte an die Vergangenheit von der ich nichts verstehe, und an die Zukunft von der ich nichts weis. Wie viel hab ich verlohren da ich ienen stillen Aufenthalt verlassen muste! Es war der zweyte Faden der mich hielt, ietzt hänge ich ganz allein an dir, und Gott sey Danck ist dies der stärckste. Seit einigen Tagen seh ich die Briefe durch die an mich seit zehen Jahren geschrieben worden, und begreife immer weniger was ich bin und was ich soll.

Bleibe mir l. Lotte du bist mein Ancker zwischen diesen Klippen.

Was es auch sey, so fühl ich ein unendliches Bedürfniß einsam zu seyn. Unter einem Vorwande daß ich nicht wohl sey will ich mich vom Hof und Conseil entschuldigen, zu Hause bleiben, alte Schulden abthun und mein Haus bestellen. Da Hufland selbst kranck ist kann ich es desto eher thun. Dazu muß ich aber auch deinen Urlaub haben, versage mir ihn nicht.

Schach wird meinen Morgengrus gebracht haben. Wie freut ich mich iemand von dir zu sehn, und nun grüse ich dich mit der herzlichsten Zärtlichkeit. Adieu.

d. 17. Nov. 82.

G.


So weit war ich als ich dein liebes Zettelgen erhielt. Tausend Danck. Was soll ich darauf sagen?[91] Liebe Lotte wenn du aus der Kirche kommst laß mich noch ein Paar Zeilen von dir sehen. Du einzige unaussprechlich Geliebte.


6/1625.


An Friedrich Heinrich Jacobi

Tausend Dank für deinen Brief, er hat mir Freude gebracht und wird mir auch Segen bringen. Ich kann dir wenig sagen darum schick ich dir Iphigenien nicht als Werk, oder Erfüllung iener alten Hoffnungen werth, sondern daß sich mein Geist mit dem deinigen unterhalte, wie mir das Stück mitten unter kümmerlichen Zerstreuungen, vier Wochen eine stille Unterhaltung mit höheren Wesens war. Möge das fremde Gewand und die ungewohnte Sprache dir nicht zuwieder seyn und die Gestalt dir anmuthig werden.

Grüße die Deinigen und erhalte dich ihnen. Von meiner Lage darf ich nichts melden. Auch hier bleibe ich meinem alten Schicksale geweiht und leide wo andere genießen, genieße wo sie leiden. Ich habe unsäglich ausgestanden, und freue mich herzlich daß du mit Vertrauen nach mir hinsiehst. Laß mich ein Gleichniß brauchen. Wenn du eine glühende Masse Eisen auf dem Heerde siehst, so denkst du nicht daß soviel Schlacken drinn stecken als sich erst offenbaren wenn es unter den großen Hammer kommt. Dann[92] scheidet sich der Unrath den das Feuer selbst nicht absonderte und fließt und stiebt in glühenden Tropfen und Funken davon und das gediegne Erz bleibt dem Arbeiter in der Zange.

Es scheint als wenn es eines so gewaltigen Hammers bedurft habe um meine Natur von den vielen Schlacken zu befreyen, und mein Herz gediegen zu machen.

Und wieviel, wieviel Unart weis sich auch noch da zu verstecken.

Lebe wohl. Schicke mir das Stück, wenn du es gelesen, wieder.

Von der Fürstinn habe ich wie du denken kannst viel gehört, doch bleibt meine Idee von ihr ganz unbestimmt. Hast du nicht einen Schattenrieß von ihr. Lebe wohl.

Weimar d. 17ten Novbr. 1782.

G.


6/1626.


An Charlotte von Stein

Hier schick ich einen Brief an Jakobi den ich morgen absende und komme nach. Die Einsamkeit ist mir süs, dich nicht zu sehen unerträglich. Unmöglich wenn ich dich so nah fühle. Dein Fritz hat mir sehr wohl gethan. Adieu Geliebte. Wenn du mir nichts sagen lässest nehm ich's als ein Zeichen daß ich kommen darf und kann. d. 17. Nov. 82

zum drittenmal

dein G.[93]


6/1627.


An Charlotte von Stein

Wie anders steh ich heut auf als gestern, die lebendige Gegenwart deiner süsen Liebe macht mich auch wieder lebendig. Laß mich diesen Tag wieder in der Stille zu bringen um Abends dein zu seyn. Schicke mir den Aberli in einem Portefeuille, auch die Brücke von mir auf blau Papier. Lebe wohl! Ich krable allerley, das dir auch mit der Zeit zur Freude werden soll.

d. 18. Nov. 82.

G.


6/1628.


An Charlotte von Stein

Wie befindet sich meine Lotte? mir will heute nichts von statten gehen. Ich werde spazieren laufen müssen.

Sag mir von dir und von deinem Tage, du liebes Glück, du Ende und Anfang meiner Zeit.

d. 19. Nov. 82.

G.


6/1629.


An Charlotte von Stein

Guten Morgen meine Gute! Eben war ich im Begriff dir zu schreiben und dir ein Stück Kuchen zu schicken. Laß dir es gut schmecken. Ich liebe dich unendlich. Wenn du im Thore nicht gemeldet seyn[94] willst, ist das sicherste du steigst an der Stern Brücke aus und ein. Bestelle dorthin den Wagen, ich hohle dich ab.

Sonst gehts nicht man müste es dem Thorschreiber verbieten, und das sieht Kurios aus. Adieu.

d. 20. Nov. 82.

G.


6/1630.


An Charlotte von Stein

Seit dem frühsten Morgen bin ich bey dir. Mich kann nun Leben und Todt, Dichtung und Acktenlesen nicht von dir trennen. Der Schnee kommt mir erwünscht er bringt mir die vorigen Winterzeiten ins Gedächtniß und manche Scene deiner Freundlichkeit. Lebe wohl du süser Traum meines Lebens, du Schlaftrunck meiner Leiden. Morgen ist Thee bey mir.

d. 21. Nov. 82.

G.


Sag mir deinen Tag.


6/1631.


An Carl Ludwig von Knebel

Ich bedaure sehr deinen Zustand, es ist gar Übel ganz allein zu seyn, und selbst die Gegenwart deiner guten Schwester macht dich noch einsamer. Wie traurig ist's seine Freunde so zu sehen, da fühlt man erst wie ohnmächtig man ist.

Seit einiger Zeit lebe ich sehr glücklich. Ich komme[95] fast nicht aus dem Hause, versehe meine Arbeiten und schreibe in guten Stunden die Mährgen auf die ich mir selbst zu erzählen von ieher gewohnt bin. Du sollst bald die drey ersten Bücher der Theatralischen Sendung haben. Sie werden abgeschrieben.

Meinen Werther hab ich durchgegangen und lasse ihn wieder ins Manuscript schreiben, er kehrt in seiner Mutter Leib zurück du sollst ihn nach seiner Wiedergeburt sehen. Da ich sehr gesammelt bin, so fühle ich mich zu so einer delikaten und gefährlichen Arbeit geschickt.

Alle Briefe an mich seit 72, und viele Papiere iener Zeiten, lagen bey mir in Päcken ziemlich ordentlich gebunden, ich sondre sie ab und lasse sie heften. Welch ein Anblick! mir wirds doch manchmal heis dabey. Aber ich lasse nicht ab, ich will diese zehn Jahre vor mir liegen sehen wie ein langes durchwandertes Thal vom Hügel gesehn wird.

Meine iezige Stimmung macht diese Operation erträglich und möglich. Ich seh es als einen Winck des Schicksaals an. Auf alle Weise machts Epoche in mir.

Ich sehe fast niemand, ausser wer mich in Geschäfften zu sprechen hat, ich habe mein politisches und gesellschafftliches Leben ganz von meinem moralischen und poetischen getrennt (äusserlich versteht sich) und so befinde ich mich am besten. Alle Woche gebe ich einen grosen Thee wovon niemand[96] ausgeschlossen ist, und entleidige mich dadurch meiner Pflichten gegen die Sozietät auf's wohlfeilste. Meine vielen Arbeiten von denen ich dem Publiko noch einen gröseren Begriff erlaube, entschuldigen mich daß ich zu niemand komme. Abends bin ich bey der Stein und habe nichts verborgnes vor ihr. Die Herzoginn Mutter seh ich manchmal u.s.w.

Der Herzog hat seine Existenz im Hezen und Jagen. Der Schlendrian der Geschäffte geht ordentlich, er nimmt einen willigen und leidlichen Theil dran, und läßt sich hie und da ein Gutes angelegen seyn, pflanzt und reißt aus pp. Die Herzoginn ist stille lebt das Hofleben beyde seh ich selten.

Und so fange ich an mir selber wieder zu leben, und mich wieder zu erkennen. Der Wahn, die schönen Körner die in meinem und meiner Freunde daseyn reifen, müssten auf diesen Boden gesät, und iene himmlische Juwelen könnten in die irdischen Kronen dieser Fürsten gefaßt werden, hat mich ganz verlassen und ich finde mein iugendliches Glück wiederhergestellt. Wie ich mir in meinem Väterlichen Hause nicht einfallen lies die Erscheinungen der Geister und die iuristische Praxin zu verbinden eben so getrennt laß ich iezt den Geheimderath und mein andres selbst, ohne das ein Geh. R. sehr gut bestehen kann. Nur im innersten meiner Plane und Vorsäze, und unternehmungen bleib ich mir geheimnißvoll selbst getreu und knüpfe so wieder mein gesellschafftliches, politisches,[97] moralisches und poetisches Leben in einen verborgenen Knoten zusammen. Sapienti sat.

Ich sage dir viel von mir, weil du mich liebst, und es magst und um dich zum gleichen einzuladen.

Die Cosmogonie und die neusten Entdeckungen darüber, die Mineralogie, und neustens der Beruf mich der Oekonomie zu nähern, die ganze Naturgeschichte, umgiebt mich wie Bakons groses Salomonisches Haus, worüber sich Herder und Nikolai streiten. Lebe wohl. Oeser war hier. Ich lerne ihn erst recht kennen. Ein Mann voll Geschmack und Geist und stiller Künstler und Weltmanns Klugheit.

Wenn der grose Stein in seinem Glanze steht und seine Bestimmung offenbaar ist sollst du eine Zeichnung davon haben.

Lebe wohl. Wenn du nicht eher wiederkommen willst, biß Harmonie im Ganzen ist, und du eine Uniform nicht für Harmonie nehmen kannst; so werd ich dich ewig entbehren müssen. Adieu, Guter.

d. 21. Nov. 82.

G.


6/1632.


An Charlotte von Stein

Hier schicke ich das Tiefurter Journal und einen schönen Morgengrus.

Du gehst wohl heute zu Vossens ich will auch hinkommen. Sage mir ein Wort eh du in die Akademie gehst. Laß mich den Athem deiner Liebe aus[98] einem Blättgen ahnden. Heut fand ich einen alten Vers:

Bin so in Lieb zu ihr versuncken

Als hätt ich von ihrem Blut getruncken.

d. 23. Nov. 82.

G.


6/1633.


An Charlotte von Stein

Hier allerley meine Lotte. Altes und neues. Du immer neue.

d. 24. Nov. 82.

G.


6/1634.


An Charlotte von Stein

Sage mir Liebste wie du lebst damit ich auch wieder lebe. Und ob du diesen Abend bey der Kleinen bist.

Gieb Überbringern die Abnahme vom Kreutz von Raphael.

Und den Brief an Plessig.

Möge ich doch gute Nachricht von dir hören!

d. 25. Nov. 82.

G.


6/1635.


An Charlotte von Stein

Sage mir Lotte wie du dich befindest ich habe die ganze Nacht von dir geträumt. Nach Tische muß ich[99] dich sehn es wird mir schon weh auf heut Abend. Adieu beste. Wenn dir nur wohl ist.

d. 26. Nov. 82.

G.


6/1636.


An Charlotte von Stein

Hier liebe Lotte der armen la Roche Brief, sie iammert mich sehr. Sage mir daß du mich liebst, auf daß ich eigner und fremder Noth Vergesse. Heute gehst du zur Herzoginn du wirst mich wohl nachziehen.

Morgen komme zu mir mit der kleinen, in meine kleinen Zimmer. Adieu Geliebteste.

d. 27. Nov. 82.

G.


6/1637.


An Johann August von Kalb

Möge das Glück, das sich dir unter einer so reitzenden Gestalt zeigt, recht vollkommen und beständig seyn, und diese Verbindung durch ihre Dauer und alles was sie begleitet dir iene Schmerzen der vorigen vergessen machen. Ich danke dir daß du mir durch die frühzeitige Nachricht einen Anteil daran gönnen willst.

Durchl. dem Herzoge habe ich den eingeschlossenen Brief sogleich übergeben. Du wirst mich Herrn v. Stein und seiner Frau Gemahlin empfehlen.

Weimar d. 27. Nov. 1782.

Goethe.[100]


6/1637a.


An Johann Jacob Griesbach?

Hochwürdiger

Insonders Hochgeehrtester Herr,

Auf Ew. Hochwürden eingegangenes Schreiben habe sogleich die Verfügung getroffen daß gegen Weynachten die nötigen Anweisungen wegen der bewilligten 1200 rh., wie sonst auch geschehen, an die Behörden ergehen werden.

Vielleicht habe ich bald das Glück Sie in Jena aufzusuchen und über die Bestimmung der unteren Säle des Schloßes näher zu sprechen. Es wird mir sehr angenehm seyn H. Magister Lenz wieder völlig eingerichtet zu finden.

Mit der vollkommensten Hochachtung unterschreibe ich mich

Ew. Hochwürden

gehorsamster Diener

Weimar d. 27 Nov. 82.

Goethe.[14]


6/1638.


An Charlotte von Stein

Obermarschalls lassen auf heute Abend einladen. Wie machst du es? Gehn wir zum erstenmale hin und verlegen unsern stillen Thee? Ich will nur seyn wo du bist denn da ist mein Himmel. Frage Steinen ob er mir um 2 Uhr will den Schlitten schicken; so will ich ein Stündgen fahren. Sag es Fritzen. Und bleibe mir. Adieu Adieu. d. 28. Nov. 82.

G.


6/1639.


An Charlotte von Stein

Zwar werd ich dich balde sehen, denn vor zehen komm ich, doch wünsch ich noch ein Wort von dir vor her der ich mit Herz Leib und Seele dein eigen bin. d. 29. Nov. 82.

G.


6/1640.


An Charlotte von Stein

[Ende November.]

Es ist kaum zwey Uhr und ich habe schon Tentation mich anzuziehen. Du lieber Magnet. Recht schön und artig wäre das Loos, wenn es dich mir gäbe. Ich will Steinen ersuchen daß er mich Morgen Schlitten und Pferd probiren lässt. Adieu. M. L.

G.[101]


6/1641.


An Charlotte von Stein

[November oder December.]

Es that mir weh dich heute so zu finden, und ich freute mich herzlich dich nach und nach aufthauen zu sehn. Mögte doch meine Liebe die Übel wegnehmen können, deren Empfindung sie dir erleichtert. Adieu. Wenn der Herzog kommt so soll mein Götze gleich herspringen und es mir sagen so bin ich alsdenn gleich da.

G.


6/1642.


An Charlotte von Stein

Wenn ich soviel an meinen Wilhelm als an dich dächte so wäre der Roman bald fertig. Aber es ist ein andrer Roman der meinem Herzen näher ist. Ich bin zur Tafel gebeten, will hinauf gehen, Vorher dich einen Augenblick sehn und den Abend dir leben. Zwar leb ich dir gegenwärtig und abwesend schlafend und wachend.

d. 1. Dez. 1782.

Eben kommt dein Briefgen. Um vier Uhr bin ich bey dir mach indessen was du willst, oder wenn du bey deiner Mutter etwa bis fünfe bleiben magst; so will ich zu Obermarschalls und Oertels gehn und dich bey der Mutter abhohlen. Und wir fahren zusammen nach hause. Ich spreche dich noch.

G.[102]


6/1643.


An Charlotte von Stein

[2. oder 3. December.]

Der Herzog hat mir ein Paar Stunden weggenommen. Ich habe so viel zu thun daß ich zu Hause bleiben und Abends um achte bey dir seyn will. Ich soll bey der Schlittenfahrt seyn, wenn ich einen herrschafftlichen Schlitten haben kan will ich gerne. Werden die Damen gelost? oder wie? Oder wirst und kannst du dich mir anvertrauen.


6/1644.


An Charlotte von Stein

[4. December.]

Sag mir noch einmal was das Loos über uns bestimmt hat. Ich glaube es wäre besser wenn ich mich bey dem Winde ganz in der Stube hielte, doch lockt mich die Fahrt mit dir, und das Verlangen mit dir zu seyn.

Hier hast du das Landschäfftgen für die kleine durch deine Hand wirds ihr gewiss noch lieber. Adieu und sag mir was ich weis und nicht weis.

G.


6/1645.


An Charlotte von Stein

Schon seit dem frühsten Morgen bin ich bey dir. Mir ist recht wohl und munter ich habe schon allerley[103] weggearbeitet. Nach Tische komm ich zu dir und erwarte deinen Beytrag zu meinem Mittagmahl. Laß uns einander zur Freude leben und nicht zu weise werden.

d. 5. Dez. 82.

G.


6/1646.


An Charlotte von Stein

Heute bleibe ich zu Hause und hoffe meine Geliebte zu sehen. Könnte sie um vier Uhr kommen so lies ich es der kleinen sagen daß wir doch ein Stündgen für uns hätten.

Adieu! Noch fürchte ich du seyst an Hof gebeten, wenn das ist; so komme ich nach Tisch.

d. 6. Dez. 82.

G.


6/1647.


An Charlotte von Stein

Sag mir mit einem Worte wie du geschlafen hast und ob dein Kopfweh ganz vorüber ist. Dein Wohl ist mein Wohl und dein Leiden das meine. Adieu Liebste, einzige. Ich sehe dich bald. d. 8. Dez. 82.

G.


6/1648.


An Charlotte von Stein

Wie erquickst du mich Beste durch iedes Wort was aus deinem Munde geht, das mir nothwendiger als Brod ist. Hier schick ich dir das verlangte. Nach[104] Tische komm ich selbst. Der Herzog liegt mir an ich soll auf acht Tage mit ihm verreisen. Was sagst du dazu? Mich hält nur deine Liebe. Meine andern Sachen haben Raum. Fast mögt ich wünschen einmal durch fremde Lufft durchzugehen, und kann mich doch nicht von dir getrennt dencken. Lebe wohl. Diesen Nachmittag mehr.

d. 8. Dez. 82.

G.


Aus dem Stücke Kreide können mit Vortheile viele geschnitten werden.


6/1649.


An Charlotte von Stein

Ich warte schon seit zwey Stunden auf deiner Schwägerinn Antwort. Wahrscheinlich weil ihre Hofmeisterinn zurück ist darf das Kind nichts ohne Erlaubniß thun. Sobald ich sie habe erfährst dus. Die ganze Nacht habe ich von dir geträumt, es wird dir lustig seyn wenn ich dirs erzähle und bin den Abend dein hier oder dort. d. 9. Dez. 82.

G.


6/1650.


An Charlotte von Stein

[9. December.]

Die kleine kommt um 5 Uhr. Nach Tische muß ich spazieren laufen und dann besuch ich dich. Stein kommt doch auch zum Essen.

G.[105]


6/1651.


An Charlotte von Stein

Liebste Lotte. Ich kann dir nicht helfen um acht uhr komme ich und klopfe an deiner Thüre, wenigstens noch deine Stimme zu hören. Wenn ich es noch zu thun hätte ich ginge nicht weg, wie leer und kalt ist es in der Welt draussen wie voll und warm bey dir. d. 11. Dez. 82.

G.


6/1652.


An Charlotte von Stein

[Erfurt, 11. December.]

Von langer weile in der Gesellschafft, von Kälte in meiner Stube erbärmlich gequält schreibe ich dir nur diese Worte.

Der Stadthalter bittet mich die Comödie Freytags mit anzusehen.

Morgen Donnerstags will ich mit dem Herzog auf Neunheiligen fahren und Freytag wieder hier seyn.

Sonnabends bin ich zur rechten Zeit bey dir um mit nach Ketschau zu gehn. Eigentlich bin ich nirgends wenn ich nicht bey dir bin, und wünschte ich hätte nichts versprochen und könnte morgen schon wieder bey dir seyn. Die Feder ist abscheulich, ich mag sie nicht zum Dolmetscher meiner Liebe brauchen. Lebe wohl allerbeste iemehr ich Menschen und Frauen sehe desto lieber wirst du mir.

Erfurt. Mittwoch Abends.

G.[106]


6/1653.


An Charlotte von Stein

Neunheiligen Donnerstags d. [12.] Dezember 82

Abends 10.

Wie ängstlich es mir gegen acht Uhr diesen Abend ward kann ich dir nicht ausdrucken. Nun wartet sie auf mich dacht ich und du bist 16 Stunden weit von ihr und der Schnee der zwischen uns liegt schien mir unendlich.

Morgen früh eil' ich auf Erfurth. Diesen Brief und Grus sollst du hoff ich erhalten. Freytag Abends, ich komme erst in der Nacht.

Adieu. Ach du wartest wohl noch in diesem Augenblicke! Liebe Liebe Lotte wie sehn ich mich zu dir und freue mich auf Sonnabend. Ich bin ganz auf dich beschränkt. Lebe tausendmal wohl.

G.


6/1654.


An Charlotte von Stein

Liebste liebe sag mir ein Wort daß du mich liebst daß du mir mein Aussenbleiben verzeihst. Ich bin balde bey dir. Wie wird es mit unsrer heutigen Fahrt? Hier ein Brief den ich dir noch schrieb. Dancke für das liebe Zettelgen zum Empfang. Adieu ich habe dich immer mit mir herumgetragen. d. 14. Dez. 82.

G.[107]


6/1655.


An Charlotte von Stein

Einige Tage später wären mir diese Blumen willkommner gewesen, ich hätte sie dir zum Geburtstage geschickt. Nimm sie voraus die du mir so viele Blumen im Leben aufwachsen lässest. Ich will mein Essen zu dir bringen lassen daß ich in deiner Gegenwart mich doppelt sättige. Lebe wohl und bleibe mir.

d. 15. Dez. 82.

G.


6/1656.


An Charlotte von Stein

Sage mir vor allen Dingen wie du dich befindest, ob es besser mit dir ist? ich kann dir nicht sagen wie sehr ich um dich besorgt bin. Wie sehr ich um dich leide. Du gehst doch heute Abend in Gesellschafft? Ich muß fleisig seyn, und komme gegen Abend dich zu nehmen.

d. 16. Dez. 82.

G.


6/1657.


An Charlotte von Stein

Mir ist ganz wohl geworden, und heute früh habe ich mich nur um deinetwillen angezogen. Recht gerne erwarte ich euch heute und will es der kleinen sagen lassen. d.

Doch fällt mir den Augenblick ein da der Herzog[108] nicht wohl ist wäre es gut wenn ich ihn fragen liese ob ich ihm und seiner Gemahlinn wenn nichts bey Hofe ist heute Abend vorlesen solle. Du findest Mittags Antwort. d. 18. Dez. 82.

G.


6/1658.


An Charlotte von Stein

Zu Obermarschalls bin ich gebeten ich sagte gleich zu, weil ich hoffte sie würden so artig seyn wie es auch eintritt. Ich komme zu dir dich abzuhohlen. Wir wollen morgen nach Erfurth. Es graut mir vor meinem Thee. Leb wohl. Ich bin immer dein und deiner.

d. 19. Dez. 82.

G.[109]


6/1658a.


An Adam Friedrich Oeser

Künftigen Dienstag d. 24ten habe ich das Vergnügen Sie zu sehen, und will mich einrichten daß ich die Feyertage in Leipzig bleiben kann. Meine Absicht ist, wie Sie leicht denken, Ihnen auf alle Weise beschwerlich zu seyn. Ich melde es voraus damit Sie Zeit haben Sich in Ihr Schicksal zu ergeben. Leben Sie recht wohl. Mir hätte kein angenehmerer Heiliger Christ bescheert werden können.

Weimar d. 19ten Dez. 82.

Goethe.[26]


6/1659.


An Charlotte von Stein

Leipzig Christabend 82.

Liebste Lotte ich bin wieder hier der Herzog geht die Nacht und ich bleibe. Kaum bleibt mir noch ein Augenblick dir zu schreiben und dir zu sagen wie ich dich vermisse. Wenn mir diese Reise nichts nützt so lässt sie mich den Werth einer Stunde mit dir doppelt und dreyfach fühlen. Den ersten Reise Tag hatte ich Zahnweh, in Dessau wenig guts und viel Langweile, der Fürst begleitete uns heute noch eine Stunde, das war der interessanteste Augenblick. Es ist ein[109] trefflicher Mensch, es hat eine wunderliche Scene gegeben die ich dir erzählen will. Du gute, du einziger Ancker meines Wesens, wie freue ich mich dich wieder zu sehen. Einen Brief von dir habe ich nicht gefunden er wird erst Morgen ankommen die Weege sind gar erschröcklich.

Der Herzog geht ab, es regnet und ich sage dir Adieu. Es wird mir hier nicht wohl werden, ich fühl es schon. Mein Herz ist zusammengezogen mein Geist ist enge. O liebe Lotte wenn ich dich nicht hätte ich ging in die weite Welt. Adieu. Ich komme bald behalte mich recht im Herzen. Ich bringe dir eine Kleinigkeit mit die dich freuen wird. Grüse Steinen und die Kinder. Ich lebe nur in dir, die übrige Welt will nicht an mir hafften. Nochmals Adieu ich kann nicht von dir kommen.

Weimar d. Christabend.

G.


Lache mich doch aus. Ich bin so zerstreut, habe den Kopf so wüste, der Herzog und Oeser schwäzen und ich unterschreibe den Ort wohin ich schreibe. Adieu. Gott erhalte dich.


6/1660.


An Charlotte von Stein

[Leipzig] den ersten Christtag Abends.

Ich habe meine Zeit heute recht sehr vergnügt zugebracht nur unterbrochen durch die Nachricht daß du[110] nicht wohl bist. Wie erfreulich war mir der Anblick deines Briefs, wie traurig der Inhalt. Laß mich dich wieder wohl finden und schone dich.

Wie süs ist es mit einem richtigen, verständigen, klugen Menschen umgehn, der weis wie es auf der Welt aussieht und was er will, und der um dieses Lebens anmutig zu geniesen keine superlunarische Aufschwünge nötig hat, sondern in dem reinen Kreise sittlicher und sinnlicher Reitze lebt. Dencke dir hinzu daß der Mann ein Künstler ist, hervorbringen, nachahmen und die Wercke andrer doppelt und dreyfach geniesen kann; so wirst du wohl nicht einen glücklichern dencken können. So ist Oeser und was müsste ich dir nicht sagen wenn ich sagen wollte was er ist. Wir haben ein Portefeuille aus Winckers Kabinet zusammen durchgesehen. Bey iedem Blat habe ich dich herbeygewünscht, immer eins köstlicher als das andre.


den dritten Feyertag frühe.

Es geht mir wohl und mein hiesiger Aufenthalt thut die gehoffte Würckung. Viele und merckwürdige Verhältnisse sind in dieses Städtgen eingesperrt und ich mache mich damit bekannt. Alles neue Figuren wohin ich sehe und niemand der mich näher angeht oder auf irgend eine Weise an mein innerstes rührt. Gestern as ich beym Commandanten Grafen Vitzthum in einer sehr bunten Gesellschafft, du sollst viele Schilderungen hören. Das Tableau hat nichts auserordentliches[111] aber viel guts. Gestern Abend war ich bey Bause wo sich auch eine Menge Menschen einfanden die ich auch auf die Täflein meines Geistes aufgezeichnet habe.

An Gemählden und Zeichnungen sehe ich was mein Herz erfreut. Bey Bausen spielten die Frauens und Mädgens schön Klavier besonders eine Mad. Neumann aus Dresden und Bausens ältste Tochter die besonders schön ist.

Heute Abend ist Ball wozu ich eingeladen bin. Es werden viele Menschen drauf seyn und ich will die Liste davon mitbringen.

Seit 69 da ich von hier wegging bin ich nie über ein paar Tage hier gewesen, auch hab ich nur meine alte Bekannte besucht und Leipzig war mir immer so eng wie iene erste Jahre. Diesmal mache ich mich mit der Stadt auf meine neue Weise bekannt und es ist mir eine neue kleine Welt.

Daß der weise Mambres tiefe Betrachtungen über sich und andre dabey macht ist leicht zu dencken.

Wann ich wieder abgehe weis ich nicht. Ich will den Kreis auslaufen, und wenn das Lied von vorne angeht empfehle ich mich.

Adieu meine innig Geliebte zu der ich immer meine Gedancken wende auf die ich alles beziehe. Wie du mir gegenwärtig alles bist so bist du es auch in der Abwesenheit. Lebe wohl. Grüse den Herzog. Es sollte mich wundern wenn er dir nichts[112] von iener Scene erzählt von der ich neulich schrieb. Laß dich aber nichts mercken. Allenfalls kannst du fragen: wie ich gewesen sey und hören. Adieu. Ich will mich nun umsehn und diesen Morgen noch viele Leute besuchen.

G.


Sonnabenbs d. 28. Dez. 82.

Der Tag wäre nun auch vorbey, er hat mich unterhalten. Bis man sich durch soviel neue Gesichter durchguckt und ihnen eine Idee abgewinnt. Es waren ohngefähr 180 Personen zugegen, schöne Gesichtgen mit unter und gefällige Menschen. Was sich der Mensch kümmerlich durch Stufen hinauf arbeiten muß! Ich dachte gestern warum hast du nun die Menschen vor 15 Jahren nicht so gesehen wie du sie ietzt siehst? Und es ist doch nichts natürlicher als daß sie sind was sie sind. Meine Gedancken waren immer bey dir und ich wiederhole dir immer: iemehr ich Menschen sehe desto mehr bin ich dein. Noch einige Tage bleib ich hier auch um deintwillen, denn ich war zuletzt unleidlich, es wollte gar nicht mehr fort. Wenn ich nicht immer neue Ideen zu bearbeiten habe werde ich wie kranck. Wie lieblich mich deine Liebe und Freundschafft begleitet kann ich dir nicht ausdrucken. Wenn ich nur alles Gute mit dir theilen könnte. Zwey Landschafften habe ich gesehen eine von Everdingen die andre von Ruisdal beyde gezeichnet, von der grösten Schönheit. Wie köstlich ists[113] wenn ein herrlicher Menschengeist ausdrucken kann was sich in ihm bespiegelt. Ich sehne mich recht nach dir und wenn ich bleiben will darf ich dein Bild nicht gar zu lebhafft werden lassen. Wenn du mir nur wieder geschrieben hast daß ich morgen einen Brief erhalte. Lebe wohl beste. Ich habe heute noch allerley Gänge zu thun.


Sonntags d. 29ten.

Nun habe ich meinen Plan gemacht und will bis aus den Mittwochen bleiben, da noch Abends Conzert ist, um auch dieser Feyerlichkeit beyzuwohnen und Leipzig von mehr Seiten zu sehen. Gestern habe ich recht schöne Data zu meinem Wilhelm gesammelt und verschiedne Lücken die mir fehlten ergäntzt. Ich sehe und höre vielerley. Mit unterläufft freylich ein Augenblick langer Weile und offt offt reisst das Verlangen zu dir an meinem Herzen.

Ich wünschte mich ein viertel Jahr hier aufhalten zu können denn es stickt unglaublich viel hier beysammen. Die Leipziger sind als eine kleine moralische Republick anzusehn. Jeder steht für sich, hat einige Freunde und geht in seinem Wesen fort, kein Obrer giebt einen allgemeinen Ton an, und ieder produzirt sein kleines Original, er sey nun verständig, gelehrt, albern, oder abgeschmackt, thätig, gutherzig, trocken oder eigensinnig, und was der Qualitäten mehr seyn mögen. Reichthum, Wissenschafft, Talente, Besitztühmer aller Art geben dem Ort eine Fülle die[114] ein Fremder wenn er es versteht sehr wohl geniessen und nutzen kann. Er muß sich nur im allgemeinen halten, und keinen Antheil an ihren Leidenschafften, Händeln, Vorliebe und Abscheu nehmen. Es leben hier einige Personen im Stillen, die, wenn ich so sagen darf vom Schicksal in Pension gesetzt worden sind, von denen ich grosen Vorteil ziehen würde wenn es mir die Zeit erlaubte.

Von dem allgemeinen Betragen gegen mich kann ich sehr zufrieden seyn. Sie bezeigen mir den besten Willen und die gröste Achtung dagegen bin ich auch freundlich, aufmercksam, gesprächig, und zuvorkommend gegen iedermann. Es ist gar schön an einem Orte fremd seyn, und doch so nothwendig eine Heimath zu haben. O liebe Lotte ich bin dir mein Glück zu Hause, und mein Vergnügen auswärts schuldig, denn die Stille, der Gleichmuth mit dem ich empfange und gebe ruht auf dem Grunde deiner Liebe. Lebe wohl. Heute hoffe ich auf einen Brief von dir, auf Nachricht daß du dich wohl befindest. Adieu meine theure meine einzige! Mein Leben und Talismann.

G.


Grüse den Herzog und sag ihm daß ich Donnerstagas von hier weggehe wahrscheinlich aber erst Freytags komme weil wir andern diesen Weeg nicht in Einem Tage enden können.

Grüse Steinen und die Kinder und die Kleine.[115]


Quelle:
Goethes Werke. Weimarer Ausgabe, IV. Abteilung, Bd. 6, S. 109-116.
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