Heimfahrt und Rache.

[57] Trug je ein Lebender stetes Leid

Bei stetiger Glückseligkeit,

So trug Tristan je stetes Leid

Bei stetiger Glückseligkeit,


Wie ich es euch bescheiden will:

Ihm war ein volles Endeziel

Gegeben zweier Stücke,

Vollmaß von Leid und Glücke;

Denn alles, was er je begann,

Gelang ihm, wie noch keinem Mann,

Und war doch immer Leid dabei;

Wie ungleich eins dem andern sei,

Doch waren die Gegenstücke:

Beständigs Leid und Glücke,

Gesellet an dem Einen Mann.


So Gott euch helfe, nun saget an,

Tristan hat nun das Schwert genommen

Und ist zu reichem Glücke kommen

Und ritterlicher Würdigkeit:

Laßt hören, welchgestaltes Leid

Hat er bei solchem Glücke? –

Weiß Gott, in einem Stücke,

Das Herzen stets mit Leid umfing

Und auch dem seinen nahe ging:

Daß ihm der Vater ward erschlagen,

Wie er Rualen hörte sagen,

Das quälte ihn in seinem Muth;

Also war Uebel da bei Gut,

Schaden bei Glück, bei Freude Leid:

So ist's im Herzen allezeit.


Ich weiß, es nehmen Alle an,

Den Haß, den nehme ein junger Mann

Mit ernstlicherem Herzen an,

Denn je ein lebensreifer Mann.


Ob aller seiner Herrlichkeit

Schwebte Tristanden so das Leid

Und das verborgene Ungemach,

Wovon er keinem Menschen sprach:

Ihm brachte Riwalinens Tod

Und Morgans Leben diese Noth;

Dies Leid lag ihm mit Sorgen an.

Der sorgenvolle Vogt Tristan

Und sein getreuer Mann und Rath,

Der noch von Treue den Namen hat,

Der tugendreiche Foitenant,

Bereiteten alsbald am Strand

Mit herrlichem Geräthe,

Darnach man nicht erst spähte,

Eine herrliche Barken:

So kamen sie für Marken.

Tristan sprach: »Lieber Herre mein,

Es möge mit Euren Hulden sein,

Daß ich heim nach Parmenien fahr

Und nehme nach Eurem Rathe wahr,

Wie es da habe seinen Stand

Um unsre Leute und unser Land,

Nachdem Ihr sprechet, es sei mein.«


Marke sprach: »Neffe, dies soll sein.

Wie ungern ich dich mag entbehren,

Doch will ich deine Bitte gewähren.

Fahr heim in dein parmenisch Reich,

Du und deine Gesellen gleich;

Willst du aber der Ritter mehr,

Die nimm nach Willen und Begehr.

Nimm Rosse, nimm Silber und nimm Gold,

Was du bedarfst und haben sollt

Und dir vor Augen stellest;

Und wen du dir gesellest,

Dem biete es so mit Gute

Und gutem Gesellenmuthe,

Daß er dein Diener gerne sei

Und dir mit Treuen wohne bei.

Viel lieber Neffe, leb und thu,

Als spräche dir dein Vater zu,

Rual, der Treue, der hier steht,

Der Treue und Ehre früh und spät

Dir hat erwiesen bis daher.

Wenn Gott erfüllet dein Begehr,

Daß du das alles richtest

Und deine Sachen schlichtest

Mit Frommen und mit Ehren,[58]

So sollt du wieder kehren:

Da kehre wieder her zu mir.

Ein Ding gelob ich und leist es dir,

Nimm meine Treue in deine Hand,

Daß ich mit dir mein Gut und Land

Zu gleichen Stücken theile;

Geschähe dir zum Heile,

Daß du mich solltest überleben,

Sei dir's zu eigen ganz gegeben;

Denn deinetwillen soll mein Leib

Verbleiben ohne ein ehlich Weib,

Dieweil ich immer leben soll.

Neffe, du hast vernommen wohl

Meine Bitte und meinen Sinn.

Bist du mir hold, wie ich dir bin,

Trägst du mir Liebe, wie ich dir trage,

Weiß Gott, so sollen wir unsre Tage

Fröhlich zusammen hier verleben.

Hiermit sei dir Urlaub gegeben:

Marien Sohn, der hüte dein

Und laß dir wohl befohlen sein

Deine Verrichtung und deine Ehr.« –

Da blieben sie auch nicht länger mehr:

Tristan und sein Freund Rual

Schifften von Kornwall ab zumal,

Sie und ihre Genossenschaft,

Gen Parmenien mit ihrer Kraft.


Und hättet ihr nun gern vernommen,

Ob man den Herren bot Willkommen,

So sag ich euch, was ich vernommen,

Wie sie gewesen sind willkommen.


Ihr Führer und Gefährte,

Der treue, der bewährte

Rual trat vor und stieg ans Land,

Sein Hütlein legt er und sein Gewand

Mit höfischer Sitte nebenan,

Mit lachendem Munde zu Tristan

Lief er, küßt ihn, sprach: »Herre mein,

Gotte sollt Ihr willkommen sein,

Und Eurem Lande darnach und mir.

Nun schauet, Herre: sehet Ihr

Dies schöne Land bei diesem Meer?

Festen, Städte, Wall und Wehr

Und manch ein herrliches Castell:

Seht, das hat Euer Vater Kanel

Auf Euch vererbet und gebracht;

Und seid Ihr biderbe und bedacht,

So entgeht Euch nichts von dem Gebiet,

So weit hier Euer Auge sieht;

Dafür steh ich Euch immer gut.«

Mit reichem Herzen und frohem Muth

Nach dieser Rede wandte er sich,

Empfing am Ufer freudiglich

Die Fahrtgenossen, Mann für Mann,

Die er, wie Keiner mehr, begann

Mit feinen Worten, süßen,

Zu saluiren und grüßen.

Dann führte er sie gen Kanoel,

Und überall Stadt und Castel,

Die von Kanelens Jahren

In seiner Pflege waren

In allen diesen Landen,

Uebergab er Tristanden

Getreulich nach der Lehenspflicht,

Und auch die seinen minder nicht,

Die von den Ahnen allen

Ihm waren zugefallen.

Was braucht er da der Rede mehr?

Er hatte Rath und hatte Ehr:

Darum bot er dem Herren Rath

Als Der, der Rath und Ehre hat,

Und all den Seinen spät und früh.

Solchen Eifer und solche Müh,

Als er mit süßem Muthe

Ihnen Allen zu Gute

Auf alle Weise wandte an sie,

Sah eines Menschen Auge nie.


Wie nun? wie ist mir denn geschehen?

Ich hab mich selber übersehen!

Wo hab ich aber meinen Sinn?

Die tugendreiche Marschallin,

Die reine, die stete,

Meine Fraue Florete,

Daß ich sie so verschweigen kann,

Fürwahr, ist höfisch nicht gethan.

Ich will es aber der Süßen

Bessern und will es büßen.

Die höfische, die gute,

Die weiblich gemuthe,[59]

Die wertheste, die beste,

Ich weiß, daß sie die Gäste

Nicht mit dem Mund allein empfing;

Denn wie das Wort vom Munde ging,

Ging ihm der gute Wille vor.

Ihr Herze, das fuhr recht empor,

Als ob's gefiedert wäre.

Sie waren nur Eine Märe,

Beide ihr Wille und ihr Wort;

Ich weiß wohl, daß sie über Bord

Einmüthig gesellet gingen,

Da sie die Gäste empfingen.

Florete, die selige Marschallin,

Wie sie sich freute mit Herz und Sinn

Auf ihren Herren und auf ihr Kind,

Das Kind, deß diese Mären sind,

Tristanden, ihren Sohn, mein ich,

In Treuen, deß belehren mich

Ihre Tugenden ohne Ziel,

Ihre Sitten groß und viel,

Die ich von der Gesegneten las;

Daß sie die hatte in reichem Maß,

Das bewährte sie also wohl,

Als ein Weib aufs allerbeste soll,

Denn sie schuf ihrem Kinde

Und seinem Ingesinde

Alle die Ehr und Gemächlichkeit,

Die je für Ritter war bereit.

Auch wähne ich Eines also wohl,

Als ich aufs allerbeste soll:

Daß dem höfischen Kurvenal

Sein Freund nach solcher Noth und Qual

Ein willkommener Tristan war,

Deß bin ich alles Zweifels baar.


Nach diesem wurden bald besandt

Zu Parmenien im ganzen Land

Die Herren und die Ritterschaft,

Die da hatten Gewalt und Kraft,

Beides in Stadt und in Castel;

Und als nun Die in Kanoel

Alle zusammenkamen

Und sahen und vernahmen

Den wahren Hergang und Bericht,

Wie uns die Märe von Tristan spricht

Und wie ihr selber habt vernommen,

Da flog ein tausendfach Willkommen

Aus eines Jeden Munde,

Leut und Land zur Stunde

Erwachten aus dem langen Leid

Und machten sich zur Freudigkeit

Mit Wundern, wundersamen:

Sie schwuren Huld und nahmen

Ihre Lehen, Leut und Land

Aus ihres Herrn Tristandes Hand

Und wurden ihm alle unterthan.


Inzwischen immer trug Tristan

Seinen heimlichen Schmerzen

Verborgen in dem Herzen,

Der von Morganen ihm gedieh,

Und dieser Schmerz verließ ihn nie,

Der quälte ihn so früh als spat.

Und also ging er da zu Rath

Mit Magen und mit Mannen

Und sprach, zu den Britannen

Stehe sein Verlangen,

Sein Lehen zu empfangen

Aus Morgans, seines Feindes, Hand,

Auf daß er seines Vaters Land

Mit beßrem Rechte hätte.

Das that er auch an der Stätte:

Er schiffete von dannen,

Er und seine Mannen,

Bereitet und gerüstet wohl,

So wie ein Mann mit Rechte soll,

Der auf eine gefährliche That

Ernstlich den Willen gerichtet hat.


Als Tristan nach Britannien kam,

Von ungefähr er da vernahm

Und hörte für Wahrheit sagen,

Der Herzog sei aufs Jagen

Und reite von Wald zu Walde.

Nun hieß er eilen balde;

Die Ritter machten sich bereit

Und legten unter ihrem Kleid

Den Halsberg an und all ihr Ding,

Also daß Keiner einen Ring

Ließ aus dem Gewande sehn.

Das war gethan, das war geschehn.

Ueberdies legte jeder Mann[60]

Seinen weiten Reisrock an

Und saßen auf ihre Rosse.

Sie geboten dem Trosse,

Allfort zurückzureiten,

Harrend nach keiner Seiten.

Dann theilten sie ihre Ritterschaft

Und stelleten die größre Kraft

Im Rücken an die Wiederfahrt,

Damit der Troß sei wohl bewahrt,

Wo der auf seiner Straße fuhr.

Da dies geschah, so blieben nur,

Zu reiten mit Tristanden,

Dreißig Ritter bei Handen,

Und Jene an der Wiederkehr

Waren wohl sechzig oder mehr.


Viel bald geschah es, daß Tristan

Hunde und Jäger zu sehn begann.

Dieselben fragte er Märe,

Allwo der Herzog wäre.

Die thaten es ihm alsbald kund,

Und ritte er zur selben Stund

Des Endes, fand auch da viel schier

Auf einem grünen Waldrevier

Viel brittische Barone:

Da waren Pavelone

Und Hütten auf dem Gras geschlagen,

Darum und auch darein getragen

Laubes und lichter Blumen viel.

Ihre Hunde und ihr Federspiel

Hatten sie da zu Handen.

Die grüßten auch Tristanden

Und seine Rotte, die mit ihm ritte,

Höfisch nach aller Hofessitte,

Und sagten ihm auch alsofort,

Morgan ihr Herre reite dort

Gar nahe in dem Walde.

Da eilten sie zu ihm balde

Und fanden ihn mit Genossen

Auf Castilianerrossen,

Und waren viele brittische Herrn um ihn.


Nun sie also zu ihm trabten hin,

Empfing Morgan die Gäste,

Nicht wissend, zu welchem Feste,

Also gastlich und also wohl,

Wie man Gäste empfangen soll.

Sein Landgesinde dasselbe that:

Und Einer nach dem Andern trat

Mit seinem höfischen Gruß heran.

Nun dieses Grüßen war gethan

Und die Unmuße gar vorbei,

Zu dem Herzog sprach Tristan frei:

»Herre, ich bin gekommen her,

Mein Lehen zu nehmen, und begehr,

Daß Ihr mir's gebt zu tragen,

Und wollt mir das nicht versagen,

Was ich mit Rechte haben soll.

So thut Ihr höfisch und thut wohl.« –

Morgan sprach: »Herre, saget mir,

Von wannen oder wer seid Ihr?« –

»Von Parmenien ich bürtig bin,

Und hieß mein Vater Riwalin;

Herre, deß Erbe soll ich sein,

Und ist Tristan der Name mein,« –

So zu Morganen sprach Tristan.

Morgan sprach: »Herre, Ihr kommt mich an

Mit so unnützen Mären,

Daß sie viel besser wären

Verschwiegen, als hie fürgebracht.

Ich bin der Sache kurz bedacht:

Wollt Ihr bei mir nach etwas streben,

So wär Euch leichtlich Statt gegeben,

Und sollt Euch nichts verhindern dran,

Wäret Ihr nur ein solcher Mann,

Daß Ihr zu ganzen Ehren

Die Sache konntet kehren;

Wir wissen aber Alle wohl,

Und sind die Lande der Märe voll,

In welcher Weise Blancheflur

Mit Eurem Vater von Hause fuhr,

Zu welchen Ehren es ihr kam

Und welches Ende die Liebschaft nahm.« –

»Liebschaft? Herre, wie meint Ihr das?« –

»Ich rede Euch nun nicht fürbaß,

Denn wie ich sage, so steht es drum.« –

»Herre,« sprach Tristan wiederum:

»Diese Reden bescheiden mich;

Ihr meinet es wohl so, daß ich

Nicht ehlich sei geboren

Und habe damit verloren

Mein Lehen und mein Lehenrecht.« –[61]

»In Treuen, Herre, guter Knecht,

Dafür halt ich's und mancher Mann.« –


»Ihr redet übel,« sprach Tristan:

»Ich wähnte doch, es wäre

Gethan nach Fug und Ehre,

Wer Einem etwas zu Leide that,

Daß er doch die Zunge hielte zu Rath

Und hätte Sinn und Sitte drin.

Hättet Ihr nun Sitte oder Sinn,

Nachdem durch Euch solch Leid mir ward,

Ihr hättet die Rede wohl gespart,

Die neue Schwere wecket

Und alte Schulden strecket.

Ihr schluget mir den Vater doch;

Damit bedünket aber noch

Meines Leides Euch nicht genug:

Ihr sagt, daß die Mutter, die mich trug,

Kebslich mit mir gegangen sei.

Stehe mir Gott der reiche bei!

Ich weiß, wie mancher Edelmann,

Den ich hie nicht benennen kann,

Seine Hände hat gefalten mir:

Hätten sie diese Missezier,

Von der Ihr redet, an mir erkannt,

So hätte keiner seine Hand

Zwischen die meinen nie gebracht.

Die nahmen die Wahrheit wohl in Acht,

Daß Riwalin der Vater mein

Meine Mutter bis ans Ende sein

Gehalten hat als ein ehlich Weib:

Ist's, daß ich das auf Euren Leib

Bewähren und beweisen soll,

In Treuen, das beweise ich wohl.« –

»Fort,« rief Morgan, »in Gottes Haß!

Euer Beweisen, was soll mir das?

Euer Schlag, der fällt auf keinen Mann,

Der je zu Hofe Recht gewann.« –

»Das wird sich zeigen,« sprach Tristan,

Zuckte das Schwert und rannte ihn an;

Er schlug ihm durch von obenher

Hirnschal und Hirn mit seiner Wehr,

Daß sie bis auf die Zunge drang.

Dann stach er ihm im andern Gang

Das Schwert ins Herze tief hinein.

Da zeigte wohl der Augenschein

Des Wortes Wahrheit, das da spricht,

Daß Schulden liegen und faulen nicht.


Die mit Morganen ritten,

Die unverzagten Britten,

Die konnten ihm da nicht frommen,

Noch ihm zu Hilfe kommen,

Eh daß er kam zu Falle.

Jedoch sie waren Alle,

So gut sie konnten, an ihrer Wehr;

Ihrer war bald ein großes Heer.

Die unversehenen Mannen

Fielen die Britannen

Männlich an und mit kühnem Muth.

Vorsicht, Bedachtsamkeit und Hut,

Der Dinge nahm selten Einer wahr,

Sie drangen Alle mit Haufen dar

Und warfen die Feinde mit Gewalt

Ins Feld hinaus wohl für den Wald.


Da hub sich großer Lärmen,

Starkes Weinen und Härmen.

Da flog umher des Herzogs Tod

Mit vieler Klage, mit mancher Noth,

Als ob er flügge wäre.

Er sagte böse Märe

Auf die Burgen und in das Land.

Im Lande ging von Hand zu Hand

Nichts als das Eine Klagewort:

»A, noster Sires, il est mort!

Wie wird des Landes Rath nunmehr?

Nun, ziere Helden, kehret her

Aus Städten und aus Festen,

Gelohnet diesen Gästen,

Was sie uns haben zu Leid gethan!«


Da griffen die Britten wacker an,

Und gab's ein stetes Streiten:

Sie fanden zu allen Zeiten

Auch bei den Gästen vollen Streit:

Die kehrten je von Zeit zu Zeit

Mit einer ganzen Rotte wieder

Und warfen ihnen Manchen nieder

Und wußten aber mit Fliehen

Den Streit dahin zu ziehen,[62]

Allwo sie wußten ihre Kraft.

Da fanden sie ihre Ritterschaft

Und nahmen daselbst Herberge

Auf einem festen Berge

Und hielten sich dort über Nacht.

Die Nacht ward aber des Landes Macht

So stark und also feste,

Daß sie die leiden Gäste,

Sobald es kam zu tagen,

Begannen stark zu jagen

Und Manchen niederstachen,

Den Haufen oft durchbrachen

Mit Schwertern und mit Spießen,

Die sie bald im Stiche ließen.

Ja waren ihnen Schwert und Speer

Fürwahr gewaltig kurze Wehr,

Deren gar viel zersprangen,

So sie in die Rotte drangen.

Auch war das kleine Tristansheer

So frech an seiner Gegenwehr,

Daß, brach man in den Haufen da,

Großer Schade dem Feind geschah.

Die Schaaren wurden beiderseit

Zur einen und zur andern Zeit

Mit Schaden groß und viel beladen:

Sie nahmen Schaden und thaten Schaden

Und schädigten gar manchen Mann

Und hielten so lange zusammen an,

Bis aber zuletzt das innre Heer

Zu wanken begann in seiner Wehr;

Denn ihm ging ab und Jenen zu:

Die mehrten sich in guter Ruh,

Nahmen an Vortheil zu und Macht,

So daß sie doch noch vor der Nacht

Belagerten die Gäste

In einer Wasserfeste,

Draus sich die Gäste wehrten

Und sich die Nacht da nährten.

So war das Haus belagert schwer

Und rings umschlossen von dem Heer,

Als ob's umzäunet wäre.

Die Fremden in der Schwere,

Tristan und seine Mannen,

Was ist's, das sie begannen?

So hört, wie sich zutrug ihr Ding,

Wie ihre Noth zu Ende ging,

Wie sie von dannen kamen,

Sieg an den Feinden nahmen.


Tristan, als der von Hause schied,

Wie ihm sein Rath und Vater rieth,

Um zu empfahen sein Lehen

Und alsbald wieder zu gehen,

Der lag auch seit zu jeder Stund

Dem edlen Rual im Herzensgrund

Mit einem Wahn, es möchte gehn,

Recht wie Tristanden auch geschehn.

Doch hatte er nicht gerathen

Zu solchen blutigen Thaten.

Hundert Ritter nahm er an

Und kehrte nach seinem Herrn Tristan,

Gerade aus in seiner Spur.

Gar kurze Zeit er also fuhr,

Bis daß er gen Britannien kam

Und dorten alsobald vernahm,

Wie es ergangen wäre,

Und nach des Landes Märe

Führte er seine Reise hinaus

Zu dem belagerten Wasserhaus.

Nun sie begannen zu nahen,

Daß sie die Feinde sahen,

Da kam von ihrer Rotte

Keiner zu seinem Spotte

Weder nach noch seitab gezogen:

Sie kamen allesammt geflogen

Mit wehenden Panieren,

Da gab's ein Schlachtcroijiren

Von ihrer Massenie:

»Schevelier, Parmenie!

Parmenie, Schevelier!«

Da sauste jegliches Panier

Mit Schaden und mit Ungemach

Durch der Zelte Wand und Dach.

Da warfen sie zur Stunden

Die Britten mit Todeswunden

Durch ihre Zelte hin und her.


Nun daß begann das innre Heer

Ihr Banner zu erkennen

Und hörten ihr Zeichen nennen,

Begannen sie Raum zu machen,

Und wie sie ins Feld vorbrachen,[63]

Hob Tristan starkes Kämpfen an.

Da ward großer Schade gethan

Den brittischen Landgesellen:

Mit Fahen und mit Fällen,

Mit Schlagen und mit Stechen

Begannen sie durchzubrechen

Zu beiden Seiten in dem Heer;

Auch nahm den Feinden das die Wehr,

Daß die zwo Schaaren dort und hier

»Parmenie, Schevelier!«

Riefen und schrieen mit solchem Schall:

Das verdrängte sie überall,

Da war nicht Wehr noch Wiederkehr,

Da gab es nichts zu streiten mehr,

Da hieß es ducken und fliehen

Und drängen und sich ziehen

Nach den Bergen und nach dem Wald.

Das Streiten ward da mannigfalt:

Flucht war das Beste in dieser Noth,

Das einzige Mittel für den Tod.


Nun dieser Schlag ergangen war,

Da ruhete die Ritterschaar;

Herberge ward genommen,

Und die da umgekommen

Und lagen im Feld erschlagen,

Hieß man zu Grabe tragen,

Und die verwundet waren,

Die legten sie auf Bahren

Und nahmen heimwärts ihre Fahrt;

Und war Tristanden auf solche Art

Sein Lehen und sein sondres Land

Verliehn aus seiner eignen Hand,

Und war er Herr von Dem und Mann,

Von dem sein Vater nichts gewann.

So hatte er sich frei gemacht

Und all sein Ding zurecht gebracht,

Sich frei gemacht am Gute,

Zurechtgebracht am Muthe:

Sein Unrecht war zurückgegeben,

Sein schwerer Muth war leicht und eben.

Er hatte nun in seiner Hand

Sein Vatererbe und all sein Land

Unangefochten und also,

Daß Niemand irgendwann, noch wo

Ansprache hatte an sein Gut.

Hiemit so wandte er seinen Muth,

So wie es ihm gebot und rieth

Sein Oheim, da er von ihm schied

Wieder dahin gen Kornewall,

Und konnte doch auch vom Mareschall

Nicht wenden sein Gemüthe,

Der ihm so manche Güte

Erwiesen und aufs Neue

Erwies mit Vatertreue.

Von seinem Herzen ging ein Strahl

Zu seinem Ohm und zu Rual;

An diesen Beiden lag all sein Sinn:

Der Sinn, der zog ihn her und hin.


Nun spräche wohl ein frommer Mann:

»Unser gesegneter Tristan,

Wie soll er es beginnen nun,

Um ihnen Beiden recht zu thun

Und Jedem zu lohnen, wie er soll?« –

Euer Jeder, der weiß ja wohl,

Er kann das nicht ersparen,

Muß Einen lassen fahren

Und bei dem Andern bleiben.

Laßt hören, wie soll er's treiben?

Fährt er nach Kornwall wieder,

So sinkt Parmenien nieder

Und muß ohn alle Würde sein;

Und auch Rual büßt alles ein

An Freuden und an Muthe

Und an allem dem Gute,

Drauf seine Wonne sollte stehn;

Will er aber nicht von hinnen gehn,

So wird er sich auch nicht kehren

Zu höheren Ritterehren

Und schlägt auch Marke's Rath in Wind,

Dran seine Ehren gebunden sind.

Wie soll er sich hievor bewahren?

Weiß Gott, da muß er wieder fahren:

Deß soll man ihm Beifall geben.

Er soll sich hoch erheben

Und steigen an Ehr und Muthe,

Will es sich ihm zu Gute

Und auch zu Glücke kehren.

Er soll nach allen Ehren

Billig begehren und streben.

Will's ihm die Glücksfrau geben,[64]

So hat sie Recht, daß sie es thu:

Denn all sein Muth steht ihm dazu.


Tristan, der viel sinnreiche Mann,

Griff sein Vorhaben sinnig an:

Er wollte sich gleich und eben

Vertheilen und vergeben

Zwischen den Vätern beiden,

Als sollte man ihn zerschneiden.

Sich selber theilte er in zwei,

So gleich und eben als ein Ei,

Und Jeglichem gab er den Theil,

Davon er wußte, daß er zum Heil

Ihm und all seinem Wesen kam

Wer nun von Theilung nie vernahm,

Die man mit ganzem Leibe macht,

Dem sag ich, wie sie wird vollbracht.

Da hat wohl Niemand Zweifel dran:

Zwei Dinge machen einen Mann,

Und diese zwei sind Leib und Gut.

Von diesen sprosset edler Muth

Und weltlich hoher Ehren viel.

Wer aber die Beiden scheiden will,

In Armuth wandelt der das Gut:

Der Leib, dem man sein Recht nicht thut,

Der fällt vom Wesen, das er gewann,

Und wird der Mann ein halber Mann,

Wenn gleich mit ganzem Leibe.

So ist's auch mit dem Weibe.

Fürwahr, es sei Mann oder Weib,

So müssen immer Gut und Leib

Mit gemeinsamen Sachen

Ein ganzes Wesen machen.

Wollt ihr sie aber scheiden,

So ist es aus mit Beiden.


Nun, diese Theilung hub Tristan

Herrlich und willigen Muthes an

Und führte sie aus mit Sinnen:

Er hieß ihm da gewinnen

Schöne Rosse und edel Gewand,

Speise und Vorrath mancherhand,

Deß man bedarf zu Fest und Schmaus,

Und richtete eine Hochzeit aus;

Die Besten von der Ritterschaft,

Auf denen stund des Landes Kraft,

Besandte er und lud er nun:

Die thaten, wie die Freunde thun,

Und kamen, wie befohlen, an.

Nun war bereitet auch Tristan

In allen seinen Dingen.

Da gab er zwein Jünglingen,

Söhnen Ruals, das Ritterschwert,

Die waren ihm als Erben werth

Und Lehensmannen nach Rual.

Und was er ihnen dazumal

Zu Würden und zu Ehren

Konnte wenden und kehren,

Da sparte er keine Kosten dran,

Das ward so willig und gern gethan,

Als wäre Jeglicher sein Kind.


Nun daß sie Ritter worden sind,

Mit zwölf Gesellen an der Zahl,

War einer der Zwölfe Kurvenal,

Der höfische getreue Mann.

Der tugendreiche Vogt Tristan

Nahm seine Brüder an der Hand,

Höfisch, wie ihm sein Sinn drauf stand,

Und führte sie von dannen.

Seine Magen und Mannen

Und Alle, die da waren

Von Sinnen oder Jahren,

Oder aber von beiden

Bedächtig und bescheiden,

Die wurden alle aus dem Land

Zu Hof geladen und besandt.


Nun, die sind alle erschienen.

Tristan stund auf vor ihnen:

»Ihr Herren,« sprach er zu der Schaar,

»Denen ich gern und immerdar

In Treuen und mit Lauterkeit

Zu allem Dienste bin bereit,

So weit, als ich es immer kann, –

Meine Magen und meine lieben Mann,

Von deren Gnaden ich es hab,

Was Gott mir Ehren und Würden gab,

Durch eure Hilfe hab ich mich

Erbaut mit allem, dessen ich

In meinem Sinn begehrte.

Wie mir's auch Gott gewährte,

Doch weiß ich wohl, durch eure Macht,

Durch eure Frommheit ward's vollbracht.[65]

Was mag ich weiter sagen?

Zu diesen kurzen Tagen

Habt ihr so Ehr als Glücke

Auf mich in jedem Stücke

Gewendet, daß ich zweifle nicht,

Daß eher diese Welt zerbricht,

Eh ihr zu irgend einer Zeit

Meinem Willen zuwider seid.

Freunde, Mannen und alle Die,

Die durch meinen Willen hie

Oder aus eigener Tugend sind,

Nehmt meine Rede nicht ungelind,

Noch laßt sie euch mißfallen:

Ich künde und sage euch Allen,

Wie auch mein Vater hie, Rual,

Gesehen hat und gehört zumal,

Daß mir mein Oheim all sein Land

Gesetzet hat in meine Hand

Und will auch lassen seinen Leib

Um meinetwillen ohne Weib,

Damit daß ich sein Erbe sei,

Und will, daß ich ihm bleibe bei,

Wo er sei und wohin er fahr.

Nun hab ich mich bewogen dar,

Und steht mir all mein Muth darzu,

Daß ich nach seinem Willen thu

Und wieder zu ihm kehre.

Besitz und Herrenehre,

Die ich habe in diesem Land,

Die will ich lassen und leihn zur Hand

Meinem Vater, dem Mareschall,

Wofern ich im Lande Kornewall

Je anders als wohl bekleibe,

Ob ich sterbe oder da bleibe,

Daß es sein Erbelehen sei.

Nun stehn hier seiner Söhne zwei,

Dazu noch andre seine Kind:

Die nun seine Erben ferner sind,

Die haben alle Recht daran.

Nun höre jeder Lehensmann:

Die Lehen über das ganze Land,

Die will ich haben in meiner Hand

All meine Jahre und Tage.«


Da erhob sich Jammer und Klage

Unter der ganzen Ritterschaft,

Sie wurden alle unfreudenhaft,

Ihr Muth, ihr Trost, der war nun klein:

»Ach, Herre,« sprachen sie insgemein,

»Viel besser wäre uns geschehn,

Wenn wir Euch hätten nie gesehn;

So wäre auch dieses Leid nicht da,

Das uns nun so durch Euch geschah.

Herre, unser Trost und unser Wahn,

Der war so gegen Euch gethan,

Als wär uns ein Leben mit Euch gegeben:

Nein, leider unser Aller Leben,

Das wir zu Freuden sollten haben,

Das ist erstorben und begraben,

So wie Ihr von hinnen kehret:

Herre, Ihr habt uns gemehret

Und nicht gemindert unser Leid.

Unser Aller Glückseligkeit,

Die hatte ein wenig aufgenommen

Und ist nun wieder schon verkommen.« –

Ich weiß, nicht wahrer ist der Tod:

Wie stark ihr Aller Klagenoth,

Und wie groß ihre Schwere

Geworden ob dieser Märe,

Rual, dem es zu Statten ging,

Der großes Frommen davon empfing

Und große Ehr am Gute,

Dem that es in dem Muthe

Unsanfter denn ihnen Allen.

Ihm war da zugefallen

Ein Lehen, daß er mit solchem Gram

Noch keines je zu Handen nahm.


Nun Rual und seine Kind

Belehnet und erbgesessen sind

Durch ihres Herrn Tristandes Hand,

Ergab er Gotte Leut und Land

Und fuhr aus diesen Landen;

Auch ging da mit Tristanden

Sein treuer Meister Kurvenal.

Seine Mannen und gar Rual,

Dazu das Landvolk insgemein,

Ob ihre Noth und Klage klein

Und ihr Kummer nicht redebar

Um ihren trauten Herren war?

In Treuen, dieses weiß ich wohl:

Ganz Parmenien, das war voll[66]

Von Jammer und von Klagen,

Die wären nicht auszusagen.

Die Marschallin Florete,

Die treue und die stete,

Die legte Marter an ihren Leib,

Wie von Rechtswegen thut ein Weib,

Der Gott ein hochgesegnet Leben

An Weibesehren hat gegeben.

Quelle:
Gottfried von Straßburg: Tristan und Isolde. Stuttgart 1877, S. 57-67.
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Geschichten aus dem Biedermeier. Neun Erzählungen

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Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Dass das gelungen ist, zeigt Michael Holzingers Auswahl von neun Meistererzählungen aus der sogenannten Biedermeierzeit.

434 Seiten, 19.80 Euro

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