An den Mond

Füllest wieder ´s liebe Tal

Still mit Nebelglanz,

Lösest endlich auch einmal

Meine Seele ganz;


Breitest über mein Gefild

Lindernd deinen Blick,

Wie der Liebsten Auge, mild

Über mein Geschick.


Das du so beweglich kennst,

Dieses Herz im Brand,

Haltet ihr wie ein Gespenst

An den Fluß gebannt,


Wenn in öder Winternacht

Er von Tode schwillt

Und bei Frühlingslebens Pracht

An den Knospen quillt.


Selig, wer sich vor der Welt

Ohne Haß verschließt,

Einen Mann am Busen hält

Und mit dem genießt,


Was, den Menschen unbewußt,

Oder wohl veracht,

Durch das Labyrinth der Brust

Wandelt in der Nacht.
[570]

Quelle:
Johann Wolfgang von Goethe: Berliner Ausgabe. Poetische Werke [Band 1–16], Band 2, Berlin 1960 ff, S. 75-76,570-571.
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