August.

[85] 1. Waren Stromeyer und Haide abgegangen. Starker Regen. An Tischbeins Bildern dictirt. Dr. Heidler Gebirgsarten der nächsten Umgegend. Herr Geh. Legationsrath Conta. Graf Klebelsberg wegen der geologischen Karte, demselben ein Exemplar verehrt. Mittags am Familientische; Fürst von Taxis und einige andere Gäste. Sonnenschein und ziemlich klarer Himmel. Abends am Brunnen, mit Inspector Gradl über das Verhältniß ihrer Hochschule zu Pilsen; Abends Allgemeine Zeitung[85] durch Grafen Thierheim. – An meinen Sohn nach Weimar hiesige und Franzenbrunner Badelisten, Tagebuch und Bemerkungen.

2. Früh bedeutendes Gewitter und sonderbare Wolkenbildung. Tischbeins Zeichnungen commentirt. Xenien redigirt. Mittag am Familientisch, nachher bey Herrn von Helldorf; Herr von Beulwitz war angekommen. Abends bey'm Thee, Besuch Fürst von Taxis, Frau von Heygendorf.

3. Herr von Schütz von Carlsbad kommend. Wolkiger Himmel, schäfchenartig. Mit obigem Freunde in vielfacher Unterhaltung. Mittags am Familientisch; abermals mit Herrn von Schütz spazieren gegangen. Bey'm Fürsten Thurn und Taxis zum Thee, große Gesellschaft. Frau von Dürnberg, Fürstin Reuß u.s.w.

4. Gebadet, spazieren mit Herrn von Schütz. Frau von Levetzow und Klebelsberg besuchten mich, erstere den Boisseréeschen Steindruck zu sehen, letzterer mir die Granaten zeigend. Am Familientische. Zu Frau von Heygendorf. Mit Herrn von Schütz spazieren, bey Herrn von Lyncker: Parnassia palustris. Abends Ball im Hause; wobey gegenwärtig bis 10 Uhr.

5. Der Prälat von Töpl. Unterhaltung mit demselben; vorgezeigt die Kupfer und Steindrucke. Spazieren für mich bis zur Auschowitzer Quelle; mit dem Canonicus von Würzburg zurück. Mittag[86] Fürst von Taxis; Abends desselben Thee auf dem Hammerhof, von welchem ich mich entschuldigte. Abends am Brunnen, Hofrath Hamel, von Petersburg, der Prälat und andere. Vor dem Hause Thee getrunken; mit Fürst von Thurn und Taxis über alte Hof- und Weltgeschichten unterhalten. Von Schütz dramatische Wälder.

6. Wochenrechnung abgeschlossen. Getrunken, gebadet. Inspector Gradl mit den Professoren von Pilsen, Präfekt Steinhäuser, gebürtig von Tachau, und Professor Zauper; mit denselben spazieren gegangen, moralische, ästhetische und politische Unterhaltung. Mittags zu Tische, mit kleinerer Gesellschaft. NB. Nähere Nachricht von den gestern abgefahrenen und in der Nähe umgeworfenen Leipziger Damen. Bey dem stark besetzten und schwer bepackten Wagen ist, wie durch ein Wunder, niemand zu Schaden gekommen. Mit den Pilsner Freunden nach Tische nochmals spazieren gegangen; viel Vergnügen an ihrer Unterhaltung. Abends am Brunnen mit Conta, später vor der Thüre Gesellschaft; zeitig zu Bette.

7. Getrunken, gebadet. Heftiger Regen. Auf's Haus beschränkt. Von Fölkersahm besah die Steindrücke. Mittag kleinere Gesellschaft wegen Abgang mehrerer Mitgäste. Nach Tisch zu dictiren fortgefahren und über Tischbein und Marienbad. Abends bey'm Thee, wo manche neuangekommene Gäste[87] sich präsentiren ließen. Vorher am Brunnen mit Conta und anderen.

8. Brief an meinen Sohn abgeschlossen; an Serenissimum, zum Theil concipirt und mundirt. Zu Herrn von Beulwitz, ingleichen zu dem Fürst von Taxis, sodann zu Tische. Graf Gorcey, Frau und Schwester, als eingeladene Gäste. Zu den Granitbrüchen über der Apotheke. Abends bey'm Thee; Hofrath Hamel seine Eis- und Schneereise producirend. Dr. Wallich, Medicus von Wien, über ungarische und andere Bäder. Brief von meinem Sohn vom 5. August. – An meinen Sohn, Weimar.

9. Wegen des Regenwetters das Baden abermals ausgesetzt. An Serenissimum dictirt und mundirt. Tischbeinsche Zeichnungen abgeschlossen und zum Theil revidirt. Die im Hofe aus den Granitfelsen hervordringende Quellen beobachtet. Überlegung der Bauleute, wie solche zu fassen und zum Nutzen zu bringen. Legationsrath Conta, einige Feuerproducte der Krugfabrik bringend. Mittags am Familientisch, dann wieder auf dem Zimmer bis Abends, wo ich zur Theegesellschaft ging. Hofrath Hamel producirte ein seltsames Pariser Kunststück, wo derselbe Kupferstich größer und kleiner abgedruckt war. Die Art wie es geschieht ist noch ein Geheimniß.

10. Nicht gebadet. Relation an Serenissimum mundirt.[88] Meistentheils Collectanea notirt. Herr und Frau von Porsch besuchten mich. Zu Tische wie gewöhnlich. Fortgesetzte Geologie, Kalksteine von Wischkowitz. Abends am Brunnen, sodann zum Thee; der Flöteniste Sedlaczek blies. Großfürst Michael war angekommen.

11. Getrunken, gebadet. Billets von den Herrn der großfürstlichen Suite, Generalmajor d'Aledinskoy, Gardehauptmann de Harder. Mittag im Haus zu Tische; am Brunnen, kurz bey'm Thee. Studirte das morphologische Heft von Wilhelm von Schütz.

12. Getrunken, nicht gebadet. Kam Oberforstmeister von Fritsch. Unterhaltung mit demselben, vor dem Hause auf und ab spaziert. Besuchte mich Dr. Friedländer. Kam der Herzog von Gotha an. Die Heygendorfschen Kinder besahen bey mir die Steine; machte Bekanntschaft mit mehreren Personen, welche von Franzenbrunnen gekommen waren. Gräfin von Strachwitz, Abschied nehmend. Mittag bey Prinz Friedrich zur Tafel, Herzog von Gotha war zugegen. Abends am Brunnen den Prälaten gesprochen. Herzog von Gotha reiste wieder ab. Ich blieb für mich, las Calderons Tochter der Luft. Ball im Traiteurhause.

13. Kam der Bergmann von Dreyhacken, brachte verschiedene Mineralien, besonders ein paar schöne und merkwürdige Augiten. Getrunken, nicht gebadet. Vorbereitung zur Expedition für den Mittwochen.[89] Mineralien näher betrachtet. Dr. Heidler, über natürliche und künstliche Wärme der Mineralwasser. Am Haustische Frau von Heygendorf speiste mit und Hauptmann von Harder. Kurze Abhandlung über die Geologie von Marienbad. Abends am Brunnen, sodann zum Thee. Schütz zur Morphologie.

14. Vorgenanntes Heft nochmals durchgesehen. Hauptmann von Harder, meinem Wunsch gemäß, die Aufwartung bey'm Großfürsten bestimmend auf 11 und 1/4 Uhr. Herr Obrist von Lyncker kam mich abholend; indessen besuchte mich Geheime Rath Philippi von Berlin. Bey Großfürst Michael, mit Oberpräsident Zorboni, General Steinmetz und von Lyncker vorgestellt. Zu Tische. Hiesige Mineralien eingepackt, andere schematisirt. Abzusendendes überlegt und gefördert. Hatte früh den Inspector Gradl gesprochen, wegen der Sternwarte, im Stift. Abends Fürst von Taxis Anthraconit bringend. Mineral von seiner Herrschaft nächst dem Dorfe Strüch, bey Jung Bunzlau. Theegesellschaft. Musik. Sedlaczek spielte. Nachts Tochter der Luft.

15. Tochter der Luft. Varia rubricirt und die Schemata angedeutet. Mittag am Familientisch. Frau von Heygendorf und Kinder speisten mit. Nach Tische Dr. Heidler über verschiedne Krancke und Wirkung des Brunnens. Abends bey'm Thee;[90] einige Fremde. Briefe erhalten: von meinem Sohn, Riemer und Boisserée. – Brief an meinen Sohn nach Weimar. An Serenissimum, durch Frau von Heygendorf.

16. Vorbereitung verschiedener Ausarbeitungen. Mattoni's untaugliche Mineralien. Kreishauptmann von Pilsen, Herr von Breinl, eine Sendung von Zauper bringend. Bey schönem Sonnenschein spazieren gegangen; vorher verschiedenes dictirt. Mittag zu Tische. Nachmittag mehreres dictirt. Abends am Brunnen, zum Thee. Unterhaltung über verschiedene benachbarte Höhen, wo schöne Aussichten sind. Abschied von Frau von Heygendorf. – An Dr. Sulpiz Boisserée, den Aufsatz über den Cölnischen Dom. Den Kasten mit Gestein an die Brunnen-Expedition abgegeben.

17. Stufen von Przibram. Nochmaliger Abschied von Frau von Heygendorf. Bestimmung der Polhöhe des Stifts Töpel und Witterungstabelle für die drey letzten Monate, durch Herrn von Breinl. An verschiedenen Aufsätzen fortgeschrieben. Visite bei von Breinl und Cruyschenk, welcher zum Besuch von Franzensbrunn herübergefahren war. Zu Tische; nach Tische vor dem Hause bey leidlichem Wetter. Abends am Brunnen mit Conta. Verabredung wegen einer Fahrt in's Gebirge. Abends mit Herrn von Fölkersahm am Kamin[91] der Thee kam nicht zusammen. – Serenissimo gedachte Tabelle.

18. Erklärung des Versuchs vom 15ten. Einiges in die Collectanea, ingleichen an den Aufsätzen revidirt. Halb eilf Uhr nach dem Ferdinandsbrunnen. Major von Wartenberg daselbst gesprochen. Mittag zu Tische; mit der Gesellschaft spazieren gefahren nach der Krugfabrik. Auf den Chausséehaufen dorthin merkwürdige Mineralien. Abends vor der Thüre: Beschreibung der Salzwerke zu Wielizka. Nachts für mich.

19. Getrunken; Verschiedenes bedacht und dictirt, auch schematisirt. Taufe des Heidlerischen Kindes in der Capelle; Gevatter stand Großfürst Michael. Besuchte mich Hofrath Dorl und Herr von Münchhausen; ferner Herr von Lyncker und Conta; letzterer die morgende Parthie absagend; ersterer einladend zu einer Fahrt nach Töpel. Herr Geh. Rath Philippi. Kupferstecher Roßmäßler, bringend Abbildungen von Marienbad. Funks Schriften zweyter Theil. Zu Tische einiges an den concipirten Schriften; gegen Abend auf das Belvedere. Verabredung wegen der morgenden Fahrt. Ball im Traiteurhause des Nachts.

20. Früh aufgestanden. Erster vollkommen heitrer Tag. Um acht Uhr eine Fahrt begonnen, auf Hochdorf pp., besonders zu beschreiben. Um 11 Uhr zurück. Mineralogika. Von Harder und[92] Fölkersahm, die goldne Medaille von Syrakus vorzeigend. Zu Tische. Inspecktor Gradl wegen des Gypses. Funks zweyten Theil. Zu Tische. Erhielt nachher die goldne Medaille zum Abdruck. Abends am Brunnen. Unterhaltung mit dem Herrn Kreishauptm. über Marienbad. Desiderata et praestanda. Vor der Thüre mit der Gesellschaft. Sodann für mich.

21. Eben so schöner Morgen. Zeitig aufgestanden. Abdruck der Medaille, welche sogleich zurückgesendet wurde. Nach 9 Uhr abgefahren, mit der Troschke des Prälaten; auf der Chaussée, den Ham merhof rechts lassend, bis zur Flaschenfabrik gefahren; sodann weiter, vorbey an dem großen Teich, auch diesen rechts lassend; so gelangte man bis Bissan und Unter-Gramling, an eine Schlucht, die in's Gebirge führt. In dieser, wo zusammenrinnende Bäche Schneide-Mühlen treiben, beschwerlich fortgefahren; sodann noch beschwerlicheren Stieg, einen Gneisberg hinauf, zurücklegend. Oben gelangt man nach Mischkowitz, wo die Kalkbrüche sind, welche die ganze Gegend versehen. Von dem brauchbaren Kalk und dessen Übergängen in's Nebengestein einiges abgestuft; sodann auf der verflächten Höhe, zwischen Fruchtfeldern zum Stifte Töpel. Vom Prälaten freundlichst empfangen. Große Gesellschaft von Marienbad getroffen; gute Tafel, Unterhaltung mit dem[93] mir gegenübersitzenden Prälaten, über mancherley feiner geistlichen und weltlichen Verhältnisse. Nach dem Kaffee wiederholter Anblick des freundlichen Gebäudes. Die Gesellschaft wurde überall umher geführt. Sitzungszimmer, Kirche, Sommer- und Winterspeisesäle, in deren ersteren wir auch die übrigen Geistlichen fanden, Garderobe, und zuletzt Naturalien- und Kunstcabinet, welches, obgleich nur im Anfange, doch manches Schätzenswerthe besitzt. Wir schieden um 3 1/2 Uhr, nachdem noch die meteorologischen Bemerkungen der drey letzten auffallenden Tage mir erbeten hatte.

Der Gipfel des Bergs Podhora blieb uns links; ein sehr schlimmer Waldweg über den ablaufenden Rücken desselben hielt uns auf; doch wurden wir dadurch belohnt, daß wir unvermuthet Basalt fanden. Wir gelangten also über Ober-Gramling und Aboschin, aus der Region der Töpel und Eger, in die Region der Beraun. Und so haben die beyden Tage, gestern und heut, mehr für die Kenntniß des Landes geleistet als die vergangenen drey Wochen. Die erbeuteten Mineralien werden auch noch numerirt, eingepackt und fortgesendet. Will das gute Glück so fügt sich eine treffliche Fischtafel hinzu.

22. Schauspielkunst von Ziegler; Betrachtungen darüber und Schema. Geschichte von Böhmen, ingleichen Topographie; Wiederholung der gestrigen[94] und vorgestrigen Tour und Notamina deshalb. Mittag am Familientisch. Abends am Brunnen, Unterhaltung mit Großfürst Michael. Stadelmann Pechstein holend. Abends bey'm Thee. Brief an meinem Sohn und mancherley Inlagen. – Brief an meinen Sohn.

23. Sendete Dr. Heidler Spießglanzstufen. Der Harz, in Kefersteins erstem Heft. Betrachtung über die Pechsteine; entdeckte Pyramidale Gestalt derselben. Sendung von Zauper. Vor der Thüre; abermals das schönste Wetter. Zaupers Heft, im Walde, sodann im Zimmer gelesen. Unterhaltung mit Richter über Böhmische Nahmen. Sendung von Rokizan durch den Herrn Kreishauptm. Obr. v. Harder Amethyste vorzeigend. Mittag zu Tische. Kam von Berlin ...... Am Brunnen Unterhaltung mit Grosf. Michael. Stadelmann zurück, abermals mit Pechsteinen. Abends große Gesellschaft zum Thee.

24. Sendung von Mineralien aus Töpl, durch Dr. Scheu, welcher mir zugleich die Aushängebogen seines Wercks über Kranckheitsanlagen des Menschen brachte. Darauf Comm. Richter. Böhmische Sprache, Ortschaftsnahmen übersetzt; Censur, Schul-Unterricht. Polizeyliche Einrichtungen. Mineralien eingepackt. (Dr. Scheu, schädlicher Einfluß der Säuerlinge auf das Volck, welche alles reine Wasser verschmähen, das eisenhaltige[95] mit Begierde trincken und beyde Geschlechter dadurch Hämorrhoidal-Beschwerden sich zuziehen. Die Weiber, durch Menstruation erleichtert, sind alle sehnsüchtig, zärtlich, religiös.

Alle Knaben, den weißen Prämonstratenser Rock im Auge habend, bilden sich emsig um bey'm Examen nach und nach herauf zu kommen.) Mittag am Familientisch, Abends am Brunnen. War der Wagen von Eger angekommen.

25. War der Großfürst Michael abgegangen. Mit Einpacken beschäftigt. Abschied von der Familie und den Hausgenossen. Abgefahren um 12 1/2 Uhr, sehr guten Weg getroffen. In Sandau einen Berliner Herrn Weiß; der Weginspector Schneider, einige Stücke Terpentin von Einsiedel. Der Himmel rings umzogen mit Cumulus und Dunst, über dem Fichtelgebirg eine Reihe Cumulus, die unmittelbar vor sich herabregneten. Um 6 Uhr in Eger. Polizeyrath Grüner. Mit demselben nach Franzenbrunn. Gräfin Henkel und Herrn von Stein aus Breslau besucht. Zurück um 9 Uhr. Einladungsbrief des Grafen Auersperg. – Zwey Kisten mit Mineralien an die Brunnenexpedition gegeben, um selbige nach Weimar zu senden.

26. St. Vincenztag, großes Fest in Eger.

Früh aufgestanden. Den Entschluß der Einladung nach Hartenberg zu folgen dem Polizeyrath Grüner erklärt; mit demselben auf den Ring und in die Hauptkirche gegangen; die Stadt sehr[96] lebhaft, die Prozessionen von neun Pfarreyen mit ihren untergeordneten Ortschaften zogen von 7 Uhr an einzeln in die Stadt, in die Hauptkirche, von wo aus um 10 Uhr die große Prozession ausging.

In langen Reihen, erst die Schulmädchen, dann die Schulknaben, ferner die Gymnasiasten, darauf die Handwerker mit ihren Fahnen, die Schützencompagnie, die Geistlichkeit, auch Mönche, zuletzt der Dechant, welcher den mit Perlen und Edelsteinen eingehüllten Schädel des heiligen Vinzenz trug, sodann der Rath und Honorationen. Zuletzt ein Schwall von Männern, alle Dorfschaften waren zusammen geschmolzen, Sowie zuletzt auch ein gleicher Strom von Weibern, den Kopf meistentheils mit einer seltsam geknüpften Serviette ausgeputzt. Dieses allgemeine Volks- und Stadtfest war vom schönsten Sonnenschein begünstigt. Drohende Cumulus zogen zwar vorüber.

Vor allem wäre zu sagen gewesen, daß Eger einen der schönsten Marktplätze hat, der Ring genannt, zwar ansteigend, aber durchaus mit schönen Gebäuden umgeben. An der einen Seite dieses Platzes zog die Prozession herauf, verlor sich in anstoßende Straßen, kam aber unten wieder hervor, um den ganzen Raum zu umgehen, welches sich sehr gut ausnahm.

[97] Nachdem alles auseinander gegangen, blieb die Menge noch truppweis stehen, versammelte sich aber besonders um die Wagen voll Birnen, welche, von Bareuth und aus dem Saatzer Kreis her, zu diesem Feste gekommen waren. Ich habe nicht leicht so lustig einbeißen sehn, die kaum gekauften Birn wurden auf der Stelle verzehrt.

Gegen 1 Uhr trübte sich der Himmel, nach einigen Regenschauern befestigte das Gewölk sich wieder. Ich fuhr mit Rath Grüner nach Liebenstein, den Herrn von Zedtwitz gehörig, wo ich freylich alles anders fand als vor 10 Jahren. Der gegenwärtige Besitzer hat völlig eingehen lassen, was der vorige, gar sinnig, in einer sehr bedeutenden, durch Fels und Wald ansehnlichen, durch Teich und Mühlen wiederbelebten Einöde an der bayrischen Grenze, eingerichtet und mehrere Jahre gehegt hatte.

Von unsern mineralogischen Zwecken erreichten wir nur schöne große Feldspat-Zwillingscrystallen, tafelartiger als die Carlsbader. Die Felsenmassen umher sind alle Granit. Unsere Fahrt, durch schlimmen Weg verspätet, durch Gewitter bedroht, mußte leider allzufrüh abgebrochen werden; vor Nachts kamen wir eben nach Hause.

27. Den Morgen mit der Expedition nach Weimar zugebracht: Brief an meinen Sohn. Das Barometer war gestiegen. Auf eine kalte Nacht folgte[98] ein leichter Sprühregen, der Himmel zwar bewölkt, doch trocknes Wetter versprechend. Wir bereiteten uns zur Fahrt nach Hartenberg, wozu uns das schöne Wetter sehr günstig ist. Der gute Herr von Stein suchte mich gestern hier, leider war ich ausgeflogen. Morgen Abend komme ich von Hartenberg zurück, fahre gleich übermorgen nach Franzenbrunn und hoffe ihn noch zu finden. Laßt seiner Frau Mutter wissen: daß ich ihn wohl munter gesehn habe. Frau Gräfin Henkel wünsche auch noch zu treffen, von allem nächstens.

Nach Tisch um 3 Uhr Weggefahren und auf gutem Wege 6 1/2 Uhr in Hartenberg angelangt. Der erste Anblick, von einer gewissen Höhe herunter, ist überraschend. Das Schloß liegt, alterthümlich, aus Haupt-, An- und Nebengebäuden, Altanen und Galerien, Thürmen und Thürmchen, Mauern und Höfen verschiedener Art zusammengesetzt, auf einem vorspringenden Felsen, da wo drey Thäler zusammentreffen, drey Wasser sich vereinigen, wovon das größte, die Zwotau, ruhig tiefunten vorbey fließt. Denke man sich nun uralte Rüstern (Ilmen) sich fast zur Höhe des Schlosses erheben und von unten herauf einen Wald bilden; so hat man schon ein interessantes Gemälde. Der Hintergrund wohlbestandene Fichtenberge und doch an der einen Seite gleich wieder[99] Ackerbau. So sieht man denn auch zur Seite hinab fahrbare Wege, die drüben wieder herauf kommen, wohnbare Häuser im Thale, rechts wieder Wald und Gebirg. Nothwendig wäre eine Zeichnung, die mit einem Blick alles klar machte, was mit keinen Worten zu vergegenwärtigen ist.

Wir fuhren über eine künstliche Landenge zum Schloß, der Graf empfing uns an der Thüre und geleitete uns viele Treppen hinauf. Das Innere ist nach dem Tod seiner Mutter gar wöhnlich und freundlich eingerichtet. Die Unterhaltung war sehr erfreulich. Der Graf ein schöner, wohlgestalteter Mann von freyem, treuherzigem Anstand; er hat fünf und zwanzig Jahre höhere Stellen im Rechtsfache begleitet und lebt jetzt der Verwaltung seiner bedeutenden Herrschaft, welche 7000 Seelen fassen mag. Zugleich ist böhmische Geschichte sein ernstes anhaltendes Studium. Über diesen doppelten Gegenstand leitete sich sogleich ein belehrendes Gespräch ein, bis man zum Abendessen ging, wo sich zwey ältere hausverwandte Damen, ein Sohn des Grafen und ein Herr von Spiegel von Kirchenbirg einfanden. Als ich nach aufgehobener Tafel mich etwas frühzeitig entfernen wollte, lud man mich freundlich ein zu bleiben und in dem Augenblicke krachten die Vorboten eines Feuerwerks[100] auf dem gegenüberstehenden Berge, allerley Luftfeuer stiegen hier aus und brachten, indem Sie sich unvermuthet in der Tiefe wiederspiegelten, einen stillen Teich zur Evidenz, der in der Finsterniß verborgen gelegen. Der allerhellste Sternhimmel, welcher nur durch augenblickliches irdisches Feuer verdunkelt wurde, ließ auch einige Meteore fallend niederleuchten, ein abermaliges Krachen, das in den Gebirgen wiederschmetterte, verkündigte den Schluß und die Einleitung auf morgen war mit wenigen herzlichen Worten gegeben.

28. Einige Stunden in die Nacht so wie die ersten des Morgens brachte ich zu, ältere böhmische Schriftsteller, die ich vorfand, zu lesen. Alsdann hielt man den Umgang des Schlosses, bergab bergauf einen sehr gelinden Fahrweg, betrachtete die am Thalende liegende Brauerey, stieg dann wieder und beschaute das Schloß von einer andern Seite, sodann führten sehr bequeme Fußwege hinab an den Teich, dann wieder hinauf und zwar so, daß man durch einen wohlbestandenen alten Fichtenwald endlich von der Rückseite durch eine andere Pforte in das Schloß gelangte, wo in einem kleinen Felsgärtchen eine anmuthige Nelkenflor noch munter genug in Blüthe stand.

Mittag die Hausgenossen, bestehend aus zwey bejahrten Damen und einem schon bediensteten[101] Sohne, sodann bedeutende Gesellschaft aus der Nähe von Gutsbesitzern, Staatsdienern und Geistlichen. Die Tafel mit Blumen und Zuckerpyramiden geschmückt, alles so wie das gestrige Feuerwerk im Schlosse verfertigt. Gute Weine, zuletzt bey'm Champagner unter Feuerwerkkrachen meine Gesundheit, ein Kranz und ein kleines Gedicht, alles mit herzlicher Natürlichkeit und aufrichtigem Wohlwollen.

Abends allein mit der Familie; nur ein Gast war geblieben, Herr von Spiegel von Kirchenbirg über Falkenau. Der Graf führte uns im Schlosse umher, zeigte das Mineralien-Cabinet, die Büchersammlung u.s.w. Im zweyten Stocke einen weiten breiten viereckigen Saal, wo ich mich, ob er gleich jetzt zu öconomischen Zwecken benutzt wird, an die Tanzlustigen zu denken nicht enthalten konnte.

Die Herrschaft Hartenberg enthält 7 bis 8000 Einwohner, 2 Flecken, mehrere Dorfschaften und Bleystadt, ein jetzt nicht mehr ergiebiges Bergwerk, Glashütten, wo nur Fenstertafeln gefertigt werden, die Revenüen aus den starken, wohlgehegten Waldungen und der Bierbrauerey ansehnlich, auch ohngeachtet der Berghöhe recht schönen Feldbau. Die Zwotau scheidet diese Herrschaft von den Besitzungen der Grafen Nostitz. Der Graf hat 25 Jahre ansehnliche[102] Posten im Staate begleitet und ist etwa in Fünfzigen.

29. Belehrende Unterhaltung mit dem freundlichen Wirthe. Abgefahren 8 1/2 Uhr, vollkommen schöner Weg, kühles Wetter. Um 11 1/2 Uhr in Eger. Mittag für mich. Gegen Abend nach Franzenbrunn. Leider war Frau Gräfin von Henkel schon abgefahren; besuchte Herrn von Stein, sah dessen Tochter. 7 1/4 Uhr wieder in Eger. Am Tagebuch umständlich dictirt.

30. Sehr schönes Wetter, Ostwind. Wir gingen eine alte verödete Judensynagoge zu sehn, merkwürdig wegen hebräischen Inschriften, sodann auf das Schloß, wo der jetzige Platzcommandant, dem der Genuß gehört, durch Anlegung von Küch- und Blumengärtchen, unschuldig auf- und absteigenden wegen und natürlich-artigen Lauben, das Innere des Hofes sehr erheitert hat. Wie denn auch die sogenannte Tempelherrncapelle, obgleich innerlich sehr verletzt, doch so reinlich als möglich gehalten war. Wir stiegen auf das Dach und erfreuten uns der herrlichsten Aussicht, bey hellstem Sonnenschein. Von dem alten schwarzen Thurme spreche ich zuletzt; er bleibt doch der Anfang und das Ende. Ich wüßte nichts einfacher-größeres von dieser Art. Mir ist er gewiß römisch, so etwas setzt einen großen Kunstbegriff voraus.[103]

Die übrigen Stunden Vor- und Nachmittag brachte ich mit böhmischer Geschichte und Sprache zu. Abends bey Herrn Huß, welcher die Sammlung alter Wappen egerischer Geschlechter, von Grabmälern, Kirchenschildchen, Chroniken und Münzen pp. mit der Feder sauber gezeichnet und heraldisch ausgemalt hat. Ferner wies er Zeichnung und Beschreibung aller Burgen des Egerlandes vor, wie sie stehen, entweder erhalten oder ruinirt.

Sodann machte ich mit Herrn Rath Grüner noch einen Spaziergang an der Eger, in einem wundersam schönen Thale, ferner um einen Theil der Stadt, zum Oberthor herein.

Zu bemerken ist, daß Kefersteins zweytes Heft, von Seiten des Industriecomptoirs, heute an mich gelangte.

31. Stadelmann druckte die hebräische Inschrift in Thon ab. Ich beschäftigte mich mit böhmischer Geschichte und Sprache. Ordnung der bisherigen Papiere. Das Wetter war nicht günstig. Kefersteins zweytes Heft. Mittag für mich, sodann Rath Grüner und Herr von Stein. Unterhaltung über die vorseyende Statue Blüchers und über die Retardationen dieses Geschäftes. Abends Rath Grüner. Schöne Blätter in Sandstein, von Altsattel. Über böhmische Verhältnisse, besonders Schulen, Universitäten und Unterricht überhaupt.[104] Ingleichen über die bevorstehenden besondern Prüfungen des hiesigen Gymnasiums.


Quelle:
Goethes Werke. Weimarer Ausgabe, III. Abteilung, Bd. 8, S. 85-105.
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