Erster Auftritt.

[51] Nathan. Tobis. Jeremis. Jobst. Michel. Lukas. Bauern. Fikfak. Greif. In der Bude.

Nathan springt über das Theater; Tobis hinkt hinter ihm an; die übrigen wollen auch nach; Lukas sucht sie zurückzuhalten; Fikfak schleicht herbey, und lauscht vom weiten.

Tumultgesang.


TOBIS.

Dort lief er hin.

LUKAS.

Ey, laßt ihn gehn!

JEREMIS.

Er ist der Dieb.[51]

JOBST

Ich hab's gesehn.

TOBIS bringt Nathan geschleppt.

Hier ist der Dieb!

LUKAS nathan defreyend.

Ey, laßt ihn gehn!

MICHEL.

Er hat's, er hat's.

LUKAS.

Ey, laßt ihn gehn!

TOBIS, JEREMIS, JOBST, MICHEL Zusammen.

Schlagt Arm und Bein dem Schelm entzwey!

NATHAN.

Auweih! auweih!

LUKAS zu Nathan.

Sey nur getrost! ich steh dir bey.

NATHAN. Ey mey! Ihr Leut, habt doch Gerechtigkeit mit einem ehrlichen Jud. Ist das ein Spektakel und ein Rumor! Das hab' ich mein Tage nit gesehn und nit gehört. Was wollt[52] ihr? Wo soll ich's denn haben hingethan? Ein ganz Stück Kattun ist doch kein Pfeifenstiel, den man kann stecken beyseite. Denkt doch an!

LUKAS sich vor ihn stellend. Halt dich nur zu mir, Mauschel.

TOBIS. Den Pelz auf! Da steckts! Seht ihr wohl? Da steckts!

NATHAN. Was? Hör mir einer an die Streiche! Ist das doch nur mein Brustlatz. Hab' ich müssen vormachen ein Küssen, weil ich hab' den Husten gar sehr. Bey meinem Leben! der Hals war mir doch heint Morgen, wie zugeschnürt.

TOBIS. Warte! wir wollen dir ihn anders zuschnüren, wenn du's nicht 'raus giebst.

JEREMIS UND JOBST. Raus damit! 'raus! Wollen über ihn her.

LUKAS dazwischen tretend. Aber ihr hört ja, daß er's nicht hat, ihr Buben.

TOBIS. Ih Lukas, du wirst dich doch nicht eines Diebes annehmen? – Er stiehlt wie ein Rabe. – Er hat's – Ich seh' ja, daß er's hat –

JEREMIS UND JOBST. Freylich hat er's.[53]

LUKAS. Ich will nun aber nicht, daß er's haben soll – Ich laß ihm nichts zu Leide thun, das sag' ich euch – Drohend. Der erste, der ihm zu nahe kömmt –

TOBIS den Kopf schüttelnd. Ueber den Lukas! – Kommt nur, ihr Leute! – Laßt ihn gehn! – Lukas hat heute seinen Kopf auf.

JEREMIS. Wir wollen dem Hebräer schon beykommen.

TOBIS. Ich trag's ihm so noch nach, daß er mich mit dem Hosenzeuge beschummelt hat –

JEREMIS. Und mich mit dem halbseidenen Halstuch –

MICHEL. Und mir hat er neulich einen Rock abgeschachert, und soll mir das Geld noch bringen. Man hört eine Trommel; Ein Ausrufer, Hannswurstartig gekleidet, erscheint mit der Trommel, und geht über das Theater, indem er ausruft: Heh! Allhier ist angekommen, und logirt im schwarzen Bär der weltberühmte Tausendkünstler Giovanne Macaroni, item der Hochgelahrte Doktor Amadeus[54] Quinola, Seiner allerchristlichen Majestät etc.

DIE BAUERN unterbrechen sein Geschrey durch das ihrige. Was zu sehen! Was zu lachen! im schwarzen Bären! Laufen alle nach, so daß der Hintergrund des Theaters in den folgenden Scenen leer bleibt.

NATHAN. Uff! Das ist mir ein Bauernvolk! Erst wollen sie prügeln einen armen Jud, weil sie ihn halten für einen Schelm, und dann tragen die Narren ihr Geld zu einem Preller, weil er ist privilegirt. An den Kirschleber Markt soll ich denken, so lang' ich hab' ein Haar auf meiner Scheitel. Zu Lukas. Dank dem Herrn, daß er sich so hat angenommen meiner Unschuld! Kann ich dem Herrn wieder dienen, will ich's auch thun. Da hab' ich ein Paar schöne Kamaschen; rar sind sie; sie kosten mich, so wahr ich lebe, meine baare zwey Gulden. Aber dem Herrn will ich sie lassen für einen halben. Nu?

LUKAS. Nein, Kerl, so haben wir nicht gewettet.[55] Du bist der Dieb, du hast's. Todtschlagen wollt' ich dich nicht lassen, aber ungestraft sollst du auch nicht wegkommen. Prügelt ihn.

NATHAN schreyend. Auweih! Auweih! Für was schlagt ihr mich? Bin ich doch unschuldig, als ein kleines Kind: weiß es der Himmel! Ueber dem Bestreben, sich loszureißen, fährt der Pelz auf, und das Stück Kattun fällt zur Erde.

LUKAS wirft den Stock weg. Da lag die liebe Unschuld! Reiß aus, Spitzbube! Laß dich nicht wieder auf dem Kirschleber Markt blicken, oder ich bin der erste, der dich todtschlägt.

NATHAN beschämt. Was soll ich thun? Nu! ich will gehen weg, will lassen den Kattun im Stiche. Bring mich der Herr nur nicht um meine Kundschaft. Aber ich will nicht heißen Nathan, wenn's nicht ist mein Kattun.

LUKAS hebt den Kattun auf, und trägt ihn in eine Bude. Da, junge Frau, bringe sie einmal den Kattun dem Kaufmann wieder. Er sitzt oben am Amthause. Sage sie nur, Lukas Stark hätt' ihn dem Dieb abgejagt.[56]

NATHAN schleicht indessen zu Fikfak. Hat der Herr nicht etwas zu schachern?

FIKFAK seinen Stock aufhebend. Ih du Teufels-Nathan!

NATHAN springt bey Seite, findet den neuen Hut, welcher auf dem Theater liegen geblieben ist, vor sich. Was ist das? Ein Hut! noch nagelneu! noch gar nicht auf dem Kopf gewest! Versteckt ihn, und reißt aus.


Quelle:
Georg Anton Benda: Der Dorfjahrmarkt. Leipzig 1778, S. 51-57.
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