1781

[29] 5/1084.


An Charlotte von Stein

Schon war ich erwacht, und lag und dachte was ich Ihnen zum neuen Jahr sagen und schicken wollte, als mir Ihr Packetgen zuvorkam. Ich dancke tausendmal meine beste. Keine Reime kan ich Ihnen schicken denn mein prosaisch Leben verschlingt diese Bächlein wie ein weiter Sand, aber die Poesie meine Beste zu lieben, kan mir nicht genommen werden. Ihr artig Büchsgen werd ich immer bey mir führen, und schicke etwas süses dagegen, das freylich seiner Natur nach angenehm und vergänglich ist. Adieu. d. 1. Jan. 81.

G.[29]


5/1085.


An Charlotte von Stein

Sagen Sie mir wie Sie geschlafen haben? wie Sie leben und ob Sie noch reisen? Nehmen Sie's gut auf dass ich für Ihre Gesundheit besorgt bin, denn wenn Sie nicht wohl sind bin ich auch kranck.

d. 3. Jan. 81.

G.


5/1086.


An Charlotte von Stein

Guten Morgen beste. Unser Spas ist gestern sehr glücklich ausgeführt worden. Heut will ich auf dem Eis essen, und diesen Abend seh ich Sie bey Hof. Adieu.

d. 7. Jan. 81.

G.


5/1087.


An Charlotte von Stein

Schweer enthalt ich mich noch einmal in meinen liebsten Spiegel zu sehen, die schöne Dämmerung lockt mich aus der Stube. Wenn Sie nur auch sähen wie lieblich es iezt um mich herum ist. Gute Nacht meine beste. Ich habe keine zusammenhängende Gedancken, sie hängen aber alle zusammen an Ihnen. Addio.

d. 8. Jan. 81.

G.[30]


5/1088.


An Johanna Schlosser, geb. Fahlmer

Für dein liebes Andenken und die überschickten Elsheimer danke ich herzlich. Sie sind mir noch so schön, und noch von so viel Werth als ehmals, obgleich meine Augen sich in der Kunst und in manchem aufgeklärt haben. Gebe euch Gott ruhigen Genuß eueres Erbtheils. Grüß den Bruder recht schön und die Mädgens und die Kinder. Willst du mir manchmal ein Wort schreiben so ist's eine Wohlthat.

Ich treibe meinen Handel zu Wasser und Lande, und hoffe nicht bankrut zu werden. Adieu. Weimar d. 10. Jan. 81.

Goethe.


5/1089.


An Johann Friedrich Krafft

Für alles, was Sie mir durch Bernstein geschickt, dancke ich recht sehr; fahren Sie fort, mir mit Ihrer gewöhnlichen Freimüthigkeit über die Gegenstände zu schreiben. Was Sie selbst betrifft, glaub ich, Sie völlig zu beruhigen, wenn ich Ihnen überhaupt für dieses Jahr 200 Thlr. anbiete. Zu jedem Vierteljahr sollen Sie 50 haben, alsdenn aber stehen Sie für alles. So viel kann ich entbehren; Sie brauchen nicht bei jeder Kleinigkeit ängstlich zu sein und könnens eintheilen wie Sie wollen. Ich habe meinem Seidel[31] schon darüber Befehl gegeben. Leben Sie wohl und lassen mir bald wissen, daß Ihre Schmerzen Sie gänzlich verlassen haben.

W. d. 11. Jan. 81.

G.


5/1090.


An Charlotte von Stein

Guten Morgen beste, ich hab es nicht vergessen und werde kommen. Heut Nacht fehlen Sie mir an allen Enden. Die Menschen waren ganz artig und ich auch. Schon lang hätt ich Ihnen gerne etwas geschenckt. Hier schick ich die Zeichnung die Ihnen wohlgefallen hat, dencken Sie sich dabey, dass zwischen solchen Felsen, im tiefsten dieser Gegenden ich immer an Sie gedacht habe. d. 13. Jan. 81.

G.


5/1091.


An Charlotte von Stein

[Mitte Januar.]

Da ich Ihr Zettelgen habe worauf ich seit meinem Erwachen hoffe ist mein Tag vollendet. Ich gehe nicht aufs Eis und will mich der Einsamckeit ergeben. Der Mensch ist so gebaut dass wenn er auch auf wichtige Vorfälle bereitet, ruhig schläft, ihn doch eine verächtliche Wanze um die Nacht bringen kan. Leben Sie wohl und vergnügt, und glauben Sie dass ich nichts höher schäzze als Ihre Liebe.

G.[32]


5/1092.


An Charlotte von Stein

Da ich Sie gestern nicht gesehen habe sind Sie so artig gewesen mich heute Nacht mit Knebeln zu besuchen, dafür ich dancke. Geben Sie doch Überbringern das Röllgen Geld, und ich schicke zugleich die Mitschuldigen. Bitten Sie doch Steinen dass er sie liest, und sich entschliest den Wirth zu machen. Er wird ihn gewiss recht hübsch spielen, und uns wär es eine grose Freude das Stück zu geben. Es ist entsezlich kalt. Wenn Sie auf der Ilm fahren wollen, es wird Bahn gekehrt. Thun Sies um der Seltenheit willen. Ich gehe auf die Kriegs Commission lassen Sie mir die Stunde sagen wenn Sie herunter kommen wollen, vielleicht um Mittag. Auch bitt ich um die Papiere die bey Ihnen liegen, versiegelt. Womöglich noch vor 9 Uhr.

d. 15. Jan. 81.

G.


5/1093.


An Charlotte von Stein

Wenn irgend eine Gefahr wäre hätt ich Sie nicht eingeladen, es thut mir weh dass man mich für so leichtsinnig oder Gott weis was hält, es trägt Lastwagen an dem Ort wovon die Rede war. Doch will ich auf die grose Bahn kommen, es war ohne dies[33] nur ein Scherz denn der Plaz ist nicht gros. Adieu beste. d. 15. Jan. 81

G.


5/1094.


An Charlotte von Stein

[Mitte Januar.]

Heut ist Conseil also bin ich von allen dichtrischen und Eisfreuden getrennt. Der Herzog isst auf dem Zimmer. Dancke für die schönen Materialien. Adieu. Beste.

G.


5/1095.


An Charlotte von Stein

Heute werd ich Sie schwerlich zu sehen kriegen. Mittags bin ich in der Welt, und Sie des Abends. Hier sind die Kegelschnitte zum leichteren Begriff des unbegreiflichen. Adieu beste. d. 16. Jan. 81.

G.


5/1096.


An Charlotte von Stein

Die gestrigen Äpfel ess ich zum Frühstück und dancke dafür. Bey Ihrer Partie zu seyn, machte mir grose Freude, es ist nicht hübsch dass Sie sich mir endlich einmal nähern ohne mich dazu zu nehmen. Da ich mit dem Wetter stimme und traurig bin, nehm ich alles von der ominosen und schlimmsten Seite, und über ein Mittag essen dabey ich nicht seyn[34] kan, wird mir das unlustig wozu ich geladen bin. Adieu wenn ich den duncklen Vorstellungen recht ihre Gewalt lasse, so komm ich auch nach Tische nicht auf die Bahn. Adieu beste allerliebste. d. 18. Jan. 81.

G.


5/1097.


An den Herzog Carl August

Nach mehrerer Überlegung wars natürlich daß ich mich entschließe zu Hause zu bleiben. Es ist nicht klug ein noch unbefestigtes Reich zu verlassen. Dann weis ich ich schon ich komme sobald nicht von Gotha weg, sondern muss die ganze Woche drüben bleiben.

Es häuft sich dann hier wieder so viel, und ich mögte doch auch wider des Teufels List und Gewalt, die Litteratur aufs trockne bringen. Bedenck ich noch dazu den Zug auf dem Gothischen Schlosse, die Kälte, und dass man weder Herr von seinem Rock noch Fusbekleidung bleibt, so schröckt mich das ganz in mein Dachsloch zurück, wo mich ohne dies eine hypochondrische Vorliebe gefangen hält. Die guten Geister begleiten Sie.

d. 18ten Jan. 81.

G.


5/1098.


An Charlotte von Stein

Wenn Sie mich mögen, so sollen nach 1 Uhr zwey gebratne Feldhühner ankommen, die wir zusammen[35] verzehren wollen in Friede und Eintracht. Ich hoffe das Conseil soll nicht lang dauern, denn es ist nicht viel da. Nur ein Wörtgen Antwort. Adieu beste.

d. 19. Jan. 81.

G.


5/1099.


An den Herzog Ernst II. von Sachsen-Gotha

Durchlauchtigster Herzog

Gnädigster Herr.

Wenn mich Ew. Durchl. gleich für vergessen halten müssen, wollt ich doch nicht, dass Sie mich für unordentlich hielten. Als ich den lezten Brief schrieb war mir nicht gegenwärtig dass ich den Empfang der 80 Ldrs zu melden schuldig war. Um diese Nachlässigkeit wo möglich wieder gut zu machen übersende ich hierbey die Quittung des alten Forsters, der über den geendigten Handel sehr vergnügt ist. Er hat an einer Hämorhoidal Kolick kranck gelegen und kan sich in seinem vaterländischen Klima noch nicht wiederfinden.

Mein gnädigster Herr schreibt mir von Eisenach so viel guts von den neu angekommnen Zeichnungen daß meine Neugierde doppelt vermehrt wird Er ist wie ich höre erst Nachts halb dreye in Eisenach angekommen, und hat den Prinz Adolf aus dem Bette geholt. Der schöne Schnee scheint die Jagd zu begünstigen, wozu ich der Gesellschaft viel Glück wünsche.

[36] Eben erhalte ich die Nachricht dass die für mich so lang bestellte Kiste Bergarten von Freyberg, auf nächsten Freytag ankommen wird, so bald ich sie durchgesehen habe, will ich Ew. Durchl. melden, was sie interessantes enthält, und unterthänig anfragen ob Sie auch eine dergleichen befehlen. Mit wahrer Verehrung mich unterzeichnend

Ew. Durchl.

Weimar d. 24. Jan.

unterthänigster

1781.

Goethe.


5/1100.


An Charlotte von Stein

d. 25. Jan. 81.

Unsere Freude ist zu Wasser, und ich kan mir nichts an deren Statt erdencken. Gerne bät ich Sie zu Gaste, und Sie brächten noch iemand mit, etwa die Kleine und Ihren Bruder. Sagen Sie mir was Sie mögen, das Wetter ist entsezlich. Ich fürchte noch einen Sturm wie der auf Barbados wenigstens ein nach geschwister Kind. Schreiben Sie mir was Ihnen lieb ist, ich mögte heut etwas apartes mit Ihnen geniessen.


5/1101.


An den Herzog Carl August

Dieser Brief soll Ihnen bis Erfurt entgegen gehn und Abends auf der Redoute werden wir Sie alle erwarten.

[37] Das veränderliche Wetter werden Sie mit uns gemein gehabt haben, dagegen ist unsere grose und schöne Welt desto beständiger. Eine Schlittenfahrt mit vielen Postzügen ist glücklich abgelaufen, zwey andre, eine nach Belveder wo der Prinz tracktiren wollte, und eine nach Ettersburg unter den Flügeln der unendlichen Fledermaus, werden mit diesem Morgen zu Wasser.

Ein leiser Windzug der Freundschafft hat die kleine Werthern nach Dauer geführt, und Knebel ist von diesem Strömgen nachgeschleift worden. Er versprach heute Abend wieder hier zu seyn, denn morgen früh ist Probe der Iphigenie auf dem Theater. Wir hoffen Sie sollen mit dem Portal zufrieden seyn, Schumann hat seine ganze Rafaelische und Oeserische Ader darauf ausgegossen. Apropos von Künstlern, die Cristiane das leidige Stubenmädel an der Herzoginn Mutter Hof, ist von Ettersburg her schwanger, und giebt den alten Oeser zum Vater an. Die Herzoginn ist wild und droht ihr mit dem Zuchthaus, sie hat schon einmal in ihrer Aussage variirt.

Ihre Frau Gemahlinn ist nicht recht wohl, darüber ein Thee der Dienstags beym Prinzen getruncken werden sollte, nicht eingenommen worden. Ich habe sie nicht gesehen, und Ihren Grus durch die Waldner ausrichten lassen, die seit der grose Schnee hunten ist, vom Zahnweh Ruh hat. Der Wöllwarth hab ich ein Collegium über die Perspecktiv gelesen, sie hat[38] eine kindische Lust am Zeichnen. Die Stunde ist so besezt daß niemand mehr Plaz hat. Unsre Maskerade schleicht im Stillen, iedes scheut die Kosten. Die Stein hat sich ein Paar Kleider ausgewählt die sie will zerschneiden lassen. Wenn Sie selbst kommen, wirds schon gehn. Die Redoute nach der Herzoginn Geburtstag wird an Erscheinungen reich seyn, es werden Verse von allen Seiten gemacht. Wieland ist über Wolfen entzückt, der seine Cantate auch zu Ehren des dreysigsten komponirt hat. Asträa kommt drinne vom Himmel, und es sängt mit Donner und Bliz und Windsbraut an. Ich glaub es ist ein Geheimniss drum lassen Sie Sich nichts mercken. Die Crone hatte Stechen auf der Brust, das ihr sehr ungewohnt schien. Gestern Abend hat ich während des Conzerts bey der Herzoginn, auf der Göchhausen Stube gesessen eine Flasche Champagner ausgetruncken, und der Literatur aufgeholfen. Nun ist wieder Hoffnung daß das Werck vollendet werden wird. Für die Garnison Schule lass ich eine geräumige Stube im Waisenhaus zurechte machen, es kann auf sechzig Thaler kommen, dann wollen wir sehen ob wir von der feinen äuserlichen Zucht weiter zum innern kommen können. Auf der Kriegs Commission gehts sehr gut, und da alles von mir abhängt, und ich Ordnung bis aufs lezte halten kan, sehr leicht. Auch ist eine viel freyere Luft oben. Vom dicken Amtmann hab ich ein Projeckt die Steuersache zu reguliren das recht[39] gut ist, man muß nur erst sehn was das lezte Rescript würckt. In Publicis ists ganz still um uns, die Ministres fahren auf dem Schlitten. Sievers ist wieder besser. Wette hat sich auch gelegt. Bey Hofe bin ich neulich bald abgestanden, ich spazierte ganz allein im Grosen Saal, da alles in Partien befchäfftigt war, ia sogar Lingen aus Verzweiflung mit Lucken Schach spielte. Das schlimmste war dass iedes das König wurde, glaubte mich unterhalten zu müssen.

Die Herzoginn von Gotha hab ich gebeten sich vom Prinzen August das Exemplar der Geschwister das er hat, geben zu lassen und sich dessen zu bedienen. Ich hatte kein leserliches zu Hause. Der schönen Gräfin hab ich das Trauerspiel geschickt.

Ich bin sehr neugierig wie Ihre Jagd abgelaufen ist, die meine schränckt sich auf einen Raben ein, den ich gestern von den hohen Aschen, aus einer Entfernung wo er sich sicher glauben konnte, mit meiner guten Flinte, wie einen Sack herunter geworfen habe.

Über die Mengs und Correges mündlich mehr.

Stein ist nach Kochberg, ich fürchte seine Einkünfte werden über diese Sorgfalt, alle zu Spiritus, aber nicht vini.

Grüsen Sie Wedeln, sobald er kommt, wollen wir seine Idee wegen der Exekutionsgelder Casse realisiren. Die General Polizei Direcktion hat mit mir kommunizirt.

[40] Nun wünsch ich glückliche Fahrt, und empfehle mich zu Gnaden.

d. 25ten Donnerstags früh.

d. Jenners 81.

G.


5/1102.


An Charlotte von Stein

Mein Hals ist nicht besser geworden, ich habe mir etwas von Huflanden hohlen lassen, und will heut zu Hause bleiben. Gegend Abend wird mir das Verlangen ankommen Sie zu sehen, und ich werde es nicht befriedigen können. Ihr Halstuch will ich noch behalten, und mögte Ihnen gern etwas schicken, wenn ich nur Steine zu Kuchen machen könnte, so bald das Schweingen zerlegt ist, sollen Sie Ihr Theil daran haben. Mit dem Schirm scheint mir's ohnmöglich fertig zu werden, ich kan mich kaum entschliesen wieder daran anzufangen. Adieu beste. und sagen Sie mir etwas. d. 28. Jan. 81.

G.


5/1103.


An Charlotte von Stein

Es geht mir ziemlich doch fürcht ich dass sich mein Hals nicht ganz giebt, ich hab auch äusserlich einige Spannung. Ich will mich ruhig halten, und hoffen. Am Schirm hab ich nichts machen können ich will[41] morgen früh das mögliche thun. Der Wind geht von mir zu Ihnen also bringt er Ihnen meine Gedancken. Doch können auch die gegen den Wind gehn und also hoff ich Besuch von den Ihrigen. Um achte will ich nicht vergessen sie bey der Uhr zu grüssen. Wenn ich ein Paar Racketen hätte so würf ich sie, Ihnen einen guten Abend zu sagen.

d. 28. Jan. 81.

G.


5/1104.


An Charlotte von Stein

Dancke für den guten Morgen auf Frizzens freundlichem Gesicht. Gestern Abend kriegte ich noch Ziehen im Kopf darum ich mich bald niederlegen musste und ich lies mich um 8te aufwecken um Ihnen guten Abend zu sagen, und ein wenig zu Essen. Ich darf nicht wagen zu zeichnen, weil es immer anstrengt und mich wenn ich so bin erhizt. Mein Hals ist besser doch spür ichs noch, auf die Probe heut Abend muss ich mich Sammeln. Schicken Sie mir doch das Exemplar der Iphigenie, ich muss noch einige Stellen ansehen. Adieu. Wenns bessrer Weeg und Wetter wäre besuchten Sie mich wohl. Adieu liebste. d. 29. Jan. 81.

G.


5/1105.


An Charlotte von Stein

Es ist umgekehrt wie gestern, ich habe sehr gut geschlafen und mein Hals ist schlimmer. Ich halte[42] mich sehr still um bis den Abend auszulangen. Dancke für Ihren Anteil, und hoffe Sie durch mein Spiel vergessen zu machen daß mir was fehlt. Bringen Sie ein feines Herz mit, wir wollen das unsrige thun.

d. 30. Jan. 81.

G.


5/1106.


An Johann Friedrich Krafft

Sie haben wohlgethan, mir den ganzen Zustand Ihrer Seele zu entdecken; ich lege gewiß alles zurechte, so wenig ich im Stande bin Sie ganz zu beruhigen. Mein Etat, über den ich halten muß, wenn ich am Ende des Jahrs nicht selbst Andern Verbindlichkeiten haben will, die sich für meinen Platz am wenigsten schicken, erlaubt mir nicht das mindste über die 200 Thaler für Sie zu thun. Diese sollen Sie richtig erhalten, damit suchen Sie auszukommen und sich nach und nach das nöthige zu schaffen.

Ausdrücklich halt ich mir vor, daß Sie ohne mein Wissen und Einwilligung nicht Ihr Quartier noch den Ort Ihres Aufenthalts verändern. Jeder Mensch hat seine Pflicht, machen Sie sich das zur Pflicht Ihrer Liebe zu mir und es wird Ihnen leicht werden.

Wenn Sie von irgend Jemand borgten, würde mir es sehr unangenehm sein; eben diese unseelige Unruhe, die Sie jetzt martert, hat das Unglück Ihres ganzen Lebens gemacht, und Sie sind mit tausendthalern[43] nie zufriedner gewesen als jetzt mit den 200, weil Ihnen immer noch was zu wünschen übrig blieb, und Sie sich nie gewöhnt haben, Ihre Seele in den Gränzen der Nothwendigkeit zu halten. Ich mache Ihnen darüber keine Vorwürfe, ich weis leider zu gut wie es in Ihnen zusammenhängt, und fühle, wie das Unverhältniß Ihres jetzigen und vorigen Zustandes Sie plagen muß. Genug aber, Ein Wort für Tausend: Am Ende jedes Vierteljahrs erhalten Sie Ihre fünfzig Thaler, fürs gegenwärtige soll Ihnen Seidel etwas vorausgeben. Schränken Sie sich alsdann ein: das Muß ist hart, aber beim muß kann der Mensch allein zeigen, wie's inwendig mit ihm steht. Willkührlich leben kann jeder.

Melden Sie mir die erste Verfügung der Regierung an den Amtmann in Steuersachen.

d. 31. Jan. 81.

G.


5/1107.


An Charlotte von Stein

Lang hab ich gesonnen wie ich Ihnen ein Zettelgen in die Gesellschafft zu bringen wollte. Zuletzt ging auch Knebel nicht, und ich sizze ganz allein in der unfreundlichen Nacht.

So will ich Ihnen noch einen guten Abend auf den Schreibtisch legen lagen, dass Sie mein gedencken wenn Sie nach hause kommen. Auch schick ich das Schweinsköpfgen und Rückgen. Es ist mir gar nicht[44] als wenn ich Gäste haben mögte. Laden Sie Sich iemand drauf der Ihnen lieb ist und vergessen mich nicht dabey. Adieu beste allerliebste. d. 31. Jan. 81.

G.


5/1108.


An Charlotte von Stein

Ich schicke Ihnen ein Stückgen Brod, und bitte mich zu Tisch wenn Sie nichts hindert. Heut früh war ein sehr schöner Sonnenblick. Knebel läuft schon mit seiner Pfeife in der Welt herum. d. 1. Febr. 81.

G.


5/1109.


An Charlotte von Stein

Sagen Sie mir wie Sie geschlafen haben. Ich soll heute zu Haus bleiben, und wenn Sie Sich nicht meiner annehmen, hab ich einen betrübten Tag vor mir. Recht lieb wären Sie wenn Sie zu Mittag bey mir essen wollten, ich lies Ihnen einen Phasan braten. Sie brächten mit wen Sie wollten. Sagtens Knebeln und so wurde es hier in der Einsamkeit lebendig. Vielleicht käme der Herzog ein wenig und Sie steckten den Cinna ein. Adieu. Ich muß mich ruhig halten sehe ich wohl. Es will nicht recht mit mir fort. d. 3. Febr. 81.

G.[45]


5/1110.


An Charlotte von Stein

Kaum bin ich aufgestanden so mach ich schon Plane wie ich zu Ihnen kommen und den Tag bey Ihnen zubringen will. Ich bin recht leidlich ausser dem Hals und mag gerne allerley thun. Solang das geht werd ich in meinem Schneegestöber aushalten, und schreiben und zeichnen, hernach komm ich und fahre mit Ihnen ins Conzert. Adieu meine liebe Cometenbewohnerinn.

d. 4. Febr. 81.

G.


5/1111.


An Charlotte von Stein

Mir ists ganz leidlich, wie befinden Sie Sich? Ich habe vielerley bey Seite zu bringen, und muß doch sachte gehn, denn ich spüre gleich dass es nicht fort will.

Hier kommt Ihr Zettelgen. Heut werd ich mich ruhig halten, vielleicht seh ich Sie Abends. Wir wollen uns recht herausputzen und ich will uns schöne Versgen machen. Adieu beste. Halten Sie mit mir, so lang ich noch halte. d. 5. Febr. 81.

G.


5/1112.


An Ferdinand Kobell

Nehmen Sie einen recht aufrichtigen Dank für die schöner Zeichnungen, die Sie mir geschickt haben![46] Mir scheint unmöglich, die Virtuosität höher zu treiben. Ich habe mich sogleich hingesetzt und eines nachgekritzelt; man sieht die Höhe, die der Künstler erreicht hat, nicht lebhafter, als wenn man versucht, ihm einige Stufen nachzuklettern. Alle meine Freunde habe ich zur Bewunderung aufgefordert, und meine kleine Sammlung erhält ein neues Leben. Ich wünsche, mich von dieser Schuld auf einige Weise lösen zu können. Behalten Sie mich in gutem Andencken und grüßen Sie Kranzen! Sobald der Frühling eintritt, sollen Sie nicht eine Zeichnung, sondern eines der Stoßgebete haben, mit denen ich manchmal Natur und Kunst, Gott und den Künstler verehre.

Weimar, den 5. Februar 1781.

Goethe.


5/1113.


An Charlotte von Stein

Wenn mir Knebel nicht schon zuvorgekommen ist, wie ich vermuthe, so wird Ihnen dies platonische Gespräch zum Abende angenehm seyn. Gerne geb ich Ihnen heut noch so etwas guts. Ich will zu hause aushalten, bin still und fleisig. Adieu beste liebste. d. 5. Febr. 81.

G.


5/1114.


An Charlotte von Stein

Es reizt mich Ihre Einladung sehr. Ich werde wohl kommen und mein liebstes wieder sehn. Knebel[47] war schon bey mir. Ich hab ihm die Literatur vorgetragen an der ich gestern gearbeitet habe. Adieu bis zu Mittag, und leiden Sie nicht daß ich zu viel esse.

d. 6. Febr. 81.

G.


5/1115.


An Charlotte von Stein

Mit Ihrem Freunde gehts so ziemlich, er hat gut geschlafen nur heute früh Nasenbluten beym Aufstehn gehabt, welches ich einem gebratnen Täubgen und einigen Gläsern Wein zuschreibe die er gestern Abend als er von Ihnen ging noch zu sich nahm. Es zeigt sich also immer noch eine Unregelmäsigkeit welche nebst anderen die Götter ins gleiche bringen mögen.

Ferner geht mir eine Grille durch den Kopf: ob ich wohl thue bey der Maskerade zu seyn. Wär ich nicht mit Ihnen versprochen, würd ich ihr nachhängen, so aber will ich's ganz in Ihre Hände legen, sehen Sie's unbefangen an und sagen Sie mir ob ich soll oder nicht, ohne die Ursachen hinzuzuthun. Ihr Ausspruch allein soll mich bestimmen und beruhigen. Fänden Sie dass ich wohl thue davon zu bleiben; so hab ich in meiner Kranckheit eine bereite Entschuldigung, ich will doch für alles sorgen, Ihre Maske mit ausstudiren helfen die Verse machen, kurz es soll nichts fehlen. Der Prinz würde Ihre Moitie, und wenn ich ihn heimlich beneidete so würd ich doch ein[48] süs Gesicht dazu machen. Adieu beste. sagen Sie mir wie Sie leben. Ich will mich heute zu Haus halten. d. 8ten Febr. 81.

G.


5/1116.


An Charlotte von Stein

Wie stehen Sie mit Ihrem hypochondrischen Freunde? ich hoffe gut! Mir ist die Redoute wohl bekommen, Sie sagen mir nicht wie Sie geschlafen haben, mir ist recht leidlich. Gestern Abend macht ich noch von unsern nötigen Versen. Die Schrötern hab ich heut in der Absicht zu Tisch gebeten, um sie hernach zu Ihnen zu bringen. Lassen Sie es dabey, und sagen ihr allenfalls ein artig Wörtgen daß sie nach dem Essen mit mir kommen mögte, und daß Sie sie hätten einladen wollen. Hier ist die Maske. Ich dicktire eben an dem neuen Wercke. Es geht lustig. Wie stehts mit Knebels Thee? den haben Sie wohl über Ihre Musikalische Liebhaber ganz vergessen. Die irdische Harmonie ist doch gewaltiger als die Himmlische. Adieu. schicken Sie dies Zettelgen bitt ich dem Herzog.

d. 10. Febr. 81.

G.


5/1117.


An Charlotte von Stein

Mir gehts recht leidlich meine Beste. Mein Hals ist fast wieder gut, und die unregelmäsige Bewegung[49] des Bluts legt sich auch. Ich sehe Sie bald. Leben Sie wohl.

d. 11. Febr. 81.

G.


5/1118.


An Johann Friedrich Krafft

Wenn Sie meinen letzten Brief nochmals unbefangen ansehen wollen, so werden Sie deutlich sehen können, daß Sie ihn falsch gedeutet haben. Sie sind weder in meiner Achtung gesunken noch hab ich einen schlechten Begriff von Ihnen, noch habe ich die gute Meinung fahren lassen, noch hat Ihre Denkungsart in meinen Augen einen Flecken bekommen; dies sind alles übertriebene Ausdrücke, die sich ein gesetzter Mann gar nicht erlauben sollte. Indem ich auch freimüthig meine Gedanken sage, indem ich einige Züge Ihrer Denk- und Handelsart anders wünsche, heißt das gleich Sie für einen schlechten Menschen halten und das bisherige Verhältniß aufheben.

Eben diese hypochondrische allzuweiche und gleich aus dem Maas schreitende Sinnesart, die Ihnen den letzten Brief wieder eingegeben, ist's, die ich tadle und bedaure. Ist's schicklich, daß Sie mir sagen: ich soll befehlen, in was für einem Ton Ihre Briefe künftig sein sollen. Befiehlt man das einem ehrlichen und verständigen Manne? Ist's artig,[50] daß Sie mir bei dieser Gelegenheit unterstreichen, daß Sie mein Brod essen? Ist's einem moralischen Menschen anständig, wenn man ganz leise etwas an ihm tadelt oder ihn von einer Seite krank nennt, gleich oben aus zu sein oder zu thun, als wenn ihm das Haus über dem Kopf einfiele.

Verdenken können Sie mir doch nicht, wenn ich Sie mit dem, freilich Wenigen, was ich für Sie thun kann, auch vergnügt und zufrieden wüßte.

Es bleibt also, wenn Sie wollen, beim alten; ich wenigstens werde in meinem Betragen gegen Sie nichts ändern.

Was den Plan betrifft, den der Amtmann in der Steuersache einzuschicken hat, so mag er ihn aufrichtig, doch mit der für seine Lage nöthigen Vorsicht abfassen. Besonders wegen des Zukünftigen ganz bestimmte und auslangende Vorschläge thun, das Übrige wird sich finden.

W. d. 11. Febr. 81.

G.


5/1119.


An Charlotte von Stein

Wenn ich zu Hause bleibe, ist mir es ein angenehmer Gedancke daß zwischen mir und Ihnen nur die liebe freye Luft ist, und meine Seele keine widrigen Wohnungen überspringen darf um zu Ihnen zu kommen. Heute früh hab ich den ganzen Plan unsrer Maskerade zurecht schreiben lassen und alle Departements ausgetheilt.

[51] Es wird noch gehn ob es gleich ein ungeheuer Gewirre ist. Auch diesen Nachmittag will ich in ernstlichern Dingen fleisig seyn und Abends bey Ihnen anfragen. Lassen Sie sich aber von nichts abhalten, sagen mir nur wo Sie etwa sind.

d. 12. Febr. 81.

G.


5/1120.


An Charlotte von Stein

Mein liebes A und O wie befinden Sie sich. Der Wind hat mich diese Nacht nicht schlafen lassen er ist wüthend hierhaußen.

Auch heute Morgend bin ich ganz wohl, wenn es gegen Abend kommt, spür ich mehr das Übel. Adieu ich muß noch Verse machen. Es rückt nach und nach alles zusammen. Sagen Sie mir was Sie auf den Abend vorhaben. Mittags will ich alleine essen. d. 13. Febr. 81.

G.


5/1121.


An Charlotte von Stein

Guten Morgen meine beste und liebste, ich kan Ihnen nichts weiter sagen als daß, wenn ich so wohl wäre als ich Sie lieb habe, ich recht sehr wohl seyn müsste. Ich sehe Sie wenigstens einen Augenblick. Zu Mittag hab ich mich bey meinem Collegen Schmaus versprochen. d. 14. Febr. 81.

G.[52]


5/1122.


An Charlotte von Stein

Das grose Wasser hat uns einen seltnern Gast, einen Spiegel Karpfen zugeschickt, den ich Ihnen gleich abliefre. Adieu meine beste. Wenn Sie diesen Abend nach Hause kommen finden Sie etwas von mir. Da sich der Himmel aufgeheitert hat, bin ich auch gleich wohler. Seyn Sie vergnügt, ich will fleisig seyn.

d. 14. Febr. 81.

G.


5/1123.


An Charlotte von Stein

Hier meine liebe sind die Verse zu unserm Aufzug lassen Sie sie Steinen sehen sonst niemand. Der Lobgesang fällt weg, die Musick ist fertig, die Sänger habens nicht können lernen. Der Bogen ist deswegen umgedruckt. Sie mögen mich doch heut zu Tische. Ich bin recht artig und your lover for ever.

d. 15. Febr. 81.

G.


5/1124.


An Charlotte von Stein

Wie haben Sie geschlafen. Zu Mittag lad ich mich ein. Lieber Tag und liebe Nacht. d. 17. Febr. 81.

G.[53]


5/1125.


An Charlotte von Stein

Der Tag lässt sich gar schön an. Den Nachmittag mit Ihnen zuzubringen ist mir die angenehmste Aussicht. Schicken Sie mir doch das Portefeuil mit Zeichnungen das noch bey Ihnen liegt, und sagen mir daß Sie wohl sind und mich lieben. Wenn Sie allenfalls bey Hof gehn wollten so hab ich bedacht daß wir unser Werck vorher fertig machen können. Adieu beste liebste. d. 18. Febr. 81.

G.


5/1126.


An den Herzog Carl August

So gros als die Begierde war in mir

Die altgeliebten Bilder zu erlangen,

Mit gleicher Lust geb ich sie dir

Und scheine sie dadurch erst zu empfangen.

den 18. Febr. 81.

G.


5/1127.


An Charlotte von Stein

Bey diesem Sturm kommen mir die doppelten Fenster wohl zu statten.

Diesen Morgen bleib ich zu Hause, Nachmittag hab ich, zu thun und wenn Sie diesen Abend nicht in Gesellschafft gehn, so komm ich und vielleicht[54] schreiben wir. Ich werde erst meine Sachen lieb kriegen wenn ich sie von Ihrer Hand sehe. Der Brief an Lavatern macht mir grose Freude. Ich bin recht wohl, und schreibe es dem Queckensaft zu den mir der Hofrath eingeschüttet hat. Was macht Ihr Hals?

d. 19. Febr. 81.

G.


5/1128.


An Johann Kaspar Lavater

Bäbe schreibt mir du habest Calliostro gesehen, er dir angeboten dich gleiches sehn zu lassen, du von der Gewissheit überzeugt hättest nicht gewollt und mehr verlangt. Sage mir doch nun über die Sache ein Wort aus der ganzen Tiefe. Denn wird man nur darum älter um wieder kindisch zu werden.

Sag mir auch von der schönen und den guten.

Du hast deinen Husten wieder? Wie gehts.

Ich bin auch zeither kranck, meist ohne es zu sagen, dass niemand frage, und der Credit aufrecht bleibe. Ich halt es offt mit den Zähnen wenn die Hände versagen. Sonst geht alles recht gut, die Herzoginn giebt uns Hoffnung zu einem Prinzen, der Herzog wächst schnell, und ist sich sehr treu.

Ich lade fast zu viel auf mich, und wieder kan ich nicht anders. Staatssachen sollte der Mensch der drein versetzt ist, sich ganz wiedmen, und ich mögte doch soviel anders auch nicht fallen lassen.[55]


d. 19. Febr. 1781.

Soweit war ich als dein Brief kam den ich in der Beylage beantworte.

Du hast den Calliostro gesehen laß mir doch durch Bäben wenigstens etwas ausführliches sagen, es ist dächt ich der Mühe werth.

Die lezten Tage der vorigen Woche hab ich im Dienste der Eitelkeit zugebracht. Man übertäubt mit Maskeraden und glänzenden Erfindungen offt eigne und fremde Noth. Ich tracktire diese Sachen als Künstler und so gehts noch. Reime bey dieser Gelegenheit gemacht schickt dir vielleicht Kayser Wie du die Feste der Gottseeligkeit ausschmückst so schmück ich die Aufzüge der Thorheit. Es ist billich daß beyde Damen ihre Hofpoeten haben. Kayser läßt sich gut an, ich hoffe sein Leben hier soll ihn geschmeidiger machen. Er hat Gelegenheit in seiner Kunst manches zu sehn und zu hören.

Übrigens wollte Gott daß wir nicht soweit auseinander wären!

Adieu lieber Bruder antworte mir bald. Grüse deine Frau und Kinder und Pfenningern. Bäben schreib und schick ich nächstens, sie soll mir meine Sachen wiederschicken es sind die einzigen Abschrifften.

G.


[Beilage.]

Dein Zettelgen lieber Bruder hab ich Knebeln nicht gegeben und will dir vorher nochmals über die[56] Sache schreiben, damit du erst einen lebhafften Begriff habest wie es mit ihm steht, und du auch diese Seite bedencken könnest, da du ausser der Beschweerlichkeit des Transports, bisher nur Eure Empfindung zu Rathe gezogen hast.

Knebel lebt iezt meist für sich, auser dem griechischen das ihn beschäfftigt, unterhält ihn vorzüglich die allgemeinere Naturlehre, und die Betrachtung der Linien die sich von der Verbindung dieses grosen Ganzen ziehen lassen. Die Astronomischen Kenntnisse sind nicht die geringsten dabey, und wenn du Lamberts kosmologische Briefe kennst, und ich dir sage daß er sich mit Freunden und Freundinnen in diesem Kreise weidet, so wirst du das übrige leicht dazu dencken. Ich habe sie, da dieses ungeheure Uhrwerck mich selbst nur in der dunckelsten Ahndung interessirt, gar offt angetroffen, daß sie sich von iener schönen Harmonie der Sphären unterhielten und sich dabey ein Hahnisches Model mit groser Lebhafftigkeit und Begierde wünschten. Sezze hinzu daß sich Knebel nach seiner Art, bey einem ganz geschäfftslosen Leben, auf seinem einsamen Zimmer keinen unterhaltendern Gesellschaffter erwarten kan als eben die Uhr von der die Rede ist. Vielleicht hat ihm das Glück noch nie ein so angenehmes Geschenck gemacht, seine Freude wird auserordentlich drüber seyn, und ich wüste nicht was ich drum geben wollte wenn ichs ihm heute Abend noch ankündigen dürfte.[57]

Dies ist der erste Theil meiner Rede, nun folgt der zweite: Knebels Verhältniß zu dir, welches dir vielleicht weniger als mir bekannt ist.

Er liebt dich so zärtlich als man kan, und nimmt einen weit näheren Anteil an den zartgesponnenen Saiten deines Wesens als mir selbst bey meiner roheren Natur nicht gegeben ist. Er hat mir zuerst nach seiner Rückkunft mit sehr treffender Wahrheit, verschiedne Dinge an dir mit denen ich nicht stimme: daß du giebst was du hast, und nicht hast, die ewige Spedition wodurch du immer raubst und giebst, zugleich nutzest und kompromittirst; diese sag ich hat er mir so schön zurecht gelegt, dass ich seit der Zeit mit dir einiger bin als iemals. Durch ihn ist mir erst lebhafft geworden, daß man dir dem ewigem Geber nichts geben kan, was man dir nicht für andre giebt, daß man dir nie wieder vergelten wird was du moralisch und politisch, für deine Freunde und für uns besonders thust. Über eben diese Ader aus der dein gegenwärtiger Wunsch fliest, hat er so offt mit mir gesprochen, und seine theilnehmende Seele hat mir zu Beobachtung vieler Schattierungen in dir geholfen; der ich mir selbst überlassen gewisse Strahlenbrechungen zu starck und andre zu wenig sehe.

Hier endigt sich mein zweyter Theil, und um beyde wieder aufzunehmen, wirst du hieraus deutlich sehen, daß es ihm eine unsägliche Freude machen wird die Uhr gewonnen zu haben, und zu besitzen, daß er aber[58] auch wenn er deinen Wunsch erfährt, sie dir gewiß abtreten wird, denn es kan sich niemand so sehr in deine Lage versezzen als er, und niemand die guten Folgen für uns durch dich, und für dich durch uns so lebhafft wünschen.

Es ist also hier nicht mehr von Indiskretion die Rede, nicht mehr von dem Verhältniß der Einlage um Werth der Uhr, worauf du in dem Zettelgen an ihn das ganze Räthsel drehst, was ich bisher gesagt, entkörpert die Sache gänzlich und ich überlaße dir was du mir weiter drüber zu sagen hast.

Bis deine Antwort kommt verschweig ich ihm den Gewinst.

Die Schwürigkeit des Transports und was daraus entstehen kann kommt alsdann erst in Betrachtung. Ich kan mich auch wohl an deinen Plaz stellen, wie gelegen dirs käme deinem ehr und unehrsamen Publiko zu zeigen daß wir auch noch einiger Grosmuth fähig sind, denn solche Handlungen sind wie bekannt die ächten Eselskinbacken womit man die Philister erlegt.

Weimar, d. 19. Febr.

G.


5/1129.


An Charlotte von Stein

Ich bin noch fleisig gewesen, ob ich gleich lieblichere Geister durch Ihre Feder aufs Papier zu zaubern hoffte. Jerusalems deutsche Literatur ist[59] da. Wohlgemeynt, bescheiden, aufrichtig, alt kalt und arm. Die Magre Verbrämung unsres neulichen Winters ist mir wieder eingefallen.

Ungern versag ich mir noch einmal zu Ihnen zu laufen. Grüsen Sie Steinen und bleiben mir gewogen. d. 19. Febr. 81.

G.


5/1130.


An Charlotte von Stein

Mir hätte nicht leicht etwas fatalers begegnen können als daß Lessing gestorben ist. Keine viertelstunde vorher eh die Nachricht kam macht ich einen Plan ihn zu besuchen. Wir verliehren viel viel an ihm, mehr als wir glauben. Adieu beste. Heut ist Conseil, ich will zu Hause essen, und Sie nach der Comödie sehn. Ich habe gar nicht Lust hineinzugehn. Weimar, d. 20. Febr. 81.

G.


5/1131.


An Charlotte von Stein

[20. Februar]

Wenn es Ihnen lieb ist komm ich um sechs, denn ich mag nicht in die Comödie. Vielleicht bringen wir das Gespräch zu stande. Erst will ichs Ihnen lesen und dann wollen wir weiter sehn. Adieu Beste.

G.[60]


5/1132.


An Charlotte von Stein

Das blaue Papier und ein Stückgen Brod kommt mit einem guten Morgen.

Bitten Sie Steinen daß er das Packet an den Prinzen August besorgt.

Antworten Sie mir nicht ich gehe gleich aus. Zu Mittag bin ich bey Ihnen. d. 21. Febr. 81.

G.


5/1133.


An Charlotte von Stein

Mein Franckfurter ist angekommen und ich muss ihm diesen Tag schencken. Einen Augenblick seh ich Sie doch. Morgen wollen wir uns dafür entschädigen. Adieu meine beste. Lassen Sie mich hören, daß Sie mich lieben.

d. 22. Febr. 81.

G.


5/1134.


An Charlotte von Stein

Diesen Tag will ich ruhig und fleisig zu bringen, um Ihres Besuchs auf den Abend werth zu seyn.

Ihre Schleife will ich Ihnen nicht vorenthalten.

Mit meinen Leuten ists gestern noch ganz gut gegangen, ich bin artig gewesen habe ihnen wohlgemacht,[61] und heute früh sind sie weg, so wär auch dies mit guter Art vorbey.

Lieben Sie mich. Ich will suchen es zu verdienen.

d. 23. Febr. 81.

G.

Vielleicht komm ich nach Tisch.


5/1135.


An Charlotte von Stein

Knebel hat mich zu Tische geladen, sonst wär ich in Versuchung zu Ihnen zu kommen. Haben Sie wohl geschlafen? und sind Sie mit Ihrem Wirthe zufrieden? Um welche Zeit kan ich Sie heut Abend sehen, oder haben Sie sonst etwas vor? Ich schicke den gewöhnlichen Brodtribut und den Schweinskopf. Adieu beste. d. 24. Febr. 81.

G.


5/1136.


An Charlotte von Stein

Mein liebes Orackel hat sich noch nicht hören lassen, hat mein Schicksaal noch nicht entschieden, hat noch nicht gesagt was es heute mit mir anfangen will. Hier ist das Bild, das ich mit der grösten Uneigennützigkeit eingehefftet habe. Adieu.

d. 25. Febr. 81.

G.[62]


5/1137.


An Charlotte von Stein

Das ist ein schlimmer Fall. Ich wünschte Sie hätten aus Überzeugung gewählt, so wäre ich beruhigt gewesen, nun wird die Sache erst verwickelt. Adieu zu Mittage komm ich. Die Karte hat nach meinem Wunsch geantwortet, besonders diese, und doch ist mirs sehr unangenehm etwas zu lassen was Sie für gut halten. Ich mags nun thun oder nicht so fällt der Vorwurf und das übel auf mich. d. 25. F. 81.

G.


5/1138.


An Charlotte von Stein

Das Wetter ist lieblich und dem Menschen erfreulich. Wie befindet sich meine Beste, und was hat sie auf heute gutes zu verordnen? Adieu. Ich schicke das Band nicht weil ich hoffe es soll nicht nötig seyn. Sagen Sie mir auch etwas. d. 26. Febr. 81.

G.


5/1139.


An Charlotte von Stein

Nur ein Wort, daß ich Sie liebe, daß ich Sie gegen Abend sehe, und bitte mich auf die Redoute zu nehmen. d. 27. Febr. 81.

G.[63]


5/1140.


An Charlotte von Stein

Da Sie heute im nachlässigen Tabarro auf die Redoute gehen wollen, so hab ich sorgen müssen Sie zu zieren. Wie lieb ist mirs daß es Künste giebt die schonen Gestalten des Frühlings in dieser Jahrszeit hervorzutreiben. Denn es ist mir kein willkommner Zeichen Ihnen zu sagen daß ich Sie liebe als immer wechselnde Blumen. Ich sehe Sie bald.

d. 27. Febr. 81.

G.


5/1142.


An Charlotte von Stein

Wie hat mein lieber Müdling geschlafen? Ich bin um halb dreye nach Hause gekommen und die Ausschweifung scheint mir wohl zu bekommen. Ich bin heute Mittag bey Hof. Sie wohl den Abend. Haben Sie noch etwas von den Blumen mit nach Hause gebracht? Wie Sie weg waren hab ich der Frau v. Oertel die Cour gemacht, und noch gewalzt. Adieu liebste. d. 28. Febr. 81.

G.


5/1142.


An Charlotte von Stein

Guten Morgen meine beste. Sie haben mich nicht verlassen, Sie sind mir auch im Traume freundlich[64] gewesen dafür danck ich Ihnen und wünsche daß Sie recht gut mögen geschlafen haben. d. 1. Merz 81.

G.


5/1143.


An Charlotte von Stein

Wie sind Sie mit dem Schlaf zufrieden, und werden Sie seinen Repräsentanten heute auch lieben? Um 10 Uhr. Komm ich.

d. 2ten März.

G.


5/1144.


An Charlotte von Stein

Da ich erwache wünsche ich daß sich meine liebe Nacht möge in Tag verwandelt haben und mögte mir gleich vor den Augen seyn. Ich esse mit Knebeln und sehe Sie alsdenn. Sagen Sie mir wie Sie aufgestanden sind. Sagen Sie mir was ich so gerne höre! Aus Zerstreuung tauch ich eben die Feder in den brennenden Wachsstock der auf dem Tische bey mir steht, sie scheint nach dem hefftigsten und reinsten Element zu verlangen, da ich im Begriff war Ihnen zu sagen daß ich Sie unendlich liebe. d. 3. Merz 81.

G.


5/1145.


An Charlotte von Stein

Ihr Packet erhalt ich im Kloster, wo ich an diesem anmutigen Morgen schon lange auf den gehofften[65] Boten laure. Die Äpfel sind mir sehr willkommen denn es mangelte mir am Frühstuck. In Ihr Geschenck will ich mich kleiden wie in Ihre Liebe. Es ist so schön daß ich wünschte Sie kämen nachher einen Augenblick herunter. Zu Tische werden Sie wohl Ihren immer getreuen Gast haben.

d. 4. März 81.

G.


5/1146.


An Charlotte von Stein

[4. März.]

Kaum bin ich von Ihnen weg; so hab ich Ihnen schon etwas zu sagen und zu schicken. Der Himmel war gar schön, ich wünschte Sie nur einen Augenblick heraus. Die Lufft war gelinde und deutete von fern auf den Frühling. Der Braten den ich Ihnen schicke wird von härtlicher Natur seyn. Vielleicht wär er am Besten in einer Pastete. Entscheiden Sie das und lassen mich wo möglich noch davon geniessen. Adieu beste! wenn es nur Worte gäbe Ihnen zu sagen wie ich Sie liebe und eine Dinte sie zu schreiben. Adieu! Adieu.

G.


5/1147.


An Charlotte von Stein

Guten Morgen meine liebste, ich habe viel zu krabeln um noch alles in Ordnung zu bringen eh[66] ich gehe. Daß ich Sie verlasse mag ich gar nicht dencken, und kanns nicht dencken, denn ich bleibe immer bey Ihnen. d. 5. Merz 81.

G.


5/1148.


An Charlotte von Stein

Zum leztenmal auf eine lange Zeit schreib ich Ihnen des Morgens mit der schönen Hoffnung die besten Stunden des Tags mit Ihnen zuzubringen. Wie ists mit unserm Braten heute? Es wird kein Conseil seyn und wir können ihn also in Ruhe verzehren. Weder der Tag, noch der Frühling noch die Liebe werden immer wiederkehrend alt. d. 6. März 81.

G.[67]


5/1148a.


An Wilhelm Christoph von Diede

Ew. Excellenz sind so gütig die vorgeschlagene Inschrift zu billigen, erlauben Sie, daß ich über den letzten Zweifel auch noch meine Gedanken eröfne.

Mir hatte der Name, da ich ihn in die Inschrift setzte, nichts auffallendes oder anstößiges. Man kennt unter demselbigen den Stifter, und er wird ihm gewöhnlich vom Publico und von Freunden beigelegt. Er ist an sich wohlklingend und macht mit dem vorhergehenden Vornhamen eine propotionierliche Zeile.

Der Zusatz: zum Fürstenstein ist bei einer so kurzen Inschrift, wie Ew. Exzellenz selbst bemerken, zu lang. Die Abbreviatur: z.F. läßt für einen Dritten ein Räzel, und leitet das Nachdenken an einen unrechten Ort.

Den Geschlechtsnamen Sophien unterzusezen, wollt' ich auch nicht raten, weil, wenn er unten steht, er die beiden Vornamen besser zusammenbindet. Deswegen komme ich, aus schon oben angeführten Ursachen zu dem ersten wieder zurück. Es sind noch[14] einige kleine Nuancen in der Sache, die aber, auseinander zu sondern, schriftlich zu weitläufig werden würden. Ich will darüber mit Herrn Seckendorf sprechen, der als denn, wenn er das Glück hat Ihnen aufzuwarten ausführlich sein kann. Mir wird es schwerlich so wohl werden von der freundlichen Einladung zu geniesen. Die Tage, die ich vor mir sehe, scheinen mir wenig Ruhe und Erholung zu versprechen. Behalten Sie mir bei Sich und der Frau Gemalin die gütigen Gesinnungen bis auf Zeiten, die für mich vorteilhafter sind.

Und verzeihen mir, daß ich diesen Brief nicht eigenhändig geschrieben. Um öffters mit dem was mir obliegt, bey ungleichen Zuständen des Geistes und Körpers fertig zu werden, muß ich zum diktieren meine Zuflucht nehmen.

Ew. Excellenz

ganz gehorsamer

Weimar den 6. März 81.

Goethe.[15]


5/1149.


An Charlotte von Stein

Wir pflegen mit dem Todte zu spasen, und es fällt doch so schweer sich auf kurze Zeit zu trennen. Beym anziehn konnt ich nicht begreifen daß ich mich ankleidete ohne die Absicht zu Ihnen zu gehen. Wir werden einen sehr bösen Ritt haben, doppelt für mich denn mein Herz zieht mich, und der Wind stöst mich zurück. Adieu meine Geliebte. Grüsen Sie Steinen, Ihre Schwägerinn und Lingen. Machen Sie Knebeln wohl, und lieben mich, und versäumen nicht mir zu schreiben.

d. 7. März 81.

G.[67]


5/1150.


An Charlotte von Stein

Neunheiligen d. 7. März Nachts 10.

Man ist auseinander gegangen, ich habe mein neues Nachtwestgen zum erstenmale angezogen, und will dem Kutscher der Morgen früh zurück geht einige Worte mitgeben. Der Ritt hierher war ein bittrer Bissen, besonders die lezten Stunden, wo es feinen Regen im Winde trieb. Der Herzog hat einen entsezlichen Schnuppen, mir ists ganz wohl bekommen und wir sind hier gar artig. Ihnen danck ich tausendmal für die Nähe Ihrer Liebe, und alles was Sie mir mitgegeben und mich hoffen lassen. Dafür hab ich Ihnen auch ein Paar schöne Gleichnisse erfunden. Morgen soll wenn das Glück gut ist gezeichnet werden.

Unsre Wirtinn ist ein zierliches Wesen, und er hat sich noch ganz gut gehalten. Seine Narrheit nehm ich für bekannt an und toll ist er noch nicht gewesen.

Ich sehne mich nach Ihren lieben Augen die mir gegenwärtiger sind als irgend etwas sicht oder unsichtbares. Noch nie hab ich Sie so lieb gehabt und noch nie bin ich so nah gewesen Ihrer Liebe werth zu seyn. Adieu beste. Grüsen Sie die Waldnern. Empfehlen Sie mich der Herzoginn.

G.[68]


5/1151.


An Friedrich Justin Bertuch

Haben Sie die Güte, la Religieuse par Diderot ein Manuscript im Nahmen Serenissimi von Durchl. der Herzoginn Mutter abhohlen zu lassen.

Ingleichen die Briefe über Wasern in meinem Nahmen von Herrn v. Knebel.

Innliegende Briefe bitte zu bestellen und fragen zu lassen ob nichts an mich abzugeben ist, auch so lang mit der Abfertigung des Husaren zu verziehen.

Obige Manuscripte mit dem was etwa sonst an Seren. oder mich eingelaufen wäre schicken Sie wohl eingepackt unter meiner Adresse hierher und sagen mir gefällig mit einem Worte was Hof Stadt und Land neues führt. Leben Sie recht wohl. [Neunheiligen] d. 8. März 81.

G.


5/1152.


An Charlotte von Stein

Morgen geht ein Husar um die Religieuse zu hohlen, ihm will ich auch dieses Blat an Sie mitgeben.

Es geht uns recht gut. Der Tag lauft weg wie das Leben, man thut nichts und weis doch nicht wo die Zeit hinkommt. Der Herzog hat einen entsezlichen Schnuppen der ihn in der Sozietät nicht sehr interessant seyn läßt, ich bin auch davon ein wenig[69] angegriffen, doch sind meine Ideen immer um ein gut Theil losgebundener.

Sie ist liebenswürdig, einfach, klug, gut, verständig, artig pp alles was Sie wollen, und ihr ganzes Wesen ist recht gemacht mich an das zu erinnern was ich liebe.

Heute ist gezeichnet worden. Der Graf hat auserordentlich schöne Ewerdingen, davon hab ich zwey angefangen, es ist eine Gröse und Krafft drinne an der man sich ewig erlaben kan.

Sonst liest und schwäzt man, isst und trinckt, mir kommts ganz ungewohnt vor solche harmlose Tage zu haben.

Im Zeichnen war ich heute wieder recht unzufrieden mit mir, es wird eben nichts draus und kan nichts wer den. Ich bin immer so nah und so weit wie einer der vor einer verschlossnen Thüre steht.

Versäumen Sie ia nicht mir mit dem rückkehrenden Husaren ein Wort zu sagen. Bertuch soll mit der Abfertigung so lange warten. Sagen Sie mir was ich immer hören mag daß Sie mich lieben, immer neuer und schöner lieben.

Gestern auf dem langen Weeg, dacht ich unsrer Geschichte nach, sie ist sonderbaar genug. Ich habe mein Herz einem Raubschlosse verglichen das Sie nun in Besiz genommen haben, das Gesindel ist draus vertrieben, nun halten Sie es auch der Wache werth, nur durch Eifersucht auf den Besiz erhält man[70] die Besiztühmer. Machen Sie's gut mit mir und schaffen Sie gottseelig den Grimmenstein in Friedenstein um. Sie haben es weder durch Gewalt noch List, mit dem Freywillig sich übergebenden muß man aufs edelste handlen, und sein Zutraun belohnen.

Da ich der ewige Gleichnißmacher bin, erzählt ich mir auch gestern, Sie seyen mir was eine Kayserliche Kommission den Reichsfürsten ist. Sie lehren mein überall verschuldetes Herz haushälticher werden, und in einer reinen Einnahme und Ausgabe sein Glück finden. Nur meine Beste unterscheiden Sie sich von allen Debit Commissarien daß Sie mir eine reichlichre Competenz geben als ich vorher im Vermögen gehabt. Sezzen Sie Ihr gutes Werck fort, und lassen Sie mich iedes Band der Liebe Freundschafft, Nothwendigkeit, Leidenschafft und Gewohnheit mich täglich fester an Sie binden. Wir sind in der That unzertrennlich, lassen Sie es uns auch immer glauben und immer sagen. Gute Nacht. Sie müssen iezt meinen gestrigen Brief haben und morgen bey guter Zeit erhalten Sie diesen. Wenn Sie fleisig und artig waren; so kann ich auch übermorgen von Ihrer Hand lesen was ich so sehr wünsche. Da die Tage so schnell herumgehn, so lebt die Hoffnung in mir Sie bald wiederzusehn.

Der Herzog kan für Schnuppen nicht schreiben sagt er. Mich lockt ein Husar der nach Weimar geht ganz anders.

[71] Adieu. Ich habe das liebe Band im Schreiben um die Hand gebunden, und küsse Ihnen in Gedancken tausendmal die Hände. [Neunheiligen] Donnerstag d. 8ten. Abends 10 Uhr.

G.


5/1153.


An Charlotte von Stein

[Neunheiligen] d. 10ten März 81. früh.

Heut ist eine Fahrt nach Ebeleben ein Schwarzburgisches Lustschloss angestellt. Vorher schick ich Ihnen noch diesen Grus und Wunsch daß Ihnen recht wohl seyn möge.

Gestern hab ich gezeichnet, dann kam Besuch von Langensalza, der gröste Theil des Tags wurde weggestanden und wegdiskurirt. Wenn es nicht immer nüzlich wäre Menschen zu sehen, sie seyen von welcher Art sie wollen, so würde mich die schöne Zeit dauern. Ich habe einen Everdingen angefangen, nach meiner gewöhnlichen Art, auf schlecht Papier und nun dauert mich die Arbeit da ich ans Ausmachen komme. Die Ruhe, die Entfernung von aller gewohnten Plage thut mir gar sehr wohl, ich fühle daß ich noch immer bey mir selbst zu Hause bin, und daß ich von dem Grundstock meines Vermögens nichts zugesezt habe.

Gestern bey guter Zeit erhielt ich Ihren lieben Brief den schönen Abdruck Ihrer Seele. Ich hab ihn gleich sechsmal hintereinander gelesen und les ihn[72] immer wieder. Hoffentlich fahren Sie fort mir immer zu schreiben bis ich wiederkomme, es ist gewiß bey mir angewendet was Sie für mich thun.

Wir wollen den Grafen nicht berufen, sonst müßt ich sagen er führt sich recht gut auf. Wir haben noch keine Sekkatur auszustehn gehabt, der Herzog versichert er kenne ihn gar nicht.

In ihr ist eine Richtigkeit der Beurtheilung, ein unzerstörliches Leben und eine Güte die mir täglich neue Bewundrung und Freude machen. Sie ist dem Herzog sehr nützlich, und würde es noch mehr seyn wenn die Knoten in dem Strange seines Wesens nicht eine ruhige gleiche Aufwicklung des Fadens so sehr hinderten.

Mich wundert nun gar nicht mehr daß Fürsten meist so toll, dumm, und albern sind. Nicht leicht hat einer so gute Anlagen als der Herzog, nicht leicht hat einer so viel verständige und Gute Menschen um sich und zu Freunden als er, und doch wills nicht nach Proportion vom Flecke, und das Kind und der Fischschwanz gucken eh man sich's versieht wieder hervor. Das größte Übel hab ich auch bemerckt. So passionirt er fürs gute und rechte ist, so wirds ihm doch weniger darinne wohl als im unschicklichen, es ist ganz wunderbaar wie verständig er seyn kan, wie viel er einsieht, wieviel kennt, und doch wenn er sich etwas zu gute thun will so muß er etwas Albernes vornehmen, und wenns das Wachslichter Zerknaupeln[73] wäre. Leider sieht man daraus daß es in der tiefsten Natur steckt, und daß der Frosch fürs Wasser gemacht ist wenn er gleich auch eine Zeitlang sich auf der Erde befinden kan. Die Zeit unsrer Abfahrt rückt herbey, ich sollte schon lang geschlossen haben. Leben Sie wohl meine Beste und grüsen die guten und lieben.

Können Sie gelegentlich meine Literatur von der Herzoginn zurücknehmen; so heben Sie mir's auf. Wenn Sie mit ihr und auch Herdern drüber sprächen, wäre mir's sehr angenehm, denn ich möchte durch den Mund meiner Geliebten am liebsten hören, was sie davon sagen. Übrigens ist's in mir so still wie in einem Kästgen voll allerley Schmucks, Gelds und Papiere das in einen Brunnen versinckt. Adieu es soll alles für Sie aufgehoben seyn. grüsen Sie auch Frizzen und Ernsten. Ich muss fort.


5/1154.


An Charlotte von Stein

Neunheiligen d. 11ten März. Ihr Bleystiftt Zettelgen von gestern Abend hat mir einen guten Morgen gesagt, wir dürfen uns nicht beschweeren, daß unsre Boten zu langsam gehen, wäre nur der Brief nicht im Schreibe Pult verschlossen gewesen, daß ich mehr von Ihnen gehabt hätte.

Heut ist Sonntag, Donnerstags früh geh ich hier[74] weg und bin Abends bey Ihnen weil ich in Ringleben noch etwas zu sehen habe. Der Herzog will einige Tage nach Cassel, ich gehe nicht mit, aus viel Ursachen davon ich ihm einige gesagt, einige verschwiegen habe, er läßt Wedeln kommen und sie mögen glücklich fahren. Er wirft mir vor daß ich ans Brod gewöhnt sey, und mich deswegen nicht weit verlaufen mögte. Es kan seyn daß auch das unter den neun und neunzig keine der geringsten Ursachen ist.

Gestern haben die Ratten zu maneuvriren angefangen; da ich nun auf alle solche inn- und ausländische Tiere sehr präparirt bin, hab ich mich sogleich einiger bemächtigt, sie secirt um ihren innern Bau kennen zu lernen, die andern hab ich wohl beobachtet, und ihre art die Schwänze zu tragen bemerckt, daß ich gute phisiologische Rechenschafft davon werde geben können. Ich hoffe in diesen wenigen Tagen noch einige Scenen, um die Erscheinung recht rund zu kriegen. Ich erstaune wie das plumpste so fein, und das feinste so plump zusammenhängt. So still bin ich lang nicht gewesen, und wenn das Auge Licht ist wird der ganz Körper licht seyn et vice versa. Die Gräfinn hat mir manche neue Begriffe gegeben, und alte zusammengerückt. Sie wissen daß ich nie etwas als durch Irradiation lerne, daß nur die Natur und die größten Meister mir etwas begreifflich machen können, und daß im halben oder einzelnen etwas zu[75] fassen mir ganz unmöglich ist! – Wie offt hab ich die Worte Welt, grose Welt, Welt haben u.s.w. hören müssen und habe mir nie was dabey dencken können, die meisten Menschen die sich diese Eigenschafften anmasten, verfinsterten mir den Begriff, sie schienen mir wie schlechte Musickanten auf ihren Fiedeln Symphonien abgeschiedner Meister zu kreuzigen, ich konnte eine Ahndung davon aus diesem und ienem einzelnen Liede haben, vergebens sucht ich mir das zu dencken was mir nicht mit vollem Orchester war produzirt worden.

Dieses kleine Wesen hat mich erleuchtet. Diese hat Welt oder vielmehr sie hat die Welt, sie weis die Welt zu behandlen (la manier) sie ist wie Quecksilber das sich in einem Augenblicke tausendfach theilt und wieder in eine Kugel zusammenläuft. Sicher ihres Werths, ihres Rangs handelt sie zugleich mit einer Delikatesse und Aifance die man sehn muß um sie zu dencken. Sie scheint iedem das seinige zu geben wenn sie auch nichts giebt, sie spendet nicht, wie ich andre gesehn habe, nach Standsgebühr und Würden iedem das eingesiegelte zugedachte Packetgen aus, sie lebt nur unter den Menschen hin, und daraus entsteht eben die schöne Melodie die sie spielt daß sie nicht ieden Ton sondern nur die auserwählten berührt. Sie tracktirts mit einer Leichtigkeit und einer anscheinenden Sorglosigkeit daß man sie für ein Kind halten sollte das nur auf dem Klaviere, ohne auf die Noten[76] zu sehen, herumruschelt, und doch weis sie immer was und wem sie spielt. Was in ieder Kunst das Genie ist, hat sie in der Kunst des Lebens. Tausend andre kommen mir vor wie Leute die das durch Fleis ersezzen wollen was ihnen die Natur versagt hat, noch andre wie Liebhaber die ihr Conzertgen auswendig gelernt haben und es ängstlich produziren, noch andre – nun es wird uns Stoff zur Unterredung genug geben. Sie kennt den größten Teil vom vornehmen, reichen, schönen, verständigen Europa, theils durch sich theils durch andre, das Leben, Treiben, Verhältniß so vieler Menschen ist ihr gegenwärtig im höchsten Sinne des Worts, es kleidet sie alles was sie sich von iedem zueignet und was sie iedem giebt thut ihm wohl. Sie sehen ich trete geschwind auf alle Seiten um mit todten Worten, mit einer Folge von Ausdrücken ein einziges Lebendiges Bild zu beschreiben. Das Beste bleibt immer zurück. Ich habe noch drey Tage und nichts zu thun als sie anzusehn, in der Zeit will ich noch manchen Zug erobern. Nur noch einen der wie eine Parabel den Anfang einer ungeheuren Bahn zeichnet. Der Pfarr hier ist ein schlechter Kerl, nicht so daß man ihn absezzen könnte, genug er ist schlecht. Wenn der Graf ihn zu Gaste lädt so ißt sie nicht mit hausen, und sagt es sey recht und nothwendig auch öffentlich zu zeichen wenn man iemanden um seiner Schlechtigkeit willen verachtet. Thun Sie dieses zu ienem oben gesagten hinzu so multiplizirt es die[77] Summe ungeheuer. Gerne macht ich Ihnen nun auch von ihm das Portrait so weit ichs habe und führte den Rattentext weiter aus, wenn mich bey diesem Gegestande nicht der natürliche Widerwille gegen das Schreiben behende ergriff. So viel kan ich sagen er macht mir meine dramatische und epische Vorrathskammer um ein gutes reicher. Ich kan nicht verderben, da ich auch aus Steinen und Erde Brod machen kan.

Adieu meine beste. Ich zähle die Stunden bis Donnerstags Abends, nicht mit Ungeduld (denn ich habe bis dahin mein Pensum noch vor mir) sondern mit der stille der gewissen Liebe und des festen Zutrauens daß ich nicht von Ihnen entfernt bin und daß mich zur gesezten Stunde die Gegenwart meines Glückes empfangen wird als wenn ichs nie verlassen hätte. Adieu grüsen Sie Steinen und was mir gut ist.

Adieu süse Unterhaltung meines innersten Herzens. Ich sehe und höre nichts guts das ich nicht im Augenblick mit Ihnen theile. Und alle meine Beobachtungen über Welt und mich, richten sich nicht, wie Marck Antonins, an mein eignes, sondern an mein zweites selbst. Durch diesen Dialog, da ich mir bey iedem dencke was Sie dazu sagen mögten, wird mir alles heller und werther. Wir haben heute Gäste von Langensalza. auf das Siegel drück ich einen Kuß und bin dein für ewig.

G.[78]


5/1155.


An Charlotte von Stein

Sie haben mir durch den Boten eine grose Freude geschickt, schon furcht ich, heut und Morgen nichts von Ihnen zu hören, und so kam mir das Gute unvermuthet. Es ist mir zu wider daß mein Brief versteckt geblieben, und daß die andern Sie so spät auffinden; gerne wollt ich daß Sie so bald als möglich mein Andencken erhielten. Ihr Bote ist recht frisch gegangen, er war schon vor sechs heut Abend hier.

Unsre arme schöne Wirthinn ist kranck, und trägts wie Frauen zu tragen gewohnt sind. Heute früh hatten wir einen langen politischen Diskurs; auch diese Dinge sieht sie gar schön, natürlich und wie ihres gleichen. Sie liebt den Herzog schöner als er sie. und in diesem Spiegel hab ich mich beschaut und erkannt daß auch Sie mich schöner lieben als wir gewöhnlich können. Doch ich geb es nicht auf ich fühle mich zum Streit aufgefordert, und ich bitte die Grazien daß sie meiner Leidenschafft die innre Güte geben und erhalten mögen aus der allein die Schönheit entspringt.

Behalten Sie ia was Sie mir gutes zu sagen haben, auch mir haben die Geister der Welt viel nüzliches in's Ohr geraunt, haben mir über mich und andre schöne Eröffnungen gethan.

Donnerstags Abends hoff ich Sie allein zu finden,[79] hoffe die ersten Stunden ganz bey Ihnen zu seyn. Freytags wollen wir zusammen essen und fröhlig seyn.

Heut ist wenig gezeichnet worden gestern gar nichts, kaum werd ich eine Landschafft fertig bringen die ich hier lasse. Was gehen mir über den Ewerdingen für neue Lichter auf, warum muß man so lang im Dunckeln tappen und in der Dämmrung schleichen.

Meine Seele ist fest an die deine angewachsen, ich mag keine Worte machen, du weist daß ich von dir unzertrennlich bin und daß weder hohes noch tiefes mich zu scheiden vermag. Ich wollte daß es irgend ein Gelübde oder Sakrament gäbe, das mich dir auch sichtlich und gesezlich zu eigen machte, wie werth sollte es mir seyn. Und mein Noviziat war doch lang genug um sich zu bedencken. Adieu. Ich kan nicht mehr Sie schreiben wie ich eine ganze Zeit nicht du sagen konnte.

Der Bote verspricht beyzeiten in Weimar zu seyn. In zwey Tagen folg ich ihm. Wo möglich kriegst du noch einen Brief eh ich komme.

Noch etwas von meiner Reiseandacht. – Die Juden haben Schnüre mit denen sie die Arme beym Gebet umwickeln, so wickle ich dein holdes Band um den Arm wenn ich an dich mein Gebet richte, und deiner Güte Weisheit, Mäsigkeit und Geduld theilhafft zu werden wünsche. Ich bitte dich fusfällig vollende dein Werck, mache mich recht gut! du kannsts, nicht nur wenn du mich liebst, sondern deine Gewalt wird[80] unendlich vermehrt wenn du glaubst daß ich dich liebe. Lebe wohl.

Ich hoffe immer daß du wohl seyst. Leb wohl. Mir fällt eins aufs andre ein. Leb wohl, ich kan. nicht von dir kommen wenn nicht des Blättgens Ende wie zu Hause die Thüre mich von dir schiede. [Neunheiligen] d. 12. März Montags um halb 11 Nachts. 81.

G.


5/1156.


An Charlotte von Stein

Heute früh vor sechsen ist der Bote ab mit der Antwort auf Ihr gestriges, wahrscheinlich kommt dieses durch den Husaren früher, vielleicht zugleich. Der Tag ist schön heiter ich wünscht mir ihn übermorgen so. Heute beym Erwachen hab ich schon meine Andacht zu Ihnen gerichtet, und verlange sehnlich Sie wiederzusehn.

Hier ist ein Brief von Lavatern an Knebel, er steht ganz von der Idee ab und kündigts ihm an. Durch Ihre Hand soll er die Nachricht seines Glücks erhalten, denn was wird dadurch nicht werther. Ich mögte Ihnen mein Leben, mich ganz hingeben um mit aus Ihren Händen mir selbst wieder zu empfangen. Es ist auch schon zum Teil so mit mir, und das ist was ich am liebsten an mir habe.

Der Herzog hat mir Ihren Brief den der Husar brachte, bis iezt vorenthalten, und schickt mir ihn in[81] 10 übereinander gesiegelte Couverts eingeschlossen herauf. Ich hatte schon der Hoffnung entsagt etwas von Ihnen zu sehn.

Tausend Danck meine liebste.

Es ist wahr offt wünsch ich Ihnen selbst mehr Zeit der Sammlung, und mag doch nichts von dem Theil hergebenden ich Ihnen raube.

Also hoffe ich vergebens Sie und wenige auf den Freytag bey mir zu sehn, doch will mir Ihre Güte sich selbst behalten, ich nehms an weil ich glaube daß es kein Opfer ist, und nähm es auch vielleicht wenn es ein Opfer wäre. Adieu. Einen so schönen Morgen hoff ich bald mit Ihnen im Stern zuzubringen. Heut früh fang ich zum erstenmal an einige Unruhe zu spüren und ein Verlangen wieder bald bey Ihnen zu seyn. Der Flus läuft sanft und sachte, ie naher er ans Wehr kommt iegeschwinder ziehst.

Grüsen Sie Knebeln und geniesen mit ihm die Erstlinge der Freude über seinen Gewinnst.

Steinen, die Waldnern Lingen und die Kleine grüsen Sie, auch die Werthern und Seckendorfen.

Frizzen nicht zu vergessen. Er hätte mir wohl einmal schreiben können.

Tausendmal Adieu. [Neunheiligen] d. 13. März 81. früh 8te.

G.[82]


5/1157.


An Charlotte von Stein

[15. März.]

Mit grosem Verlangen bin ich bey Ihnen vorgeritten, und habe mein bestes nicht zu Hause angetroffen. Ich wollte zu Ihren Eltern weil ich doch zu Hause nichts zu Essen wusste, dann zog mich wieder ein Winck nach meinem Garten. Da bin ich in Erwartung zu hören wenn Sie nach Hause kommen.

G.


5/1158.


An Charlotte von Stein

Für das volle Kästgen schick ich Ihnen hier ein leeres zur schwarzen Kreide, und nur weniges von dem vielen guten. Eh ich meine Visiten antrete gegen 10 Uhr komm ich Sie zu sehn. Zu Mittag will ich nach Hof gehn und entbehre also mein Leib essen und mein Lieb essen. Ich habe mich recht wohl geschlafen und hoffe mit Mäsigkeit bald wieder auf den guten Weeg zu kommen. Adieu meine beste, meine immer nahe. d. 16. März 81.

G.


5/1159.


An Johann Kaspar Lavater

Von einer kleinen Reise zurückgekommen schreib ich dir nur weniges, mit dem nächsten Posttag mehr über alle deine Briefe.

[83] Knebeln hat die Nachricht grose Freude gemacht, doch war er mehr betroffen darüber daß er die Uhr euch weggewonnen hätte, er sagte mir er habe dir geschrieben, und mögte sie eben so gern dir oder der Gesellschafft schencken wenn es dir Freude machte.

Ich muß dir sagen daß wie ich meinen lezten wohl gedachten Brief zugesiegelt hatte fiel mir ein: vielleicht kommt er selbst auf den Gedancken und dann ists schön, doppelt und dreyfach. Denn das Gefühl macht offt das bessre als was andre für uns überlegen können.

Nun lieber Bruder schreib ich dir nur geschwind um dir zu sagen daß ich dich nun wieder ganz freygebe zu thun was du willst. Er hat auch an die Schwürigkeit des Transports gedacht. Wir haben unsre Schuldigkeit gethan und es ist lieblich daß ihm sein Herz sagt was ich ihm nicht gerne abgefordert haben wollte. Schreib mir doch noch darüber und bald.

Was mit dem verwechselten Packet an Kaysern ist, begreif ich noch nicht.

Bäbe schreibt es sey ein Packet in Quart zusammengelegt, du sagst ein Rouleau. An Kaysern ist bis jezt ein Clavier Conzert angekommen, dabey lag ein Packet in gros Quart auch unter seinem Couvert, das hab ich aufgerissen und drinne ein eingebunden geschrieben Exemplar geistlicher Gedichte gefunden. Ists das vielleicht? Ich habe nicht drinne[84] gelesen. Indess bis ich Antwort habe will ich aufpassen ob etwa noch was ankommt.

Der Brutus ist köstlich.

Das Buch hat der Herzog v. Gotha wieder. Über die übrigen Sachen nächstens.

Auf die Gemählde freu ich mich. Sey unbesorgt.

Gott mit dir. d. 16. März 81.

G.


5/1160.


An Charlotte von Stein

Heut erhalten Sie nichts süses zum Frühstück. Sie werden sich mit schwarzem Brod begnügen. Die ersten Veilgen schick ich meinem Ersten und hoffe lange sie zu schicken. Adieu. Ihr Geist ist bey mir und hilft mir schaffen, hilft mir Ihre Liebe verdienen. Adieu. Wenigstens seh ich Sie nach Tische.

d. 17. März 81.

G.


5/1161.


An Charlotte von Stein

Einen süsen guten Morgen meine beste, und frage wie Sie geschlafen und ob Ihnen mein Abendessen nicht geschadet? Heute seh ich soviel zu thun vor mir daß ich wohl zu Hause bleiben muss. Vielleich seh ich Sie eh Sie in die Assemblee gehn, wenigstens wenn Sie mich mögen nach dem Conzert gewiss.

[85] Adieu liebste und kommen Sie meinem Geiste entgegen, der nicht zum Himmel aufsteigen kan, weil er an Ihrer Wohnung drüben auf dem Hügel immer aufgehalten wird. d. 18. März 81.

G.


5/1162.


An Johann Kaspar Lavater

d. 18ten März.

Die Stille von Sonntagsfrüh will ich benutzen um mich mit dir mein lieber zu unterhalten.

Bäbe schreibt mir unterm ersten März was ich hier beyfüge.


Durch ein fatales versehen ist von der Reblaub nur mit schwerer Post mit einer Rolle an Kaiser ein päckgen groß quart zusammengelegt eingegangen – das letzte ist nun etwas daß nicht soll eröffnet werden – entweder so verbrannt – oder mit gelegenheit wieder zurückgeschickt werden soll –

Also wäre das nicht aufzumachende, das Päckchen in gros Quart.

Du schreibst unterm 3. März, es sey ein dir gehörendes Rouleau. Noch aber ist nichts angekommen als ein Packet gros Oktav, das Religiose Poesien enthält, davon ich nichts lese weil ich doch dencke es könnte dir zuwider seyn. Auch hab ich sorgfältig nachgesehen ob etwa ein Billet drinne läge deswegen ihr in Verlegenheit wäret, um es dir sogleich zu schicken, aber auch nichts dergleichen ist dabey. Deswegen[86] erwart ich neue Nachricht und Auftrag. Käme ein Rouleau so lass ichs nicht aufmachen, und eröffne es auch selbst nicht.

Was du mir in dem Brutus schencktest hast du wohl gewusst. Ich dancke dir tausendmal. In der Mäsigkeit und Mittelmäsigkeit des Lebens tritt eine solche Erscheinung ungeheuer würckend auf. Wir legens aus, daß es der Moment sey wo er den Geist sieht. Ist's so gemeynt? Deine Auslage ersez ich mit Freuden.

Auf die überschickten Gemählde wart ich mit Schmerzen das Grose ist so selten. Halten wir die Trümmer der Statuen so wehrt, klauben wir sie aus dem Greuel der Verwüstung und der Restauration so ängstlich hervor, warum nicht Gemählde.

Es ist mir leid daß dir in meinem didacktischen Briefe etwas misbehagt hat. Ich habe die Art wenn eine Sache auseinander zu sezzen ist grade mit dem Schwerdt drein zu gehn, es offt zu scharf, und nicht immer sein genug zu nehmen. Zu diesem Fehler bekenn ich mich im allgemeinen, ziehe auch in diesem Falle das ab, und zweifle nicht an meinem Glauben an dich Ganzen.

Du machst mir wohl da du sagst daß du gesund bist. Erhalt uns Gott lange auf dieser schönen Welt und in Krafft ihr zu dienen und sie zu nutzen. Mit mir stehts auch gut. Besonders innerlich. In weltlichen Dingen erwerb ich täglich mehr Gewandtheit,[87] und vom Geiste fallen mir täglich Schuppen und Nebel dass ich dencke er müsste zulezt ganz nackend dastehn, und doch bleiben ihm noch Hüllen genug.

Deine Rechnung vom 1. Nov. 80 hab ich erhalten, die grose nämlich, sonst seit der Zeit nichts.

Die Mannssilhouette will mir, verständig, wohl einsehend, fest, fein, und kältlich scheinen. Sag mir mehr und recktifizire, fern von dir und deinem Einfluss lern ich täglich zurück.

Die drey Könige! Seifenblasen, und Schwärmer, die dich noch dazu wohl verdriesen müssen. Daß ich den Glauben eines Teils der Welt, sogut als des andern, als Fabelfrazzen im Possenspiel tracktire. Verzeih mir, ich bin nun so.

Calliostro ist immer ein merckwürdiger Mensch. Und doch sind Narr mit Krafft, und Lump so nah verwandt. Ich darf nichts darüber sagen. ich bin über diesen Fleck unbeweglich. Doch lassen solche Menschen, Seiten der Menschheit sehen, die im gemeinen gange unbemerckt blieben.

Daß du meiner mit Branckoni im Guten gedacht hast erfreut mich. Das gewisse Andencken guter Menschen hat einen grösern Einfluß auf unser Leben, Charackter und Schicksaal als man sonst den Sternen zuschrieb.

Über Peter im Baumgarten ein besondres Blätgen das du an Tscharner schicken kannst.

Lynckern hab ich scharf exequirt. Er schiebts auf[88] Kaufmannen, daß der die Bestellung gemacht und die Bezahlung versprochen habe, ihm (Lynckern) auch noch Geld schuldig sey. Zulezt bekennt er sich nur zu 5 Carolin, die er mir auch ausgezahlt, und über die ich ihn quittirt habe; du kannst diese nun an Bucklen auszahlen und ich will dir sie zu gute schreiben, oder an wen du es verlangst entrichten.

Hast du des alten Königs Schrifft über die Deutsche Litteratur gelesen und was sagst du dazu. Lessings Tod hat mich sehr zurückgesezt, ich hatte viel Freude an ihm, und viel Hoffnung auf ihn.

Nun weis ich bald nichts mehr.

Kayser ist recht gut hier, er hört und sieht viel Musick und Menschen. Ich habe Absichten mit ihm davon mehr wenn sie reifer sind.

Grüs Bäben! Ihr bin ich lange einen Brief schuldig. Sie schrieb mir von einem Riesengeiste der dir erschienen sey. Verhalte mirs nicht.

Leb wohl. Grüse Frau und Kinder und sage mir etwas von ihnen.

Nun fang ich wieder an zu leben da um mich herum alle Knospen sich zu regen anfangen. Adieu. Nochmals Danck für den Brutus.

G.

Wegen der Uhr thust du was du willst.[89]


5/1163.


An Charlotte von Stein

Gewünscht hab ich, nicht ganz gehofft daß Sie heut mir seyn mögten. Ich bin fleisig um mein Mittag essen bey Ihnen zu verdienen. Ihre Liebe macht ein immer schönes Clima um mich, und ich bin auf dem Weege mich durch sie von manchem Überreste der Sünden und Mängel zu kuriren. Adieu Beste! Hier die Politick. d. 19. März 81.

G.


5/1164.


An Charlotte von Stein

Geniesen Sie das Frühstuck und dencken dabey an den Ihrigen. Sagen mir auch was heute Ihr Vorsaz ist. Der graue Tag will mir nicht schmecken. Hab ich doch wenn auch die Himmelssonne sich verbirgt eine andre die sich nicht versteckt noch untergeht. d. 20. März 81.

G.


5/1165.


An Charlotte von Stein

Heute muß ich bis zu Tisch und nach Tisch fleisig seyn, drum will ich zu Hause essen und wenn Sie erlauben mir gegen 1 Uhr etwas hohlen lassen. Denn[90] wenn ich in Ihrer Athmosphäre erst aufquelle; so will alsdenn meine Seele nicht in das enge Maas der Geschäftlichkeit mehr passen. Adieu. Ich habe mir viel gutes vorgenommen und bin deswegen mit mir zufrieden. Auch d. 20ten März 81.

G.


5/1166.


An Friedrich Justin Bertuch

Für die rückkommenden Papiere danck ich recht sehr. Ich möchte gern einen schönen Erdglobus haben worauf die neusten Entdeckungen auch gezeichnet wären; Sie wissen ia wohl wo dergleichen zu haben sind und was einer allenfalls kostete.

Sie hätten auch wohl die Güte das Werck:

Recherches sur les Volcans eteints du Vivarais et du Velay. par Mr. Faujas de St. Fond.

von Strasburg zu verschreiben.

d. 20. März 81.

G.


5/1167.


An Charlotte von Stein

Hier ein süs und saures Frühstück. Es ist Conseil, zu Tische bin ich bey der Herzoginn gegen 1 Uhr komm ich einen Augenblick mich Ihnen zu zeigen und meine Frisur in Ordnung zu bringen. Nachmittag werden Visiten gemacht und Abends sehn wir uns.

[91] Adieu liebste. Gestern als ich nach Hause war sehnt ich mich wieder zu Ihnen. d. 21. März 81.

G.


5/1168.


An Charlotte von Stein

Deine Liebe ist mir wie der Morgen und Abendstern, geht nach der Sonne unter und vor der Sonne wieder auf. Ja wie ein Gestirn des Pols das nie untergehend über unserm Haupt einen ewig lebendigen Kranz flicht. Ich bete daß es mir auf der Bahn des Lebens die Götter nie verduncklen mögen. Der erste Frühlingsregen wird unsrer Spazierfahrt schaden. Die Pflanzen wird er aufquellen, daß wir bald des ersten Grüns uns erfreuen. Wir haben noch so keinen schönen Frühling zusammen erlebt, mögte er keinen Herbst haben. Adieu. Ich frage gegen 12 Uhr nach wie es wird. Adieu beste liebste.

d. 22. März 81.

G.


5/1169.


An Charlotte von Stein

Sagen kan ich nicht, und darfs nicht begreifen was deine Liebe für ein Umkehrens in meinem innersten würckt. Es ist ein Zustand den ich so alt ich bin noch nicht kenne. Wer lernt aus in der Liebe. Adieu. Gott erhalte dich. Hier ist ein Brief an[92] Lenzen, du wirst daraus sehen was und wie du ihm zu schreiben hast. Adieu.

d. 23. März 81.

G.


5/1170.


An Johann Gottfried Herder

Für die Monita danck ich recht sehr.

Was verändert werden muß und kan, will ich gleich abthun, und nachher wenn du magst noch einmal mit dir darüber sprechen.

Es ist wunderbaar daß ich bey mehrmals durchlesen übersehen habe daß hinten der Franzos als deutscher spricht. Man familiarisirt sich mit so einem Dinge daß man zulezt gar nichts mehr drinne sieht.

Was du von der Akademie sagst verändert viel, ich will sehn wie ich ihm ausweiche. Lebwohl und nimm nicht übel daß ich dich mit dieser Kleinigkeit plage.

d. 23. März 81. G.


5/1171.


An den Herzog Carl August

Dancke tausendmal für die schöne Zeichnungen, und wünsche daß die Reise in allem Sinn wohl bekommen möge. Gehn Sie nur auf dem wiederbetretenen Hausboden sachte und nehmen sich in acht daß nicht die gewöhnliche Würckung Sie überfalle.

[93] Ich hoffe auf das Frühjahr wo ich hoffe uns die Dialogen in freyer Lufft besser als noch nie bekommen sollen. Es geht mit dem guten wie mit den Quecken, die Cur schlägt erst im dritten Jahre Wiederhohlung recht an.

d. 23. März 81.

G.


5/1172.


An Charlotte von Stein

Mein Vorsaz ruhig zu bleiben wird wieder gestört, der Herzog hat mich zur Tafel gebeten, indess will ich früh fortfahren. Zum Mittag schick ich Ihnen ein Stück Wildpretsbraten den ich gerne mit Ihnen verzehrt hätte. Adieu

meine neue. d. 23. März 81.

G.

Hier ist auch das Restgen, schicken Sies nachher der Waldner.


5/1173.


An Charlotte von Stein

[25. März.]

Ich dancke für den Brief an Lenz. Schicken Sie mir Frizen bald durch den sag ich Ihnen mehr. An Tasso wird heut schwerlich gedacht werden. Mercken Sie aber nicht wie die Liebe für Ihren Dichter sorgt. Vor Monaten war mir die nächste Scene unmöglich wie leicht wird mir sie iezt aus dem Herzen fliesen. Müsst[94] ich nur nicht so einen schönen Ruhe Tag auch mit angeben um von meinen Schulden los zu kommen.

G.


5/1174.


An Charlotte von Stein

Der Herzog und Knebel haben meine Ruhe und meinen Fleis unterbrochen eh ich fortfahre wende ich noch dies Gebet an Sie. Meine Liebe diese fünf iahre her kommt mit dem schönen Reihen so vieler guten Empfindungen vor mir aufgezogen. O könnt ich dir sagen was ich dir schuldig bin.

d. 25. März 81.

G.

Ich habe Sie in Frizzen aufs herzlichste umarmt.


5/1175.


An Charlotte von Stein

Den heutigen Tag meine Beste will ich in der Resignation zubringen Sie nicht zu sehen. Ich bin zu glücklich als daß ich mich wagen sollte. Ein unangenehmer Eindruck über den ich nicht Herr wäre könnte mich stören. Freylich wird mir's gegen Abend schweer werden, doch wird der schöne Gedancke Ihrer Liebe mir diese Stunden übertragen helfen. Adieu. Erst dacht ich einmal die Schröter einzuladen die in 8 Wochen nicht bey mir war, hernach zog ich die[95] Einsamkeit vor. Leb wohl, und wisse wie sehr du mich glücklich machst.

d. 26. März 81.

G.


5/1176.


An N.N.

Ew. Wohlgeb. dancke ergebenst für die Mittheilung rückkommenden Aufsazzes, und gebe eine eigne. Bearbeitung der Materie auf, da Sie solche aus eben dem Gesichtspunckte genommen haben, aus dem ich sie ansah.

Wie wohl mir übrigens die Behandlung selbst gefallen verspaare ich Ihnen zu sagen, bis ich das Vergnügen habe Sie mündlich zu sprechen.

Allerdings wenn Sie nicht um den Preis mit streiten wollen, wird es gut seyn wenn Ihre Schrifft vor dem Termin ins Publikum kommt.

d. 26. März 1781.

Goethe.

.


5/1177.


An Charlotte von Stein

Schon heute früh hab ich gezweifelt ob ich's aushalten würde Sie gar nicht zu sehn, und ich überlies es dem Abend. Da ich weis wo Sie sind wird mich wohl meine Neigung zum Wirbel führen, in dem ich mich sogern verschlingen lasse.

Wenn die Menschen dir zur Freude Guts von[96] mir reden, so mögt ich erst auch um des Ruf's willen etwas thun. Führe dein gutes Werck aus und erhalte mich im Guten und im Genusse des Guten.

Beyliegendes Tuch wird iemand umhaben und mir sagen daß es mich liebt.

d. 26. März 81.

G.


5/1178.


An Charlotte von Stein

Der Himmel trübt sich, ich werde nicht drüber murren, denn wenn ich bey dir bin so ist alles heiter. Den Frauens, und dir besonders hab ich in der Stille des Morgens eine Lobrede gehalten. Eure Neigungen sind immer lebendig und thätig, und ihr könnt nicht lieben und vernachlässigen. Die Offenheit und Ruhe meines Herzens die du mir wiedergegeben hast, sey auch für dich allein, und alles Gute, was anderen und mir draus entspringt sey auch dein. Glaub mir ich fühle mich ganz anders, meine alte Wohlthätigkeit kehrt zurück und mit ihr die Freude meines Lebens, du hast mir den Genuß im Guts thun gegeben, den ich ganz verlohren hatte. Ich thats aus Instinckt und es ward mir nicht wohl dabey. Adieu. So mögt ich immer fortfahren und seys gegenwärtig oder auf dem Papiere, wie schweer wird mirs, mich von dir zu scheiden.

d. 27. März 81.

G.[97]


Wann willst du wegfahren, ich komme eine Stunde früher damit wir reisen können.

Der Herzog ladt mich eben zum Essen ins Kloster und zu einem Nachmittag Spaziergang da komm ich sobald nicht los.


5/1179.


An Charlotte von Stein

Heute will ich mich in der Stille enthalten und verschiednes bey Seite schaffen.

Lassen Sie mir die Aussicht daß ich Sie heut Abend sehen kan, und schreiben mir ein langes Billet daß ich für den Tag etwas habe.

Wäre der Himmel nicht so umwölckt so würd ich Sie einladen nach Tische zu spazieren.

Sagen Sie mir was der Fus macht und wie Sie sich sonst befinden.

Adieu beste. Mir ists so ziemlich. Es ist mein Glück daß ich des Tags über so viele Haufen Geschäffte zwischen dich und mich legen, sonst wär ich den ganzen Tag bey dir, und wäre unglücklich dich nicht zu sehn. d. 28. März 81.

G.

Schicke mir den Longin.[98]


5/1180.


An Charlotte von Stein

Innliegendes war schon gesiegelt als dein liebes Zettelgen kommt. Es ist mir ganz leidlich meine Beste. Wenn wir in einem bessern Clima wohnten; so wäre viel anders, ich bin der dezidirteste Barometer der existirt. Wie aber die schweere der Lufft und ihre Wärme nicht mit einander gehn, so macht mir deine Liebe auch ein besonder Clima.

Hier schick ich ein Frühstück. Und bitte daß du mir noch einmal schreibst Und mir sagst wie es heut Abend ist. d. 28. März 81.

G.


5/1181.


An Johann Heinrich Merck

[28? März.]

Ich habe dir lange nichts gesagt, und hat doch mancherley Anlaß. Der Herzog hatte gute Tage in Cassel und Göttingen gehabt, es hat mich sehr gefreut und ich denke, er hat auch da auf die Menschen gute Sensation gemacht. Schreibe mir ein Wort darüber.

Die Zeichnungen sind sehr hübsch und vermehren meine Sammlung ansehnlich. Nach und nach bring ich noch etwas zusammen. Sorge gelegentlich für mich, der Huysum ist ganz allerliebst. Du weißt,[99] was für eine kindische Liebe mich an die Sachen bindet.

Dein Erasmus ist ein Monument erzteutschen Fleises. Eine Reinlichkeit und Haltung bey der höchsten Mühsamkeit, die sich kaum denken läßt. Doch ist es von einem subalternen Menschen gemacht, wie man gleich sieht, wenn man's mit dem Kupfer zusammenhält. Der lebendige Hauch ist verschwunden, und die Geister sprechen nicht aus allen Winkeln wie im Original.

Sag mir etwas von deinem Aufenthalt in Cassel, von den Göttingern, von Büttnern und seiner Bibliothek und was man von dem Herzog gesagt hat. Es solls niemand erfahren.

Adieu, Alter. Behalte mich lieb. Ich lebe in meinem Wesen fort. Behelfe mich oft und dann gehts wieder einmal. Das Clima ist abscheulich und ich bin ein bestimmtes Barometer. Wo du etwas von Everdingens Radirungen auftreiben kannst, schick es doch ja. Neulich hab ich die ganze Sammlung beysammen gesehn; man will sie aber nicht hergeben. Seit ich diesen Menschen kenne, mag ich weiter nichts ansehn. Jetzt wirds in meinem Garten recht hübsch. Über meine mineralogischen Progressen würdest du erstaunen. Adieu, Alter.[100]


5/1182.


An Charlotte von Stein

Das schöne Wetter und deine Liebe thun zusammen die gewohnte Würckung, es ist mir recht artig. Wenigstens spür ich gar keinen Husten.

Sage mir was der Fus auf den gestrigen Tanz macht. Heut ist Conseil. Sag mir etwas von heute Nachmittag und Abend. d. 30. März 81.

G.


5/1183.


An Charlotte von Stein

Ihr liebes Briefgen hat mich noch im Bette gefunden, wo ich die üblen Einflüsse der Jahrszeit zu lindern geblieben bin. Sehr ungern hör ich daß meine Wünsche nicht länger die Übel von Ihnen entfernt halten. Sie hätten nicht zeichnen sondern ruhen sollen. Der Himmel klärt sich auf, sonst bitt ich Sie nicht zu kommen. Ich bringe lieber die Zeichnungen hinüber.

Den Compte rendu des Herrn v. Necker hab ich erhalten. Es ist eine köstliche Schrifft es wird mir wohl damit gehn wie mit dem Ewerdingen. Adieu beste. Der Herzog hat sich heute nacht ins Dickbein verwundt. Ich will ihn heute früh besuchen. Adieu beste. Frizzen hab ich in deine Seele geküsst.

d. 31. März 81.

G.[101]


5/1184.


An Jakob Friedrich von Fritsch

Darf ich Ew. Excellenz bey der nahen Aussicht auf die Zusammenkunft einer Loge, auch meine eigenen kleinen Angelegenheiten empfehlen? So sehr ich mich allen mir unbekandten Regeln des Ordens unterwerfe, so wünschte ich doch auch wenn es den Gesezzen nicht zu wider wäre, weitere Schritte zu thun, um mich dem Wesentlichen mehr zu nähern. Ich wünsche es sowohl um mein selbst als um der Brüder willen, die manchmal in Verlegenheit kommen mich als einen Fremden tracktiren zu müssen. Sollte es möglich seyn mich gelegentlich bis zu dem Meistergrade hinauf zu führen, so würde ich's danckbarlichst erkennen. Die Bemühungen die ich mir bisher in nüzlichen Ordenskenntnissen gegeben, haben mich vielleicht nicht ganz eines solchen Grades unwürdig gelassen.

Der ich iedoch alles Ew. Exc. gefälligster Einleitung und besseren Einsicht lediglich überlasse und mich mit unwandelbarer Hochachtung unterzeichne


Ew. Excellenz

den 31. März 1781.

ganz gehorsamsterGoethe.


5/1185.


An Charlotte von Stein

Ich wünsche zu hören daß das schöne Wetter auf meine beste so gut würckt wie auf mich. Erst vor[102] kurzem erhebt sich ein Wind sonst ists Allerliebst. Sag mir wie du geschlafen hast und ob die Übel dein liebes Haupt verlassen haben? Ob du mich zu Mittage willst, und was du dir sonst auf den Tag ausgedacht hast. Schicke mir die Landschafft.

d. 1. Apr. 81.

G.


5/1186.


An den Prinzen August von Sachsen-Gotha

Durchlauchtigster Prinz

Gnädigster Herr,

Ew. Durchl. dancke auf das lebhaffteste für den Anteil den Sie meinem kleinen Versuche wiedmen wollen, ich werde von den Bemerckungen gewiss Gebrauch machen, die eine Stelle war ein Versehn.

Ich fange nun selbst an zu zweifeln ob es übersezlich seyn wird. Es muß nun noch einmal überarbeitet werden, hernach wollen wir einen Versuch machen. Auf alle Fälle untersteh ich mich Ew. Durchl. eine Abschrifft zu überreichen.

Hier folgen indeß die Vögel. Es ist freylich nur der erste Ackt, und die übrigen sind noch in Petto, vielleicht lockt die nächste Jahreszeit des Gefieders, auch diese merckwürdigen Geschichten hervor.

Die beyliegende Büste wird vielleicht nicht unwerth befunden werden bey Ew. Durchl. aufgestellt zu seyn.

[103] Mich zur Fortdauer gnädiger Gesinnungen empfehlend unterzeichne ich mich

Ew. Durchl.

Weimar d. 2. Apr.

unterthänigster

1781.

Goethe.


5/1187.


An Charlotte von Stein

Mich fängt schon wieder an zu reuen daß ich diesen Mittag nicht mit dir seyn soll.

Sage mir etwas gutes und liebes meine Beste. Diesen Morgen ists gut wenns nur so den Tag lang fortgehn könnte. Adieu. Sag mir was du machst? wie es heut Abend seyn wird. Adieu Liebst.

d. 2. Apr. 81.

G.


In der Neckerischen Schrifft liegt ein ungeheur Vermächtniss für Welt und Nachwelt. Der Geist macht lebendig, und das Fleisch ist auch nüzze.


5/1188.


An Charlotte von Stein

Guten Morgen meine liebste. Der Regen hat alle Knospen beschleunigt. Wie hast du geschlafen, und wie hast du deinen Tag eingerichtet. Es ist Conseil und ich will zu Hause essen, du gehst zu den Menschen und ich heut Abend zu dir. d. 3. Apr. 81.

G.[104]


5/1189.


An Charlotte von Stein

[4. April.]

Sie sind wohl zusammen ohne mich wo nicht besser. Bey dreyen, die alte Verhältnisse und Erinnerungen sich mitzutheilen haben ist der vierte wenigstens müssig, drum schlich ich mich weg, denn Sie wissen wie mir gleich unheimlich werden kan wo ich nichts zu theilen habe. Ich bin gewiss sehr ungern gegangen. Entschuldigen Sie mich bey der Gräfinn. Mein Zahn lässt mir leidlich Ruhe. Gute Nacht beste. Morgen werden wir auch wieder von einander getrennt leben. Gute Nacht. Jezt da ich weg bin mögt ich wieder zu dir.

G.


5/1190.


An Charlotte von Stein

[5. April.]

Zum schönen Morgen schick ich ein Paar goldne Äpfel. Möge es Ihnen wohl seyn. Das Zahnweh hat mich gestern Abend nicht geplagt, und heut früh bin ich recht gut. Damit täglich etwas geschehe, will ich einige Stunden fleisig seyn und dann mit Knebeln ausreiten. d. 5. April 81. sagt Ihnen Ihr Freund und Geliebter auch noch einmal daß er Sie unveränderlich liebt.

G.[105]


5/1191.


An Charlotte von Stein

Es mag noch so viel in mir und um mich in Bewegung seyn, so ist doch meine Liebe zu dir nie verdunckelt. Adieu! Sag mir was heute dich ruft. Ich esse nach dem Conseil zu Hause und harre deines Rufes. Ich bin recht wohl. d. 6. Apr. 81.

G.


5/1192.


An Charlotte von Stein

Ihrer Liebe erfreu ich mich in dem schönen Wetter und in ieder Knospe die so tausendfach hervorbrechen. Heut will ich mir etwas in der freyen Lufft zu gute thun denn ich habe gestern das dringendste weggeschafft.

Als ich mit Ihnen das Buch des Irrthums und der Wahrheit las, gingen mir schöne Lichter über meinen Zustand auf, ich hatte sie eben für Sie zu schönen klaren Worten gebracht als Stein hereinkam.

Hier sind Orangen und die Everdingens, ergözzen Sie sich dran bis ich komme. Was schaffen Sie heute? d. 7. Apr. 1781.

G.[106]


5/1193.


An Charlotte von Stein

Vergebens hofft ich auch heute den stillen Tag von den Menschen gesondert zu feyern, und einige Stunden mit dir zu seyn. Der Marckgraf kommt um 10 Uhr und wir müssen auf die Parade. Ich bin immer wohl wenn du mich liebst. Das vorübergehende Weh, scheint auch heute aussetzen zu wollen. Adieu meine einzige eh ich nach Hof gehe seh ich dich einen Augenblick. d. 8. Apr. 81.

G.


5/1194.


An Charlotte von Stein

Immer mit meinen Gedancken um dich beschäfftigt, hab ich dir schon wieder viel zu sagen was ich für dich und an dich gedacht habe. Das sey auf die erste gute Stunde die mir mit dir wird. Du schienst gestern Abend zu verlangen daß ich mitfahren mögte, mache mit mir was du willst. Ich will meine Briefe schreiben. Warum ich gerne hier bliebe wäre auch die Probe von Wolfs Musick zu hören die heut Nachmittag um 4 Uhr ist. Doch dein Wille geschehe. Adieu ich seh dich in allen Gestalten immer vor mir und immer lieber. Adieu beste.

d. 9. Apr. 81.

G.[107]


5/1195.


An Johann Kaspar Lavater

[9? April.]

Zum Morgengrus erhalt ich deinen Brief vom 31. März.

Erst also von der Uhr.

Aus beyliegendem Briefe Knebels siehst du was er thut. Es war sein erster Gedancke sie dir zu schencken und überlässt dir gern damit zu machen was du willst. Wir haben nicht gelost denn wir brauchtens nicht. Du konntests thun als der Annehmende, der Geber soll nicht fragen. Ich habe neulich viel mit Knebeln drüber gesprochen, er sagte zulezt: Ich finde es iezt so recht und gut daß mir das Gegentheil unerträglich wäre.

Eben erhalt ich einen Brief von Reich den ich auch beylege. Wie kommts daß der Kasten über Leibzig ging das macht grose Unkosten. Es ist ein Umweeg, und muß beym Ein und Ausgehn Rechte abgeben. Schicke ia so etwas künftig an meine Mutter, die schaffts am sichersten hierher.

Wohl sagst du daß der Mensch Gott und Satan Himmel und Erde alles in Einem sey; denn was sind diese Begriffe anders als Conzepte die der Mensch von seiner eignen Natur hat.

In dem Buch des Erreurs et de la Verite das ich angefangen habe, welche Wahrheit! und welcher[108] Irrthum! Die tiefsten Geheimnisse der wahrsten Menschheit mit Strohseilen des Wahns und der Beschräncktheit zusammen gehängt.

In der Silhouette hätt ich so viel innerliches nicht gesucht, mehr sinnliches.

Die 5 Carolinen übermach ich dir.

Wenn ich vom alten König höre ist mirs als wenn mich der Prediger auf einen hohen Berg führte, und mich dort einen Trauerblick auf die Menschen und ihre Herrlichkeit thun hiese. Dem Kayser gönn ich allen Seegen. Gieb acht! gieb acht! Sein Kopf steht gut. Irr ich nicht sehr; so fehlts am Herzen, das zum grosen Menschen, zur That wie zum Kunstwerck unentbehrlich, und durch Vernunft nicht zu ersezzen ist.

Die Nächste Wochen des Frühlings sind mir sehr geseegnet ieden Morgen empfangt mich eine neue Blume und Knospe. Die stille reine, immer wiederkehrende, Leidenlose Vegetation, tröstet mich offt über der Menschen Noth, ihre moralischen noch mehr phisischen Übel.

Grüse Bäben, Frau und Kinder.

Hast du bey deiner Reise durch Colmar auf einen iungen Grafen Wartensleben geachtet, seine Mutter schrieb dir einmal über ihn. Sag mir etwas was du dich von ihm erinnerst.

Die Gemählde erwart ich also stündlich von Leipzig und freue mich sehr darauf.[109]


5/1196.


An Charlotte von Stein

Sag mir liebste was in deiner schönen Seele vorgeht. Heut früh will ich spazierend allerley aussinnen. Dann zu Diedens gehn und dich um ein Mittagbrod bitten. Gern bät ich dich auch Nach Tisch ein wenig umherzugehn wenn dein Fus dich nicht hinderte. Der Tag ist der erste ganz schöne. d. 10. Apr. 81.

G.


5/1197.


An Charlotte von Stein

Zum Morgengrus schick ich dir schöne Blumen, und melde dir einen köstlichen Tag. Versäume nicht eh du in die Zeichenstunde gehst nur einige Schritte heraus zu thun der Regen hat gar viel hervorgelockt. In der Hoffnung dich Abends zu sehn will ich den Tag leben, und mich deiner Liebe erfreun. Adieu meine beste. d. 11. Apr. 81.

G.


5/1198.


An Charlotte von Stein

Die Veilgen die unsre schöne Sonne für dich herausgelockt hat, sollen dir einen guten Morgen von mir sagen. Heut ist Conseil. Ich esse zu Haus, und bitte mir zu sagen wie du deinen Tag zubringst.

d. 12. Apr. 81.

G.[110]


5/1199.


An Charlotte von Stein

Das Bild ist mir doppelt und dreyfach werth. Könnt ich Ihnen doch einmal etwas recht guts dagegen geben. Der Herzog und Knebel sind bey mir. Zu Mittag komm ich und sag Ihnen was Sie schon wissen. Adieu beste. Es wird recht schön grün und putzt sich auf Morgen. d. 13. Apr. 81.

G.


5/1200.


An Charlotte von Stein

Der Tag ist wie gewünscht. Ich will ihn zu Hause zu bringen in Erwartung meiner Geliebten. Sie bringen Lingen mit. Die andre Gesellschafft lad ich ein.

Kommen Sie ia zeitig und lassen mir Ihre lieben Augen unter dem schönen Himel sagen, daß ich geliebt bin. Adieu. Adieu. d. 14. Apr. 81.

G.


5/1201.


An Charlotte von Stein

[15. April.]

Sie gehn wohl in die Kirche und sagen Ihrem Haiden wohl noch vorher ein Wort. Er hat Ihnen das immer neue alte zu sagen, und kommt noch Sie zu sehn ehe er bey Hof geht.

[111] Es träumte mir, wir reisten zusammen und hätten besondre Schicksaale.

Ostertag 81.

G.


5/1202.


An Charlotte von Stein

[16. April.]

Ich mögte hören wie sich meine beste befindet. Ob sie mich heute zu Tisch mag, und ob sie mir erlauben will ihr heute zu wiederholen was ich so gern von ihr höre.

2ten Ostertag 81.

G.


5/1203.


An Johann Kaspar Lavater

Weimar den 16. Aprill 1781.

Ohnerachtet ich, lieber Bruder, durch deinen Brief auf etwas sonderbares vorbereitet war, so gestehe ich dir, dass ich doch bei Eröfnung des Kastens zwar nicht geflucht habe, aber doch verstummt bin. Du hast im Ganzen gar wohl voraus gesehen, wie es mir mit diesen Sachen ergehen wird. Durch die abscheulige Verderbniss der meisten Stüken sieht man freilich die Grosheit der Form noch durch, nur hat auch diese weniger auf mich gewirkt, weil ich die Bilder alle schon kannte, denn es hängen Copien davon in der ganzen Welt herum. Wahrscheinlich stehen die Originale als Dekoration irgendwo in Italien und sind[112] nachher durch Künstler- und Handwerkstradition überall herumgekommen. Wenn sie alle gut wären, wär es wirklich ein Schaz um iunge Leute zu inspiriren und die Grosheit der Form und Manier ihnen vor Augen zu stellen, dazu werd ich auch, die noch brauchbaren bestimmen, dass ich sie in unserer Zeichenschule aufhänge. Du wirst mir gelegentlich sagen, was sie kosten sollen, der Herzog will sie gerne behalten ob er gleich höchlich von denen abscheulich verklebten und verschmierten Werken choquirt war. Das Kraut und Rübenstük ist wohl Copie nach Rubens, von seiner Hand ist kein Pinselstrich drinne, dargegen ist das Portrait des iungen Menschen desto schöner. Zwar gewis kein Vandyk, wenn ich nicht irre so ist es ein Deutscher, dessen Namen ich vergessen, von dem ich aber sonst Bilder gesehen habe. Lebe wohl und antworte bald wegen der Uhr, worüber du nunmehr meinen und Knebels Brief haben wirst.

G.


5/1204.


An Charlotte von Stein

Ich bin wie gebannt und kan nicht aus meiner Gegend kommen. Sag mir meine beste daß du wie ein guter Geist mit deinem Andencken über mir schwebst, und ob du mich noch heut Abend willst. Crone ist heut mit mir. Ich hab an Iphigenien übersezt und werds noch mit ihr. Adieu liebste Seele.

d. 17. Apr. 81.

G.[113]


5/1205.


An Charlotte von Stein

Wenn ich ein Wörtgen Antwort von Ihnen habe will ich meine Reise gleich antreten. Die Verse bitt ich sehr. Ich will sehn wie mich die Geister heute behandlen. Ihr guter Geist sey immer bey mir, und die Gegenwart des lieben Gesezzes mache mich gut und glücklich. Adieu bis auf heut Abend bleiben Sie nicht zu lange. d. 18. Apr. 81.

G.


5/1206.


An Charlotte von Stein

Kayser hat mit mir zu Mittage gegessen, dann sind wir spazieren gegangen. Jezt will ich ausruhen und dann fort arbeiten gegen achte kan ich fertig seyn. Da will ich meine Liebste aufsuchen und meines Herzens Lust noch am Ende des schönen Tages sehen. Indess sag ich Ihnen einen guten Abend und konnte Sie ohne diesen Grus nicht in Gesellschafft gehen lassen. d. 18. Apr. 81.

G.


5/1207.


An Charlotte von Stein

Da mich gute Geister in meinem Hause besucht haben bin ich nicht auswärts gegangen sie aufzufinden.

[114] Am Tasso ist geschrieben, und wenn Sie mich bewirthen mögen; so komm ich zu Tische.

Da Sie sich alles zu eignen wollen was Tasso sagt, so hab ich heut schon so viel an Sie geschrieben daß ich nicht weiter und nicht drüber kann.

d. 19. Apr. 81.

G.


5/1208.


An Charlotte von Stein

Ich hab ein groses Verlangen zu wissen wie du geschlafen hast und ob du wohl bist. Von mir sag ich dir nichts noch vom Morgen. Ich habe gleich am Tasso schreibend dich angebetet. Meine ganze Seele ist bey dir. Diesen Abend hoff ich mit dir zu spazieren. Heut will ich fleisig seyn.

d. 20. Apr. 81.

G.


5/1209.


An Charlotte von Stein

Fritz hat mich noch im Bette angetroffen und so war das erste was ich heute sah das Beste was dir angehört. Gestern Nacht hat ich grose Lust meinen Ring wie Polykrates in das Wasser zu werfen, denn ich summirte in der stillen Nacht meine Glückseligkeit und fand eine ungeheure Summe. Ich werde wohl am Tasso schreiben können. Sag mir was du heute vorhast. Ich will doch die kleine Schwägerinn besuchen. Es ist ein unendlich schöner Tag, vielleicht[115] giebts einen warmen Regen. Adieu liebste. Du meine Erfüllung vieler Tausend Wünsche.

d. 22. Apr. 81.

G.[116]


5/1209a.


An Wilhelm Christoph von Diede

Ort und Denkmal

wiedmet

Sophien

Wilhelms von Diede

Bruderliebe.

1781[15]


Ew. Exzellenz erhalten später als recht, das Resultat von meinen Variationen der Inschrift die Sie wünschten. So viel ich ihrer gemacht habe, schienen sie mir besser ie einfacher sie wurden. Gewiß würde nähere Bekanntschaft der Personen, des Ortes, der Umstände etwas anzüglicheres erwecken. Ich konnte keine Betrachtung haben als, da die Sache selbst spricht, daß die Inschrift nur ein vernehmlicher Laut zu seyn braucht. Sollten Sie diese Worte dem geliebten Denkmal eingraben lassen, so würde ich mit vielem Vergnügen auch einiges Andenken von mir an einer Stätte wissen, die Ihnen werth ist. Vielleicht giebt Ihnen auch diese Idee von mir Anlaß zu einer bessern, wie denn möglich ist daß mir etwas vorzüglichers einfällt wenn es zu spät ist. Ich empfehle mich auf das beste, und bitte auch der Frau Gemahlin meine Hochachtung zu bezeugen.

Ew. Exzellenz

gehorsamster Diener

Weimar d. 22 April 81.

Goethe.[16]


5/1210.


An Charlotte von Stein

Diesen Morgen ward mirs sowohl daß mich ein Regen zum Tasso weckte. Als Anrufung an dich ist gewiss gut was ich geschrieben habe. Obs als Scene und an dem Orte gut ist weis ich nicht. Hier etwas neues von den Kindern der Erde. Ich habe mich zu reiten entschlossen, will zu hause essen, und hören was du für mich von deinen Abendstunden aufhebst da du zum Thee gehst. Adieu meine Seele ist auf deinen Lippen. d. 23. Apr. 81.

G.[116]


5/1210a.


An Sylvius Friedrich von Franckenberg

Hochwohlgebohrner Herr,

Hochgeehrtester Herr Hofmarschall

und Cammerrath!

So sehr wir gewünscht hätten, daß Euer Hochwohlgeb. der von uns in Vorschlag gebrachten Zeit[16] zur vorseyenden Conferenz beigetreten wären, so wenig können wir die Rechtmäßigkeit der von Denenselben vorgeschützten Verhinderungsursache verkennen. Wir haben deswegen sogleich den Herrn Oberaufseher von Taubenheim zu Schleusingen davon benachrichtiget und denselben nach Dero Wunsch gebeten, auf den 26. Junius in Ilmenau einzutreffen und den folgenden Tag die Conferenz selbst mit anzugehen. Wie wir nun an dessen gefälligem Beitritt nicht zweifeln; also ersuchen Euer Hochwohlgeb. wir andurch gehorsamst, Dero Seits dahin möglichst mitzuwirken, daß auf sothane Zeit die Conferenz ohngehindert vor sich gehen möge. Wir werden solches für eine besondere Gefälligkeit erkennen und im übrigen mit der vorzüglichsten Hochschätzungen jederzeit verharren

Euer Hochwohlgeb.

gehorsamste Diener

J. W. v. Goethe

Weimar, den 23. April 1781.

Joh. Ludwig Eckardt.[17]


5/1211.


An Charlotte von Stein

Heut seh ich dich wohl nicht unter meinen Blüten und mir wird nicht was daraus folgte. Ich will zu Hause bleiben und manches abthun. Sage mir von heut Abend, denn mit den Abend und Morgenwolcken eilt meine Seele zu dir. Lebe wohl meine Theure wie hast du geschlafen und bist du wohl? es ist nicht mehr Anteil wenn du kranck bist, ich bin selbst kranck. Adieu tausendmal. d. 24. Apr. 81.

G.[116]


5/1212.


An Charlotte von Stein

Ich hoffe das kühle Wetter soll die Blüten noch erhalten, und beym ersten Sonnenblick hoff ich auf dich. Heute wird mirs kaum so wohl werden.

Es ist Conseil, ich will zu hause Essen, sag mir von deinem Nachmittag und ob du ins Conzert gehst.

Hier ist ein Anschlag zu einer Sprüzze. Adieu liebste, ich bin sehr dein.

d. 25. Apr. 81.

G.


5/1213.


An Charlotte von Stein

Sie wird kommen! Sie wird kommen! War mein Ausruf als ich die Augen aufmachte und die Sonne sah. Die Stunden dieses Tags bringen mir ein schönes Glück.

Hierbey ist eine Epistel wenn Sie meynen so schicken Sie das Blat dem Herzog, reden Sie mit ihm und schonen Sie ihn nicht. Ich will nichts als Ruhe, und daß er auch weis woran er ist. Sie können ihm auch sagen, daß ich Ihnen erklärt hätte, keine Reise mehr mit ihm zu thun. Mach es nach deiner Klugheit und Sanftheit. Und theile meine Ruhe und mein Glück, da du soviel mit mir ausgestanden hast. und wisse wie glücklich ich in deiner Liebe bin. d. 27. Apr. 81.

G.[117]


5/1214.


An Charlotte von Stein

Der Himmel will mir das zugedachte Gute noch aufspaaren, indessen muß ich leben und kan dich nicht entbehren. Heut ist Conseil doch bitt ich hebe mir etwas zu Essen auf ich will mich von deinen händen nähren, aber warten mußt du nicht wegen Ernsts. Adieu beste ich habe allerley zu thun, und deine Liebe macht mir auch zu thun, so eine angenehme Beschäfftigung es ist. Ich bin bei dir bis zur Abenddämmrung der Götter.

d. 27. Apr. 81.

G.


5/1215.


An Charlotte von Stein

Heute ruft dich das Wetter und heist dich das Herz zu mir zu kommen und dich am Reste der Blüten zu ergözzen. Sag mir liebe wie du geschlafen hast, und die Stunde wann du diesen Nachmittag kommen, und wen du mitbringen willst. Adieu du liebe unversiegende Quelle meines Glücks.

d. 28. Apr. 81.

G.


5/1216.


An Charlotte von Stein

[April?]

Ungerührt von den zwey Canonschüssen bin ich an meinem Tische geblieben, habe verschiedne Arbeit verrichtet[118] und nachher in Chandlers Reisen nach Griechenland gelesen. Ihr Briefgen kam mir recht erwartet. Ich habe Sie in der Zeichenstunde besucht und Ihnen Glück gewünscht. Adieu. Ich sehe Sie bald.

G.


5/1217.


An Charlotte von Stein

[Anfang Mai.]

Im Stern erhalt ich den Grus. Ich gehe zur Schrötern und bin nur halb da, nicht einmal halb. Adieu. Ich seh Sie noch. Jezt schreib ich am Tasso.

G.


5/1218.


An Charlotte von Stein

Heut werd ich dich wenig sehn. Ein erwarteter Fremder Tobler von Zürch ist da den ich bewirthen muß. Meine Seele ist dir nahe. Sag mir wie du geschlafen hast und was du heute thun wirst. damit ich dir folgen kan. Adieu Liebe Lotte.

d. 1sten Wonnemond 81.

G.


Könnten Sie heut Abend die Waldnern alleine haben ich hätte ihr die zugedachte Predigt zu halten nötig.[119]


5/1219.


An Charlotte von Stein

Ich bin geschäfftig und traurig. Diese Tage machen wieder in mir Epoche. Es häufft sich alles um gewisse Begriffe bey mir festzusezzen, und mich zu gewissen Entschlüssen zu treiben. Zu Mittage komm ich. empfange mich mit deiner Liebe und hilf mir auch über den dürren Boden der Klarheit, da du mich durch das Land der Nebel begleitet hast.

d. 3. May 81.

G.


5/1220.


An Charlotte von Stein

Heute früh war ich fleisig werde Toblern zu Tisch haben. Diesen Nachmittag wenn ich aufgelegt bin wieder arbeiten und nicht bey Hof gehn. Wenn meine beste Abends um 8 wieder zu Hause ist such ich sie auf und lebe das alte Leben, und versichre Sie das alte.

d. 6. May 81.

G.


5/1221.


An Charlotte von Stein

Deiner Liebe und der guten Stunden die du mir gönnst werth zu seyn will ich mich heute durch Fleis und Ordnung bemühen. Ich sehe einen arbeitsamen Tag vor mir und einen glücklichen Abend wenn du[120] mir erlaubst dir bey Sonnenuntergang zu sagen daß ich dich immer gleich liebe und verehre. d. 7. May 81.

G.


5/1222.


An Jakob Friedrich von Fritsch

Der Herr Geh. Rath Schnaus hat die Güte gehabt die Kriegskasserechnung welche hier beyliegt gelegentlich anzusehn, und eins und das andre zu erinnern; ich bitte von Ew. Excell. ein gleiches, wodurch Sie mich aufs neue sehr verbinden werden. Es stecken hie und da einige Volgstädtiana die von selbst wegfallen. Aber auch in ieder andern Sache wünscht ich die Verwaltung der Casse auf das püncktlichste zu führen und erbitte mir dazu auch Ihren gütigen Rath. Mich mit der vollkommensten Hochachtung unterzeichnend

Ew. Excell.

Weimar

gehorsamster Diener

d. 7. May 81.

Goethe.


5/1223.


An Johann Kaspar Lavater

Wenn ich ein Quartblat von dir sehe, ergözze ich mich iederzeit, Danck für deine beyden Briefe.

Über die Gemählde mögt ich wohl gegenwärtig mit dir sprechen wie über vieles! Warum sind wir so fern.

[121] Die Summe von 45 N.Ldr. soll dir abgeschrieben werden.

Dass dir meine Büste lieb war macht mir grose Freude um meinet- und des Künstlers Willen. Der Herzog schickt dir sie, wie auch den crayonirten Kopf, sag ihm etwas über beydes. Ja lieber Bruder du könntest mich schon von manchem fliegenden Fieber des Grimms reinigen, was könnte nicht die Liebe des Alls wenn es lieben kan wie wir lieben. In mir reinigt sich's unendlich und doch gesteh ich gerne Gott und Satan, Höll und Himmel, die du so schön bezeichnest, in mir Einem. Oder vielmehr, mein lieber, mögt ich das Element woraus des Menschen Seele gebildet ist, und worinn sie lebt, ein Feegfeuer nennen, worinn alle höllisch und himmlischen Kräffte durcheinander gehn und würcken.

Über Woldemars Kreuzerhöhungsgeschichte kan ich dir nichts sagen, das Facktum ist wahr, eigentlich ists eine verlegne und verjährte Albernheit die du am klügsten ignorirst. Wenn ich Papier und Zeit verderben mögte so könnt ich dir wohl das nähere sagen, es ist aber nicht der Mühe werth. Sehn wir uns wieder und es fällt dir ein, so frage. Da du mich kennst solltest du dir's in Ahndung erklären können. Der leichtsinnig trunckne Grimm, die muthwillige Herbigkeit, die das halb gute verfolgen, und besonders gegen den Geruch von Prätension wüthen, sind dir ia in mir zu wohl bekannt. Und die nicht[122] schonenden launigen Momente voriger Zeiten weist du auch.

Viel von diesem allen wird verschlungen in thätiger Liebe.

Vielleicht von den Erreurs de la Verite einandermal mehr.

Mögtest du mir auch von deinem innern etwas entdecken!

Tobler ist gar lieb, ich kan offen gegen ihn seyn. Knebel hat ihm Quartier gegeben. Es wird dir auch wohl thun durch ihn von uns zu hören. Er erinnert mich in Momenten recht lebhafft an dich, besonders wenn er munter und scherzhafft wird.

Ists wahr was ich in den Zeitungen lese, daß der Abbt Raynal den drey ersten Eidgenossen auf der Imgrütlings Wiese ein Monument will aufrichten lassen? Der 30 Fus hohe Obelisk wird sich armseelig zwischen der ungeheuren Natur ausnehmen. Was sich der Mensch mit seiner Nadelspizze von Marmor einbildet. Ich hoffe es soll nicht zu Stande kommen. Ihr Monument ist eure Constitution.

Adieu liebster der Menschen. Spreche manchmal einen Seegen auf meine Büste, daß ich auch das geniese. Grüse Bäben. Schreibe mir viel, und stiehl dir eine viertelstunde für mich. Ich heise Legion, du thust Vielen wohl wenn du mir wohlthust.

den 7. May.

G.[123]


5/1224.


An Charlotte von Stein

Dancke tausendmal für den vervielfältigten Talismann! dem Sie auch das magische Zeichen recht ernstlich aufgedruckt haben.

Hier ist das Herz und die Überschrifft. Heute früh lebt Tasso in meinem Kopfe und läßt sich durch nichts irren. Adieu beste. In Hoffnung daß Sie mich bei Tisch wollen, komm ich gegen ein Uhr.

d. 9. May. 81.

G.


5/1225.


An Charlotte von Stein

Dein treuer bleibender verläßt dich heute nicht mit der übrigen Welt. Er wohnt dir in der Nähe, und wird zu Tische kommen.

d. 10. May 81.

G.


5/1226.


An Charlotte von Stein

Ich dancke Ihnen für den Schatten meiner lieben Lotte die durch ihre Geneigtheit mich so glücklich macht. Du kannst mir nicht gegenwärtiger und näher werden als du's bist, und doch ist mir iedes neue Band und bändgen sehr angenehm. Adieu wir werden uns ia wohl heute nicht verfehlen.

d. 12. May 81.

G.[124]


5/1227.


An Christian Wilhelm Steinauer

Ihr gütiges Andenken hat mich recht sehr gefreut. Nehmen Sie meine besten Wünsche mit auf die Reise! Mögten Sie doch nebst dem zerbrechlichen Schaz, den Sie zu überbringen haben glüklich in Petersburg anlangen. Wollten Sie etwa dort dem Herrn Grafen Görz meine beste Empfehlung machen und etwa einige Bestellung von ihm gütig Übernehmen. Erhalten Sie mir Ihre Freundschaft und lassen Sie mich ia Ihre glükliche Rükkunft auf das baldigste wissen.

Weimar d. 12. Mai 1781.

Goethe.


5/1228.


An Charlotte von Stein

Aus allerley beschweerlicher Arbeit ruf ich dir zu daß ich dich liebe. Beste so wie du nie aufhören wirst, so schaffe und bilde mich auch so daß ich deiner werth bleibe und laß es uns so halten daß dein liebes Herz dir nicht widerspricht.

d. 14. May 81.

G.


5/1229.


An Charlotte von Stein

Eben wollt ich dir schreiben und dich wo möglich um gute Nachricht bitten. Ich habe keine frohe[125] Stunde bis du wieder heil bist. Es war mir die ganze Zeit her bange für so etwas. Zu Mittage muß ich bey dir essen, und will dir Gesellschafft leisten und dein warten. Adieu meine beste. Laß doch ia Engelharten kommen, und schone dich aufs möglichste. d. 21. May 81.

G.


5/1230.


An Charlotte von Stein

Sag mir daß es sich immer bessert, daß du wohl geschlafen hast, und daß du mich heute wie gestern willst. Zu Tisch komm ich nicht, ich will Kaysern, zum Abschiede bey mir haben, nachher komm ich und wir leben weiter zusammen. Adieu beste.

d. 23. May 81.

G.


5/1231.


An Charlotte von Stein

Wie hast du geschlafen. Was macht der Fus und willst du mich zu Tische? Das sind meine alten Fragen, und noch eine die ich auch immer thue will ich mir diesmal selbst beantworten.

d. 25. May 81.

G.


5/1232.


An Charlotte von Stein

Ich hatte schon alles zusammengepackt und wollte Ihnen Vorrath auf heute schicken als mir der Herzog[126] sagen läßt ich mögte zu ihm hinauf kommen, und mir also die Ruh und Hoffnung auf den ganzen Tag genommen ist.

Hier schick ich indess allerley, und komme so bald als möglich wieder. Denn die Hofnoth steh ich nicht den ganzen Tag mit aus. Heben Sie mir ein recht freundlich Gesicht auf. Der deine auf ewig

d. 27. May 81.

G.


5/1233.


An Charlotte von Stein

Es geht so bunt heute früh daß ich noch nicht habe an mein liebstes dencken können.

Wie geht es dir, und bleibst noch bey unsrer Fahrt? Die Werthern hat mir ein gar artig Zettelgen bey Zurücksendung des Wilhelm Meisters geschrieben. Die Schröter kommt zu Mittage. Ich bin und bleibe einmal der Frauen Günstling, und als einen solchen mußt du mich auch lieben. Hier lies den köstlichen Brief von Lavatern. Adieu meine beste, einzige innigste. d. 28. May 81.

G.


5/1234.


An Gottfried August Bürger

Ihrem Vertrauen kan ich nicht besser als mit Offenherzigkeit antworten.

Sie wünschen Ihren Zustand zu verändern, Sie glauben daß ich beytragen könnte Sie in einen andren zu versetzen.


[127] Eh ich irgend etwas weiter sagen kann, bitte ich Sie um nähere Eröfnung: was Ihnen Ihren ietzigen Zustand drückend ia unerträglich macht, was für eine Aussicht Sie Sich wünschen, was für ein bestimmtes Talent Sie angeben, womit Sie Sich zu irgend einem Amt und Versorgung anbieten können?

Ich bin in nichts vorsichtiger, und habe so viel Anlass und Ursache es zu seyn, als das Schicksaal eines Menschen mehr zu übernehmen. Man kan ihnen kaum das nothdürftige geben und das nothdürftige findet sich überall. Mit Ihnen halt ich es doppelt für Schuldigkeit aufrichtig und behutsam zu Werke zu gehn.

Machen Sie mich also mit Ihren Umständen näher bekannt, wir wollen in einer so wichtigen Sache die möglichste Klarheit suchen.

Behalten Sie mich lieb.

Weimar, den 30. May 81.

Goethe.


5/1235.


An Johann Christian Kestner

Wieder ein gutes Wort von Euch zu hören mein lieber Kestner war mir ein angenehm Begegnen unter den schönen Schatten meiner Bäume, unter denen ich Freud und Leid still zu tragen gewohnt bin.

Grüst mir Lotten mit ihren vielen Buben, es mögte wohl hübsch seyn wenn ich euch besuchen könnte.

[128] Jetzt werd ich täglich mehr leibeigen, und gehöre mehr der Erde zu der wir wiederzukehren bestimmt sind. Die Aufzählung eurer Thaten, in euren kleinen Selbstgens, hat mir recht wohl gethan, ich hab euch dagegen nichts zu geben, denn ich bin ein einsamer Mensch. Brandes war nur wenige Zeit bey mir.

Hierbey schick ich Lotten ein klein Nachspiel, sie solls nur nicht aus Händen geben dass es nicht gedruckt wird. Adieu wie vor Alters.

Weimar d. 30. May 81.

Goethe.


5/1236.


An Philipp Erasmus Reich

Wenn der iunge Herr Tobler aus Zürich, ein Sohn des bekannten Chorherrn, schon, ehe dieser Brief ankommt bei Ihnen gewesen ist, so werden Sie ihn, auch ohne meine Empfehlung wohl aufgenommen haben, weil er sich selbst auf das vortheilhafteste vorstellt. Eben dieses werden Sie finden, wenn er sich nach diesem Briefe bei Ihnen zeigen sollte. Ich bitte Sie nach Ihrer Gewohnheit ihm auch um meinetwillen gefällig zu sein, und ihm, wenn er zu einigen seiner wohlgeratenen Übersezungen aus dem Griechischen einen Verleger suchen sollte mit That, oder, wie es die Umstände erfordern, auch nur mit gutem Rath behülflich zu sein.

Der Herr Professor Garve ist so eben bei uns[129] und erinnert sich seiner Leipziger Freunde mit vielem Antheil.

Ich empfehle mich Ihrem gütigen Andenken.

Weimar den 30. Mai 1781.

Goethe.


5/1237.


An Samuel Wyttenbach

Den Überbringer dieses, Herrn Kaiser von Frankfurt, habe ich ersucht Ihnen eine Empfehlung von mir zu überbringen, und mir bei seiner Rükkunft Nachricht von Ihrem Befinden zu geben. Es wird mir sehr angenehm sein durch ihn zu erfahren, daß Sie wie ich ohnedies nicht zweifle, Ihre Untersuchungen der gebürgigen Gegenden mit Eifer fortsezen. In kurzer Zeit werde ich Ihnen eine kleine Schrift über verschiedene in der hiesigen Gegend gemachte Erfahrungen, zugleich mit denen dazu gehörigen Steinarten zu überschiken im Stande sein, und ersuche Sie dagegen, mir von Ihren bisherigen Beschäftigungen einige gefällige Nachricht zu ertheilen, wie ich denn Ihre, mir von der Messe angekündigte, Übersetzung des de Saussurischen Werks mit Begierde erwarte. Ich empfehle mich Ihnen bestens, und bitte dem wisbegierigen Überbringer gefällig zu sein.

Weimar den 30. Mai 1781.

Goethe.[130]


5/1238.


An Charlotte von Stein

Frizze hat gezeichnet zieht aber doch das spazieren aller Arbeit vor, das ich ihm nicht verdencke.

Hier sind Lavaters und der Schulthes Briefe mein Herz hat vor deinem nichts verborgen. Und wenn ich dir Fehler verstecke so ists nur um deine Liebe nicht zu betrüben, vermindern kan sie nichts. Adieu meine beste. Sag mir von deinem Tage etwas. Frizzen schick ich dir zu Tische. d. 30. May 81.

G.


5/1239.


An Charlotte von Stein

Ich küsse dich mit dem Kuß der Gedancken. Sag mir ein freundlich Wort von dir und deinem Befinden. Und schick mir meine Everdingens und die Wertherischen. Adieu beste. d. 31. May 81.

G.


5/1240.


An Charlotte von Stein

[Mai?]

Ich will zu Hause essen, und fürchte Sie werden bey Hof gebeten. Der Wind wird mich wieder am Reiten hindern und so wäre mirs recht lieb wenn meine Beste mich mit wollte im Wagen nehmen.

[131] Hierbey kommt das Verlangte. Adieu ich habe grose Lust zu zeichnen und das an deiner Seite.

G.


5/1241.


An Charlotte von Stein

[Mai?]

Es wäre mir sehr erfreulich gewesen Ihr Angesicht zu sehen. Das nothwendigste hab ich schon gethan. Wenn du es magst so komm ich zu Tische. Es verlangt mich heut sehr dich zu sehn.

G.


5/1242.


An Charlotte von Stein

Die Erdbeeren sind in meinem Garten schneller als die Rosen. Hier meine beste schick ich die ersten. Ich glaube nicht daß Conseil seyn wird, die Entfernung des Hofs macht die Nachrichten langsamer. Ich wünsche diesen Mittag bey dir zu essen. Gestern Abend begleitete ich die Gesellschafft bis unter deine Fenster, und sagte dir in einem seinen Herzen gute Nacht. Herder war gar gut, wenn er öffter so wäre man mögte sich nichts bessers wünschen. Mit dem Herzog hab ich eine sehr sinnige Unterredung gehabt. In dieser Welt meine beste, hat niemand eine reichere Erndte als der dramatische Schriftsteller. und die Weisen sagen: beurtheile niemand bis du an seiner Stelle gestanden hast. d. 1. Jun. 81.

G.[132]


5/1242a.


An den Herzog Carl August

Durchlauchtigster Herzog

Gnädigster Fürst und Herr

Ew. Hochfürstl. Durchl. geruhen Sich unterthänigst vortragen zu lassen, wie es mir zu verschiedenem Behufe nöthig geschienen, eine kurzgefaßte Nachricht von der Geschichte des illmenauer Bergwerks aufzusezen. Es soll dieselbe vornehmlich zu einem einfachen Leitfaden dienen, woran ein ieder, dem daran gelegen, sich leichter durch die aufgehäuften Akten und die verworrne Geschichte hindurch finden könne. Ew. Hochfürstl. Durchl. lege ich sie hier mit zur Prüfung unterthänigst[13] vor, und ich werde hinreichend belohnt sein, wenn Höchstdieselben ihr einigen Beifall gönnen und sie zu etwa künftigem Gebrauch bei den Akten verwahren lassen wollen. Der ich mich mit der vollkommensten Ehrfurcht unterzeichne

Ew. Hochfürstl. Durchl.

unterthänigst treugehorsamster

Weimar d. 1. Juni 1781.

Johann Wolfgang Goethe.[14]


5/1243.


An Charlotte von Stein

Laß dir diese Früchte, die für dich gepflanzt worden sind und die iährlich für dich wachsen zum Frühstück schmecken. Sag mir daß du mich liebst, und daß du mich heute sehn willst. Zu Mittag bleib ich zu hause. Wo bist du den Abend d. 5. Jun. 81.

G.


5/1244.


An Johann Ludwig Eckardt

Ich lasse mir gern Ihre Vorschläge wegen der Coferenz-Punkte gefallen, wollen Sie die Güte haben, nach denselben die Instruction und den darauf bezüglichen Bericht aufsetzen.

Freylich wünscht ich, daß wir nur im äußersten Fall wegen des zwanzigsten und des Münzvertrags nachgäben.

Wegen einiger in der Behandlung nötigen Vorsichten habe ich die Ehre Ew. Wohlgeboren nächstens zu sprechen und wünsche Sie auf das baldigste wiederhergestellt.

Den 5. Juni 1781.

G.


5/1245.


An Charlotte von Stein

Dancke für den lieben guten Morgen. Heut Mittag will ich zu Hause bleiben und Sie Abends erwarten.

[133] Schick mir doch das kleine Portefeuille mit den Zeichnungen von gestern, ich wills durch Gözzen abhohlen lassen. Knebeln magst du den Tasso senden. Adieu. Ich muß fleisig seyn.

d. 5. Jun. 81.

G.


5/1246.


An Charlotte von Stein

Ich schicke dir die Erstlinge meiner Früchte die allein für dich sind, wie meine Neigung, und bitte dich recht herzlich mich nicht unglücklich zu machen und mir nicht durch die Furcht dir zu misfallen, die wenigen geselligen Regungen gegen die Menschen noch zu verschliesen. Adieu. Sag mir was dein Fus macht. Ich enthalte mich in der Einsamkeit.

d. 6. Jun. 81.

G.


5/1247.


An Charlotte von Stein

Ich habe des Prinzen Pferde nehmen wollen, weil er aber verboten hat seinen zugemachten Wagen zu brauchen, so werde ich mich der hohen Erlaubniss nur im schönen Wetter bedienen können. Knebels Wein hat mich sehr erhizt und mir diese Nacht Zahnweh gemacht. Wenn es gegen 1 Uhr regnet so muß mich meine Liebste speisen. Adieu meine l. L.

d. 13. Jun. 81.

G.[134]


5/1248.


An Charlotte von Stein

Hier Erdbeeren soviel dieser Morgen giebt und einige Rosen. Nach dem Buch will ich untersuchen lassen, bey mir hats niemand. Lebewohl und lieb mich! Möchtest du heute meine Rosen besuchen?

d. 15. Jun. 81.

G.


5/1249.


An Johann Ludwig Eckardt

[Mitte Juni.]

Gestern Abend vergas ich zu fragen, wie es noch mit dem separaten Protokoll gegangen und ob solches dem Herrn v. Fr. zugestellt worden.

Ich bitte um ein Wort Nachricht und wünsche wohl zu leben.

G.


5/1250.


An Charlotte von Stein

[Mitte Juni?]

Meine Köchinn hat einmal wider ihre Gewohnheit unser Mittags essen so schmal eingerichtet, daß es kaum für 3 Personen hinreicht. Also kan ich nichts schicken und will mich mit meinem Reiskuchen, den ich leider unter den grosen Troublen des Morgens zu bestellen vergessen habe, Morgen einfinden.

G.

Hierbey folgt ein sehr interessanter Brief den ich[135] bitte sogleich zu lesen und mir ihn wieder zurück zu schicken.


5/1251.


An Charlotte von Stein

Hier schick ich das versprochne meine beste. und den Brief dazu. Nach dem Conseil kommt dein immer bleibender.

d. 19. Jun. 81.

G.


5/1252.


An Charlotte von Stein

Der Herzog ist bey mir. Es wird ein Medaillon gemacht und im Möser gelesen. Schicken Sie mir den Brief der Voigts und kommen heut Abend zeitig zu dem erwartenden.

d. 20. Jun. 81.

G.


5/1253.


An Friedrich Müller

Ihre Gemälde, Zeichnungen und Briefe hab' ich alle ihrer Zeit wohl erhalten und erfreue mich, daß Sie wohl, munter und arbeitsam sind. Wenn ich Sie nicht kennte, so würde ich in Verlegenheit sein, Ihnen zu sagen, daß Ihre Sachen hier kein großes Glück gemacht haben, und wie sehr wünscht' ich selbst, einige Stunden über das, was ich dabei zu erinnern[136] finde, mit Ihnen sprechen zu können; doch lassen Sie uns es so machen. Ich will Ihnen gegenwärtig nur kurz meine Gedanken sagen, antworten Sie mir darauf, und wir können uns nach und nach hinreichend erklären. Ich verkenne in Ihren Sachen den lebhaften Geist nicht, die Imagination und selbst das Nachdenken; doch glaube ich Ihnen nicht genug rathen zu können, sich nunmehr jener Reinlichkeit und Bedächtlichkeit zu befleißigen, wodurch allein, verbunden mit dem Geiste, Wahrheit, Leben und Kraft dargestellt werden kann. Wenn jene Sorgfalt, nach der Natur und großen Meistern sich genau zu bilden, ohne Genie zu einer matten Ängstlichkeit wird, so ist sie es doch auch wieder allein, welche die großen Fähigkeiten ausbildet und den Weg zur Unsterblichkeit mit sicheren Schritten führt. Der feurigste Maler darf nicht sudeln, so wenig als der feurigste Musikus falsch greifen darf; das Organ, in dem die größte Gewalt und Geschwindigkeit sich äußern will, muß erst richtig sein. Wenn Raphael und Albrecht Dürer auf dem höchsten Gipfel stehen, was soll ein echter Schüler mehr fliehen als die Willkürlichkeit? Doch Sie wissen Alles, was ich Ihnen sagen könnte, besser; ich sehe es aus Ihren Briefen und Urtheilen, und ich hoffe, Sie sollen es auch auf Ihre eigene Sachen anwenden können und mögen. Ich finde Ihre Gemälde und Zeichnungen doch eigentlich nur noch gestammelt, und es macht dieses einen so übleren Eindruck,[137] da man sieht, es ist ein erwachsener Mensch, der vielerlei zu sagen hat und zu dessen Jahrszeit ein so unvollkommener Ausdruck nicht recht kleidet. Ich hoffe, Sie sollen meine Freimüthigkeit gut aufnehmen, und das, was ich sage, Ihrem Freund Trippel mittheilen und auch ihn darüber hören; denn nach Ihrer Beschreibung scheint mir dieser Mann eben das zu haben, was ich Ihnen wünsche. Nach meinem Rath müßten Sie eine Zeit lang sich ganz an Raphaeln, die Antiken und die Natur wenden, sich recht in sie hineinsehen, einzelne Köpfe und Figuren mit Sorgfalt zeichnen und bei keiner eher nachlassen, bis sie den individuellen Charakter und das innere Leben der Gestalt nach Ihren möglichsten Kräften aus dem Papier oder aus der Leinwand wieder hervorgetrieben hätten; dadurch werden Sie sich allein den Namen eines Künstlers verdienen. Das Hinwerfen und Andeuten kann höchstens nur an einem Liebhaber gelobt werden. Ferner wünscht' ich, daß Sie auch eine Zeit lang sich aller Götter, Engel, Teufel und Propheten enthielten. Erlauben Sie mir, daß ich eine Stelle, die ich bei einem andern Anlasse geschrieben, hier einschalte.

»Es kommt nicht darauf an, was für Gegenstände der Künstler bearbeitet, sondern vielmehr, in welchen Gegenständen er nach seiner Natur das innere Leben erkennt und welche er wieder nach allen Wirkungen ihres Lebens hinstellen kann. Sieht er durch die[138] äußere Schale ihr innerstes Wesen, rühren sie seine Seele auf den Grad, daß er in dem Glanze der Begeisterung ihre Gestalten verklärt sieht, hat er Übung des Pinsels und Mechanisches der Farben genug, um sie auch so hinzustellen, so ist er ein großer Künstler. Der Gegenstand sei, welcher er wolle, durch diese Kraft entzücken uns die geringsten. Ein Blumengefäß, ein gesottener Hummer, ein silberner Kelch, ein Felsstück, eine Ruine, eine Hütte bleiben durch Jahrhunderte der Abgott so vieler Liebhaber. Lassen Sie uns nun höher steigen; denn der Geist des Menschen treibt immer aufwärts; lassen Sie den Künstler mit weiten Gegenständen, Seen und Gebüschen, seine Seele vermischen, lassen Sie seinen Pinsel wie den Himmel von tausendfältigen Lufterscheinungen schimmern, lassen Sie ihn zu der thierischen Natur sich gesellen, Richtigkeit und Zierlichkeit der Form an ihr gewahr werden, jedes mit seiner eigenthümlichen Natur beleben, lassen Sie ihn mit dem Schafe dämisch ruhen, mit dem Pferde wiehern und mit dem Vogel sich ausbreiten, – wie werden wir ihn, und das mit Recht, bewundern! Sehen Sie eine Galerie durch, und Sie werden in allen diesen Geschlechtern Muster vom gemein »Wahren«, vom einfach »Edeln«, vom Idealisirten und vom Manierirten finden. Lassen Sie den Künstler zuletzt als Herrn der obersten Schöpfung erscheinen, lassen Sie ihn die Gegenstände seiner Kunst, seiner Begeisterung unter seines Gleichen suchen, lassen Sie ihn Menschen,[139] Helden, Götter hervorbringen, – wie wird sich unsere Achtung in Ehrerbietung und Anbetung verwandeln, und doch immer nur alsdann, wenn er, wie seine Mitmeister niederer Klasse das Dasein des Höchsten, wie jene des Niedrigsten, gleich lebhaft begeistert gefühlt hat und leuchtend hinstellt. Phidias, von dem man sagte, daß ihm die Götterbilder besser als menschliche gelangen, verdiente den Tempel, der seinen Werken gebaut wurde. Wenn Raphael mit der glücklichsten Fruchtbarkeit das Einfältigste, Ungemeinste hervorbrachte, wenn das Edelste aus seinem Pinsel so willig wie die reinsten und stärksten Töne aus der Kehle einer Sängerin hervorquollen, so ist und bleibt auch er mehr der Abgott als das Muster seiner Nachfolger.«

Ich setze noch hinzu, daß durch solches Übergreifen in ein fremdes Geschlecht der gute Mensch wie der gute Künstler sich herabsetzt, und indem er Prätension an einen höheren Stand macht, die Vortheile des, zu dem er gehört, sich verscherzt. In der Wahl Ihrer Gegenstände scheint Sie auch mehr eine dunkle Dichterlust als eingeschärfter Malersinn zu leiten. Der Streit beider Geister über den Leichnam Mosis ist eine alberne Judenfabel, die weder Göttliches noch Menschliches enthält. In dem alten Testament steht, daß Moses, nachdem ihm der Herr das gelobte Land gezeigt, gestorben und von dem Herrn im Verborgenen begraben worden sei; dies ist schön. Wenn ich nun aber, besonders wie Sie es behandelt haben, den kurz[140] vorher durch Gottes Anblick begnadigten Mann, da ihn kaum der Athem des Lebens verlassen und der Abglanz der Herrlichkeit noch auf seiner Stirn zuckt, dem Teufel unter den Füßen sehe, so zürne ich mit dem Engel, der einige Augenblicke früher hätte herbeieilen und den Körper des Mannes Gottes von der scheidenden Seele in Ehren übernehmen sollen. Wenn man doch dieses Sujet behandeln wollte, so konnte es, dünkt mich, nicht anders geschehen, als daß der Heilige, noch voll von dem anmuthigen Gesichte des gelobten Landes, entzückt verscheidet und Engel ihn in einer Glorie wegzuheben beschäftigt sind; denn das Wort: »Der Herr begrub ihn«, läßt uns zu den schönsten Aussichten Raum, und hier könnte Satan höchstens nur in einer Ecke des Vorgrundes mit seinen schwarzen Schultern kontrastiren und, ohne Hand an den Gesalbten des Herrn zu legen, sich höchstens nur umsehen, ob nicht auch für ihn etwas hier zu erwerben sein möchte.

Die eherne Schlange steht auch an dem Ort, wo die Geschichte angeführt wird, ganz gut; zum Gemälde für fühlende und denkende Seelen ist's kein Gegenstand. Eine Anzahl vom Himmel herab erbärmlich gequälter Menschen ist ein Anblick, von dem man das Gesicht gern wegwendet, und wenn diese vor einem willkürlichen, ich darf wohl sagen magischen Zeichen sich niederzustürzen und in dumpfer Todesangst ein – ich weiß nicht was – anzubeten gezwungen[141] sind, so wird uns der Künstler schwerlich durch gelehrte Gruppen und wohl vertheilte Lichter für den üblen Eindruck entschädigen. Die beiden andern sind etwas glücklicher, doch auch nicht die fruchtbarsten. Suchen Sie sich künftig, wenn Sie meiner Bitte folgen mögen, beschränkte, aber menschlichreiche Gegenstände auf, wo wenig Figuren in einer mannichfaltigen Verküpfung stehen! Wie sehr wünsche ich, Sie durch das, was ich Ihnen sage, aufmerksam auf sich selbst zu machen, damit Ihre innere Güte und Ihr guter Muth Sie nicht verführen mögen, sich früher dem Ziele näher zu glauben! Junge Künstler sind wie Dichter oft hierin in großer Gefahr, und meist, weil wir den Tadel von Personen, die wir nicht achten, verschmähen, und weil Diejenigen, die wir schätzen, gelind und nachsichtig mit uns zu verfahren pflegen. Schreiben Sie mir aufrichtig, was Sie dagegen aufzustellen haben! Wir wollen sehen, ob wir uns vergleichen und zu etwas Gutem vereinigen können; denn bleiben Sie versichert, daß es mir nur um die Wahrheit zu thun ist und daß ich wünschte, Ihnen nützlich zu sein. Wollen Sie mir einen Gefallen thun, so zeichnen Sie mir etwas, es sei, was es wolle, nach der Natur, und sei es eine Gruppe Bettler, wie sie auf den Kirchtreppen zu liegen pflegen. So viel für diesmal. Für die alten Zeichnungen danke ich Ihnen recht vielmals, die le Sueur's haben mir großes Vergnügen gemacht; wenn Ihnen dergleichen mehr[142] begegnet, so gedenken Sie an mich und schreiben mir, was sie kosten! Den Betrag von hundert Dukaten erhalten Sie vielleicht vor oder doch bald nach diesem Brief. Lassen Sie mich nächstens wieder etwas hören!

Weimar, den 21. Juni 1781.

Goethe.


5/1254.


An Jenny von Voigts

Ihr Brief ist mir wie viele Stimmen gewesen, und hat mir gar einen angenehmen Eindruck gemacht. Denn wenn man in einer stillen Geschäftigkeit fortlebt, und nur mit dem nächsten und alltäglichen zu thun hat, so verliert man die Empfindung des Abwesenden, man kann sich kaum überreden, daß im Fernen unser Andencken noch fortwährt, und daß gewisse Töne voriger Zeit nachklingen. Ihr Brief und die Schrift Ihres Herrn Vaters versichert mich eines angenehmen Gegentheils. Es ist gar löblich von dem alten Patriarchen, daß er sein Volk auch vor der Welt und ihren Großen bekennet, denn er hat uns doch eigentlich in dieses Land gelockt, und uns weitere Gegenden mit dem Finger gezeigt, als zu durchstreichen erlaubt werden wolle. Wie oft hab ich bei meinen Versuchen gedacht, was möchte wohl dabei Möser denken oder sagen. Sein richtiges Gefühl hat ihm nicht erlaubt, bei diesem Anlaße zu schweigen, denn wer aufs Publicum wirken will, muß ihm gewisse[143] Sachen wiederholen, und verrückte Gesichtspuncte wieder zurechtstellen. Die Menschen sind so gemacht, daß sie gern durch einen Tubus sehen, und wenn er nach ihren Augen richtig gestellt ist, ihn loben und preisen, verschiebt ein anderer den Brennpunct, und die Gegenstände erscheinen ihnen trüblich, so werden sie irre und wenn sie auch das Rohr nicht verachten, so wissen sie sich's doch selbst nicht wieder zurecht zu bringen, es wird ihnen unheimlich, und sie lassen es lieber stehen.

Auch diesmal hat Ihr Herr Vater wieder als ein reicher Mann gehandelt, der jemand auf ein Butterbrod einlädt, und ihm dazu einen Tisch auserlesener Gerichte vorstellt. Er hat bei diesem Anlaße so viel verwandte und weit herumliegende Ideen rege gemacht, daß ihm jeder Deutsche, dem es um die gute Sache und um den Fortgang der angefangenen Bemühungen zu thun ist, danken muß. Was er von meinen Sachen sagt, dafür bleib ich ihm verbunden, denn ich habe mir zum Gesetz gemacht, über mich selbst und das Meinige ein gewissenhaftes Stillschweigen zu beobachten. Ich unterschreibe besonders sehr gern, wenn er meine Schriften als Versuche ansieht, als Versuche in Rücksicht auf mich als Schriftsteller, und auch bezüglich auf das Jahrzehend, um nicht zu sagen Jahrhundert, unserer Litteratur. Gewiß ist mir nie in den Sinn gekommen, irgend ein Stück als Muster aufzustellen, oder eine Manier ausschließlich zu begünstigen, so[144] wenig als individuelle Gesinnungen und Empfindungen zu lehren und auszubreiten. Sagen Sie Ihrem Herrn Vater ja, er soll versichert seyn, daß ich mich noch täglich nach den besten Überlieferungen und nach der immer lebendigen Naturwahrheit zu bilden strebe, und daß ich mich von Versuch zu Versuch leiten lasse, demjenigen, was vor allen unsern Seelen als das Höchste schwebt, ob wir es gleich nie gesehen haben und nicht nennen können, handelnd und schreibend und lesend immer näher zu kommen. Wenn der König meines Stücks in Unehren erwähnt, ist es mir nichts befremdendes. Ein Vielgewaltiger, der Menschen zu Tausenden mit einem eisernen Scepter führt, muß die Production eines freien und ungezogenen Knaben unerträglich finden. Überdies möchte ein billiger und toleranter Geschmack wohl keine auszeichnende Eigenschaft eines Königes seyn, so wenig sie ihm, wenn er sie auch hätte, einen großen Nahmen erwerben würde, vielmehr, dünkt mich, das Ausschließende zieme sich für das Große und Vornehme. Lassen Sie uns darüber ruhig seyn, mit einander dem mannichfaltigen Wahren treu bleiben und allein das Schöne und Erhabene verehren, das auf dessen Gipfel steht.

Mein Schattenbild liegt hier bei, vielleicht kann ich Ihnen bald etwas schicken, das weniger Fläche ist. Ich bitte auch um das Ihrige, und um das Ihres Herrn Vaters, doch am liebsten groß, wie es an der Wand gezeichnet ist und ohnausgeschnitten. Leben[145] Sie wohl, haben Sie für den Anlaß, den Sie mir zu diesem Brief gegeben, noch recht vielen Dank, und glauben, daß mir jede Gelegenheit erwünscht wäre, die Sie mir oder mich Ihnen näher bringen könnte.

Weimar, d. 21. Juni 1781

Goethe.


5/1255.


An Charlotte von Stein

Nun muß ich meiner besten fremd erwachsene Erdbeeren schicken denn meine sind alle gepflückt.

Ich fahre nach Belvedere den Stadthalter bewirthen zu helfen, und komme wahrscheinlich erst späte wieder. Heut früh hab ich Briefe geschrieben die du lesen sollst eh ich sie wegschicke. Adieu Beste ich seh dich noch. d. 21. Jun. 81.

G.


5/1256.


An Johann Kaspar Lavater

Ehe ich auf einige Zeit von hier weggehe, muß ich dir noch einmal ausführlich schreiben. Zuförderst dank' ich dir, du Menschlichster, für deine gedrukten Briefe. Es ist natürlich daß sie das beste von allen deinen Schriften seyn müßen. Wie du voraus gesehen hast, nehmen dir viele, und auch gute Menschen, diesen Schritt übel, doch du weißt am besten, was du thun kannst, und fühlst wohl, daß dir erlaubt ist,[146] was keinem. Das Menschliche, und dein Betragen gegen Menschen darinne, ist höchst liebenswürdig, und mich macht es recht glüklich, daß ich keine Zeile anders lese als du sie geschrieben hast, daß ich den innerlichen Zusammenhang der manichfaltigen Äußerungen erkenne; denn für den eigentlichen Menschenverstand, was man gewöhnlich so nennt, und worauf eine gewiße Gattung von Köpfen die andere modelt, ist und bleibt auch hierinn, wie in allen deinen Sachen, vieles unzusammenhängend und unverständlich. Selbst deinen Christus hab' ich noch niemals so gern, als in diesen Briefen angesehen und bewundert. Es erhebt die Seele und giebt zu den schönsten Betrachtungen Anlaß wann man dich das herrliche crystallhelle Gefäs (denn das war er, und als ein solches verdient er iede Verehrung) mit der höchsten Inbrunst fassen, mit deinem eigenen hochrothen Trank schäumend füllen, und den, über den Rand hinübersteigenden Gischt, mit Wollust wieder schlürfen sieht. Ich gönne dir gern dieses Glük, denn du müßtest, ohne daßelbe elend werden. Bei dem Wunsch und der Begierde, in einem Individuo alles zu genießen, und bei der Unmöglichkeit, daß dir ein Individuum genugthun kann, ist es herrlich, daß aus alten Zeiten uns ein Bild übrig blieb, in das du dein Alles übertragen, und, in ihm dich bespiegelnd dich selbst anbeten kannst. Nur das kann ich nicht anders als ungerecht und einen Raub nennen, der sich für deine gute Sache nicht ziemt, daß du alle[147] köstliche Federn, der tausendfachen Geflügel unter dem Himmel, ihnen, als wären sie usurpirt, ausraufst, um deinen Paradiesvogel ausschlieslich damit zu schmüken, dieses ist, was uns nothwendig verdrießen und unleidlich scheinen muß, die wir uns einer ieden, durch Menschen, und dem Menschen offenbarten, Weisheit zu Schülern hingeben, und als Söhne Gottes ihn in uns selbst, und allen seinen Kindern anbeten. Ich weiß wohl, daß du dich dadrinne nicht verändern kannst, und daß du vor dir Recht behältst, doch find' ich es auch nöthig, da du deinen Glauben und Lehre wiederholend predigst, dir auch den unsrigen als einen ehernen bestehenden Fels der Mensch heit, wiederholt zu zeigen, den du, und eine ganze Christenheit, mit den Wogen eures Meeres, vielleicht einmal übersprudeln, aber weder überströmen, noch in seinen Tiefen erschüttern könnt. Verzeihe mir, daß ich dir begegne, wie du Gasnern, und laß mich Nervenbehagen nennen, was du Engel nennst.

Dein 122. Brief über dich selbst ist vortreflich, und du verfehlst deines Entzwekes nicht, dich durch diese Äußerungen deinen Freunden und Liebsten immer näher und näher zu bringen, vor ihnen immer wahrer und ganzer zu erscheinen, und dein Reich auf dieser Welt immermehr auszubreiten, indem du iederman überzeugst daß es nicht von dieser Welt ist.

Deine Poesien, davon mir Reich ein Exemplar verehrt hat, sind mir auch als Aufschluß deines[148] Innersten, und als Bild deines äußern Lebens sehr willkommen. Mit gutem Vorbedacht hast du sie deinen Freunden gewidmet, denn sie schließen sich so an deine Individualität an, daß niemand, der dich nicht liebt und kennt, eigentlich was damit zu machen weiß. Ich hab' es etlichemal versuchen wollen, in Gegenwart guter Menschen, denen du aber fremd bist, einige von diesen Gedichten zu lesen, und habe recht gefühlt, wie das Eigenste davon gar nicht übergeht.

Unser Bildhauer hat eine vortrefliche Büste von Herdern gemacht, davon dir auch ein Abguß zugeschikt werden soll. Du wirst, auch ohne ihn zu kennen, an ihrer wahren Unwahrheit wieder deine große Freude haben.

Was die geheimen Künste des Cagliostro betrift, bin ich sehr mistrauisch gegen alle Geschichten, besonders von M. her. Ich habe Spuren, um nicht zu sagen Nachrichten, von einer großen Masse Lügen, die im Finstern schleicht, von der du noch keine Ahndung zu haben scheinst. Glaube mir, unsere moralische und politische Welt ist mit unterirdischen Gängen, Kellern und Cloaken miniret, wie eine große Stadt zu seyn pflegt, an deren Zusammenhang, und ihrer Bewohnenden Verhältniße wohl niemand denkt und sinnt; nur wird es dem, der davon einige Kundschaft hat, viel begreiflicher, wenn da einmal der Erdboden einstürzt, dort einmal ein Rauch aus einer Schlucht aufsteigt, und hier wunderbare Stimmen gehört werden.

[149] Glaube mir, das Unterirdische geht so natürlich zu als das Überirdische, und wer bei Tage und unter freyem Himmel nicht Geister bannt, ruft sie um Mitternacht in keinem Gewölbe. Glaube mir, du bist ein größerer Hexenmeister als ie einer, der sich mit Abacadabra gewafnet hat. Auch untersteh' ich mich zu begreifen, warum die B. nicht mehr schreiben will.

Ich habe der Schultheß den Anfang eines neuen Dramas geschikt, lies es auch, wenn du Zeit findest, und zeigt mir es sonst niemand. Tobler wird dir geschrieben haben, seitdem er von uns weg ist, wir haben ihn gar lieb gewonnen, und es ist ihm bey uns so wohl, als unter seinen Umständen möglich, geworden.

Sage mir etwas von der van der Borg.

Grüse deine Frau, und gedenkt meiner am braunen Tische. Grüse auch Pfenninger und die Orells.

Der Chirurgus Hähling hat sich erst vor einigen Tagen gemeldet. Der Brief den ihm Hirzel an den Herzog mitgegeben, ist höchst abgeschmakt. Der Herzog las erst flüchtig den Nahmen als wenn es Hoze wäre, und konnte unter dem Lesen nicht begreifen, wie aus dieses ehrlichen Mannes Feder solche selbstische ungeschikte Albernheiten fließen könnten.

Schließlich bitte ich dich fortzufahren, mir mit deinem Geiste und deiner Art nüzlich zu seyn, und mir wenn du etwas über, vor, oder wider mich weißt, es nicht zu verhelen; sondern, wie bisher und, wo[150] möglich, noch mehr, eine gute und lebendige Wirkung unter uns zu erhalten.

Weimar den 22. Juny 1781.

G.


5/1257.


An Charlotte von Stein

Guten Morgen meine Beste eh du ins Bad steigst! Daß es dir doch recht wohl bekommen möge. Die Briefe bring ich zu Mittage mit, denn du willst doch daß ich diese lezte Zeit so viel möglich mit dir zubringe. Adieu meine einzigste. Ich schicke dir hier einige Rosen. d. 23. Jun. 81.

G.


5/1258.


An Jakob Friedrich von Fritsch

Ew. Exzell. heute nicht mit einem Besuch zu behelligen, erbitt ich mir die Erlaubniß diesen schrifftlichen Abschied zu nehmen, und zugleich einiger kleinen Angelegenheiten zu erwähnen.

Zuförderst dancke nochmals ergebenst für die gestrige gütige Aufnahme, und empfehle das weitere gütiger Vorsorge.

Ferner muß ich eines Menschen gedencken der sich gegenwärtig hier aufhält und dessen Zustand mich in Verlegenheit sezt. Es ist der Fechtmeister Fellon von Leipzig. Dieser Mensch dessen schon einmal in einer Session Erwähnung geschah, zeigte sich in Belvedere,[151] und bestand in einem Versuch mit dem hiesigen Fechtmeister nicht übel. Da Herr v. Brincken solche Bedingungen gemacht, und auf selbigen bestanden hatte daß es schien als wenn man mit ihm nicht einig werden würde; so schien mir Fellon eine gute Acquisition zu seyn, ich hies ihn nach Leipzig zurückgehn und versprach ihm nach eingehohlter Erkundigung von dem Herrn Prof. Clodius auf den er sich berief eine baldige Entschliesung. Die Antwort des Professors auf meine Anfrage kam erst vor einigen Tagen und das Zeugniß lautete also: »Fellon hat in Leipzig nichts wider sich als ein Privilegium das ihn nötigt den Ort zu verlassen. Der Fechtmeister versagt ihm selbst das Zeugniß nicht, daß er nach französcher Art, gut fechte. Einige iunge Herrn von Stande die bey ihm fochten, versichern daß sein Betragen gegen sie seinem Berufe angemessen sey. Arm ist er, vielleicht dient auch dies zu seiner Empfehlung bey einem Menschenfreunde.«

Diese Empfehlung schien mir für einen Mann dieser Art hinreichend, allein da Herr v. Brincken neuerdings mehrere Lust zu dieser Stelle gezeigt und sich wieder anbieten lassen, so wurde die Sache zweifelhafft und ich würde sie zur Deliberation vorgelegt haben, wenn meine Abreise mich nicht verhinderte.

Indessen ist mehrgenannter Fellon, der von Herrn Clodius gehört, daß er ihm ein gutes Zeugniß gegeben habe, hier angekommen, und liegt mit seiner[152] Frau, ohne einen Heller Geld, wie er mir mit der grösten, einem Franzosen nur möglichen Leichtigkeit versichert, im Elephanten, und bittet flehentlich um das Stückgen Brod, das ich ihm wohl gerne gönnen mögte. Ausser seiner Armuth spricht seine Munterkeit für ihn, und sein artiges Betragen, das mich überzeugt er werde mit iungen Leuten sich gut zu benehmen wissen und sich Schüler machen. Er wünscht nur etwas weniges zur Einrichtung und den Fechtboden frey, so getraut er sich ohne Pension seinen Lebensunterhalt zu erwerben, wollte man ihm 50 rh. oder 100 f. iährlich akkordiren so würde er glücklich seyn, und diese eigentlich unbesoldete Stelle fiele keiner herrschafftlichen Casse zur Last. Wollten Ew. Exzell. ihn einen Augenblick vor Sich kommen lassen; so würden Sie dessen Personale selbst beurtheilen können.

Da aber auf der andern Seite auch verschiednes für Brincken spricht; so wage ich nicht ienen ausschlieslich zu empfehlen, sondern bitte es geneigtest in Deliberation zu nehmen. Serenissimo, und Herrn Geh. Rath Schnaus habe eben diese Gesinnungen zu erkennen gegeben. Was ich an Brincken aussetze ist daß er zu still, nicht gegen iunge Leute prävenant genug, und für unsre Akademische Umstände zu vornehm seyn möchte. Einem Fechtmeister schadet ein wenig Charletanerie nicht. Dem Franzosen will ich einige Thaler zu seinem nothdürftigsten Unterhalte reichen bis sein Schicksaal entschieden ist.

[153] Noch ein Anliegen des iungen Voigts empfehl ich Ew. Exzell. er möchte gern einen Charackter haben. Besonders da er ietzo seine mineralogischen Reisen drucken läßt, wo es dem Werckgen, das hoff ich Beyfall erhalten wird, ein besseres Ansehn geben möchte; ich glaube ein Bergkommissarius würde sich für sein Verhältniss nicht übel schicken, und er verdient nach seinem Charackter und Applikation, ein solches aufmunterndes Gnaden Zeichen.

Wollten Sich Ew Exzell. wohl wieder gütigst meiner verwaisten Kriegskasse annehmen, man wird Sie ohne Noth nicht behelligen.

Mich zu fortdauernder freundschafftlicher Zuneigung empfehlend

Ew. Exzell.

Weimar

gehorsamster Diener

d. 24. Jun. 81.

Goethe.


5/1259.


An Charlotte von Stein

Noch einmal Adieu meine beste ich bin so ungewohnt zu verreisen daß ich kaum weis wie ich mich dazu schicken soll. Behalte mich deinem Herzen nah, ich dencke immer an dich, und schreibe mir. d. 25. Jun. 81 früh.

G.[154]


[155] 5/1261.


An Charlotte von Stein

Der erste Grus und die Bitte um Gerharden wird zu dir gekommen seyn. Hier den zweyten. Ich bin[156] in meinem Elemente unter deinen Nahmensverwandten. Wenn das leidige Geschäfft vorbey ist will ich mirs noch wohler seyn lassen. Adieu beste. Jezt ists an der Zeit daß ich zu dir zu gehn gewöhnt bin. Adieu und liebe mich. [Ilmenau] d. 28. Jun. 81.

G.


5/1262.


An Jakob Friedrich von Fritsch

Ew. Exzell.

von den Schicksaalen unsrer Zusammenkunft vorläufig zu benachrichtigen, halte ich für Schuldigkeit.

Das Betragen beyder Deputirten haben wir auf alle Weise zu loben, und mit Gotha sind wir gröstenteils und in Hauptsachen einig. Chursachsen nur hat auf dem Münzvertrag und Schlägeschatz bestanden und da wir nicht nachgeben konnten, weil dadurch eine neue höchst unangenehme Connexion entstanden wäre, so hat der Deputirte auch ihre veralteten Forderungen zu behaupten gesucht. Da ihm aber auch die Unmöglichkeit einer Befriedigung gezeigt wurde, so wollte er uns durch einen Regress schröcken der an das Haus Weimar genommen werden könnte, weil der Herzog ehemals das Haus Sachsen Zeit beredet das versagte Holz an die Gewerckschafft abzugeben, und die Bezahlung versichert. Man hat auch hier das nötige regerirt, und die Gelegenheit ergriffen, die[157] ganze Forderung nochmals vom Wercke und der künftigen Gewerckschafft abzulehnen, auch den Schluss der Conferenz grade auf die Publikation und die Zusammenbringung einer Gewerckschafft gerichtet, ohne daß ienseits widersprochen worden wäre.

So weit sind wir gelangt und wünschen daß unsre Bemühungen den Beyfall Serenissimi und seines geheimen Consilii erlangen mögen. Das nähere wird eine mündliche Relation, und das unserm zu erstattenden unterthänigsten Berichte beyzufügende Protokoll ausweisen.

Auserdem haben wir unsre Gäste möglichst bewirthet und hoffen sie sollen von uns zufrieden scheiden.

Morgen werden sie wohl von hier abgehn, und ich will alsdenn noch eine kleine Exkursion in die Nachbaarschafft thun, um mich mit den Bergwercken in dieser Gegend bekannt zu machen, wo ich denn wohl in acht Tagen wieder zu Hause eintreffen mögte.

Serenissimo bitte ich mich zu Gnaden zu empfehlen und Herrn Geh. Rath Schnaus mein Andencken bestens zu erneuern. Hierbey liegen einige Kleinigkeiten um deren Beföderung ich wohl ersuchen darf.

Behalten Ew. Exzell. die mir zugewandte Freundschafft und bleiben meiner Ergebenheit versichert.

Ew. Exzell.

Illmenau

gehorsamster Diener

d. 30. Jun. 81.

Goethe.[158]


5/1263.


An Charlotte von Stein

d. 1. Jul. 81. Illmenau.

Dein Andencken hat mich stille bey Tag und Nacht begleitet, ich wollte dir nicht eher schreiben als bis ich ganz ruhig wäre. Heute ist der Baletschmaus, Morgen gehn unsre Freunde weg, und ich auch mit Knebeln nach Rudolstadt. In Schwarze will ich dir zeichnen wenn ich nur das rechte Fleckgen treffe. Diese Tage her hab ich auch etwas für dich gearbeitet das ich dir mitbringe du sollst ihm hoff ich ansehn daß ich dich liebe. Was es ist sag ich noch nicht. Daß deine Empfindung durch den lezten Abend gestört ward, nimmt mir von meinem freudigen Andencken an dich die schöne Beleuchtung, doch hoff ich du sollst mich mit lebendiger Liebe empfangen.

Leb wohl. grüse Steinen und was gut ist. Ich befinde mich wohl. Mehr kan ich nicht schreiben, ich bin in mich gekehrt und liebe dich.

G.


Gieb dem Boten etwas für mich mit, man weis mich zu finden.

Noch leg ich eine Sudeley von gestern Abend hier bey.[159]


5/1264.


An Friedrich Justin Bertuch

Hier erhalten Sie mein lieber Bertuch vorläufige Nachricht wegen der Medaillen. Die Hauptsache ist daß wir Stempel in Nürnberg bestellen lassen. Sie sind ia so gut und übernehmen die Mühe. Beyliegend P. N. enthält das nötige was dabey zu beobachten wäre, und unten auf dem Auswurf steht die Gröse. Ich dächte wir nähmen die von zwey Loth und Sie schickten dieses Maas wie auch das von der goldnen mit dem P. N. nach Nürnberg an einen guten Freund.

Wegen des Überschlags sprechen wir noch. Stockmar bossirt indessen, doch werden wir auf den Geburtstag nicht fertig.

Leben Sie wohl, und behalten mich in gutem Andencken. Illmenau d. 1. Jul. 81.

Goethe.


Unsre Sache ist nach Wunsch gelungen.


5/1265.


An Johann Ludwig Eckardt

[Ilmenau, 2. Juli.]

Ich sollte dafür halten, wenn der Müller einen bündigen Revers ausgestellt, daß er Graben und Ort, sobald das Illmenauer Bergwerk ihn benötigt räumen wolle, so sind wir nicht gefährdet.

[160] Doch müßte er solches selbst in Gotha anzeigen und man müßte von daher eine Art von Garantie erhalten.

Den Modum und die Stricke und Bänder, womit er zu vinckuliren, überlasse ich Ihrer bekannten Klugheit. Und Wünsche nochmals wohl zu leben.

G.


5/1266.


An Charlotte von Stein

Noch ein Wort meine liebste Lotte durch einen Boten den der Herzog schickt. Wir steigen zu Pferde und gehn in die Gebürge. Ich sehne mich recht von hier weg, die Geister der alten Zeiten lassen mir hier keine frohe Stunde, ich habe keinen Berg besteigen mögen, die unangenehmen Erinnerungen halten alles befleckt. Wie gut ists daß der Mensch sterbe um nur die Eindrücke auszulöschen und gebadet wieder zu kommen.

Deine Liebe von allen will ich allein behalten. Du bist immer vor mir dein böser Fus und deine Herzlichkeit, und ich fühle still daß ich ganz dein bin. Adieu. Zu Ende der Woche kommen wir wieder und du erhälst wohl noch etwas indess.

[Ilmenau] d. 2. Jul. 81.

G.[161]


5/1267.


An Johann Ludwig Eckardt

[Ilmenau, 4. Juli.]

Mit Ew. Wohlgeboren bin ich völlig einverstanden was den Modum betrifft. Die Angelegenheit selbst, glaub ich, wird sich durch ein gutes Benehmen gar leicht endigen lassen; indem die Leute sich doch meist willig erklärt haben im Fall eine neue Gewerckschafft zusammen käme und der Bergbau betrieben würde, die quaest. Grundstücke wieder herauszugeben und ihr ganzer Widerstand nur auf die Befreyung vom Pachte gerichtet zu seyn scheint. Morgen Nachmittag wünsche Ew. Wohlgeboren noch auf wenige Worte zu sprechen.

G.


5/1268.


An Jakob Friedrich von Fritsch

Ew. Excell.

erhalten abermals ein Schreiben von mir, indem mich ein Umstand veranlasst noch länger in diesen Gegenden zu bleiben.

In Blanckenburg, wo ich die Kupferwercke befahre, habe ich die Bekanntschafft eines mir schon gerühmten Bergmeister Mühlbergs gemacht; dieser Mann, der in seinem zwey und siebzigsten Jahre steht, genießt noch den Gebrauch aller Sinne und eines genauen Gedächtnisses. Er hat in seiner Jugend auf dem hiesigen Werck gearbeitet, und weis sich noch alles bis auf Nahmen, Vornahmen, Zahlen und[162] Maase zu erinnern. Da verschiednes was er von dem Wercke sagte mir gute Aufschlüsse zu versprechen schien, habe ich ihn bewogen sich hierher zu begeben, wo er auch nächsten Sonntag eintreffen wird. Ich werde alsdenn eine Unterredung zwischen ihm und dem Geschworenen veranlassen, noch einige alte Bergleute dazu ziehen, alle Punckte fleisig durchgehen, und die Äuserungen und Resultate wohl aufzeichnen lassen. Damit theils das was schon bekannt ist noch sichrer werde, verschiedne Zweifel sich heben und man viel leicht gar auf neue Gedancken komme. Da der Geschworne diese Jahre her viel über die Sache nachgedacht; so wird er nebst Voigten die Punckte aufsetzen, worüber besonders Auskunft zu wünschen ist. Ich habe ihnen eine kleine Leitung gegeben, in welcher Ordnung es geschehen soll. Wenn wir alsdann über der Erde alles besprochen haben, wollen wir zusammen einfahren und auch uns unterirrdisch überzeugen und unterrichten. Es ist mir äuserst angelegen in diese Finsternisse einiges Licht zu bringen. Möge auch diese Handlung so viel Vorteil schaffen als ich wünsche.

Legen mich Ew. Exzell. Serenissimo zu Füssen empfehlen mich meinem werthesten Herrn Collegen Herrn Geh. Rath Schnaus und erhalten mir ein beständiges Wohlwollen.

Ew. Exzell.

Illmenau

gehorsamster Diener

d. 5. Jul. 81.

Goethe.[163]


5/1269.


An den Herzog Carl August

Unsre Reise ist glücklich und gar angenehm bisher vollbracht.

Schwarzburg, Blanckenburg, Rudolstadt, Töschitz haben wir besucht, von der Hitze etwas ausgestanden, doch auch ganz köstliche Morgen, Abende und Nächte gehabt. Knebel war sehr gut und munter. Ich hab ihn in die Klüffte der Erde initiirt, er hat Freude dran.

In Blanckenburg hab ich einen alten Bergmeister gefunden, der ehmals auf dem hiesigen Wercke gearbeitet hat. er ist 72 Jahr alt und erinnert sich aller Vornahmen und Zahlen. Dieser kommt Sonntags hierher und ich werde ein gros Colloquium anstellen und seine Aussagen protokolliren lassen damit alles klärer werde.

Wir haben sehr schöne Gegend durchstrichen, auch sind uns menschliche Dinge allerley Art vorgekommen die Knebel erzählen soll.

Bei der Stein werden Sie eine Tasse finden die ich gemahlt habe.

Morgen wollen wir auf Friedrichrode und von da auf den Inselberg, Sonntags denck ich wieder hier zu seyn, und die Verhandlung mit dem Berg Meister wird mich einige Tage aufhalten.

Leben Sie wohl. behalten Sie mich lieb. Die Welt ist voll Thorheit, Dumpfheit, Inconsequenz und[164] Ungerechtigkeit, es gehört viel Muth dazu diesen nicht das Feld zu räumen, und sich beyseite zu begeben. Addio.

Illmenau, d. 5. Jul. 81.

G.


5/1270.


An Charlotte von Stein

Illmenau d. 5. Jul. 81.

Wir sind gestern Abend wieder hier angekommen. Ich fand einen Brief von dir und eben iezt empfang ich noch einen zum Nachtisch.

Ich bin nicht von dir gewichen, du hast mich immer begleitet, und hätten nicht die Wölckgen deines Unglaubens meinen Horizont getrübt, so wär es der reinste Himmel gewesen. Knebel ist sehr brav und unterhaltend. Es ist uns auch wohlgegangen, wir haben sehr manigfaltige Sachen gesehen, schöne Gegenden, und verschiedne Menschenerscheinungen in allerley Styl. Wir sind auf Schwarzburg das sehr interessant liegt, wie du aus einer leider nur umrissnen Zeichnung sehn wirst, gegangen. Von guten Menschen bewirthet worden, haben im Zucht- und Tollhaus merckwürdige Gestalten gesehn. Von da auf Blanckenburg wo Knebel einen Philister gemishandelt hat. Daselbst haben wir die Bergwercke befahren. NB. von Schwarzburg auf Blanckenburg ist ein fürtrefflicher Weeg der Schwarze nach, durch ein tiefes Thal zwischen Fels und Wald Wänden.

[165] Dann sind wir auf Rudolstadt, haben da nur geschlafen. Von da nach Teschniz den Marmorbruch zu sehn, und wieder hierher. Die Sonne hat uns durchgeglüht und der Mond erquickt wir haben beydes im reichen Maase genossen. So kurz unsre Reise war so unterhaltend und angenehm war sie. Nun dencken wir Morgen nach dem Inselberg zu gehn. Allein Sonntag, da ich dachte wieder bey dir zu seyn, muß ich wieder hierher und komme erst zu Ende der nächsten Woche. Verschiedne Sachen das Bergwerck betreffend will ich gleich in Ordnung bringen um nicht wieder heraus zu müssen.

Deine Stiefel sind bestellt.

Wir werden dir noch allerley artiges erzählen.

Die Tasse die beykommt hab ich dir gemahlt, ich wünschte die Masse des Porzellans wäre besser, ich habe eine kindische Freude dran gehabt und besonders in der Hoffnung daß dichs auch freuen soll. Wenn ich einmal Rothbergisches Porzellan haben kan, und nur noch ein wenig Übung, so soll auch das bessre dein seyn. Ich dencke drauf dir ein Paar Blumenkrüge zu mahlen.

Die Füllhörner werden auch noch fertig eh ich hier weggehe.

Ernstens husten beunruhigt mich, sorge doch auch für Fritzen, der auch einen Ansaz hat. Grüse Steinen. Wenn ich zurückkomme lad ich euch alle auf eine Geschichte ein, die euch gewiss rühren und gefallen soll.[166]


5/1271.


An Charlotte von Stein

Ein Regen und Nebelwetter hat uns abgehalten auf den Inselberg zu gehn, indessen habe ich dir meine beste beykommende zwey Blumentöpfe gemahlt, und hoffe sie werden dich freuen. Ich werds immer besser machen und du sollst auch das bessere haben.

Knebel ist gar gut und brav, wenn du es leiden magst, will ich ihm auch so einen Blumen Topf mahlen.

Was ich übrigens thue und leide um des Reiches Gottes willen mag ich dir gerne verschweigen.

Wir haben (Knebel und ich) schöne Dialogen über das Himmelreich gehalten und sind einig und vergnügt. Adieu liebe Lotte, bleibe bey mir. Ich habe dich sehr lieb.

Morgen wenn das Wetter gut bleibt, geh ich nach Paulin Zelle, dort eine Ruine zu zeichnen. Grüse den Herzog, Steinen, Carolingen und die Waldnern.

[Ilmenau] d. 6. Jul. 81.

G.

Fritzen nicht zu vergessen, frag ihn was ich ihm mitbringen soll.


Leider ist einer von den Blumentöpfen im Feuer verunglückt und ich kan dir also nur einen schicken. Adieu liebste ich will dir gleich einen neuen mahlen.[167]


5/1272.


An den Herzog Carl August

Knebel wird Ihnen viele herzliche Grüse von mir bringen und erzählen wie wir gelebt haben.

Ein entstzliches Gewitter, das zweyte im Rang seit Staffens hierseyn, hat uns diese Nacht geweckt. Es schlug auf der hohen Schlaufe in eine vierspännige Fichte und zündete.

Staff ist mit allen Holzhauern hinaus und sie war bald gefällt.

Mein alter Bergmeister ist angekommen, Morgen und Übermorgen wollen wir mit ihm unter und überirrdisch sprechen. Dann bin ich bald bey Ihnen. Mit Knebeln ist mirs recht wohl gegangen er setzt meinen Text in Noten, und mein Text hält seine Noten zusammen. Leben Sie wohl.

Illmenau, d. 8ten Jul. 81.

G.


5/1273.


An Charlotte von Stein

Knebel wird dir diesen Brief bringen und sagen wie es uns gegangen ist und wie es mir geht. Er wird von einem Donnerwetter erzählen daß nach Mitternacht über den Wald kam und mit einer fürchterlichen Gewalt um uns leuchtete schlug und prasselte, da es gegen Nordost zog dacht ich vielleicht weckt es auch meine liebe auf, an mich zu dencken.

[168] Ich sehne mich heimlich nach dir ohne es mir zu sagen, mein Geist wird kleinlich und hat an nichts Lust, einmal gewinnen Sorgen die Oberhand, einmal der Unmuth, und ein böser Genius misbraucht meiner Entfernung von euch, schildert mir die lästigste Seite meines Zustandes und räth mir mich mit der Flucht zu retten; bald aber fühl ich daß ein Blick, ein Wort von dir alle diese Nebel verscheuchen kan.

Lebe wohl meine Liebste die Tage die ich von dir entfernt seyn muß. Gar sehr verlang ich nach einem Briefe von dir.

Jeden Abend grüs ich das röthliche Gestirn des Mars, das über die Fichtenberge vor meinem Fenster aufgeht, es muß dir über meinem Garten stehn und bald seh ichs mit dir an einem Fenster. Gute Nacht meine beste, entfernt von seiner Liebe ist nicht zu leben.

Illmenau d. 8. Jul. 81.

G.


In sorglichen Augenblicken ängstigt mich dein Fus, und deiner Kinder Husten. Wir sind wohl verheurathet, das heist: durch ein Band verbunden wovon der Zettel aus Liebe und Freude, der Eintrag aus Kreuz Kummer und Elend besteht. Adieu grüse Steinen. Hilf mir glauben und hoffen.[169]


5/1274.


An Charlotte von Stein

Zum erstenmal wieder von Haus einen guten Morgen. Gestern Abend verlangte mich noch recht herzlich dich zu sehn. Die Gesellschafft blieb zu lang beysammen und ich konnte nicht weg. Heut bin ich bey Hofe geladen, und bringe vorher meine Sachen in Ordnung. So geht es alsdann unter dem alten Joche den gewohnten Pfad. Aber freylich auch wieder in guten Stunden den gewohnten Pfad zu dir. Adieu meine beste. d. 12. Jul. 81.

G.


5/1275.


An Johann Ludwig Eckardt

Serenissimus haben auf vorläufigen unterthänigsten Vortrag des 3. Punktes unseres Berichts gnädigst resolviret, daß, ob sie gleich den Ersatz derjenigen Aufwände, welche sie zur Wiedererhebung des ilmenauer Werks neuerlich gemacht und noch zu machen genöthigt seyn würden, von einer künftigen Gewerkschaft oder mit noch mehrerem Fuge nach den Regeln der Gemeinschaft von den übrigen Theilhabern verlangen und erwarten könnten; so wollten Sie doch aus ganz besonderen Rücksichten auf den Fall, wenn man sich jenseits in allen übrigen Punkten nachgiebig erzeigen würde, auch diese Ausgaben über sich nehmen und[170] einer neuen Gewerkschaft ein ganz reines Werk anbieten, welches denn auch denen übrigen Herrn Theilhabern in Absicht der künftig zu erlangenden Zehnden von unausbleiblichem Vortheil seyn würde.

Wollten Sie in dieser Maße einen Brief an Herrn von Taubenheim in unserer beider Namen aufsetzen und die sonst noch versprochenen Beylagen gefällig besorgen.

Was die Versicherung einer reellen Erkenntlichkeit betrifft, so traue ich theils wegen des mir noch unbekannten Charakters dieses Mannes nicht völlig und fürchte mich, ihn, wenn er redlich gesinnt seyn sollte zu beleidigen, theils ist auch unsere Sache so über und über gut, daß es Sünde wäre, noch irgend ein argumentum ad crumenam hinzuzufügen.

Ich empfehle mich Ihnen übrigens bestens und hoffe das Vergnügen zu haben Sie bald zu sprechen.

Weimar den 14. Juli 1781.

Goethe.


5/1276.


An Charlotte von Stein

Sag mir meine beste wie du dich befindest. Vielleicht magst du heute Abend eine Gesellschafft bey dir versammeln wo ich meine Geschichte erzählen will. Ich habe Toblern zu Tisch, den brächt ich auch mit, Knebeln siehst du ia irgend. Adieu meine süse.

d. 15. Jul. 81.

G.[171]


5/1277.


An Charlotte von Stein

Sag mir meine liebe wie du geschlafen hast! Ich will zu Hause bleiben und fleisig seyn, und dich gegen Abend sehen.

d. 16. Jul. 81.

G.


5/1278.


An Philipp Christoph Kayser

Ihr Gefährte empfiehlt sich nicht durch sein Betragen. Wanckelmuth und Unverstand sind böse Ingredienzen in einem Gehirn. Erzählen Sie mir ich bitte die Sache ausführlich, ich mag gern Menschen von allen Seiten kennen.

Sie sind nun wieder in Zürch, ich wünsche zu Ihrem besten. Fahren Sie in dem lebendigen Gebrauch der Welt fort, in dem Sie hier einige Schritte gewagt haben.

Schreiben Sie mir manchmal und lassen uns nicht aus Verbindung kommen.

Ehstens schick ich den versprochnen Plan.

Wie weit man mit 7 kleinen Schritten kommt wissen Sie.

Von meinem Plan auf Gluck, hören Sie ehstens mehr.

Reichard hat wieder Lieder herausgegeben die ich gelegentlich schicke.

Weimar d. 16 Jul. 81.

G.[172]


5/1279.


An Charlotte von Stein

Diesen Morgen hab ich allerley abgethan, und esse zu Haus. Sage mir was du heute Abend vorhast und daß du mich liebst.

d. 18. Jul. 81.

G.


5/1280.


An Charlotte von Stein

Täglich werd ich mehr dein eigen, behalte mich so und bleibe mein. Schick mir les Erreurs et la Verité. Heut will ich einige Schulden abthun. Adieu ich sehe dich gegen Abend.

d. 18. Jul. 81.

G.


5/1281.


An Philipp Christoph Kayser

Da Sie den Geist meiner Maurerey kennen; so werden Sie begreifen was für einen Zweck ich mit vorstehendem Liede habe, und mit mehreren, die nachkommen sollen. Ich wünsche daß es eine Melodie in Ihrer Seele aufregen möge, es würde mich zu mehrern ermuntern.

Lassen Sie bald etwas von sich hören.

Weimar d. 20. Jul. 81.

G.[173]


5/1282.


An Charlotte von Stein

Schon seit dem frühsten Tag verlangt mich nach einem Worte von dir. Ich kan's nicht erwarten vor dir zu knien, dir tausend tausendmal zu sagen daß ich ewig dein bin.

d. 20. Jul. 81.

G.


5/1283.


An Charlotte von Stein

Die wenigen Blumen, und schmächtigen Blumenstöcke nimm als Zeichen meiner Liebe und Sehnsucht freundlich auf. Ich habe die Schröter zu Tisch, und frage dich was du heute Abend thun willst. Adieu beste einzige.

d. 22. Jul. 81.

G.


5/1284.


An Charlotte von Stein

Laß dir das Frühstück wohl schmecken, und gedencke mein. Schicke mir das silberne Beschläg zu dem Essigkänngen. Heut Abend wollen wir die Raritäten sehn. Adieu liebste.

d. 23. Jul. 81.

G.[174]


5/1285.


An Charlotte von Stein

Hier liebste ist neben dem gestrigen auch noch ein heutiger Grus. Als ich heute nach Hof geladen wurde lies mich die Hoffnung dich dort zu sehen nicht absagen. Welche Freude werd ich haben dich anzusehen und in deinen Augen die Gewissheit zu lesen daß du mich liebst.

d. 25. Jul. 81.

G.


5/1286.


An Jenny von Voigts

In meinem letzten Briefe versprach ich Ihnen auf das baldigste ein lebhaffteres Bild von Ihrem Freunde als eine Silhouette nicht seyn kan. Gegenwärtig steht eine Büste eingepackt da, und wünscht abzugehen. Weil ich aber Unrichtigkeiten im Transport fürchte, so bitt ich um eine Adresse nach Osnabrück, wohin der Kasten abgeliefert werden kann. Leben Sie wohl! Diesmal nicht mehr von einem überhäuften.

Weimar, d. 31. Jul. 81.

Goethe.


5/1287.


An Charlotte von Stein

Du hast mir einen Teil meines Wohlseyns durch die Nachricht genommen, daß du Kopfweh hast. Gehe[175] ia nicht in die Zeichenstunde und halte dich ruhig.

Adieu beste.

d. 1. Aug. 81.

G.


5/1288.


An Charlotte von Stein

Es sage mit meine liebe daß sie sich besser befindet. Ich bleibe heute zu Haus und sehe dich Abends.

d. 2. Aug. 81.

G.


5/1289.


An Charlotte von Stein

Wie befindet sich meine L. L. bey dem kühlen Wetter und erwünschtem Regen? Sag mir ein Wort. Heut bin ich zur Herzoginn Mutter geladen. Adieu beste. d. 3. Aug. 81.


G.


5/1290.


An Charlotte von Stein

Sag mir liebste wie du dich befindest und ob du mit mir einig bist. Es thut mir nichts weher als wenn wir uns einen Augenblick misverstehen, als wenn mein Wesen an deines falsch anschlägt, mit oder ohne meine Schuld.

Adieu. Schicke mir meine Schrifften.

d. 4. Aug. 81.

G.[176]


5/1291.


An Charlotte von Stein

Einen Grus zum Morgen und Artischocken. ich wünsche daß sie wohl schmecken mögen. Zu Mittag will ich nach Tiefurth, und zu Abend meine vielgeliebte wieder sehen. d. 9. Aug. 81.

G.


5/1292.


An Friedrich Müller

Ich enthalte mich, aus mehr als einer Ursache, auf Ihren letzten Brief ausführlich zu antworten. Wahrscheinlich würden wir bey einer Unterredung einig werden, da schriftlich die Standpunkte nicht zusammengerükt noch ihre Parallaxen verglichen werden können. Am sichersten ist es, wir gehen ieder auf seinem Weege fort, und da uns beyden angelegen ist, das ächte zu erkennen und zu thun, so wird die Zeit wohl am besten zwischen uns richten oder vermitteln. Wir werden beyde, ich in der Betrachtung des, was iene große Meister gethan haben, und Sie in der Nacheifferung dieser vorzüglichen Menschen vorrüken. Wie sehr wünsche ich Ihnen dereinst mit dem aufgeklärtesten Urtheil das lebhafteste Lob ertheilen zu können, und wie sehr beneide ich Sie um Ihre Wohnung mitten unter den Meisterstüken, von denen wir in unserm kargen Lande nur durch Tradition eine neblichte[177] Ahndung haben können, also gar weit zurükbleiben müßen.

Schreiben und schicken Sie wenn und was Sie mögen, Sie werden in mir einen immer wachsenden Antheil an der Kunst und dem Künstler finden.

Weimar den 9. August 1781.

Goethe.


5/1293.


An Katharina Elisabeth Goethe

Der Devin du Village ist mit Melchiors Schrift gestern angekommen. Auf Ihren vorigen lieben Brief zu antworten, hat es mir bisher an Zeit und Ruhe gefehlt. In demselben Ihre alten und bekannten Gesinnungen wieder einmal ausgedrukt zu sehen und von Ihrer Hand zu lesen, hat mir eine große Freude gemacht. Ich bitte Sie, um meinetwillen unbesorgt zu seyn, und sich durch nichts irre machen zu lassen. Meine Gesundheit ist weit beßer als ich sie in vorigen Zeiten vermuthen und hoffen konnte, und da sie hinreicht um dasienige, was mir aufliegt wenigstens großentheils zu thun, so habe ich allerdings Ursache damit zufrieden zu seyn. Was meine Lage selbst betrift, so hat sie, ohnerachtet großer Beschweerniße, auch sehr viel erwünschtes für mich, wovon der beste Beweiß ist, daß ich mir keine andere mögliche denken kann, in die ich gegenwärtig hinüber gehen mögte.

[178] Denn mit einer hypochondrischen Unbehaglichkeit sich aus seiner Haut heraus in eine andere sehnen, will sich dünkt mich nicht wohl ziemen. Merk und mehrere beurtheilen meinen Zustand ganz falsch, sie sehen das nur was ich aufopfre, und nicht was ich gewinne, und sie können nicht begreifen, daß ich täglich reicher werde, indem ich täglich so viel hingebe. Sie erinnern sich, der lezten Zeiten die ich bey Ihnen, eh ich hierhergieng zubrachte, unter solchen fortwährenden Umständen würde ich gewiß zu Grunde gegangen seyn. Das Unverhältniß des engen und langsam bewegten bürgerlichen Kreyses, zu der Weite und Geschwindigkeit meines Wesens hätte mich rasend gemacht. Bey der lebhaften Einbildung und Ahndung menschlicher Dinge, wäre ich doch immer unbekannt mit der Welt, und in einer ewigen Kindheit geblieben, welche meist durch Eigendünkel, und alle verwandte Fehler, sich und andern unerträglich wird. Wie viel glüklicher war es, mich in ein Verhältniß gesezt zu sehen, dem ich von keiner Seite gewachsen war, wo ich durch manche Fehler des Unbegrifs und der Übereilung mich und andere kennen zu lernen, Gelegenheit genug hatte, wo ich, mir selbst und dem Schicksaal überlaßen, durch so viele Prüfungen ging die vielen hundert Menschen nicht nöthig seyn mögen, deren ich aber zu meiner Ausbildung äußerst bedürftig war. Und noch iezt, wie könnte ich mir, nach meiner Art zu seyn, einen glüklichern Zustand wünschen, als einen der[179] für mich etwas unendliches hat. Denn wenn sich auch in mir täglich neue Fähigkeiten entwikelten, meine Begriffe sich immer aufhellten, meine Kraft sich vermehrte meine Kenntniße sich erweiterten, meine Unterscheidung sich berichtigte und mein Muth lebhaffter würde, so fände ich doch täglich Gelegenheit, alle diese Eigenschaften, bald im großen, bald im kleinen, anzuwenden. Sie sehen, wie entfernt ich von der hypochondrischen Unbehaglichkeit bin, die so viele Menschen mit ihrer Lage entzweyt, und daß nur die wichtigsten Betrachtungen oder ganz sonderbare, mir unerwartete Fälle mich bewegen könnten meinen Posten zu verlaßen; und unverantwortlich wäre es auch gegen mich selbst, wenn ich zu einer Zeit, da die gepflanzten Bäume zu wachsen anfangen und da man hoffen kann bey der Ärndte das Unkraut vom Waizen zu sondern, aus irgend einer Unbehaglichkeit davon gienge und mich selbst um Schatten, Früchte und Ärndte bringen wollte. Indeß glauben Sie mir daß ein großer Theil des guten Muths, womit ich trage und würcke aus dem Gedanken quillt, daß alle diese Aufopferungen freywillig sind und daß ich nur dürste Postpferde anspannen laßen, um das nothdürftige und Angenehme des Lebens, mit einer unbedingten Ruhe, bey Ihnen wieder zu finden. Denn ohne diese Aussicht und wenn ich mich, in Stunden des Verdrußes, als Leibeignen und Tagelöhner um der Bedürfniße willen ansehen müßte, würde mir manches viel saurer werden. Möge[180] ich doch immer von Ihnen hören, daß Ihre Munterkeit Sie, bey dem gegenwärtigen Zustande des Vaters, nie verläßt. Fahren Sie fort Sich so viel Veränderung zu verschaffen, als Ihnen das gesellige Leben um Sie herum anbietet. Es ist mir nicht wahrscheinlich, daß ich auf diesen Herbst mich werde von hier entfernen können, auf alle Fälle nicht vor Ende Septembers, doch würde ich suchen zur Weinlese bey Ihnen zu seyn. Schreiben Sie mir daher, ob diese vielleicht wegen des guten Sommers früher fallen möchte.

Leben Sie wohl. Grüsen Sie meine alten guten Freunde.

Weimar d. 11. Aug. 1781.

G.


5/1294.


An Charlotte von Stein

Statt der gehofften Sonntagsruhe, bin ich seit heute früh wie besät von Menschen. Gestern ist unsre Feyerlichkeit zu iedermanns Vergnügen begangen worden. Heute will ich ganz zu Hause bleiben und die singenden Mäuse einladen. Schicke mir das Brätgen. Sag mir daß du mich liebst, und fühle daß ich dein bin. Dancke für das Andencken von gestern Abend.

d. 12. Aug. 81.

G.[181]


5/1295.


An Charlotte von Stein

Es ist mir gestern nicht recht wohl bekommen dich gar nicht zu sehen. Abends wär ich gar zu gern von meinen Gästen weggelaufen. Sag mir ein Wort meine beste. Und was du heute vorhast. d. 13. Aug. 81.

G.


5/1296.


An Philipp Christoph Kayser

Ich habe Ihre beiden Briefe empfangen und will mich nach den verlangten Büchern erkundigen. Das Lied aufzusuchen werde ich meine alten Paquete aufbinden und durchkramen müßen, so bald es sich gefunden hat, sollen Sie es erhalten. Ich vermuthe, daß Sie die Sammlung von Rousseau's Liedern, die nach seinem Tode herausgekommen ist, noch nicht kennen, drum schreibe ich mit der heutigen Post an den Buchhändler Bauer nach Strasburg, daß er sie Ihnen sogleich zuschiken soll und freue mich zum voraus Ihrer Freude über diesen unschäzbaren Nachlaß. Die M. Schröter, die die meisten gespielt und gesungen, behauptet es seyen Fehler wider die Harmonie drinne, die sie für Drukfehler halten müßte. Die Sache ist aber zu delikat als daß ich iemand andern als Ihnen darüber trauen sollte, ich halte mir also bey Ihnen aus, daß Sie mir, wenn Sie Ihr Exemplar[182] durchgehen und korrigiren, die Fehler auf einen Bogen anmerken. Jedoch wünscht ich daß es bald geschähe, denn zu den meisten dieser Lieder sind Instrumente gesezt, die ich gerne, und doch nicht eher mögte ausschreiben laßen, biß ich wegen der Richtigkeit sicher bin.

Noch einen Auftrag habe ich Ihnen zu geben. Auf der Schule in Zürich, ich weiß nicht, ob sie ihr den Namen einer Realschule geben, genug es ist dieienige, wo sie in der Matesie, Baukunst u.s.w. unterrichtet werden, schreiben die Knaben gar saubern Cursus der Aritmetik, Geometrie und Trigonometrie, eine Abschrift von einem solchen wünschte ich gar sehr zum Gebrauch der hiesigen Akademie zu haben und ich glaube Sie werden mir solche leicht verschaffen können. Ich bin erbötig sie zu bezahlen.

Leben Sie wohl. Weimar, d. 13. Aug. 81.

G.

Melden Sie mir doch wo Sie wohnen. Und dancken der Frau Schulthes für den Devin.


5/1297.


An Charlotte von Stein

Schon den ganzen Morgen bin ich dir nah meine Beste, und hätte geschrieben und geschickt wenn mich nicht die Geister an mein neues Stück geführt hätten. Die zweyte Scene wird heute wohl fertig. Adieu ich bleibe und wohne in deiner Liebe, und es ist mir[183] schön daß deine Phantasie mich mit dem Onkle zusammenschmilzt. Leb wohl ich seh dich noch heute.

d. 19. Aug. 81.

G.


5/1298.


An Charlotte von Stein

Ich fahre nach Tiefurt zum Essen, und nehme von meiner lieben Urlaub. Heute früh hab ich gehausvatert wie du mich haben willst. Adieu. Ich komme zeitig wieder. Das Wetter ist schlecht, doch will ich durch die grose Allee fahren.

d. 20. Aug. 81.

G.


5/1299.


An Carl Ludwig von Knebel

Hier Möser über Iphigenie und die Rede eines Obristen von Scholten vor einer Gesellschaft der Wissenschaften in Treuenpriezen. Gewiss wird dich das viel dencken machen.

Adieu tausendmal. d. 23. Aug. 81.

G.


5/1300.


An Charlotte von Stein

[26. August.]

Mit einem guten Morgen schick ich meiner besten einen Brief von meiner Mutter, um sich an dem Leben drinne zu ergötzen.

[184] Gestern war's recht artig. Die Werthern hat den Tasso mit rezitirt, und recht artig.

Die Lieder werden abgeschrieben.

G.


5/1301.


An Charlotte von Stein

Auser deinem Übel empfind ich keins an dem heutigen Tag. Meine Freunde sind freundlich und schicken mir allerley gutes. Hier hast du vom Angebinde dein Theil.

Gegen 10 geh ich ins Conseil. Adieu meine Beste. Ich bin immer dein und bey dir, leibeigner als sich dencken lässt.

d. 28. Aug. 81.

G.


5/1302.


An Sophie von Schardt

[28. August.]

Mögen Sie, meine Liebe, das Leben wieder so freundlich ansehn, wie mich die Blumen von Ihrem Angebinde. Lassen Sie uns immerfort, so lang wir zusammen bleiben dürfen, des Guten miteinander geniessen und dadurch unsere Kraft stärken, das Übel vereint zu tragen. Glauben Sie mir, daß es eins von den liebsten Geschenken mir zum Geburtstage ist, daß ich Sie unter den Lebendigen nicht vermisse.

G.[185]


5/1303.


An Charlotte von Stein

Gestern ist das Schauspiel recht artig gewesen, die Erfindung sehr drollig und für den engen Raum des Orts und der Zeit sehr gut ausgeführt.

Hier ist das Programm. NB es war en ombre Chinois wie du vielleicht schon weisst. Adieu Beste. Bleibe mir, und wenn's möglich ist so laß mich die Freuden rein geniessen die mir das Wohlwollen der Menschen bereitet.

d. 29. Aug.

G.


5/1304.


An Charlotte von Stein

In der Hoffnung bald aufgeweckt zu werden legt ich mich nieder. und dancke nun für Ihr frühes Andencken. Ein Hemd kommt mit. Es ist Conseil und wenn ich nicht mit dem Herzog bleibe so folg ich Ihrer Einladung.

d. 31. Aug. 81.

G.


5/1305.


An Charlotte von Stein

[September.]

Die Pfirschen sollen dich begrüsen, und ihr guter Geschmack dich erinnern daß ich dich liebe. Leb wohl meine beste. Und erhalte mir mein kostbaarstes.

G.[186]


5/1306.


An Charlotte von Stein

[1. September.]

Danck für alles gute und liebe. Hier Trauben und Pfirschen. Vielleicht komm ich in die Zeichenschule.

Adieu beste. Ich bin heut musikalisch und esse mit der Schrötern, bin und bleibe doch aber ganz dein.

G.


5/1307.


An Charlotte von Stein

Wie hat meine beste und liebste geschlafen? Gar zu gerne hätt ich dir etwas geschickt. O warum wohn ich in keinem Weinberge. Hier sind indess einige Zeichnungen aufzuheben.

d. 10. Sept. 81.

G.


5/1308.


An Philipp Christoph Kayser

Ich habe Ihnen mein lieber Kayser einen Vorschlag zu thun, über den ich eine baldige Entschließung und Antwort erwarte. Sie erinnern sich, daß ich lange gewünscht hatte, Sie Gluken näher zu bringen, auch hatte ich schon bald nach Ihrer Abreise einen Brief geschrieben, der eben an ihn abgehen sollte, als[187] ich die Nachricht von dem Schlag erfuhr, der ihn gerührt hat. Durchl. der Herzog schrieben darauf selbst an ihn und erhielten beiliegende Antwort. Es kommt nun drauf an ob Sie Sich zu diesem wakern Schritte entschließen wollen. Bey Gelegenheit der Feyerlichkeiten in Wien zu seyn ist kein geringer Reiz für einen ieden, und doppelt für Sie. Es werden einige Opern von Gluk deutsch aufgeführet werden, der Alte kann Ihnen noch seinen ganzen musikalischen Segen hinterlaßen, wer weiß, wie lang er noch lebt. Freylich wünscht' ich, daß Sie gleich aufbrächen um noch bey allen Proben und Anstalten zu seyn und das Innerste kennen zu lernen. Haben Sie das Alles gesehen und gehört, haben Sie den Wiener Geschmak, Sänger und Sängerinnen kennen gelernt, so ist es alsdenn wohl Zeit, daß wir auch was versuchen. Einige Monate in Wien können Sie iezo weiter rüken als zehn Jahre einsames Studium. So bald Sie mir Ihren Entschluß melden, sollen Sie Empfehlungsschreiben an Gluk, und an den hiesigen Residenten bekommen, auch Geld, so viel Sie zur Reise nöthig haben und dort soll es Ihnen an nichts fehlen und Sie sollen zu weiter nichts verbunden sein, als alles aus Sich zu machen weßen Sie fähig sind. Antworten Sie mir aufs baldigste und wenn Sie Lust dazu haben so machen Sie Sich gleich reisefertig, mit der umlaufenden Post sollen die Briefe und das Geld folgen. Erkundigen Sie Sich nach der Route und nach allem.

[188] Vergessen Sie nicht Sich einen warmen Mantel mitzunehmen. Ich glaube Sie gehn am besten auf Constans und fahren über den See nach Mörsburg, von da geht ein Postwagen über Memmingen, iedoch wie ich glaube nicht gerad auf München er wird einen Umweg auf Augspurg nehmen und dann müßen Sie auf München Linz und dann Wien. Doch das ist das geringste, Sie wißen ia wohl, wie man durch die Welt kommt. Lavater giebt Ihnen wohl einen Brief an den Grafen Thun mit, sagen Sie indeßen niemand weiter von der Sache. Schreiben Sie mir ia bald, ich glaube nicht daß etwas vortheilhafteres für Sie gefunden werden könnte.

Weimar den 10ten Sept. 1781.

G.


Wie dieser Brief schon geschlossen war, erhielt ich den Ihrigen über Rousseaus Lieder. Ich kann mir vorstellen daß sie Ihnen große Freude gemacht haben. Ich habe die Stimmen ausschreiben lassen und so habe ich sie meistens schon etlichemal gehört. Man wird sie nicht satt und ich bewundere bei der Einfalt die große Mannigfaltigkeit und das reine Gefühl wo alles an seinem Platz ist. Wie sehr verlangt mich einen Brief von Ihnen zu erhalten, wenn Sie so viel mehr gehört und gesehen haben. Und da ich eben bedenke, daß acht Tage auf oder ab, diesmal gar viel thun, sowohl wegen der Umstände als der Jahrszeit so schreibe ich mit der heutigen Post an meinen Banquier[189] nach Eisenach, daß er Ihnen 200 rh. hiesigen Geldes in Zürich, wenn Sie es verlangen, soll auszahlen lassen. Entschließen Sie Sich also kurz und gut, nehmen Sie das Geld, setzen Sie Sich auf und fahren nach Wien. Die Empfehlungsbriefe sollen sogleich, wenn Sie mir ein Wort melden, von hier abgehen, daß Sie solche bey Gluck, der ohnedies schon von Ihnen weiß vorfinden. Denn bis Ihr Entschluß hierherkäme und die Briefe wieder zu Ihnen, ginge viel Zeit verlohren. Versäumen Sie nicht in München die trefflichen Meister, die der Churfürst von Bayern bey seiner Capelle hat kennen zu lernen. Erkundigen Sie Sich auch, was Sie auf der Route für Geldsorten nöthig haben. Ich glaube Ducaten werden das Beste seyn.


5/1309.


An Charlotte von Stein

Ich schicke Biörnstähl und die Scheere. Robertsonen hab ich im Closter liegen lassen. Und der Mensch der durch dich heil und gut und ganz wird ist auch ganz dein. d. 13. Sept. 81.

G.


5/1310.


An Charlotte von Stein

[Erfurt, 15. September.]

Eine Schachtel mit Früchten die hoff ich gut sind bringt dir die Botenfrau, durch die ich ein Wort von[190] deiner Liebe erbitte. Die schöne Gräfinn ist heute früh weg. sie sieht aus und ist wie eine schöne Seele, die aus den letzten Flammenspitzen eines nicht verdienten Fegfeuers scheidet und sich nach dem Himmel sehnend erhebt.

Sag mir daß du wohl bist. Der Stadthalter hat schon wieder mit mir ein unendliches Gespräch angefangen. Das eigne Wesen eines Menschen das ganz fremde Würckungen aus sich hervorbringt ist mir sehr merckwürdig. Adieu. Ich bleibe in deiner Liebe. Sonnabend Mittags.

G.

Grüse die Herzoginn von mir.


5/1311.


An Charlotte von Stein

Zum guten Morgen freundliche Früchte. Und bitte um meine Schweitzerreise, dem Prinz August zu schicken. Ich liebe Belwedere wo ich dich heute sehn werde.

d. 17. Sept. 81.

G.


5/1312.


An den Prinzen August von Sachsen-Gotha

Durchlauchtigster Fürst

gnädigster Herr,

Ew. Durchl. nochmals meine Freude über die glückliche Begegnung in Erfurt zu versichern, und[191] mein Wort zu halten ergreif ich am frühen Morgen die Feder. Hier sind die beyden versprochnen Kleinigkeiten. Die Reise hat besonders von mehr als einer Seite die Augen eines freundschafftlichen Beschauers nötig, vielleicht mündlich darüber ein mehreres. Die Schuwalovische Carawane hat sich gestern von Erfurt auf Weimar bewegt, wo ich ihr zum Geleitsmanne gedient habe. Heut Abend gehn sie weiters. Durchl. dem Herzog und Herzoginn bitte mich zu Füsen zu legen, und selbst von meinen unveränderlich anhänglichen Gesinnungen überzeugt zu seyn.

Ew. Durchlaucht

Weimar d. 17. Sept.

unterthänigster

1781.

Goethe.


Die Reise war nicht in meinen Händen, der Bediente bleibt aus, und ich muss das Packet zumachen. Sie soll den nächsten Posttag folgen.


5/1313.


An Charlotte von Stein

Mit dem Tableau de Paris schick ich gute Pfirschen. Gedencke mein. Heute wär ich sehr gerne zu Hause geblieben und hätte gearbeitet, nun muß ich noch einmal zu den Kindern dieser Welt.

d. 19. Sept. 81.

G.[192]


5/1314.


An Jakob Friedrich von Fritsch

In der Hoffnung Ew. Excell. bey Gelegenheit einer freudigen Nachricht schreiben zu können, hielt ich die ganze Zeit mit einem Briefe zurück. Nunmehr da unsre Hoffnungen in Trauer verwandelt sind, ist unsre Gemüthsverfassung freylich sehr geändert.

Diesen betrübten Vorfall nicht gegenwärtig erlebt zu haben, ist würcklich ein Glück, die ersten Augenblicke waren sehr hart, und die ersten Tage, die man sich voll Jubel dachte, recht bänglich.

Die Gesundheit Durchl. der Herzoginn ist allein aufrichtend bey diesen Umständen, und die Wünsche eilen schon wieder der Zukunft entgegen.

Mögen Ew. Excell. doch auch, befreyt von allen Übeln, und gestärckt, von Ihrer Cur zurückkehren, und mögen Sie mir alle die freundschafftlichen Gesinnungen in ganzem Maase erhalten zurückbringen, deren Versicherung mir bisher so viel Vergnügen verursacht hat.

Ich habe mir die Freyheit genommen mich in dem neuerbauten Stalle umzusehn, er wird sehr geräumig und schön und ist wohl nun bald zu Stande.

Übrigens ist bisher alles ruhig und in seinem Gleise gegangen, und ich komme sehr in Versuchung den Fürsten von Dessau auf den Geburtstag der Hoheit, welches der 28. dieses ist zu besuchen.

[193] In Erwartung Ew. Excell. bald wieder mündlich zu begrüsen, empfehle ich mich Ihnen und der Frau Gemahlinn auf das beste und unterzeichne mich mit aufrichtiger Verehrung

Ew. Exzell.

Weimar

gehorsamsten Diener

d. 20. Sept. 81.

Goethe.


5/1315.


An Charlotte von Stein

Sag mir wie du geschlafen hast. Ich komme gar nicht von dir weg. Von dem Kuchen gieb Fritzen ein Theil. Was beyliegt ist dein. Wenn du willst, so geb ich's in's Tiefurter Journal und sage es sey nach dem Griechischen. Adieu beste. was wäre Morgen und Abend mir ohne dich.

d. 20. S. 81.

G.


5/1316.


An Johann Gottfried und Caroline Herder

[21 September.]

Morgen in aller Frühe geh' ich nach Dessau und will der Hoheit zum Geburtstag aufwarten und eine alte Versäumniß einbringen.

Ich werde bald und um so lieber zurückkehren, da ich auch von Euch Eures freundlichen Empfanges versichert bin.

Herder hat von meinen Gedichten verlangt. Hier[194] ist alles, was ich einmal zusammengeschrieben; es fehlen einige, die folgen sollen. Laßt sie niemand sehen.

Goethe.


5/1317.


An Carl Ludwig von Knebel

Den 21. September 1781.

Ich habe den schnellen Entschluß gefaßt morgen auf Dessau zu gehen und mein langes Aussenbleiben dadurch wieder gut zu machen, daß ich auf der Hoheit Geburtstag und zu den dabei angestellten Spielen und Festen komme.

Lebe indessen wohl. In acht Tagen bin ich wieder hier. Grüße Toblern. Mit Herdern bin ich in ein Verhältniß gerückt, das mir für die Zukunft alles Gute verspricht. Schone ihn! man schont sich selbst wenn man nicht streng und grausam in gewissen Lagen gegen Menschen ist, die uns oder den Unsrigen wieder näher werden können.

Leb recht wohl. Ich hoffe mir viel Gutes von dieser kleinen Ausflucht.

G.


5/1318.


An Charlotte von Stein

[21. September.]

Ich hatte groses Verlangen dir etwas zu schicken da kommen mir die Früchte die ich dir wiedme.

Zugleich meld ich dir daß ich mich verrechnet habe,[195] daß der Geburtstag der Hoheit d. 24ten ist und daß ich Sonnabends Nachmittag oder Sonntags ganz früh weg muß wenn ich zu diesem Feste kommen will. Richte Fritzens Bagage darnach ein. Nach Jena kommen wir also nicht. Adieu beste. Es übereilt mich schon von dir zu scheiden.

G.


5/1319.


An Charlotte von Stein

Es wird mir doch mitten in der Abreise Zerstreuung unheimlich von Ihnen zu gehn. Adieu beste. Sobald es möglich bin ich bey dir und nehme mit groser Freude dein liebes Unterpfand mit.

d. 22. Sept. 81.

G.


5/1320.


An Charlotte von Stein

Mit Fritzen an einem Tisch hab ich eine Cantzley aufgeschlagen, er ist recht gut lieb und rein. Cristus hat recht uns auf die Kinder zu weisen, von ihnen kan man leben lernen und seelig werden.

Ohne den mindsten Zufall hat unsre Tagreise sich geendet die ewigen Stoppeln machten Fritzen Langeweile, indessen ich an einigen Gedichten mich sinnend ergötzte, die ich in das Tiefurter Journal schicke von da aus sie erst meiner Besten die Cour machen sollen.

[196] Adieu. Ich bin noch nicht von dir weg und hoffe dieser Brief soll dich noch in Weimar treffen.

Empfiehl mich der Herzoginn, und bleibe um mich. Wie anders schreib ich dir iezt als sonsten.

Merseburg d. 22. Sept. 81.

G.


5/1321.


An Adam Friedrich Oeser

In der Zerstreuung, in die mich vielerley Geschäfte bey meiner Ankunft versezen, kann ich nur mein bester Herr Profeßor Ihnen für die viele Liebe und Freundschaft danken die Sie mir bey meinem Aufenthalt in Leipzig bezeiget. Da mir meine Stunden so knapp zugemeßen waren, wie viel bin ich Ihnen nicht schuldig daß Sie mir den größten Theil davon so angenehm und nüzlich haben verbringen machen.

Da ich übermorgen als den 3tten schon wieder von hier abreißen muß, so bitte ich Sie wegen der abzuschikenden Statue mit dem Herrn Rath Bertuch zu korrespondiren, dem ich den umständlichen Auftrag gegeben habe. Er wird wohl auf Ihre Nachricht den Fuhrmann zur rechten Zeit nach Leipzig schiken und das nöthige besorgen.

Ich empfehle mich Ihnen und den Ihrigen aufs beste, wobey sich mein kleiner Reisegefährdte mit anschließt. Verzeihen Sie alle Beschweerden die ich Ihnen[197] mache, und bleiben Sie meiner vollkommensten Ergebenheit versichert. Weimar d. 1. Okt. 1781.

Das bewußte Basrelief wird nächstens anlangen.

Goethe.


5/1322.


An Charlotte von Stein

d. 1. Oktbr. 81. Weimar.

Heute Nacht gegen zwölfe sind wir wieder angekommen. Fritz ist gar brav, es ist davon viel zu erzählen. Jetzt bin ich so zerstreut daß ich nichts ordentliches werde vorbringen können.

Steinen hab ich in Leipzig gesehen, er war vergnügt uns zu treffen.

Alles ist nach Wunsch gegangen. Ich komme beladen wieder zurück. Ein halbes Jahr in der Welt würde mich sehr weit führen. Ein Brief vom Herzog von Gotha lädt mich aufs verbindlichste ein, Grimm ist drüben und ich werde wohl übermorgen hingehn. Die Bekanntschafft mit diesem ami des philosophes et des grands macht gewiss Epoche bey mir, wie ich gestellt bin. Durch seine Augen wie ein schwedenborgischer Geist will ich ein gros Stück Land sehn. Einige sehr schöne Bekanndtschafften hab ich gemacht.

Fritzens Urtheil über die Menschen ist unglaublich richtig. Nur müssen wir suchen zu hindern daß ihn das Glück nicht übermüthig mache. Ich hab ihm[198] einige ruhige, sehr wahre Lecktionen gegeben, und er ist sehr geschmeidig.

Du hattest mir verboten dir nichts mitzubringen, schon ging ich betrübt unter manchen schönen Sachen, als mir das Glück einen geschnittnen Stein zuführte, davon ein Abdruck beyliegt, selten findet man unter Juwelier Waare ein so artig Steingen. Es stellt Psyche vor mit dem Schmetterling auf der Brust in gelbem Achat. Es ist als wenn ich dich immer meine Liebe Seele nennte. Auch hab ich dir ein Gedicht gemacht das du durch den Weeg des Tiefurter Journals sollst zu sehen kriegen.

In Leipzig hab ich das Offenbaare Geheimniss gesehen und mein Gewissen hat mich gewarnt.

Meine Liebste ich habe mich immer mit dir unterhalten und dir in deinem Knaben gutes und liebes erzeigt. Ich hab ihn gewärmt und weich gelegt, mich an ihm ergötzt und seiner Bildung nachgedacht.

Knebel hat mir eine Stunde verplaudert die dir gewiedmet war. Ich habe ihm die Quintessenz meiner Reise erzählt warum kan ich es nicht dir diesen Mittag.

Den Boten will ich erst morgen fortschicken, denn ich kan doch von dir keine Antwort haben eh ich nach Gotha gehe.

d. 2. Oktbr.

Schon heute Abend will ich fort auf Gotha und habe noch viel zu schaffen und zu kramen.

[199] Adieu Liebste. Hierbey kommt verschiednes von Fritzen. Grüse die Kleine und Carolingen. Jene soll haben was sie von mir in einem Billet verlangt. Dancke deinem Bruder für die Marmor. Tausendmal Adieu. Schreibe mir man schickt mir's nach. O. wie mögt ich zu dir.

G.


5/1323.


An Charlotte von Stein

Ich bitte dich meine Geliebte die Ringmaase zu probiren und an den der dir gerecht ist ein Fädgen oder Bändgen zu knüpfen damit ich den Stein darnach kan fassen lassen schicke mir es balde wieder.

Adieu. In Eile. d. 2. Oktbr. 81.

G.


5/1324.


An Carl Ludwig von Knebel

[2. October.]

Ich gehe heut Abend auf Gotha hier ist Gablidon. lies ihn und zeige dies Wunder wem du denckst. Hier ein Brief an Tobler. Wahrscheinlich bin ich wieder hier ehe acht Tage vergehn. Adieu.[200]


5/1325.


An Charlotte von Stein

Den einzigen Lotte welchen du lieben kanst

Foderst du ganz für dich und mit Recht.

Auch ist er einzig dein. Denn seit ich von dir binn

Scheint mir des schnellsten Lebens lärmende Bewegung

Nur ein leichter Flor durch den ich deine Gestalt

Immerfort wie in Wolcken erblicke,

Sie leuchtet mir freundlich und treu

Wie durch des Nordlichts bewegliche Strahlen

Ewige Sterne Schimmern.


[Gotha] d. 9. Oktbr. 81.

Grimm ist heute Nacht fort und ich bleibe aus vielen Ursachen hier.

Es geht mir wohl, und ich lerne endlich der Welt gebrauchen. Die Bekanntschafft mit dem Freunde hat mir die Vortheile gebracht die ich voraussah, es ist keiner ausgeblieben, und es ist mir viel werth auch ihn zu kennen und ihn richtig und billig zu beurtheilen.

Meine ehmalige Geschichten hier sind mir so lebhafft mit ihren Effeckten denn es sind dieselben Men schen derselbe Ort und die gleichen Verhältnisse. O Lotte was für Häute muß man abstreifen, wie wohl ist mirs daß sie nach und nach weiter werden, doch fühl ich daß ich noch in manchen stecke.

[201] Die Zeichnung des Herzogs machen mich glücklich, ich werde dir viel davon erzählen. Nach seinem Raphael hab ich gezeichnet und bring es mit, solch ein Blätgen zu besitzen wäre ein groser Wunsch. Nun versteh ich erst was nach ihm gestochen ist, nur der immediate Geist kan mich aufwecken. Zwischen allem durch denck ich an dich und an die Freude dich wiederzusehen. Manchmal wenn ich Abends die einsamen Treppen heraufgehe denck ich dich lebhafft als ob du mir entgegen kämst. Ich bin ganz dein und habe ein neu Leben und ein neu betragen gegen die Menschen seit ich weis daß du davon überzeugt bist. Adieu beste liebste. Grüse die deinigen.

G.


5/1326.


An den Herzog Carl August

Um meinen hiesigen Aufenthalt mit einem Abenteuer zu endigen, will ich Morgen früh sechse in forma hier abfahren, in Siebeleben aussteigen, über die Gleichen, Ichtershaufen, Dinstädt nach Kochberg zu Fuse gehn, und auf der einsamen Wandrung meine Lecktion rekapituliren.

Vom hohen Friedenstein durch das flache Land, aus dem zusammengefassten Leben der obern Menschen, zum einzelnen und einfacheren der niederen Landsbewohner.

Es ist mir recht wohl gegangen, ich habe viel gezeichnet.[202] Das lebhaffte Intresse des Cirkels in dem ich hier bin, am Augenblicklichen macht auch im Augenblick lebhafft, und durch Kleinigkeiten zum Allgemeinen Scherze thätig.

Mein Christoph der diesen Brief überbringt, soll Sonnabends Abends in Kochberg seyn, er wird mein Pferd hinreiten. Geben Sie ihm etwas an mich mit, und sagen mir wie es steht und ob ich kommen soll. Doch mögt ich nicht daß man wüsste wo ich bin, ich habs ihm verboten gegen jemanden etwas zu erwähnen.

Der Inselsberg ist sehr klar, ich hoffe einen schönen Tag auf morgen.

Leben Sie wohl und behalten mich lieb. Die Welt ist weit, und eines jeden zu Hause ist klein. Wohl dem der sich leidlich bettet.

Gotha, Donnerstag d. 11. Oktbr. 81.

G.


Erfurt d. 12ten früh 10 Uhr.

Das sehr trübe Wetter heute früh hat meiner Wandrung eine prosaischere Wendung gegeben, ich bin so hierher gefahren und will Miethpferde nehmen um über Tonndorf und Tannrode zu reiten.

Der Herzog fürchtet sich vor der Marckgräfinn und wird nicht eher kommen als bis sie weg ist; wer doch einmal einen guten Credit hat, kan sicher seyn daß er sich ausbreitet.

Ich bin sehr zufrieden von meinem Aufenthalt und wie es scheint sind es die Leute auch mit mir.[203] Da ich ein wenig mehr als sonst mit denen Effeckten bekannt bin die meine Existenz machen muß, und ich nach und nach lerne, offen zu seyn und mich bis auf gewisse Punckte gehen zu lassen, ohne die hergebrachten, und natürlichen Schicklichkeiten zu beleidigen, so werd ich für andre, und mir selbst wohlthätiger. Wenn ich noch einen Schluck aus dem Becher weiblicher Freundschafft gethan habe, kehr ich vergnügt in mein Thal zurück. Diese drey Wochen waren eben hinreichend die Summe des vergangnen Jahrs zu ziehen, und noch auf den Winter etwas eizutragen. Leben Sie recht wohl. Sagen mir wie es geht, und ob Sie mich noch einige Tage in der Welt wollen herumstreifen lassen.

Wenn man nach mir fragen sollte, so bin ich auf mineralogischen Weegen. Addio.


Um 12 Uhr.

Ich bin bey dem Stadthalter gewesen, und habe ihm gerathen den Herzog von Gotha nicht dringend auf den Montag einzuladen. Er glaubt nicht anders als ich ginge nach Weimar, wenn also die Rede von mir kommt so lassen Sie es fallen ob ich da bin oder nicht.


5/1327.


An Charlotte von Stein

Wie freundlich mich Thal und Garten empfangen hat, kan ich mit Worten nicht ausdrücken. Der Gedancke[204] an deine Liebe zu diesem Sonnenschein machte mich ganz glücklich, und zeigte mir die besten Hoffnungen.

Wenn ich die ersten Wellen ausgehalten habe die nach dieser Abwesenheit auf mich zuströmen schreib ich dir mehr.

Leb tausendmal wohl.

Grüse Lingen und die Schleusingen.

Adieu Beste. d. 15. Oktr. 81.

G.


5/1328.


An Charlotte von Stein

Eben erhalt ich durch den Hofmechanikus dein liebstes Briefgen, als ich im Begriff bin dir zu schreiben und dir ein halb Schock Lerchen zu schicken. Verzehre sie mit deinen Gästen vergnügt, und grüse den Herzog. Ich sehe mit Sehnsucht das Zeichen über dem Camin an, und hoffe dich bald wieder dabey zu sehn.

Heute Abend habe ich Anatomie gezeichnet und bin fleisig in Ermanglung etwas bessern.

Adieu! meine Liebe ist und bleibt dir bewahrt. Ich bin gar nichts ohne dich. Adieu. Grüse Lingen. Der Schleusingen dancke für die Vögel.

Den 19. Oktbr. 81.

Abends.

G.[205]


5/1329.


An Charlotte von Stein

Dein Quartier ist fertig und ich erwarte nun von ieder Stunde daß sie mir dich wiederschencken soll. Ich bin diese Tage her meist allein gewesen und habe mich viel beschäfftigt, mein Haus wird mir aufs neue lieb und werth, wenn ich auch eine Wohnung in der Stadt hätte ich zöge nicht hinein.

Der Augenblick dich wiederzusehn wird auch kommen, ich stehe viel gegen das Fenster wo ich mir dich hinter den Bergen dencke, meine Liebste! mein Glück! Es wird ein wohlthätigerer November seyn als der vorige.

Nun scheint mir alles fröhlich und gut wenn du mir gesund bleibst! komme bald! Bis dahin freu ich mich deiner Zeichen die ich hie und da antreffe. O du Gute. Halte mich nur an daß ich fleisig bin. Adieu ich kan nicht von dir kommen.

d. 23. O. 81.

G.

Grüse deine Krancken.


Wenck will erst morgen mit einräumen fertig werden. Also wirst du eben recht kommen. Du brauchst doch einen Tag um von Kochberg loszuwerden. Adieu ich hoffe und harre auf dich.[206]


5/1330.


An Charlotte von Stein

Sonnab. d. 27. Oktbr. 81.

Sehr unerwartet und unangenehm meine beste war mir die Nachricht daß du ausbleibst. Denn ich kan und darf nicht ohne dich leben. Schon hatte ich mir eine Menge Beschäfftigungen ausgesonnen, was ich in die nächste Woche legen wollte und nun schickt mir der Himmel eine neue Prüfung der Geduld in einem sehr beschweerlichen Auftrag davon du die Geschichte mündlich erfahren sollst.


Sonntag früh.

Ich gehe nach Jena in einer sonderbaaren Gesellschafft. Lebe wohl. Liebe mich ich hoffe auf Ruhe und Belohnung von allen Mühseeligkeiten bald wieder an deiner Seite.

G.[207]


5/1330a.


An Jakob Friedrich von Fritsch

Eine wunderbaare Angelegenheit, wovon ich Ew. Exzell. bey meiner Zurückkunft Nachricht geben werde, nötigt mich heute nach Jena zu gehen ohne daß ich voraus sagen kan, wie bald ich wieder kommen werde.

Behalten mich Ew. Exzell. in gnädigem Andencken. Ich bedaure daß mir die Umstände nicht erlauben noch persönlich aufzuwarten. v. H. d. 28. Oktbr. 81.

Goethe.[366]


5/1331.


An Charlotte von Stein

[Jena, 29. October.]

Von Jena wo ich seit gestern bin schick ich dir eine Schachtel mit Trauben möge sie gut bey dir ankommen.

Ein beschweerlicher Liebesdienst den ich übernommen habe, führt mich meiner Liebhaberey näher. Loder erklärt mir alle Beine und Musklen und ich werde in wenig Tagen vieles fassen.

[207] Meine Seele ist an dich fest gebunden, deine Liebe ist das schöne Licht aller meiner Tage, dein Beyfall ist mein bester Ruhm, und wenn ich einen guten Nahmen von aussen recht schäze, so ists um deintwillen daß ich dir keine Schande mache. Leb wohl meine liebste. Laß mich einen Brief von dir in Weimar finden.

Jetzt ist mir lieb daß du noch nicht da bist, daß deine Abwesenheit mir durch ein verwickelt Abenteur kürzer wird. Ich habe diese zwey Tage Gelegenheit gehabt alles was von Klugheit und Resolution in mir ist zu brauchen. Wenns vorbey ist und wohlgeendigt; so ists nicht viel und doch waren viele Menschen in Verlegenheit. Adieu Beste. Grüse Lingen.

Montags.

G.


5/1332.


An Charlotte von Stein

[3. November.]

Heute bin ich von Jena zurückgekommen, wo ich die ganze Woche in Geschäfften als moralischer Leibartzt zugebracht habe.

Ich höre du kommst erst Montags, ich erwartete dich morgen. Länger dürft es nicht dauren, mein Verlangen dich wieder zu sehen wird stärcker als daß ich Herr drüber werden könnte. Gar gerne wäre ich morgen zu dir geritten. Wie hoff ich dir meine Geschichten zu erzählen, und von deiner lieben Seele[208] verstanden zu werden. Adieu beste. Ich bleibe an dir! Wie sehn ich mich dir zu sagen daß ich ganz dein bin!

Sonnabend. Nachts.

G.


5/1333.


An den Herzog Carl August

Ihr Brief den ich erst gestern zu hause gefunden habe, war mir sehr erfreulich, ich sah daraus daß Sie Sich auf dem Gipfel menschlicher Dinge, von Liebe und Freundschafft begleitet, in Betrachtung des fürtrefflichen ergötzen.

Ich habe indess als moralischer Leibartzt einen verworrnen Handel zwar leider nicht ans Ende (denn wenig menschliche Dinge endigen sich, ausser durch den allgemein Schluss) doch biß zur Entwicklung führen helfen.

Eine alte Kranckheit zerrüttet die Einsiedlische Famielie, der Häusliche, politische, moralische Zustand hat auf den Vater so gewürckt, daß er nahe an der Tollheit, wahnsinnige, wenigstens schweer erklärliche Handlungen vorgenommen hat, endlich zu Hause durchgegangen ist und seinen Sohn hier aufgesucht hat. Ich habe mich, um kurz zu seyn, des Alten bemächtigt und ihn nach Jena in das Schloß gebracht, wo ich ihn unterhielt, biß seine Söhne ankamen, die indeß zu Hause mit Mutter und Onckle[209] negotiirt und die Sache auf einen Weg geleitet hatten. Die ganze Woche ist mir auf diese Besorgnisse aufgegangen, und ich wollte Ihnen nicht eher schreiben biß ich dem Ausgang näher wäre, worauf ich ieden Tag hoffte.

Lassen Sie Sich auf Ihrer Reise wohl seyn und kommen vergnügt zurück.

Daß der Gräfinn die Perserinnen wohl gefallen hör ich sehr gerne, auch ich habe eine grose Vorliebe zu diesem Stück, und ich musste Toblern gleichsam mit Gewalt zur Übersetzung bringen.

Knebel nahm in Jena von mir Abschied und ging von da auf Saalfeld. Wenn er den Üblen so gut abhelfen oder sie tragen könnte, als er sie sieht, so würde er bald unentbehrlich seyn. In seinem ietzigen Zustande würckt alles auf ihn ohne daß er widerstehn oder gegenwürcken mögte, er hat sich Begriffe vom Leben und vom Zustande gemacht die eines ehrlichen Mannes nicht unwerth sind, nur scheint mir besteht sein Haupt Unglück darinne, daß er theils einmal ganz allein handlen und sich selbst überlassen seyn will, und gleich drauf wieder eine Vormundschafftliche Sorge von andern fordert.

Loder ist das geschäfftigste und gefälligste Wesen von der Welt, er freut und bereitet sich auf den fürstlichen Cursum Philologikum. Ich habe mich, wie Sie leicht dencken können gehütet ihm über die Studia der Prinzen nähere Begriffe zu geben.

[210] Mir hat er in diesen 8 Tagen, die wir freylich so viel es meine Wächterschafft litte fast ganz dazu an wanden, Osteologie und Müologie durch demonstrirt. Zwey Unglückliche waren uns eben zum Glück gestorben die wir denn auch ziemlich abgeschält und ihnen von dem sündigen Fleische geholfen haben.

Ich schliese den Lynckerischen Brief bey. Die Sache wird also sehr kurz zu machen seyn wenn Sie dem Klienten eine Stelle bezahlen. Denn die Freystellen sind wie ich vermuthete auf weit hinaus besetzt.

Leben Sie wohl. Lieben Sie mich, und grüsen Ihre schöne Freundinn.

Auf den Mittwoch fang ich auf der Akademie Abends an das Skelet den iungen Leuten Abends zu erklären, und sie zur Kenntniß des menschlichen Körpers anzuführen. Ich thue es zugleich um meint- und ihrentwillen, die Methode die ich erwählt habe, wird sie diesen Winter über völlig mit den Grundsäulen des Körpers bekannt machen. Davon mündlich mehr.

Der neue Saal ergötzt einen ieden der hinein tritt und alle Schüler sind sehr vergnügt.

Der Prinz hat mir einen sehr guten und verständigen Brief von Florenz geschrieben. Es erfüllt sich doch was ich voraus sagte, daß diese Reise, und diese Art Reise, ihm von grosem Nutzen sein wird.

Leben Sie vielmals wohl.

d. 4. Nov. 81.

G.[211]


Ihre Frau Gemahlinn trägt mir auf Ihnen viel schönes und gutes zu sagen, Sie werden das Blancket wohl am besten selbst ausfüllen können.

G.

Grüsen Sie Wedeln vielmals.


5/1334.


An Charlotte von Stein

Sag mir meine Liebste wie du geschlafen hast und wie du lebst. Schicke mir den Rock und die Schlüssel. Zu Mittage ess ich mit dir damit meine durch Ackten eingeschnürte Seele sich wieder ausweite. Adieu meine Beste.

d. 6. Nov. 81.

G.


5/1335.


An Charlotte von Stein

Ich bitte dich meine beste um den Schädel. Grüse dich tausendmal zum guten Morgen. Die vielerley Papiere halten mich zu hause, und ich will auch zu hause essen.

Adieu. Nach Tische frag ich an wie du lebst und was heut Abend wird. Gehst du ins Conzert?

d. 7. Nov. 81.

G.[212]


5/1336.


An Charlotte von Stein

Wenn nur die Schmerzen weg sind die guten Kräffte werden bald wiederkommen. Schone dich nur heute um deint- und meintwillen, denn wie kan ich leben und am Leben mich freuen wenn du kranck bist. Um deinem Vorwurf zu entgehn als wenn man Jahrhunderte leben müsse, um in meinen Gärten des Schattens zu geniessen hab ich die Sache recht durchgedacht, und will dir einen Plan vorlegen den du gewiss billigen wirst. Der Herzog hat doch im Grunde eine enge Vorstellungs Art und was er kühnes unternimmt ist nur im Taumel, einen langen Plan durchzusetzen der in seiner Länge und Breite verwegen wäre, fehlt es ihm an Folge der Ideen und an wahrer Standhafftigkeit. d. 12ten Nov. 81


G.


5/1337.


An Charlotte von Stein

Da ich mich entschliese zu Hause zu bleiben, eilt zuförderst mein Geist mit einem Morgengruse zu dir. Schicke mir meine Liebste, den Schädel, die Zeichnung davon, das Lateinische Büchel in Oktav, und eine Versicherung deiner Liebe.

d. 14. Nov. 81.

G.[213]


5/1338.


An Johann Kaspar Lavater

Arbeiten und Zerstreuungen haben mich abgehalten dir für den überschikten Gablidon zu danken, welcher mir eine wunderbare Erscheinung gewesen ist. Daß ich die Sache um ein gut Theil roher nehme als du sie nehmen magst begreifst du wohl. Ich laße sie wie billig auf sich beruhen, und wenn ich ia etwas drüber denken oder sagen soll, so muß ich Thunen für einen betrogenen Laffen und die beiden andern für ein paar Schelmen halten. Dieses ist nun freilich keine zierliche und befriedigende Auflösung des Problems, doch zerfallen alle Taschenspielerstreiche in diese grobe Bestandtheile, sobald man an der einen Seite die überraschte Unbesonnenheit und an der andern die vorbereitete gewanndte List hinwegnimmt.

Ich bin geneigter als iemand noch eine Welt außer der Sichtbaren zu glauben und ich habe Dichtungs- und Lebenskraft genug, sogar mein eigenes beschränktes Selbst zu einem Schwedenborgischen Geisteruniversum erweitert zu fühlen. Alsdenn mag ich aber gern, daß das alberne und ekelhafte menschlicher Exkremente durch eine feine Gährung abgesondert und der reinlichste Zustand in den wir versezt werden können, empfunden werde. Was soll ich aber zu Geistern sagen die solchen Menschen gehorchen, solches Zeug vorbringen und solche Handlungen begehen. Ich weiß[214] wohl wie du solche Dinge zusammenhänst und will dich weder widerlegen noch bekehren, mir aber wenden sich die Eingeweide bei dergleichen Thorheiten um, besonders da mir das Schädliche davon so oft sichtbar geworden ist. Zugleich mußt du mir erlauben, daß ich über das Costume, worinnen der Geist sich gemahlt, eine Chicann mache. Es ist dies die gewöhnliche Kleidung in welcher unsere Juden am Schabbeß zu gehen pflegen und ich zweifle sehr, daß die Seher iener Zeiten, woher sich Gablidone schreiben will, in einem solchen Puze aufgetreten seien. Daß die Stükgen vom wahren Kreuze mir nun noch völlig den ganzen Handel verdächtig machen, kannst du dir leicht einbilden. Genug ich kehre von dieser überirrdischen Bekanndtschaft um nichts klüger und um nichts beßer zurük, welches die eizige Bedingung wäre, unter welcher ich einige Ehrfurcht für iene unbekanndte Freunde haben könnte. Außerdem sie mir nach meiner Gedenkungsart äußerst gleichgültig bleiben müßen.

Das mir überschikte Portrait gefällt mir auserordentlich wohl und zeigt von einem männlichen Mahler. Es ist wohl gesehen und wohlangelegt, Schade daß er nicht, Zeit gehabt hat es weiter auszuführen. Der Charakter scheint mir sprechen und die Stellung gut gewählt zu seyn. Nur hat es mich wundern müßen daß einige unbefangene Personen und besonders ein sehr wohl organisirtes, und in allen seinen Urtheilen übersinnliche Dinge höchst zuverläßiges[215] Kind, es nicht erkannt haben. Ich machte dadrüber meine Betrachtungen, besonders da der Knabe auf einige verwandte Gesichter rieth und ich glaube es liegt vorzüglich in der Farbe und in der mehreren Männlichkeit und Stärke der Züge die das Original freilich nicht hat. Genug es gefällt mir so wohl, daß ich es für mich behalten werde und danke dir also auf das beste dafür.

Knebel ist hier weg und wird sich diesen Winter bey den Seinigen aufhalten. Er ist die Ursache daß Tobler so lange gezögert hat. Dieser wird nun bey dir angelangt seyn und dir mehr von uns erzählen können und mögen als ich in vielen Briefen nicht thun dürfte. Ich wünsche daß es ihm bey euch wohl gehen möge, welches, da er, durch den Genuß der weitern Welt ziemlich verwöhnt seyn mag, vielleicht im Anfange schweerer halten wird.

Mit dem nächsten Postwagen geht an Bäben der vollendete zweite Akt meines Taßo ab. Ich wünsche daß er auch für dich geschrieben sein möge.

Die Unruhe in der ich lebe läßt mich nicht über dergleichen vergnüglichen Arbeiten bleiben, und so sehe ich auch noch nicht den Raum vor mir die übrigen Akte zu enden. Es geht mir übrigens, wie du wohl weißt, daß es den Verschwendern geht, die in dem Augenblicke, wenn über Mangel an Einnahme, überspannte Ausgaben und Schulden geklagt wird gleichsam von einem Geiste des Widerspruches außer[216] sich gesezt, sich in neue Verbindungen von Unkosten zu stürzen pflegen.

Auf deinen Pontius Pilatus bin ich sehr begierig schike wenn du kannst und willst ein Stük davon.

Die Frau von der Lühe habe ich in Gotha gesehen. Sie findet sich nach ihrer Art daselbst ganz wohl. Er ist eine sehr gute Art Menschen, verständig und gewißenhaft. Man legt ihm keine Hinderniße bey seiner Erziehung in den Weeg und der Herzog beträgt sich auf das beste gegen ihn.

Auf unserer Zeichenakademie habe ich mir diesen Winter vorgenommen mit den Lehrern und Schülern den Knochenbau des menschlichen Körpers durchzugehen, sowohl um ihnen als mir zu nuzen, sie auf das merkwürdige dieser einzigen Gestalt zu führen und sie dadurch auf die erste Stufe zu stellen, das bedeutende in der Nachahmung sichtlicher Dinge zu erkennen und zu suchen. Zugleich behandle ich die Knochen als einen Text, woran sich alles Leben und alles menschliche anhängen läßt, habe dabey den Vortheil zweimal die Woche öffentlich zu reden und mich über Dinge die mir werth sind mit aufmerksamen Menschen zu unterhalten. Ein Vergnügen welchem man in unserm gewöhnlichen Welt- Geschäffts- und Hofleben gänzlich entsagen muß. Dieienigen Theile die abgehandelt werden zeichnet alsdenn ein ieder und macht sie sich zu eigen. Dabey habe ich mir vorgenommen, das Wort Phisiognomik und Phisiognomie[217] gar nicht zu brauchen, vielmehr die Überzeugung davon durch die ganze Reihe des Vortrages einem ieden einleuchten zu lassen. Vielleicht kann dir etwas von dem was ich bey näherer Betrachtung der thierischen Ökonomie bemerke zu deinen Arbeiten in der Folge einen nüzlichen Beytrag geben.

Weimar den 14. Nov. 1781.

G.


5/1339.


An Charlotte von Stein

Zuförderst also mein lieber Schutzgeist dir die Nachricht daß ich mit Helmershausen richtig gemacht habe. Auf Ostern zieht Hendrich aus und ich trete in seine Miethe habe den ganzen Sommer Zeit mich einzurichten, und künftigen Winter sehn wir unsern Planen entgegen. Adieu, beste du siehst das Glück sorgt für uns. Der Ausgang durch den Garten ist nicht das geringste von den Annehmlichkeiten dieser Wohnung.

d. 14. Nov. 81.

G.


5/1340.


An Johann Heinrich Merck

Deinen Brief, den ich heute erhalten, erwiedere ich sogleich mit vielem Dank. Schon seit langer Zeit steht einer an dich auf dem Stapel und es brauchte nur diese Erinnerung, um ihn abzulassen.

[218] Das beigelegte Buch wird dir zeigen, daß wir in mineralogischen Dingen nicht faul gewesen sind, sondern unser Stückchen Land bey allen Zipfeln gefasset haben.

Voigt durchreiset jetzo auf Verlangen des Fürstbischofes das ganze Fuldische und hat noch nichts als vulkanische Produkte angetroffen. Ich will nachher davor sorgen, daß das übrige Stück von Thüringen und vielleicht der Harz nach gleichen Grundsäzen und mit eben der Terminologie beschrieben wird, welches, wenn der Verfaßer sich auch hier und da irrte, für das Publikum doch ein großer Vortheil ist, weil man bey eigenem Nachdenken und Nachsuchen auf der Stelle immer geschwinder sieht, wo es in ähnlichen Fällen hinaus will. Wenn du es verlangst, so schicke ich dir die Sammlung Steine, die dazu gehören, alle mit den Buchstaben bezeichnet, wie sie auf den Tafeln vorkommen, welches freylich höchst interessant ist, weil man alsdann die Terminologie des Autors mit seiner eigenen leicht vergleichen kann. Dagegen mußt du uns aber auch von euren Sachen schicken, besonders bin ich sehr neugierig auf die grüne glasige Lava von Butschbach.

Ich befinde mich zu Eintritt des Winters recht wohl, und kann dir mit Vergnügen sagen, daß diejenigen geist- und leibliche Beschwerden, die mich vorigen Sommer mogten angefallen haben, so gut als gänzlich vorbeygezogen sind.

[219] Mein Wesen treibe ich, wie du dir es allenfalls denken kannst, und schicke mich nach und nach immer beßer in das beschwerliche meiner Ämter, schnalle mir die Rüstung nach dem Leibe zurecht, und schleife die Waffen auf meine eigene Weise. Meine übrigen Liebhabereyen gehen nebenher und ich erhalte sie immer durch ein oder die andere Zubuse, wie man gangbare Gruben nicht gerne aufläßig werden läßet, so lange als noch einige Hoffnung von künftigen Vortheilen scheinen will. Diesen Winter habe ich mir vorgenommen mit den Lehrern und Schülern unserer Zeichenakademie den Knochenbau des menschlichen Körpers durchzugehen, sowohl, um ihnen als mir zu nutzen, sie auf das Merkwürdige dieser einzigen Gestalt zu führen und sie dadurch auf die erste Stufe zu stellen, das Bedeutende in der Nachahmung sinnlicher Dinge zu erkennen und zu suchen. Zugleich behandle ich die Knochen als einen Text, woran sich altes Leben und alles Menschliche anhängen läßt, habe dabey den Vortheil, zweimal die Woche öffentlich zu reden, und mich über Dinge, die mir werth sind, mit aufmerksamen Menschen zu unterhalten, ein Vergnügen, welchem man in unserm gewöhnlichen Welt- Geschäfts- und Hofleben gänzlich entsagen muß. Diejenigen Theile, die abgehandelt werden, zeichnet alsdann ein jeder und macht sie sich zu eigen. Durch diesen Weg denke ich selbst in der Zeichnung, Richtigkeit und Bedeutsamkeit der Formen zuzunehmen.

[220] Mein Gespräch über die deutsche Literatur will ich noch einmal durchgehen, wenn ich es von der Mutter zurückkriege. Ich hoffte dir, indem ich es schrieb, einiges Vergnügen zu machen. Mein Plan war, noch ein zweites Stück hinzuzufügen, denn die Materie ist ohne Gränzen. Nun ist aber die erste Lust vorbey und ich habe darüber nichts mehr zu sagen. Es hätte sich kein Mensch über die Schrift des alten Königes gewundert, wenn man ihn kenne, wie er ist. Wenn das Publikum von einem Helden höret, der große Thaten gethan hat, so mahlt es sich ihn gleich, nach der Bequemlichkeit einer allgemeinen Vorstellung, fein hoch und wohlgebildet; eben so pflegt man auch einem Menschen, der sonst viel gewürkt hat, die Reinheit, Klarheit und Richtigkeit des Verstandes zuzuschreiben. Man pflegt, sich ihn ohne Vorurtheile, unterrichtet und gerecht zu denken. Dies ist der Fall mit dem Könige; und wie er in seinem verschabten blauen Rock und mit seiner buklichten Gestalt große Thaten gethan hat, so hat er auch mit einer eigensinnigen, voreingenommenen, unrektificirlichen Vorstellungsart, die Welthändel nach seinem Sinne gezwungen.

Schließlich muß ich dir noch sagen, daß ich die zwey schönen Bücher besitze des Faujas de Saint Fond über die Vulkane und den Versuch über die Mineralogie der Pyrenäischen Gebürge, sie sind beide für das neuere mineralogische Studium unentbehrlich. Glück[221] zu, daß du mit Höpfnern auseinander bist. Grüse Frau und Kinder.

Denk an mich und laß manchmal von dir hören.

Diesen Winter bleib ich noch hier haussen in meinem Neste, künftig hab ich auch ein Quartier in der Stadt, das hübsch liegt und geräumig ist. Ich richte mich ein in dieser Welt, ohne ein Haar breit von dem Wesen nachzugeben was mich innerlich erhält und glücklich macht. Adieu.

Noch eins ich habe ein Portrait des Prinzen Constantin vom römischen Tischbein, flüchtig gemahlt erhalten, das ganz trefflich ist. Wo hält er sich jetzo auf?

d. 14. Nov. 1781.

G.


5/1341.


An Charlotte von Stein

Denen Sonnenstrahlen die deine Fenster bescheinen, sind meine Blicke mit eingemischt. Das abgefallne Laub gewährt mir nichts gutes, als daß ich deine Wohnung sehn kan. Sag mir ein Wort, daß du mich liebst, nach mir verlangst, laß mir die Hoffnung dich heute zu sehen, und so werde aus Morgen und Abend wieder ein glücklicher Tag.

d. 15. Nov. 81.

G.


5/1342.


An Charlotte von Stein

Nur in der Eile einen guten Morgen. Zum Mittag erscheint der Phasan und der Freund. Adieu.

d. 16. Nov. 81.

G.[222]


5/1343.


An Charlotte von Stein

Hier hast du den Brief von Lavater und einen vom Herzog v. Gotha mit einer Antwort an Bäbe Schulthes. Das Kästgen will ich mahlen.

Diesen Mittag bin ich zu Hause und will holen lassen. Adieu. Liebe mich mit deiner bleibenden Liebe, denn die ist doch der Sonnenschein bey dem mir ietzo alles gedeiht. Die Herzoginn Mutter hat mir gestern eine weitläufige Demonstration gehalten daß mich der Herzog müsse und wolle adlen lassen, ich habe sehr einfach meine Meynung gesagt. und einiges dabey nicht verhelt, was ich dir auch noch erzählen will. Adieu. d. 18. Nov. 81.

G.


5/1344.


An Charlotte von Stein

Wir haben meine Beste einerley Gedancken gehabt, diesen Morgen aus Huflands Küche uns versorgen zu lassen. Ich bleibe zu Hause und suche dich gegen Abend, denn ich bedarf deiner Liebe die du mir so schön gönnen willst.

d. 19. Nov. 81.

G.


5/1345.


An Charlotte von Stein

Hier schick ich Briefe die ich heute erhalte, damit du alles wissest was mit mir und um mich geschieht.

[223] Auch Schmerlen die wir diesen Abend zusammen essen wollen.

d. 19. Nov. 81.

G.


5/1346.


An Charlotte von Stein

Hebe mir meine Liebe einige Schmerlen auf, daß ich einige Bissen finde wenn ich aus dem Conseil komme, und würze mir sie mit bessrer Würze als die von der Insel Banda. Addio. d. 20. Nov. 81.

G.


5/1347.


An Charlotte von Stein

Sag mir liebe einzige wie du geschlafen hast? wie du dich befindest, ob du in dieser schönen Sonne auch freundlich zu mir herunter siehst. Ich war früh wach und meinen ersten und letzten Gedancken weist du. Die Schwüre des Barbiers gestern waren ernsthaffter als man dencken mochte, er durfte das anvertraute Geheimniss wohl verschwatzen denn sie waren nicht drauf gerichtet. Adieu beste sag mir ein Wort. Ich esse bey Hofe und bis dahin arbeit ich etwas für dich. d. 25. Nov. 81.

G.


5/1348.


An Charlotte von Stein

Dancke daß du mir auch dieses überlassen willst. Magst du heute Abend die Partie Whist zusammenbringen[224] so komm ich um fünfte. Wonicht so komm ich auch. Adieu L. L.

d. 26. Nov. 81.

G.


5/1349.


An Johann Kaspar Lavater

Du hattest lieber Bruder eine Abschrifft meiner Iphigenie für den General Koch verlangt, ich schlug es ab, weil ich sie noch einmal durchgehn wollte, dies ist, zwar leider nach meinen Umständen nur flüchtig, geschehen.

Gegen Weynachten kan eine Abschrifft fertig seyn. Willst du sie nun an den General schicken? oder soll ich es thun? Im lezten Fall, schreibe mir wo er sich aufhält, seinen Tittel, ob er die Exzellenz hat pp daß man mit einem solchen Fremden in Curialibus nicht anstose. Lebe wohl. Schreibe mir bald und liebe mich. Mit meinem Leben rückt es starck vor, und ich fange nun bald an zu begreifen warum mir, sobald wir uns hinieden einzurichten anfangen, wieder weiters müssen. Tausendmal Adieu.

d. 26. Nov. 81.

G.


5/1350.


An Charlotte von Stein

Von meiner Tageswandrung, und nachdem ich stille unter deinen Fenstern weggegangen, komm ich nach Hause, und auch das heist zu dir kommen. Ich finde dein liebes Briefgen, mit dem lang gehofften[225] Siegel gesiegelt. Es ist und wird gewiss recht schön und gut mit uns, denn alles geräth nach und nach. O wer doch öffters so verständig wäre sein Glück brauchen zu können, und so glücklich daß er seinen Verstand ganz anwenden könnte. Gott versteht mich und du auch. Gute Nacht beste. gieb beyliegendes der Kleinen.

d. 27. Nov. 81.

G.


5/1351.


An Charlotte von Stein

[Ende November.]

Wie hat meine liebe geschlafen? was macht das Kopfweh und wie siehts mit unsrer Morgenden Parthie? Ich muß Lodern einen Boten schicken.

G.


5/1352.


An Charlotte von Stein

Einen guten Morgen Liebste, und das Tiefurter Journal. Ich suche dich in der Zeichenstunde auf und freue mich deiner Liebe, und deiner stillen Geschäfftigkeit. Gerne blieb ich Morgen hier wenn ich es Lodern nicht so sicher versprochen hätte.

d. 1. Dez. 81.

G.


5/1353.


An Charlotte von Stein

Daß mein Geist dich nicht verlassen hat kannst du wohl dencken, ich habe die ganze Nacht von dir[226] geträumt. Unter andern hattest du mich an ein artiges Misel verheurathet und wolltest es sollte mir wohlgehn. Nachher war ich auf einmal ohne zu wissen wie, wieder von ihr geschieden. Wenn ich mich nicht schämte schickte ich die Pferde fort und schickte den Reitknecht absagen zu lassen. Adieu beste wenn ich nur noch diesen Abend Hoffnung hätte dich zu sehen es wird aber nicht werden. Wenn ich vor 10 Uhr komme seh ich nach deinen Lichtern. d. 2. Dez. 81.

G.


5/1354.


An Charlotte von Stein

Ich krame in meinen Papieren und Sachen, um mich auf die Reise vorzubereiten.

Diesen Abend seh ich dich. Krause isst zu Mittage mit mir.

Leb wohl mein süses Glück.

d. 3. Dez. 81.

G.


5/1355.


An Carl Ludwig von Knebel

Die Chronologen schike ich sogleich mit Dank wieder zurük. Ich kenne sie schon eine Weile, und habe manchmal gerne drinne gelesen. Was du mir vom Verfaßer sagst, macht mich aufmerksam auf ihn.

Es war mir bisher etwas in seinen Sachen, das mir anmaslich schien. Hier und da seyn sollender Wiz[227] und Geist, und ein Schnappen nach höherer Vorstellungsart als ihm von Natur gewährt seyn mögte; doch muß ich gestehen daß sich nach diesen beiden lezten Stüken und der Nachricht, daß er der Verfaßer des Milchtopfes sei, mein Urtheil anders wendet und sich berichtigt. Wenn das Bunte seiner Schrift und Schreibart nur ein wenig durch Geschmak mehr geläutert wäre, so könnte sie wirklich in ihrer Art vortreflich werden, denn er hat viele Manichfaltigkeit und Lebhaftigkeit und was zu allem diesem den hübschen Grund macht eine große natürliche Gutmüthigkeit. Schreibe mir mehr von ihm, und enthalte mir überhaupt nichts vor, was du merkwürdiges von Menschen und Sachen auf deiner Wanderung antriffst, damit ich in meiner Einsamkeit ergözzet werde.

Daß du über den neuen Beweiß meiner Unvermüd lichkeit lächeln würdest konnte ich mir wohl vorstellen, doch ist sie bey mir wenig Verdienst. Das Bedürfniß meiner Natur zwingt mich zu einer vermanichfaltigten Thätigkeit, und ich würde in dem geringsten Dorfe und auf einer wüsten Insel eben so betriebsam seyn müßen um nur zu leben. Sind denn auch Dinge die mir nicht anstehen, so komme ich darüber gar leichte weg, weil es ein Artikel meines Glaubens ist, daß wir durch Standhaftigkeit und Treue in dem gegenwärtigen Zustande, ganz allein der höheren Stufe eines folgenden werth und, sie zu betreten, fähig werden, es sey nun hier zeitlich oder dort ewig. Von[228] dem Kaiser denke ich auch wie du. Wenn ihm das Glük will und ihn sein Genius nicht verläßt, so ist er gemacht viel ohne Schwerdtstreich zu erobern.

Weimar d. 3. Dez. 1781.

G.


5/1356.


An Johann Kaspar Lavater

Deinen Brief erhalte ich so eben, und da ich daraus sehe, daß deine französische Phisiognomik bald fertig werden wird, bewegt mich dies, dir gleich wieder zu schreiben. Habe ia die Güte mir zwölf von den ersten Exemplaren zuschiken zu laßen, ich getraue mir diese, vielleicht auch noch mehrere abzusezen. Nur wünsche ich freylich sie gleich zu Anfang zu haben wenn das Buch herauskommt und Sensation macht.

Tobler wird dich näher zu uns bringen können, als viele Briefe nicht thun würden. Man ist niemals im Stande, dem Freunde das von sich zu schreiben, was ihm am intereßantesten wäre, weil man eigentlich selbst nicht weiß, was an einem intereßant ist.

Die Kapitels will ich wohl lesen, doch werde ich dir schweerlich was sagen können da du gewiß alles siehst was drinne ist und noch so viel hineinsiehst.

Grüße Bäben und Toblern und Pfenningern recht herzlich.

Den Taßo werdet ihr nun haben.

[229] Von Knebels Hegire hat wohl Tobler gesprochen.

Lebe wohl, schreibe und schike bald.

Weimar den 3. Dez. 1781.

G.

Von allem was die Geister würcken und nicht würcken, erbitt ich mir meinen Teil.


5/1357.


An Charlotte von Stein

[4. December.]

Die Antwort von der Waldner liegt hier bey. Wenn das Wetter wie ich hoffe sich aushellt; so kommen wir um sechs zusammen. Ich habe alles bestellt. Könntest du mir noch ein Tellergen gesalzen Fleisch und etwa Zwieback dazu geben, so wär es mir lieb. Soll ich die Seckendorf Gustgen und die beyden Abreisenden dazu laden? Es scheint mir artig zu seyn, und wir können sie doch nicht so allein empfangen. Carolingen wollen wir weglassen. Die andern sind in Tiefurt.

G.

Du weist doch wer mein Schäzzel ist, fangt sich ein alt Lied an.


5/1358.


An Charlotte von Stein

Meine Gäste kommen, ausser der Seckendorf die kranck ist, ich erwart euch gegen sechse. Der neue[230] Spieltisch ist bereit und Karten nebst allem nach Ernstens Vorschrifft.

Hier schick ich die verlangten Everdingens und an Olympien nebst meinem Brief an Knebeln, schick ihm beydes nebst den Chronologen zurück und schreib ihm dazu. Dencke manchmal dran daß wir ihm mittheilen was hier vorkommt, was im Sande aufgeht. Adieu liebste! Truncken und nüchtern bin ich dein und überlasse mich dir ganz. Ich bitte um ein wenig Essen.

d. 4. Dez. 81.

G.

Hab ich bey dir den Entwurf zum Ballet liegen lassen?


5/1359.


An Charlotte von Stein

Schick mir liebste meine Schlüssel die ich gestern habe liegen lassen. Aber die Schlüssel mit denen du mein ganzes Wesen zuschliesest daß nichts ausser dir Eingang findet bewahre wohl und für dich alleine. Adieu ich hoffe schon wieder auf dich. d. 6. Dez. 81.

G.


5/1360.


An Charlotte von Stein

Durch Arnolden der wieder zurückgeht, einen schönen guten Morgen! Es ist halb sechse und die Pferde werden bald da seyn, meine Gestalt geht vorwärts[231] und mein Geist zurück. Ich habe einen vergnügten Abend mit dem Stadthalter zugebracht, er stickt voller Kenntnisse und Interesse für tausend Dinge. Nun wollen wir sehn wie wir weiter kommen. An diesem rothen Tische hab ich dir schon offt geschrieben. Schon seit sechs Jahren sind meine Gedancken offt in dieser Stube an dich gerichtet gewesen.

Meinen neuen Roman über das Weltall hab ich unterweegs noch durchgedacht und gewünscht daß ich dir ihn dicktiren könnte es gäbe eine Unterhaltung und das Werck käme zu Papier. Adieu Lotte. Ich scheide nicht von dir d. 7. Dez. 81. Erfurt.

G.


5/1361.


An Charlotte von Stein

Gotha d. 8. Dez. 81.

Von freundlichen Gesichtern empfangen, lustig unterhalten und beschenckt, hab ich gestern einen angenehmen Tag zugebracht. Es ist hier gewöhnlich daß der Nikolas bescheert, dieser hat mir auch allerley verehrt. Wäre etwas dabey das dir Freude machen könnte so schickte ich dir es gleich mit. Von der Herzoginn hab ich ein Paar schöne Manschetten, und von der Oberhofmeisterinn eine Dose mit Rousseaus bild. Wir waren sehr lustig bis Nachts um zwölfe, es wurden Austern gegessen und Punsch getruncken.

[232] Durch alles das begleitet mich der vielgeliebte Talisman, und Abends und Morgens, und Nachts wenn ich aufwache nenn ich deinen Nahmen und hoffe auf dich. Schon freu ich mich bey meiner Rückkehr deinen Brief zu finden.

Leb wohl beste, deine Gestalt und deine Liebe glänzt immer um mich, und wie in eine glückliche Heimat trag ich alles in Gedancken zu dir. Leb wohl. Und schreibe mir viel.

G.


5/1362.


An Charlotte von Stein

Eisenach. Sonntags früh d. 9ten.

Ich kam gestern zu spät um noch nach Wilhelmsthal zu fahren, und gehe iezt dahin ab.


In Gotha hat man alle Arten von Höflichkeit und Aufmercksamkeit gegen mich erschöpft, und mir wohl gemacht. Auf dem Rückweege werd ich wohl ein Paar Tage hängen bleiben.

Adieu liebste die Pferde sind da. Ich darf dir nicht sagen wie ich an dich dencke! was für Aberglauben ich mit dem lieben Talismann Treibe, was ich für Wünsche und Hoffnungen mit Mährgen stille. Adieu du liebste.

Die Götter machen es recht künstlich daß auch ein Mensch den sie nach und nach der Kindheit entreisen, dem sie einige Klugheit gönnen, daß auch der[233] immer noch im Unmöglichen eine Laufbahn vor sich sieht. Adieu ich kan kaum vom Blatte weg.

G.


5/1363.


An Charlotte von Stein

Barchfeld Sonntags d. 9. Dez. 81.

Hierher verschlagen meine liebe, wendet sich meine Seele wieder zu dir. Als ich nach Wilhelmsthal kam, war der Herzog im Begriff hierher zu gehen und ich folgte.

Die gute Prinzess Wilhelmine seh ich denn auch verheurathet, und vergnügt. Sie lieben sich und ich gönn es ihnen von Herzen.

Hier hängt ein schlecht Pastellbild das dir gleicht wenn man den Mund zudeckt, alle Leute haben es gefunden und ich auch. Nur scheute ich mich es zu sagen als man mich fragte, denn ich dachte wenn es etwa andern anders vorkäme; so würde man sagen ich fände dich überall.

Stein ist gar gut. Er hat mir nur gutes von seinem Schwager erzählt.


Eisenach. Montags d. 10. Abends.

In Barchfeld ward mir die Zeit sehr Breit, um nicht zu sagen lang. Ich will doch, wenns möglich ist, spielen lernen, nur um solcher Stunden willen.[234] Auch da hielt ich mich am Gedancken deiner Liebe Wenn ich auch etwas anders dencke, so hat meine Seele tausend Assoziationen um deine Erinnerung anzuknüpfen, und wenn ich noch so weit entfernt scheine, so hab ich schon wieder eine weile an dich gedacht eh ich's bemercke.

Beykommender Brief wird dich ergözen, weil er vom Wohlwollen der Menschen gegen den deinigen meldet. Der Mineralogische Theil ist wohl nicht für dich. NB meine einzige Beute von Barchfeld, ist eine köstliche Stufe, die ich dir auf Verlangen vorzeigen und den Werth erklären werde.

Unter uns gesagt die Lavas von Butspach sind sehr schön.

Hier in Eisench hab ich mich von allem losgemacht um mir und dir zu seyn.

Stein ist bey seiner Schwester, und wird den Herrn Schwager sehr werth kriegen, der im Grund und auf der Oberfläche sicher ein Schufft ist.

Es wird mir recht natürlich Steinen gefällig zu seyn und ihm leben zu helfen. Ich bin es dir schuldig, und was bin ich dir nicht ieden Tag und den deinigen schuldig. Was hilft alle das kreuzigen und seegnen der Liebe wenn sie nicht thätig wird. Führe mich auf alles was dir gefallen kann ich bitte dich, denn ich fühls nicht immer.

Die Gunst die man mir in Gotha gönnt macht viel Aufsehn, es ist mir lieb um meinetwillen und[235] um der guten Sache willen. Es ist auch billich daß ich durch einen Hof wieder erhalte, was ich durch einen Hof verlohren habe.

Denn mein Passiv Wesen bisher war nicht genug, und die öffentliche Gleichgültigkeit der unsrigen gegen mich bey meiner Eingezogenheit, hat wie ich mercke im Publiko auch die nothwendige Sensation gemacht. Es bleibt immer gewiss, dieses so geehrte und Verachtete Publikum betrügt sich über das einzelne fast immer und über das ganze fast nie.

Grüse Ernsten und Fritzen, und grüse wenn du kannst dich selbst mit einem Gruse von mir.

Der Herzog ist vergnügt und gut, nur find ich den Spas zu theuer, er füttert 80 Menschen in der Wildniss und dem Frost, hat noch kein Schwein, weil er im freyen hetzen will, das nicht geht, plagt und ennuirt die seinigen, und unterhält ein Paar schmarutzende Edelleute aus der Nachbarschafft die es ihm nicht dancken. Und das alles mit dem besten Willen sich und andre zu vergnügen. Gott weis ob er lernen wird, daß ein Feuerwerck um Mittag keinen Effeckt thut. Ich mag nicht immer der Popanz seyn, und die andern frägt er weder um Rath noch spricht er mit ihnen was er thun will. Ich hab ihn auch nur Augenblicke gesehen.

Ich bitte Gott, daß er mich täglich haushälterischer werden lasse um freygebig seyn zu können es sey mit Geld oder Gut, Leben oder Todt.[236]


Eisenach d. 11ten Dienst.

Hier muss ich schliesen und von dir Abschied nehmen.

Ich fahre nach Willhelmsthal. und gehe wohl morgen auf Gotha wo ich einige Tage bleibe.

Du hörst noch von mir.

ich hoffe Briefe von dir zu finden und zu hören daß du wohl bist. Manchmal überfällt mich eine Angst du seyst kranck. Adieu du liebe meine.

G.

Der Brief von Tischbein wird dich freuen.


5/1364.


An Charlotte von Stein

Willhelmsthal d. 12. Dez. Mittwoch Abends.

Vor allen Dingen, wie man vor einem Opfer alles unheilige wegzuwenden sucht, vor allen Dingen, liebe, wie du dirs magst, geliebte Lotte, kein


men. aufs heiligste, durchlauchtig, allerdurchlauchtig und übergrosmächtig geben, mich nach morgenländischer Art in den Staub vor ein Bild werfen das ich verlache, wenn du mir du bist. um Gotteswillen kein Sie mehr! – Wie hofft ich auf deinen Brief ich macht ihn zuletzt auf, und die Ihnen! er mag nun erst liegen ich muss dich erst aus diesen Ihnen wieder übersetzen. Zur Strafe schreib ich dir nichts von mir und meiner Liebe du sollst nur hören wie es andern geht und mir mit andern.

[237] Indess die andre Seite trocknete hab ich deinen Brief durchkorrigirt, und alle Ihnen weggestrichen. Nun wird es erst ein Brief. Verzeih dass ich die Kleinigkeit zu etwas mache!


was es sey gleich du redst von vielen dritten. Lass das zum letztenmal seyn und verzeih.

Ich bin nun hier in Wilhelmsthal und will und muss abwarten was geschieht. Heute früh wollt ich fort, dann aber gings nicht, und es wäre eine Unschicklichkeit geworden wenn ich gegangen wäre. Wie du alles erfahren sollst liebe Beichtigerinn. Liebe Lotte ich habe einen rechten Arm voll moralischer und politischer Geheimnisse dir mit zu bringen. Denn ich unterstehe mich nicht zu schreiben weil es zu viel ist.

Der Herzog thut was unschickliches mit dieser Jagd, und doch bin ich nach seiner Herzoglichkeit mit ihm zufrieden. Die andern spielen alle ihre Rollen. Ach Lotte wie lieb ist mirs daß ich keine spiele. Ich lasse mich als Gast tracktiren und lasse mir als einem Fremden klagen, es geht nichts besser und nichts schlimmer als sonst, ausser daß der Herzog weit mehr weis was er will, wenn er nur was bessers wollte.

Sein Unglück ist daß ihm zu haus nicht wohl ist. Denn er mag gerne Hof haben pp

Liebe süse ich habe dir gar vieles zu erzählen.

Man hat mir eine Italiänische Überzetzung des[238] Werthers zugeschickt. Was hat das Irrlicht für ein Aufsehn gemacht! Auch dieser Mann hat ihn wohl verstanden, seine Übersetzung ist fast immer Umschreibung; aber der glühende Ausdruck von Schmerz und Freude, die sich unaufhaltsam in sich selbst verzehren, ist ganz verschwunden und darüber weis man nicht was der Mensch will. Auch meinen vielgeliebten Nahmen hat er in Annetta verwandelt. Du sollst es sehen und selbst urtheilen.

Nun sind die acht Tage um, und ich sehne mich eifrig nach Hause, nicht nach Hause, nur zu dir, denn es geht mir wohl, ich mag die Menschen leiden, und sie mich, ich bekümmre mich um nichts und schreibe Dramas. Mein Egmont ist bald fertig und wenn der fatale vierte Ackt nicht wäre den ich hasse und nothwendig umschreiben muß, würde ich mit diesem Jahr auch dieses lang vertrödelte Stück beschliesen.

Heut kommt der Herzog v. Gotha. Morgen gehts auf die Jagd und ich hoffe loszukommen. Auf den Sonntag giebt der Herzog ein Gastmal, um dem Vater im Himmel auch einmal gleich zu werden, nur mit dem Unterschied daß die Gäste von den Zäunen gleich Anfangs mit auf dem Fourier Zettel stehn. Des hin und wieder fahrens, schleppens, reitens, laufens ist keine Rast. Der Hofmarschll flucht, der Oberstallmeister murrt, und am Ende geschieht alles. Wenn diese Hast und Hatze vorbey ist und wir wären um eine Provinz reicher so wollt ich's loben, da es aber[239] nur auf ein Paar zerbrochne Rippen, verschlagne Pferde und einen leeren Beutel angesehn ist, so hab ich nichts damit zu schaffen. Ausser daß ich von dem Aufwand nebenher etwas in meine politisch moralisch dramatische Tasche stecke.

Ich habe in der Italienischen Übersetzung gelesen, sie fängt mir an besser zu gefallen, die Sprache ist gar angenehm und ich habe noch keinen Misverstand gefunden, das viel ist.

Der Herzog v. Gotha ist noch nicht da. Ich muß schliesen, weil der Bote geht. Adieu tausendmal meine Einzige. Wie viel viel hab ich dir zu sagen.

d. 13ten Dez. 81.

G.


5/1365.


An Charlotte von Stein

Eisenach d. 14. Dez. 81.

Endlich Glück auf zur Rückkehr! Heute Abend bin ich in Gotha, morgen bleib ich wohl da, und Sonntags binn ich wo mein Herz ist. Länger war mir's nicht möglich, und doch hätt ich gewünscht bey dem schönen Wetter die Jagd und einen grosen Ball auf den Sonntag mit abzuwarten. Adieu.

Dieses bringt ein Bote, wahrscheinlich Sonnabend zu guter Zeit.

G.[240]


5/1366.


An Charlotte von Stein

Wie ich die Augen aufthue möcht ich schon wieder deine Stimme hören, und dich fragen wie du dich befindest. Ich bin nicht von dir weggekommen, und der Traum war so artig mich immer bey dir zu lassen. Hier schick ich den Italiänischen Werther, wir wollen die Briefe zusammen durchgehen. Auch liegt eine Geschichte bey die mir die Herzoginn von Gotha gegeben hat ein Drama draus zu machen. Die gute Frau weis nicht wie nah mich die Situation berührt. Adieu. Ungern reis ich mich von dir los wie bei jedem Adieu. d. 17. Dez. 81.

G.

Schick mir was ich bey dir habe.


5/1367.


An Charlotte von Stein

Ich schliese mit Coocks Todt das Buch und schick es dir. Es ist eine grose Catastrophe eines grosen Lebens, und schön daß er so umkam. Ein Mensch der vergöttert wird, kann nicht länger leben, und soll nicht, um seint und andrer willen.

Adieu. Ich bin dir ganz nah, deine Güte und Liebe ist die Lufft in der ich lebe. Gute Nacht. Wäre ich nicht ausgezogen ich brächte dir sie selber.

d. 19. Dez. 81.

G.[241]


5/1268.


An Charlotte von Stein

Es ist auch durch meine gestrige Enthaltsamkeit nicht anders geworden liebe Lotte und soll auch nicht. Hier schick ich dir die Folge zu dem Bogen von Liebe und selbstheit. Meine Verse zu der Zeichnung sind bald fertig. Gestern Abend gings ganz frisch. Coocks Todt kommt mir nicht aus dem Sinne, möge doch das Schicksaal iedem den es liebt einen Todt geben der so analog zu seinem Leben sey wie dieser war. Er ist in allem Betracht schön und auch schön daß die wilde Majestät ihre Rechte der Menschheit auf ihn behauptet hat. Adieu. d. 20ten Dez. 81.

G.

Es ist ein Schweinskopf angekommen, darauf ich die Gesellschafft morgen Abend zu Gast lade.


5/1369.


An Charlotte von Stein

Ich muß dir einen Guten Morgen sagen und dir ein Stück Feyertags Kuchen schicken, damit mein Verlangen dich zu sprechen nur einigermassen befriedigt werde, und ich noch an etwas anders diese Paar Stunden dencken könne bis ich dich sehe. Um 10 geh ich auf das Theater und vorher einen Augenblick zu dir.

d. 24. Dez. 81.

G.[242]


5/1370.


An Charlotte von Stein

Dancke aber und abermal für alles. Bald seh ich dich, denn ich werde mich in Feyerkleider setzen und dir geputzt und bey Hofe und überall sagen daß ich dich unaussprechlich liebe.

d 25. Dez. 81.

G.

Viel Glück zum Geburtstag.


5/1371.


An Charlotte von Stein

Deiner süssen Liebe schönes Zeichen, und einige Franckfurter Marzipane schick ich dir. Auch das verlangte Kupfer, ersetze meine Faulheit. Die Jöchhausen soll etwas zu ihrem Geburtstag haben. Erkundige dich nach ihm unter der Hand, auch nach Carolingens und der kleinen Schwägerinn. Adieu. d. 26. Dez. 81.

G.


5/1372.


An Charlotte von Stein

Dem Himmel sey Danck daß diese Empfindung vorübergehend und deine Liebe bleibend ist. Ich will fleisig seyn das thut gut. Herders Gespräche über die Seelenwandrung sind sehr schön und werden dich freuen, denn es sind deine Hoffnungen und Gesinnungen.

[243] Einige Stellen sind ganz allerliebst. Leb wohl beste. Der Abend kommt mir angenehm, weit du mit dem Abend kommst.

d. 28. Dez. 81.

G.


5/1373.


An Charlotte von Stein

– – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –

befind ich mich sehr wohl. Zu Mittage ess ich mit dir. Bitte das Ballet zu lesen weil ich's gegen Abend brauche. Hier noch etwas süses, aber nichts süsers als die hundert Nahmen mit denen ich dich ewig nenne. d. 29. Dez. 81.

Goethe.


5/1374.


An Charlotte von Stein

Kaum fängt der Tag an in Bewegung zu gehn; so verlangt meine Seele schon wieder zu dir. Um mich zu enthalten lade ich Jagemannen zu Tisch. Schicke mir die Italiänischen Briefe Werthers und dein deutsch Exemplar dazu. Heut Abend wollen wir zu der Waldner.

Auf den neujahrstag hab ich mir etwas ausgedacht. Ich komme zu dir in aller Frühe um den Gratulationen auszuweichen, und mahle bey dir das Portefeuille für Gustgen Stolberg. Adieu. Fahre fort mir wohlthätig zu seyn.

d. 30. Dez. 81.

G.[244]


5/1375.


An den Herzog Ernst II. von Sachsen-Gotha

[Ende December.]

Durchlauchtigster Herzog,

Gnädigster Herr.

Ew. Durchl. übersende die Zeichnungen, die ich vom alten Forster erhalten, und hoffe, sie werden Ihnen neue Freude machen. Hier habe ich sie unsrer regierenden Herzogin gezeigt, die sie auch außerordentlich schön gefunden. Mir, muß ich gestehen, ist bei dieser Gelegenheit wieder aufgefallen, daß man sich des Fürtrefflichen in Abwesenheit niemals lebhaft genug erinnert, denn ich habe mich über die äußerste Präzision und Wahrheit, womit sie gearbeitet sind, gewundert, als wenn ich sie nie gesehen hätte. Gewiß wird man Ew. Durchl. über deren Besitz beneiden, denn es kommt gar vieles zusammen, was sie schätzbar macht. Wie gern hätte ich um die Erlaubniß gebeten, unsre gnädigsten Herrschaften begleiten zu dürfen, um Ew. Durchl. meine aufrichtigen Wünsche auf das nächste und alle kommenden Jahre mündlich vorzutragen, allein so wohl sollte mir's nicht werden, denn des Alten und Neuen hat sich so vielerlei zusammengedrängt, daß das neue Jahr mir ein zwar freundliches, doch auch mühseliges Gesichte zeigt.

Erhalten mir Ew. Durchl. Ihre höchste Gnade damit ich mit meinen Gedanken, wenn sie von hier[245] aus nach meinem Vaterlande gehn, welches doch oft zu geschehen pflegt, immer mit Lust und einer gnädigen Aufnahme versichert auf dem Friedensteine eintreten kann. Mit schuldigster Verehrung mich unterzeichnend

Ew. Hochfürstl. Durchl.

unterthänigster

Goethe.


Quelle:
Goethes Werke. Weimarer Ausgabe, IV. Abteilung, Bd. 5, S. 207-246.
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Hoffmann von Fallersleben, August Heinrich

Deutsche Lieder aus der Schweiz

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»In der jetzigen Zeit, nicht der Völkerwanderung nach Außen, sondern der Völkerregungen nach Innen, wo Welttheile einander bewegen und ein Land um das andre zum Vaterlande reift, wird auch der Dichter mit fortgezogen und wenigstens das Herz will mit schlagen helfen. Wahrlich! man kann nicht anders, und ich achte keinen Mann, der sich jetzo blos der Kunst zuwendet, ohne die Kunst selbst gegen die Zeit zu kehren.« schreibt Jean Paul in dem der Ausgabe vorangestellten Motto. Eines der rund einhundert Lieder, die Hoffmann von Fallersleben 1843 anonym herausgibt, wird zur deutschen Nationalhymne werden.

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