Juni.

[218] 1. Um 5 Uhr am Sprudel. Bekanntschaft mit Herrn Bosi: über böhmische Landes- und Staatsökonomie. Venedig unter der Regierung von Östreich. Gedachter war Podestà in Padua gewesen. Nachher mit Advokat Mener aus Dresden über verschiedene dortige Verhältnisse, den androhenden Katholicismus u.s.w. Alsdann mit Reinhard und seiner Frau über Jacobi und Körte und Heinsischen Briefe. Nachher mit dem Herrn Yacowleff: wie Reisende durch die gegenwärtigen Kriegsläufte hin und wider getrieben werden. »Die gefährliche Wette« dictirt. Nachher auf der Wiese spatzieren, bey den Glasmännern; einem alten Bekannten Perron wieder begegnet. Kinder die gar artig über Stricke springend liefen. Gräflich Bolzaschen Weine probirt. Nach Tische colorirt. Um 5 Uhr nach der Papiermühle; gezeichnet. Nachher auf die Pragerstraße. Um 1/2 8 Uhr zurück.

2. Um 5 Uhr an den Sprudel. Mit Hrn. von Bosi. Böhmische Fabrication, besonders Steingut und Porzellan in der Nähe. Papiergeld, neues dem Papiergeld parallelisirtes Kupfergeld. Noch einiges über die Venetianischen Staaten. NB. Von dem älteren Kupfergeld ist unter dem jetzigen Kaiser Franz für 100 Millionen geschlagen worden. Der Bauer vergräbt gegenwärtig schon das Kupfer,[218] weil es immer besser als das Papier. Sehr viel Silbergeschirr auf dem Lande, besonders um die Hauptstädte herum. Nachher mit Reinhard und seiner Frau über verschiedne litterarische Gegenstände, seinen Aufenthalt zu Florenz und dortige Vorfälle. Über einige östreichische Geschäftsleute und über den umständlichen Formalismus der Geschäfte, wodurch die Sache selbst erdrückt wird. Briefe von Rochlitz und Genast wegen der Ausnahme des Theaters in Leipzig. Dr. Mitterbacher: über die Effecte des hiesigen Brunnens, des Teplitzer, des Badischen bey Wien u.s.w. Varia über die neusten Begebenheiten. Er ist den 14. October auf dem Gränzgebürg gegen Waldmünchen gewesen und hat daselbst nebst einigen Freunden die Kanonade von Jena gehört. Auf der Wiese spatzieren. Ausgestellter todter Knabe, der noch Mittag gegen 4 Uhr beerdigt wurde, unter großem Regen. Einen Augenblick mit Perron und dem Russen. Geld gewechselt. Nach Tische etwas Mineralogie gelesen. Um 4 Uhr bey starkem Regen Begräbniß des Kindes (von Mad. Puppe). Nach 7 Uhr zu Reinhards. Seine Medaillen besehen und Geschichten aus der Revolution.

Erasmi Rotterod. purgatio adversus Epistolam non sobriam Mart. Lutheri. Bas. 1534.

Sturzens Schriften: Reise nach dem Deister.[219]

3. Früh um 5 Uhr an den Sprudel. Mit von Bosi Bohemica. Mit Reinhard Fortsetzung des gestrigen Gesprächs. Mit Mener über Dresdner Verhältnisse: Müller, Bötticher u.s.w. Dictirt »Holzsurrogat und Mann von 50 Jahren«. Nachher spatzieren auf der Wiese. Nach Tische ein wenig illuminirt. Brief vom Herzog durch den Mundkoch. Arrangement wegen Haus und Stall. Nachher Resident Reinhard, mit ihm nach Hause. Die Humboldtschen Durchschnitte aufgenagelt. Allein spatzieren über den Schloßberg, den Neubrunnen u.s.w. Abends zusammen spatzieren. Dann zu Hause. An meine Frau nach Weimar. Tagebuch der Reinhardischen Gefangenschaft.

4. Früh um 5 Uhr an den Sprudel; mit der gewöhnlichen Gesellschaft. Verschiedene Quartiere besehen. Das bey Amtmann Gerber gemiethet. Spatzieren. Glasgranaten gehandelt. Chocolade im böhmischen Saal getrunken. Nach Tische illuminirt. Beschluß des Reinhardischen Tagebuchs. Gegen Abend geschlafen. Mirabeaus Schutzrede für sich selbst.

5. Früh am Sprudel. Vorzüglich mit Reinhard. Spitzen gehandelt. Auf der Wiese spatzieren. Nach Tische kam Geh. Secretär Vogel. Einführung desselben in das Quartier. Sendung von Weimar. Verschiedene Briefe. Nachricht von Hockerts Tod,[220] nebst Biographie desselben. Abends bey Reinhard vorzüglich über Farbenlehre.

Ein Deutscher, der sich über das Übergewicht des N. dadurch tröstete, daß doch das Genie auch nicht unsterblich sey.

6. Nicht getrunken. Am Neubrunnen der Gesellschaft wegen. Erneute Bekanntschaft mit dem Grafen von Grünne, welchen ich vor 20 Jahren hier gesehen. Bekanntschaft mit der Gräfin von Loß und dem Kammerherrn Leontieff. Nachher mit Yacowleff auf der Wiese spatzieren. Gegen Mittag kam der Herzog von Weimar an. Vor Tische noch eine Tour das Brunnenlocal zu besehen. Zu dreyen gespeist. Gegen Abend spatzieren bis zur neuen Prager Straße. Abends zusammen bis gegen 10 Uhr.

7. Am Sprudel und Neubrunn. Die Bekannten an den Herzog präsentirt. Hauptmann Blumenstein. Aufzug der Schützengesellschaft vor des Herzogs Quartier; zweymalige Salve. Mittagsessen an der Table d'Hote des Grafen Bolza. Abend im böhmischen Saal. In den Zwischenstunden die Hackertsche Biographie und Anecdoten. Brief von Schmidt aus Wien. Brief an Rath Rochlitz, eingeschlossen in einen an Genast.

8. Am Sprudel und Neubrunnen. Nachher Fortsetzung von Hackerts Biographie. Der Steinschleiferin aus Turnau einige Granaten abgekauft.[221] Zur Tafel beym Herzog, wo sich Prochazka, Mitterbacher etc. befanden. Vorher bey Reinhards wegen der Copie der Mad. Reinhard, nach meiner Gebirgszeichnung.

9. Um 6 Uhr am Sprudel; nachher am Neubrunn. Canicoff ehemaliger russischer Gesandter zu Dresden. Zum Juwelier Knoll, dessen Arbeit angesehen. Hackerts Leben für das Morgenblatt abgekürzt. Beym Herzog zur Tafel, wo Präsident Reinhard und Graf Grünne waren. Mit Oberforstmeister von Fritsch auf dem Schützenhause, um ihre Anstalten und die Scheiben zu besehen. Gegenüberstehendes französisches Werk. Philosophie de l'univers par Dupont de Nemours. À Paris chez Goujon fils, imprimeur-libraire, rue Taranne No.737. Fructidor an. VII. Troisième édition. Enthält zwar anthropomorphistische aber artige Bemerkungen über das gesellige Leben der Thiere, der Wölfe, Füchse, Hunde – der Bienen, Ameisen etc. Vorher früh am Brunnen bey Gelegenheit dieses Werks über den Zusammenhang aller Erscheinungen und über die Hauptmaximen der Natur. Expedition eines Packets, das durch einen Boten nach Weimar gehen sollte. Einige Stücke Spitzen, die Haarnadeln für die Prinzessin. Brief an Geh. Rath Voigt. Abends nach der Carlsbrücke mit Oberforstmeister von Fritsch und zurück. Hübsches Brunnenmotiv[222] bey der Brauerey. Unterwegs Fritschens Reisegeschichte.

10. Nicht getrunken. Mit dem Auszug aus Hackerts Biographie beschäftigt. Brief an Cotta, ihn anzukündigen. Kam Serenissimus und Hr. von Fritsch; worauf ich badete. Beym Herzog zur Tafel, Reinhard und Graf Grünne. Nach Tische Entwurf zu der Zeichnung auf die Scheibe zum nächsten Freischießen. Um 6 Uhr zum Grafen Bolza zu Thee und Spiel. Zeitig entfernt und zu Reinhard. Thee getrunken.

11. Am Brunnen wenig getrunken. Besuch von Hrn. von Fritsch. Dictirt am »Mann von 50 Jahren«. Gegen 11 Uhr ins Bad. Nur kurz darin geblieben. Mittags verfehltes Gastmahl und dafür an der Table d'Hote gegessen. Nach Tische zum Goldschmied Knoll; den Lapislazuli zum Fassen gegeben. Hierauf den Maler besucht und ihm eine zweite Zeichnung zur Glückscheibe gebracht. Hernach zu Hause. Von neuem ausgegangen und gezeichnet. Um 8 Uhr nochmals weggegangen. Mit der Gräfin Loß und den Russen über den Posthof und zurück.

12. Um 6 Uhr am Brunnen. Mit Mineralien beschäftigt. Nachher dictirt am »Mann von 50 Jahren«. Dann zu Reinhard. Medaillen ausgesucht, trübe Gläser behandelt. Beym Herzog zu Tafel. General Richter und von Seckendorf. Vogelschießen[223] mit Pistolen hinter dem böhmischen Saal. Spatzieren gegen die Carlsbrücke, kamen Augustrofsky und Piatti und Kayer, welcher blieb. Allerley Spaße. Auf dem Rückweg Fritsch Geschichte: wie Kayer für einen Polen gehalten mit der polnischen Sprache übel bestand. Nach Tische noch zum Herzog hinüber.

13. Wenig getrunken und zu Hause. Spät aufgestanden. Spatzieren allein. Nachher dictirt am »Mann von 50 Jahren«. Nachher gezeichnet. Um 2 Uhr zum Herzog zur Tafel, mit Kayer. Unterhaltung, erst ernsthaft über die Zeitläufte, dann lustige über vergangene désappointements. Zuletzt ein bischen gezeichnet. Gegen 7 Uhr spatzieren nach der Carlsbrücke und wieder zurück. Einige Motive abgezeichnet. Abends: Erinnerungen an das Jugendleben in Wetzlar, Goué, Gotter, v. Braun etc.

14. Am Brunnen. Wenig getrunken. Alsdann spatzieren. Etwas gezeichnet. Nach Hause. Beystehende Briefe und Packete expedirt. An Frau von Stein nach Weimar. An Hrn. Cotta nach Tübingen mit dem Auszug aus Hackerts Leben und einem Brief an den Maler Titel in Florenz beygeschlossen. Um 10 Uhr Resident Reinhard. Nach 12 Uhr zogen die Schützen auf. Mittags beym Herzog, in Gesellschaft der Russen, Graf Grünne und Kayer. Nach dem Schießhause gegangen.[224] Bis gegen 8 Uhr bey Reinhards. Abends gezeichnet.

15. Wenig getrunken. Bey Müller. Demselben assistirt bey Anordnung der neuen Sammlungseinrichtung. Nachher zu Hause, an eben diesen Mineralien weiter fortgefahren. Mittags beym Herzog zu Tafel, wo General Einsiedel und Dr. Kappe von Leipzig. Nach 5 Uhr mit Müller an die Eger und die Quarzformation daselbst durchgeklopft. Nach Hause. Eichstädtisches Programm auf den Tod der Herzogin Mutter, und Brief von Geh. R. Voigt. Gezeichnet.

Schönes Wetter und klarer Himmel.

16. Wenig getrunken; bey Müllern, die zur Sammlung fehlenden Mineralien aufzusuchen. Nachher zu Hause weiter geordnet was gestern und heute eingekommen. Besuch von Dr. Kappe. Brief von Genast.

Sehr schöner Morgen.

17. Am Sprudel und Schloßbrunnen; angefangen mit Milch ihn zu trinken. Nachher bey Müllern, zu Completierung der geognostischen Sammlung. Nachher Dr. Kappe. Besuch von Hrn. von Schiller. Mittags bey Durchlaucht dem Herzog, wo die von Alvensleben und von Holleben und Herda. Vor Tische von Herda, mit demselben die geognostische Sammlung durchgegangen. Brief von Oehlenschläger aus Paris durch Hrn. von Herda[225] mitgebracht. Des Nachmittags zu Hause. Gegen Abend geschlafen.

18. Am Sprudel und Schloßbrunnen. Nachher Dr. Kappe und Dr. Mitterbacher. Nachher bey Reinhards. Beystehende Briefe dictirt. Brief an meine Frau, an Geh. Rath Voigt. Zu Tafel beym Herzog mit Hrn. von Ompteda und beyden Grafen Solms. Nachher ging Hr. von Herda mit hieher und wir handelten allerley Mineralogisches ab. Abends zu Reinhards, wo einige Gedichte von Mad. Reimarus und Hrn. Reinhard gelesen wurden.

19. Früh am Schloßbrunnen. Bekanntschaft mit Oberhofprediger Reinhard. Mit von Ompteda und Auditeur Cramer auf- und abgegangen. (»Schreibt auch besser als er denkt.«) Spatzieren. Zur Tafel beym Herzog, mit Kreishauptmann von Schiller, Kreiscommissär Prochazka, Hauptmann von Pfisterer. Nach Tische in die Comödie. Ward Camilla gegeben. Nach Hause. Ein bischen getuscht. Besuch von Cramer. Chénier épître à Voltaire. Etiquette du palais impériale.

20. Am Schloßbrunnen; mit Oberhofprediger Reinhard; mit Ferber. Nachher bey Müller mit Herda. Nachher bey Dr. Kappe. Zu Hause 25 einiges illuminirt. Nachher bey Resident Reinhard. Mittags beym Herzog mit Dr. Kappe und Mitterbacher. Nach Tische kam von Bechtolsheim.[226] Zu Hause illuminirte Kupfer von Corneillan. Abends nach der Carlsbrücke spatzieren.

Ein Jude wünscht, daß Gott die Waden vorn hingesetzt hätte, weil man sich so oft an die Schienbeine stoße, und hinten keine Gefahr sey.

21. Früh am Schloßbrunnen. Mit Hofrath Ferber über Adam Müller. Zum Herzog vor dem Frühstück. Zu Hause gefrühstückt und nachher illuminirt. Dann Dr. Kappe über die geographischen Durchschnitte. Kam Resident Reinhard, der die Farbenlehre mitbrachte und über Verschiedenes anfragte. Ich gab ihm ein Prisma und die schwarzweißen Kärtchen. Mittags beym Herzog, wo Hr. von Hopfgarten, Fritschens Schwager, und der sächsische Oberstlieutenant ........ Erzählungen dieses Mannes vom 14. October und folgenden Tagen, besonders von dem Moment, da die sächsische Cavallerie Pferde abgeben mußte. Nachher ins Schauspiel: die unruhige Nachbarschaft, ein Stück, das uns sehr belustigte und im einzelnen gut gegeben wurde. Abends zu Hause; bald zu Bette. Abwechselnder Tag.

22. Auf dem Schloßbrunnen; mit Oberhofprediger Reinhard; besonders über die Aussichten des Protestantismus und der Litteratur: über das Katholischwerden der Protestanten und die Erklärung des Königs von Sachsen an die Stände, daß er das Land von Napoleon als pays[227] conquis empfangen habe. Nachher mit Hrn. von Ompteda, besonders über England, englisch Ministerium, Katholiken in Irland u.s.w. Zuletzt mit Resident Reinhard über Physisches, nachher Ästhetisches, besonders über die Fabel, insofern sie bedeutend ist und einem Gedicht zum Grunde liegt. Nachher beym Herzog, der Kaminfeuer hatte machen lassen. Mittag im goldenen Schilde zum Picknick, große Gesellschaft von Damen und Herren, besonders Franzosen 10 und Russen, die Rohans, Yacowleffs. Früh fortgefahren zu illuminiren. Kam auch Kayer und holte einen Zirkel. Abends bey Resident Reinhard, wo Hr. von Peiron und Familie, Dr. Kappe und Mitterbacher, beyde mit ihren Frauen, sich befanden.

Trüber und kalter Tag.

23. Früh Regenwetter, demungeachtet am Schloßbrunn, mit Oberhofprediger Reinhard, Ompteda, Bechtolsheim. Nachher zu Müllern, sodann zu Durchlaucht dem Herzog, mit demselben in verschiedene Läden, zu Zöldner von Prag, geschliffene Steine zu sehen. Bey Meyern. Abschied von Cramer aus Quedlinburg genommen. Mittags beym Herzog zur Tafel und allein. Nachher illuminirt. Nachher spatzieren – schöner Abend nach einem regnichten Tage – bis zur Carlsbrücke. Nachher bey Reinhard, der mir ältere[228] Papiere und Handschriften aus der Revolutionszeit wies.

Früh Regenwetter, hernach Wind, gegen Mittag fing es an hell zu werden.

24. Früh nicht getrunken, illuminirt. Bey dem Herzog, wo der in Prag sich aufhaltende Rühler mit den Tabackspfeifenköpfen auslegte. Bey Meyer, wo über den Spaß mit der falschen Affiche sehr gelacht wurde. Zu Hause nebenstehende Briefe. An meine Frau nach Weimar. An Hrn. Genast nach Leipzig. An Frau Rath Goethe nach Frankfurt. Mittags beym Herzog, allein. Der Herzog ritt nach Schlackenwerth. Nachher bey dem Hrn. v. Nitschwitz, beym Oberhofprediger Reinhard, bey Knoll, wegen des Geldes von Leipzig, beim Steinhändler ........ im Maltheserkreuz. Spatzieren mit Hrn. v. Seckendorf. Abends im Concert, das Dem. Mager auf der Violine gab. Zu Hause Sammlung von Schriften über das Carlsbad.

25. Früh am Schloßbrunnen. Verhandlung mit Kaufmann Knoll, wegen der Assignation von 200 rthlr. nach Leipzig. Einiges gekauft und bestellt. Mittags beym Herzog, allein. Abends mit Reinhard spatzieren. Den Tag viel auf der Wiese, in mancherley Gesellschaft. Brief an Kammerrath Frege nach Leipzig, an Hrn. Genast.[229]

26. Am Schloßbrunnen. Anfangs Regenwetter. Mit Oberhofprediger Reinhard. Über die Vorstellungen, das Natürliche einem bösen Geiste zuzuschreiben, wie Luther solche gehabt. Geschichte der Hexenprozesse u.s.w. Bey Müller, der nun bald mit den geologischen Sammlungen in Ordnung ist. Viel auf der Wiese. Yacowleffs Dose und auf Chalcedon eingelegte Arbeit. Feuerzeug durch einen Luftdruck. Mittags beym Herzog zu Tafel und die beyden Grafen Piatti. Nach Tische bey dem Steinhändler, um Shawls gefeilscht. In der Comödie, den ersten Act der Schwestern von Prag angesehen. Äußerst geist- und humorlose Repräsentation. Abends bey Reinhards. Verschiedenes über Theater : Schröder, Iffland. Mad. Reinhard recitirte einige Gedichte von Unzer, dem Manne von Schröders Schwester, der Demoiselle Ackermann. Sie zeigen kein dichterisch Talent, drücken aber eine gewisse mißmuthige Laune recht gut aus; auch sind die Verse gut. Überhaupt scheint das Subjectiv-lyrische, Hypochondrische, Moderne in Niedersachsen recht obzuwalten, Männer und Frauen aber das Talent gereimter Verse recht gut zu besitzen.

27. Früh am Schloßbrunnen mit Bechtolsheim. Oberhofprediger Reinhard: über Göttingen, Heyne u.s.w., Bibliothek, Collectaneen, Gelehrsamkeit. Mit Prinz Rohan über seine Campagne in Italien,[230] äußerst beschwerlicher Staub auf dem Marsche, Vortheil des wohlfeilen Weines und sonstiger Lebensmittel. Höchst schlechte und niederträchtige Aufführung mehrer armer venetianischer Edelleute, die man engagirt hatte. Mit Resident Reinhard wechselseitig über unsern Aufenthalt in Italien. Er war nicht nach Rom gekommen, sondern hatte den Weg nach Neapel und zurück zu Schiffe über Livorno gemacht. Sonstige Epochen seines Lebens und seiner Bildung. Kamen viele Briefe von Weimar durch den rückkehrenden Courier des Herzogs. Kam auch Regierungsrath Voigt an. Ordnung gemacht und einiges vorbereitet. Mittags beym Herzog; speiste Reg. R. Voigt mit. Nach Tafel mit Serenissimo, Fritsch und Voigt successiv in den Läden auf der Wiese, in der Comödie u.s.w. Abends Voigt bey uns.

28. Nicht getrunken. Einige Zeichnungen ajustirt und abgeschnitten. Eine Tour an die Quelle gemacht; sodann verschiedene Briefe aus den Abgang des Reg. R. Voigt vorbereitet. Nachher kam Reinhard. Das Phänomen der epoptischen Farben vorgelegt. Einiges den Tag betreffendes und die Zeitgeschichte. Mittags beym Herzog, der etwas spät von der Promenade zurückkam. Kayer, der, als man die Zeitung, die zur Tafel gebracht wurde, nicht interessant finden Wollte, einen Artikel von Constantinopel folgendermaßen las:[231] »Auch hat der neue Sultan Mustapha das ganze Serail seines Vorgängers Selim bey genauer Untersuchung als Jungfrau befunden.« Nachher zu Reinhard, demselben den Krystall mit der Iris gezeigt. Zu Hause an meiner Landschaft illuminirt. Lebensbeschreibung des Joh. Albert Heinrich Reimarus von Dr. Veit gelesen. Später kam Regierungsrath Voigt vom Balle.

29. Früh am Schloßbrunnen, mit Oberhofprediger Reinhard: über Protestantismus, Katholicismus. Letzter Erlaß des Kaisers von Danzig aus, an die französischen Bischöfe, worin ein Dankfest verordnet wird, zugleich ein Gebet um Friede, damit er seine Plane, die Religion betreffend, ausführen könne. Nachher auf der Wiese spatzieren. Fürstin Bagration präsentirt. Beym Herzog zur Tafel; allein. In der Comödie: der Tyroler Wastel. Abends zu Hause mit Fritsch und Voigt.

30. Früh am Schloßbrunnen mit Bechtolsheim, dem Dresdner Reinhard und Resident Reinhard. Mit letzterem nach Hause, wo er mir den Brief an Villers vorlas. Nachricht von der Einnahme von Königsberg. Einge Briefe. An Hrn. Rath und Geh. Secretär Conta nach Wien. Mit Voigt ausgegangen und verschiedenes zusammengekauft, um es mit Voigt zu versenden. Mittags[232] bey Fritsch. Abends im Concert der Pixis. Nachher bey Reinhards. Einiges vorgelesen.


Quelle:
Goethes Werke. Weimarer Ausgabe, III. Abteilung, Bd. 3, S. 218-233.
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