I. Von den einfachen Farben, weiß, gelb und schwarz

[270] Einfache Farben sind diejenigen, welche die Elemente begleiten, das Feuer, die Luft, das Wasser und die Erde. Die Luft und das Wasser sind ihrer Natur nach weiß, das Feuer und die Sonne aber gelb. Die Erde ist ursprünglich gleichfalls weiß, aber wegen der Tingierung erscheint sie vielfärbig. Dieses wird offenbar an der Asche; denn sobald nur die Feuchtigkeit ausgebrannt ist, welche die Tinktur verursachte, so wird der Überrest weiß, nicht aber völlig; denn etwas wird wieder von dem Rauch gefärbt, welcher schwarz ist. Deswegen wird auch die Lauge gelb, weil etwas Flammenartiges und Schwarzes das Wasser färbt.[270]

2. Die schwarze Farbe begleitet die Elemente, wenn sie ineinander übergehen.

3. Die übrigen Farben aber entstehen, wenn sich jene einfachen vermischen und wechselseitig temperieren.

4. Die Finsternis entsteht, wenn das Licht mangelt.

5. Schwarz erscheint uns auf dreierlei Weise: denn erstens, was durchaus nicht gesehen wird, wenn man den umgebenden Raum sieht, erscheint uns als schwarz, so auch zweitens dasjenige, wovon gar kein Licht in das Auge kommt. Drittens nennen wir aber auch solche Körper schwarz, von denen ein schwaches und geringes Licht zurückgeworfen wird.

6. Deswegen halten wir auch die Schatten für schwarz.

7. Ingleichen das Wasser, wenn es rauh wird, wie das Meer im Sturm. Denn da von der rauhen Oberfläche wenig Lichtstrahlen zurückgeworfen werden, vielmehr das Licht sich zerstreut, so erscheint das Schattige schwarz.

8. Durchsichtige Körper, wenn sie sehr dick sind, zum Beispiel die Wolken, lassen kein Licht durch und erscheinen schwarz. Auch strahlt, wenn sie eine große Tiefe haben, aus Wasser und Luft kein Licht zurück, daher die mittlern Räume schwarz und finster erscheinen.

9. Daß aber die Finsternis keine Farbe sei, sondern eine Beraubung des Lichts, dieses ist nicht schwer aus verschiedenen Umständen einzusehen; am meisten aber daher: daß sich nicht empfinden läßt, wie groß und von welcher Art das Gebilde derselben sei, wie es sich doch bei andern sichtbaren Dingen verhält.

10. Daß aber das Licht zugleich die Farbe des Feuers sei, ist daraus deutlich, weil man an diesem keine andere Farbe findet und weil es durch sich allein sichtbar ist, so wie es alles übrige sichtbar macht.

11. Das gleiche gilt von einigem, was weder Feuer, noch feuerartig ist und doch Licht von sich zu geben scheint.

12. Die schwarze Farbe aber entsteht, wenn Luft und Wasser vom Feuer verbrannt werden, deswegen alles Angebrannte schwarz wird, wie zum Beispiel Holz und Kohlen[271] nach ausgelöschtem Feuer. Ja sogar der Rauch, der aus dem Ziegel aufsteigt, ist schwarz, indem die Feuchtigkeit, welche im Ziegel war, sich absondert und verbrennt.

13. Deswegen auch der Rauch am schwärzesten ist, der von Fett und harzigen Dingen aufsteigt, als von Öl, Pech und Kien, weil diese am heftigsten brennen und von gedrängter Natur sind.

14. Woran aber Wasser herfließt, auch dieses wird schwarz; denn hierdurch entsteht etwas Moosartiges, dessen Feuchtigkeit sodann austrocknet und einen schwärzlichen Überzug zurückläßt, wie man am Bewurf der Wände, nicht weniger an Steinen, welche im Bache liegen, sehen kann.

Und so viel war von den einfachen Farben zu sagen.

Quelle:
Johann Wolfgang Goethe. Gedenkausgabe der Werke, Briefe und Gespräche. Band 1–24 und Erg.-Bände 1–3, Band 16, Zürich 1948 ff, S. 270-272.
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