Zweyter Auftritt.

[57] Lukas. Fikfak. Greif in der Bude.


FIKFAK näher tretend. Brav, Lukas, brav! Gebt mir die Hand! Ihr seyd der rechtschaffenste Kerl, den ich kenne.

LUKAS. Guten Tag, Herr Fikfak. Wo kömmt Er her?

FIKFAK. Da hab' ich gestanden, und mit Bewunderung zugesehen, Ey, Herr Lukas, auf die Motion schmeckt ein guter Trunk. Mit Gunst, heute muß ich ihn traktiren. Wir haben schon[57] mancher Flasche Wein zusammen den Hals gebrochen; aber heute muß ich ihn traktiren.

LUKAS. Ich danke, Herr, ich kann unmöglich trinken, habe mich heute zu viel geärgert.

FIKFAK. Possen! Wenn ich mich mit meiner Frau gezankt habe, schmeckt's immer am besten. An die Trinkbude gehend. He, Herr Greif! Ihr Diener!

GREIF. Ergebener Diener, Herr Fikfak! Was steht zu Befehl?

FIKFAK. Laß er uns doch ein Tischchen und ein paar Stühle hersetzen!

GREIF. Zu Befehl! sogleich! Indem er einen Stuhl herausbringt. Belieben Sie auch zu trinken, Herr Fikfak?

FIKFAK. Ein Glas Wasser.

GREIF will den Stuhl wieder zurücktragen. Wasser? Damit kann ich nicht aufwarten.

FIKFAK. Nun, so sey's Wein:

GREIF. Zu Befehl! Vom besten! Den Augenblick!

FIKFAK indem Greif nebst einem Jungen das Verlangte[58] anschleppt. Was macht die Frau, Herr Greif? Liegt sie wieder in Wochen?

GREIF. Zu Befehl, Herr Fikfak.

FIKFAK. Wird wohl das zehntemal seyn?

GREIF. Zu Befehl. Ungefähr.

FIKFAK. Das heißt Segen, Herr Greif.

GREIF. Armer Leute Segen, Herr Fikfak. Muß mir's halter gefallen lassen.

FIKFAK zu Lukas. Setzt euch, Herr, und trinkt auf meine Verantwortung. Es wird euch nicht schaden. Schenkt ein.

LUKAS sich setzend. Mags doch! So kömmt man von der dummen vertrackten Welt. Lieber heut als morgen! Trinkt.

FIKFAK. Ey was! Die Welt ist ja so schön –

LUKAS. Ach, Herr, ich bin heute so desperat –

FIKFAK einschenkend. Nur brav von dieser Arzney eingenommen!

LUKAS trinkend. Trunk auf Zorn ist Gift.

FIKFAK. Ich kann vom Gegentheile zeugen.[59]

LUKAS. Hör' er, Herr Fikfak, er ist ein wackrer Mann – aber sein Lieutenant ist ein –

FIKFAK ihm schnell den Mund zuhaltend. Sachte, sachte, Herr Lukas! wenn man's hörte!

LUKAS. Ey, ich frage den Henker darnach. Sag' er ihm nur, ich hätt's gesagt, ich.

FIKFAK. So etwas sollt' ich auf meinem Lieutenant sitzen lassen? Dankt dem Himmel, daß ihr's seyd, Lukas. Für euch hab' ich zu viel Freundschaft. Ich will thun, als hätt' ich's nicht gehört. Aber verschont mich mit solchen Reden. Einschenkend. Hübsch aufgeräumt! Stoßt an! Alle hübsche Mädchen!

LUKAS nimmt das volle Glas, und wirft es an den Boden. Ich hätte den Teufel davon!

FIKFAK. Nicht doch! Rufend. Heh, Herr Greif, ein anderes Glas! Man bringt ein Glas.

LUKAS. Die Memmen von Bauern! warum schlugen sie denn nicht zu? Ich hätte mich so gern herumgeprügelt. Warum schlugen sie auch nicht zu?

FIKFAK. Pfuy, Herr! Was kömmt aus solchen[60] Prügeleyen heraus? Wer Kourage hat, muß nicht unter den Bauern bleiben. Da ist sie am unrechten Orte.

LUKAS. Ja, ich bin auch heute so desperat, so rappelköpsisch – daß ich gleich Soldat werden möchte. Trinkt hastig.

FIKFAK. Ihr, Lukas? Ihr? Nein, für euch wäre das keine Sache.

LUKAS. Warum nicht, Herr? Meynt er nicht, daß ich mich so gut zum Soldaten schicke, als er?

FIKFAK. Ey was! Einschenkend. Wer so warm sitzt, als ihr, wird auch dem Kalbsfelle nachlaufen? Wo könnt ihr's denn in der Welt besser treffen? Habt ein feines Gütchen und ein feines Mädchen –

LUKAS aufschreyend und stampfend. Ein freches, nichtsnutziges Ding!

FIKFAK stellt sich erstaunt. Wie? was?

LUKAS wild. Da stand sie, und spielte des Ohrfeigens mit ihm, und gab ihm für jede Ohrfeige einen Kuß?

FIKFAK. Wem denn?[61]

LUKAS. Stille davon, Herr, wenn er mich nicht rasend machen will! Trinkt hastig.

FIKFAK. Nu, nu! Trinkend. Ich weiß vielleicht mehr, als ihr mir sagen könnt, guter Freund.

LUKAS die Ellbogen auf den Tisch gestützt. Mehr als ich? Was weiß der Herr? Ich will's auch wissen.

FIKFAK. Daß ich euch noch mehr in Harnisch brächte!

LUKAS mit verbissener Wuth. Nur heraus damit! ich bin völlig, völlig bey kaltem Blute. Trinkt.

FIKFAK. Ich wundere mich, daß ihr nicht eher hinter die Schliche gekommen seyd. Ich hatte den Herrn Lieutenant gewarnt –

LUKAS. Und ich der Kreatur verboten, sich mit ihm gemein zu machen.

FIKFAK. Mädchen ist Mädchen. Nehmt euch ein anderes.

LUKAS. Eh wollt' ich – Springt auf. Ich[62] bin – Herr, wenn er mich brauchen kann, ich bin da.

FIKFAK. Hoho! Mit dem Brauchen hat's gute Wege. Setzt euch, Lukas! Brauchen? Ich muß lachen. Nach einem so hübschen und noch mehr so braven Purschen liefe sich unser einer wohl die Beine ab.

LUKAS sich setzend. Mein Seel, Herr, wenn er den verwünschten Lieutenant nicht hätte –

FIKFAK. Was Lieutenant? den ließen wir Lieutenant seyn. Ich brächt' euch morgen mit dem Transporte nach der Hauptstadt, und dort kämt ihr zu einem andern Regimente.

LUKAS hämisch. Und Bärbe kriegte zeitlebens keinen Mann? nicht wahr?

FIKFAK. Sehr vermuthlich. Die arme Tröpsinn!

LUKAS wie vorhin. Bliebe sitzen – wäre beschimpft – würde von den Jungen ausgezischt, wenn sie in die Kirche gienge – Auf den Tisch schlagend. Ihr zum Schur, Herr, werb' er mich an![63]

FIKFAK warnend. Lukas, bedenkt, was ihr sagt! Mit mir ist in diesem Stücke nicht zu spasen.

LUKAS. Herr, es ist Ernst; Ernst sag' ich ihm.

FIKFAK. Schier möcht' ich euch beym Worte nehmen. Doch nein – ich kann's nicht über's Herz bringen. Wenn's euch morgen gereute –

LUKAS. Denkt der Herr, daß ich besoffen bin? Es wird mich nicht gereuen, es soll mich nicht gereuen.

FIKFAK aufstehend. Ih, wenn ihr's denn durchaus so haben wollt – Heh da, Herr Greif!

GREIF. Zu Befehl! von welcher Sorte?

FIKFAK. Haben Sie's gehört? Ein neuer Rekrute! Er hat sich selbst bey mir angegeben. Haben Sie's gehört?

GREIF. So, Herr Fikfak? Das gesteh' ich. Gratulire, gratulire. Befehlen Sie nicht noch eine Flasche?

FIKFAK. Immerhin. Greif bringt eine Flasche. Allons, Kamerad! gute Brüderschaft![64]

LUKAS. Von Herzen. Sie trinken und küssen sich.

FIKFAK. Nun sollst du auch die Ehre haben, des Königs Hut zu tragen. Her mit deinem Deckel! Sie wechseln die Hüte. Herr Wirth, sehn Sie einmal, wie dem Herrn der Montirungshut steht!

GREIF. Vortreflich! recht martialisch!

FIKFAK. Ja, Lukas wird ein ganzer Kerl. Deß bin ich Bürge. In zehn Jahren hat er uns alle übersprungen.

LUKAS. In zehn Jahren? Wer weiß, in welchem Loch ich da liege!

FIKFAK. Dacht' auch so, Kamerad. Der Geyer hole! bey der ersten Affaire war mir's nicht anders, als ob mich der Leibhaftige beym Schopfe hätte. Aber nun – ob's zur Bataille geht, oder zum Bier, es gilt mir gleich. Prosit, Herr Bruder! Sie trinken.


Anfangs wird das Herzchen dir pochen.

Laß es pochen, junges Blut![65]

Doch wer einmal Pulver gerochen,

Kriegt flugs, wie ein Löwe, Muth.


Bey schmetternden Trompeten,

Bey wirbelnden Trommeln,

Bey rollenden Paulen,

Bey donnernden Karthaunen,

Wird das Herzchen anfangs dir pochen.

Laß es pochen, junges Blut!

Doch wer einmal Pulver gerochen,

Kriegt flugs, wie ein Löwe, Muth.

Sapperment, Bruder! Wenn alle Kugeln träfen, möchte der Henker Soldat seyn.

LUKAS indessen aus der Hitze in Schwermuth gesunken. Laß sie treffen, Kamerad! Wie gesagt; ich bin des Lebens überdrüßig.

FIKFAK. Fang erst an, es zu genießen!

LUKAS. Für mich ist nichts mehr auf der Welt.

FIKFAK. Das wäre!

LUKAS. Du weißt nicht, wie mir um's Herz ist. Ich lebte so zufrieden, als ein König, und[66] kein König hätte mich aus unserm Dörfchen herausgelockt. Auf Martini wollten wir Hochzeit machen. –


Ach, ich liebte sie so zärtlich!

Ach, mein ganzes Glück war sie!

Und ich will mich von ihr trennen?

Und ich sollte leben können?

Leben können, ohne sie? –

FIKFAK. Schäme dich, Kamerad! Nachdem sie dir so schlecht mitgespielt hat!

LUKAS. Ob sie mich wohl vermißt? Ob sie wohl ihre Aufführung berent?

FIKFAK. Das wird sie, die Hexe, wenn du als Hauptmann oder Rittmeister wiederkömmst, deine Mutter zu besuchen.

LUKAS. Geh doch! Hab' mich nicht zum Besten! Ein einfältiger Bauer – Hauptmann oder Rittmeister?

FIKFAK. Wärst du der erste? Wie mancher hat's bis zum Obristen gebracht! Jugend und Kourage –

LUKAS. An Kourage soll's nicht fehlen, Kamerad,[67] das schwör' ich dir. Ich habe so viel Ehre im Leibe, als einer.

FIKFAK. Glück muß freylich auch dabey seyn, und damit ist's wunderlich bestellt. Den einen sucht's, den andern flieht's. Hätt' ein Anderer die Hälfte von dem gethan, was ich gethan habe – Puh!

LUKAS ihn feurig umarmend. Ach, Kamerad! es wird mir schon allmälich besser. Die Ehre! die Ehre! Es ist doch eine schöne Sache um die Ehre.

FIKFAK. Ließen wir uns sonst dafür todt schiesen? Aufstehend. Aber laß uns die Flasche ausleeren, Kamerad. Wir müssen zur Stadt, eh' es Nacht wird.

LUKAS. Ohne von der Mutter Abschied zu nehmen?

FIKFAK. Soll sie dir das Herz schwer machen? Hier sind funfzig Thaler, dein Handgeld. Laß ihr die Hälfte davon zurück. Das ist der beste Abschied.

LUKAS. Auch das.[68]

FIKFAK. Herr Greif!

GREIF. Noch eine? Den Augenblick.

FIKFAK. Uebermorgen.

GREIF. Was befehlen Sie sonst?

FIKFAK. Er hat gehört, daß ich dem Kameraden hier funfzig Thaler Handgeld gegeben habe?

GREIF. Ich wünsche, daß er sie gesund verzehren möge. Alles, was ich habe, steht zu Diensten: Weine, gebrannte Wasser, Kaffee, Schokolade, Bratwürste, Servelatwürste, Kringel, Waffelkuchen, etcetera, etcetera.


Quelle:
Georg Anton Benda: Der Dorfjahrmarkt. Leipzig 1778, S. 57-69.
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