Anklage

[26] Wißt ihr denn, auf wen die Teufel lauern,

In der Wüste, zwischen Fels und Mauern?

Und wie sie den Augenblick erpassen,

Nach der Hölle sie entführend fassen?

Lügner sind es und der Bösewicht.


Der Poete, warum scheut er nicht,

Sich mit solchen Leuten einzulassen!


Weiß denn der, mit wem er geht und wandelt.

Er, der immer nur im Wahnsinn handelt?

Grenzenlos, von eigensinn'gem Lieben,

Wird er in die Öde fortgetrieben,

Seiner Klagen Reim', in Sand geschrieben,

Sind vom Winde gleich verjagt;

Er versteht nicht, was er sagt,

Was er sagt, wird er nicht halten.


Doch sein Lied, man läßt es immer walten,

Da es doch dem Koran widerspricht.

Lehret nun, ihr, des Gesetzes Kenner,

Weisheit-fromme, hochgelahrte Männer,

Treuer Mosleminen feste Pflicht.


Hafis insbesondre schaffet Ärgernisse,

Mirza sprengt den Geist ins Ungewisse,

Saget, was man tun und lassen müsse?

Quelle:
Johann Wolfgang von Goethe: Berliner Ausgabe. Poetische Werke [Band 1–16], Band 3, Berlin 1960 ff, S. 26.
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