Marat

[657] Découvertes sur le Feu, l'électricité et la lumière, à Paris 1779. 8vo.

Découvertes sur la Lumière, à Londres et à Paris 1780. 8vo.

Notions élémentaires d'Optique, à Paris 1784. 8vo.

Ohne uns auf die große Anzahl Versuche einzulassen, worauf Marat seine Überzeugungen gründet, kann es hier[657] bloß unsere Absicht sein, den Gang, den er genommen, anzudeuten.

Die erste Schrift liefert umständliche Untersuchungen über das, was er feuriges Fluidum, fluide igné, nennt. Er bringt nämlich brennende, glühende, erhitzte Körper in das Sonnenlicht und beobachtet den Schatten ihrer Ausflüsse und was sonst bei dieser Gelegenheit sichtbar wird.

Da er sich nun das Vorgehende noch deutlicher machen will, so bedient er sich in einer dunklen Kammer des Objektivs von einem Sonnenmikroskop und bemerkt dadurch genauer die Schatten der Körper, der Dünste, die verschiedenen Bewegungen und Abstufungen.

Den Übergang zu dem, was uns eigentlich interessiert, werden wir hier gleich gewahr, und da er auch erkaltende, ja kalte Körper auf diese Weise beobachtet, so findet er, daß auch etwas Eignes um sie vorgeht. Er bemerkt Schatten und Lichtstreifen, hellere und dunklere Linien, welche das Schattenbild des Körpers begleiten.

War die feurige Flüssigkeit bei jenen ersten Versuchen aus dem Körper herausdringend sichtbar geworden, so wird ihm nunmehr eine Eigenschaft des Lichtes anschaulich, welche darin bestehen soll, daß es sich von den Körpern anziehen läßt, indem es an ihnen vorbeigeht. Er beobachtet die Phänomene genau und will finden, daß diese Anziehung, woraus jene von Grimaldi früher schon sogenannte Beugung entsteht, nach der verschiedenen Natur der Körper verschieden sei. Er beobachtet und mißt die Stärke dieser Anziehungskräfte, und wie weit sich die Atmosphäre dieser Anziehung erstrecken möchte.

Bei dieser Gelegenheit bemerkt er jene uns auch schon bekannten Farbensäume. Er findet nur zwei Farben, die blaue und die gelbe, an welche beiden sich die dritte, die rote, nur anschließend sehen läßt.

Das Licht ist nun einmal angezogen, es ist von seinem Wege abgelenkt; dies deutet ihm gleichfalls auf die Eigenschaft eines Fluidums. Er verharrt auf dem alten Begriff der[658] Dekomposition des Lichtes in farbige Lichtteile; aber diese sind ihm weder fünf, noch sieben, noch unzählige, sondern nur zwei, höchstens drei.

Da er nun bei diesen Versuchen, welche wir die paroptischen nannten, auch wie bei jenen, die feurige Flüssigkeit betreffenden, das Objektivglas eines Sonnenmikroskops anwendet, so verbinden sich ihm die dioptrischen Erfahrungen der zweiten Klasse, die Refraktionsfälle, sogleich mit den paroptischen, deren Verwandtschaft freilich nicht abzuleugnen ist, und er widerspricht also von dieser Seite der Newtonischen Lehre, indem er ungefähr diejenigen Versuche aufführt, die auch wir und andere vorgelegt haben. Er spricht entschieden aus, daß die Farbenerscheinung nur an den Rändern entspringe, daß sie nur in einem einfachen Gegensatz entstehe, daß man das Licht hin und wider brechen könne, soviel man wolle, ohne daß eine Farbenerscheinung stattfinde. Und wenn er auch zugesteht, daß das Licht dekomponiert werde, so behauptet er steif und fest: es werde nur auf dem paroptischen Wege durch die sogenannte Beugung dekomponiert, und die Refraktion wirke weiter nichts dabei, als daß sie die Erscheinung eminent mache.

Er operiert nunmehr mit Versuchen und Argumenten gegen die diverse Refrangibilität, um seiner diversen Inflexibilität das erwünschte Ansehen zu verschaffen; sodann fügt er noch einiges über die gefärbten Schatten hinzu, welches gleichfalls seine Aufmerksamkeit und Sagazität verrät, und verspricht, diese und verwandte Materien weiter durchzuarbeiten.

Wer unserm Entwurf der Farbenlehre und dem historischen Faden unserer Bemühung gefolgt ist, wird selbst übersehen, in welchem Verhältnis gegen diesen Forscher wir uns befinden. Paroptische Farben sind, nach unserer eigenen Überzeugung, ganz nahe mit den bei der Refraktion erscheinenden verwandt (E. 415). Ob man jedoch, wie wir glaubten, diese Phänomene allein aus dem Doppelschatten herleiten könne, oder ob man zu geheimnisvolleren Wirkungen des[659] Lichtes und der Körper seine Zuflucht nehmen müsse, um diese Phänomene zu erklären, lassen wir gern unentschieden, da für uns und andere in diesem Fache noch manches zu tun übrig bleibt.

Wir bemerken nur noch, daß wir die paroptischen Fälle mit den Refraktionsfällen zwar verwandt, aber nicht identisch halten. Marat hingegen, der sie völlig identifizieren will, findet zwar bei den objektiven Versuchen, wenn das Sonnenbild durchs Prisma geht, ziemlich seine Rechnung; allein bei subjektiven Versuchen, wo sich nicht denken läßt, daß das Licht an der Grenze eines auf einer flachen Tafel aufgetragenen Bildes hergehe, muß er sich freilich wunderlich gebärden, um auch hier eine Beugung zu erzwingen. Es ist merkwürdig genug, daß den Newtonianern bei ihrem Verfahren die subjektiven Versuche gleichfalls im Wege sind.

Wie wenig Gunst die Maratischen Bemühungen bei den Naturforschern, besonders bei der Akademie, fanden, läßt sich denken, da er die hergebrachte Lehre, ob er gleich ihr letztes Resultat, die Dekomposition des Lichtes, zugab, auf dem Wege, den sie dahin genommen, so entschieden angriff. Das Gutachten der Kommissarien ist als ein Muster anzusehen, wie grimassierend ein böser Wille sich gebärdet, um etwas, das sich nicht ganz verneinen läßt, wenigstens zu beseitigen.

Was uns betrifft, so halten wir dafür, daß Marat mit viel Scharfsinn und Beobachtungsgabe die Lehre der Farben, welche bei der Refraktion und sogenannten Inflexion entstehen, auf einen sehr zarten Punkt geführt habe, der noch fernerer Untersuchung wert ist und von dessen Aufklärung wir einen wahren Zuwachs der Farbenlehre zu hoffen haben.

Schließlich bemerken wir noch, daß die beiden letztern oben benannten Schriften, welche uns eigentlich interessieren, gewissermaßen gleichlautend sind, indem die zweite nur als eine Redaktion und Epitome der ersten angesehen werden kann, welche von Christ. Ehrenfried Weigel ins Deutsche übersetzt, und mit Anmerkungen begleitet, Leipzig 1733 herausgekommen ist.[660]

Quelle:
Johann Wolfgang Goethe. Gedenkausgabe der Werke, Briefe und Gespräche. Band 1–24 und Erg.-Bände 1–3, Band 16, Zürich 1948 ff, S. 657-661.
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