[Wenn du auf dem Guten ruhst]

[60] Wenn du auf dem Guten ruhst,

Nimmer werd ich's tadeln,

Wenn du gar das Gute tust.

Sieh, das soll dich adeln!

Hast du aber deinen Zaun

Um dein Gut gezogen,

Leb ich frei und lebe traun

Keineswegs betrogen.


Denn die Menschen, sie sind gut.

Würden besser bleiben,

Sollte nicht, wie's einer tut,

Auch der andre treiben.

Auf dem Weg, da ist's ein Wort.

Niemand wird's verdammen:

Wollen wir an einen Ort,

Nun, wir gehn zusammen.
[60]

Vieles wird sich da und hie

Uns entgegenstellen.

In der Liebe mag man nie

Helfer und Gesellen;

Geld und Ehre hätte man

Gern allein zur Spende;

Und der Wein, der treue Mann.

Der entzweit am Ende.


Hat doch über solches Zeug

Hafis auch gesprochen,

Über manchen dummen Streich

Sich den Kopf zerbrochen,

Und ich seh nicht, was es frommt,

Aus der Welt zu laufen,

Magst du, wenn's zum Schlimmsten kommt,

Auch einmal dich raufen.

Quelle:
Johann Wolfgang von Goethe: Berliner Ausgabe. Poetische Werke [Band 1–16], Band 3, Berlin 1960 ff, S. 60-61.
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