Rotte und Harfe.

[148] Tristan erfreute sich seiner Kraft:

Mit ernstlichem Kampf und Ritterschaft

Verthat er seiner Stunden viel.

Er dienete mit Federspiel

Seinen müßigen Tagen;

Er ritt birschen und jagen,

Wenn's eben auf die Stunde fiel.


In diesen Zeiten kam ein Kiel

Zu Kornwall in Markes Hafen an,

Draus ritt ein Ritter wohlgethan,

Ein edler Baron von Irenland:

Derselbe war Gandin genannt,

War höfisch, schön und reich und hehr,

Von Leibe männlich also sehr,

Daß seine Mannheit weit erscholl

Und war davon ganz Irland voll.

Der kam allein, gar schön gekleidt,

Mit ritterlicher Herrlichkeit

Und adeligen Sitten

Auf Marke's Hof geritten.

Er hatte weder Schild, noch Speer:

Ueber dem Rücken führte er

Eine Rotten, die war kleine,

Mit Gold und mit Gesteine

Geschönet und gezieret,

Zu Wunsche gecordiret.

Und als er vom Roß gestiegen war,

Da ging er zum Palaste dar

Und grüßte dort mit höf'schem Sinn

Den König und die Königin,

Deren Ritter und Amis

Er in vorigen Tagen hieß

Und hatte ihr gedient mit Schall

Und kam auch heut gen Kornewall

Um ihretwillen von Irenland.

Nun erkannte sie ihn auch zuhand:

»De us sal, Messire Gandin!«

Sprach die gefüge Königin. –

»Merzi,« sprach Gandin, »bele Isold,

Schöner und schöner denn jedes Gold

In Gandins Augen, Holde!« –

Nun sagte heimlich Isolde

Dem Könige, wer er wäre.

Dem däuchte es alberne Märe

Und wunderte ihn auch genug,

Daß er die Rotten auf ihm trug.

Das nahm sie alle Wunder da,

Ein Jeder kam, ein Jeder sah,

Und war der Hof des Wunders voll.

Jedoch befliß sich Marke wohl,

Sein ehrenvoll zu pflegen,

Der eignen Ehre wegen

Und durch Isoldens Bitte,

Die bat ihn, daß er ihm Sitte

Möchte erzeigen und Ehre,

Weil er ihr Landsmann wäre.

Das that der König williglich:

Er hieß ihn sitzen neben sich

Und fragte ihn allerhanden

Von Leuten und von Landen,

Von Frauen und höf'scher Kunde.


Nun um die Essensstunde,

Da das Gesinde Wasser nahm

Und auch zu ihm das Wasser kam,

Da ward er viel und aber viel

Gebeten, daß er sein Rottenspiel

Nun möchte von sich legen;

Da war er nicht zu bewegen.

Der König und die Königin,

Die sahen stille drüber hin.

Da däuchte es aber ihrer gnug

Unhöfische Art und schlechter Fug;

Auch blieb er nicht ungeschlagen:

Es gab ein Reden und Sagen,

Ein Lachen und ein Spotten.

Der Ritter mit der Rotten,

Der Herre mit der Harenschar,

Der nahm das alles wenig wahr:

Er war niedergesessen

Neben Marke zum Essen,

Er aß und trank, was an ihn kam.


Nun man die Tische von hinnen nahm,

Stund er auf und ging von dannen[149]

Sitzen zu Marke's Mannen;

Die leisteten ihm Genossenschaft,

Die waren sehr mit ihm behaft

Mit höfischen Reden her und hin.

Der König von tugendreichem Sinn,

Marke mit höf'schen Sitten,

Begann ihn offen zu bitten,

So er wohl rotten könnte,

Daß er es Allen gönnte,

Daß sie vernähmen sein Saitenspiel.

Der Gast sprach: »Herre, eh ich will,

Eh muß ich wissen von Euch, um was?« –

Der König sprach: »Herre, wie meint Ihr das?

Begehret Ihr eine Gabe?

Ich geb Euch, was ich habe:

Laßt uns vernehmen, was Ihr könnt:

Was Euch lieb ist, sei Euch vergönnt.« –

»Das sei!« sprach der von Irenland

Und spielte einen Leich zuhand,

Der ihnen Allen sanfte that.

Der König ihn da zur Stelle bat,

Daß er aber einen machete.

Der trügliche Spielmann lachete

Viel inniglich hinein in sich:

»Die Gabe,« sprach er, »lehret mich,

Daß ich Euch rotte, was ich soll,« –

Und spielte den zweimal so wohl.


Nun daß der andre war gethan,

Da trat Gandin den König an,

Die Rotten an der Hand er trug:

»Nun, Herre, seid gemahnt mit Fug,

Was ihr gelobtet wider mich.« –

Der König sprach: »Gerne, das thu ich.

Saget mir an: was wollet Ihr?« –

»Isolden, Herre, gebet mir.« –

»Freund,« sprach er, »was Ihr, ohne Die,

Gebietet, das ist alles hie.

Davon thut aber die Rede hin!« –

»In Treuen, Herre,« sprach Gandin,

»Ich will nicht Groß, noch Kleine,

Denn nur Isold alleine.«

Der König sprach: »Das geschiehet nicht.« –

»Herre, so wollt Ihr Euch Eurer Pflicht

Und Eures Eids entschlagen?

Kann man das von Euch sagen,

Daß Ihr eid- und wortbrüchig seid,

So sollt Ihr nach derselben Zeit

In keinem Lande mehr König sein.

Das Königsrecht heißt lesen fein:

Findet Ihr's nicht geschrieben dort,

So geh ich von meinem Rechte fort.

Und sprecht Ihr, oder wer es spricht,

Ihr hättet mir's gelobet nicht,

So folge ich meinem Rechte hin

Wider Euch und wider Ihn,

Wie mir der Hof das Urtheil fällt:

Mein Leben, das ist feil gestellt

Mit Kampf und mit Gefechte,

Bis ich komme zu meinem Rechte.

Wer da will, Ihr oder Ihr,

Der reite in einen Ring mit mir:

Ich will behaupten zu dieser Frist,

Daß mein die schöne Isolde ist.«


Der König, der sah her und dar

Und nahm auf allen Seiten wahr,

Ob er nicht Jemand möchte sehn,

Der diesen wagte zu bestehn.

Nun war da Niemand, der sein Leben

An solches Wagniß wollte geben:

Auch Marke selber wagte nicht

Um seine Frauen ein Kampfgericht:

Denn dieser Ire war so herzhaft,

So mannlich und von solcher Kraft,

Daß ihrer Keiner wollte dran.


Nun war inzwischen mein Herr Tristan

Birschen geritten zu Walde

Und war auch nicht so balde

Vom Walde wieder zu Hofe kommen,

Daß er nicht unterwegs vernommen

Die leide neue Märe,

Daß sie des Iren wäre.

Es war auch so, sie war's: Gandin,

Der hatte die schöne Königin,

Die manche Thräne fallen ließ

Und manche Klage erschallen ließ,

Vom Hofe an den Strand gebracht,

Und dorten war ihm aufgemacht

Ein Pavelon, und der war reich,

War wohlgethan und herrengleich;

Da ging er mit der Königin[150]

Alldieweile zu sitzen drin,

Bis das Meer wieder käme,

Auf daß der Kiel dann nähme

Den Fluß und Schuß vom Strande;

Denn er lag auf dem Sande.


Nun Tristan wieder zu Hofe kam

Und von der Rotten da vernahm

Die Märe baß und aber baß,

Zuhand er auf seinen Renner saß,

Die Harfen nahm er an die Hand,

Er kam wohl balde hingerannt

Zum Hafen, und davon nicht weit

Ritt er zu einem Busch beiseit

Mit List und band da feste

Sein Roß an ein Geäste;

Das Schwert, das hängte er daran;

Fort lief er mit der Harfe dann

Und kam zum Pavelone

Und fand auch dem Barone

Sitzend dort in dem Arme

Die freudelose Arme,

Die weinende Königin Isot:

Die tröstete er mit vieler Noth.

Nun half es aber kleine,

Bis daß sie den alleine,

Den Harfner sah, den rechten Mann.

Den grüßte der Ritter und begann:

»De te saut, beas Harpiers.« –

»Merzi, gentil Schevaliers.

Herre, ich bin,« sprach aber er,

»Daher geeilet mächtig sehr:

Man sagte mir an dieser Zeit,

Daß Ihr vom irischen Lande seid;

Herre, von dannen bin auch ich:

Durch Eure Ehre führet mich

Hin wieder heim gen Irenland.«


Der irische Ritter sprach zuhand:

»Geselle, das gelob ich dir.

Nun sitze nieder, harfe mir:

Getröstest du die Frauen mein,

Daß sie ihr Weinen lässet sein,

So geb ich dir Gewand zum Lohn,

Das beste in diesem Pavelon.« –

»Das gelob ich, Herre,« sprach Tristan,

»Auch hab ich guten Trost daran,

Wenn Spielen wirkt nur also viel,

Daß sie durch eines Mannes Spiel

Ihr Weinen wolle mindern,

Gebt Acht, es wird sich lindern.« –

Da begann er seine Kunde

Und harfete an der Stunde

Einen Leich, so süß und inniglich,

Der Isolden in ihr Herze schlich

Und nahm ihr alle Gedanken ein,

So daß sie ließ ihr Weinen sein

Und war auf ihren Freund bedacht.


Nun daß der Leich da war vollbracht,

Da war dem Kiele Wasser kommen

Und hatte er seinen Fluß genommen.

Hiemit so rief die Schiffsmannschaft

Vom Kiel herab mit aller Kraft:

»Herre, Herre, geht heran,

Wohl balde! Und kommt mein Herr Tristan,

Dieweil Ihr an dem Lande seid,

So haben wir eine üble Zeit.

Es steht gar alles in seiner Hand,

Beides, die Leute und das Land.

Auch ist er selber, wie man sagt,

So kühnlich und so unverzagt,

So wohlbeherzt und hochgemuth,

Daß er Euch leichtlich Schaden thut.« –

Die Rede gab ihm Ungemach;

Gandin aus großem Unwerth sprach:

»Nun müsse ich haben Gottes Haß,

So ich von hinnen sollte um das

Ein Stündlein eher zu Schiffe hin.

Geselle, noch einen Leich beginn!

Der von Didone soll es sein:

Du harfest also schön und fein,

Daß ich es an dich minnen soll.

Nun harfe meiner Frauen wohl.

Ich führe dich in Minnen

Mit mir und ihr von hinnen

Und gebe dir auch allhie zuhand

Deinen Verheiß und dein Gewand,

Das beste, das ich geben kann.« –

Tristan sprach: »Herre, das sei gethan.«


Anhub der Spielmann alsogleich

Und rührte die Harfe zum zweiten Leich

Mit Tönen, also schönen,[151]

Daß seinen schönen Tönen

Gandin das Ohr viel fleißig bot.

Auch konnte er sehen, daß Isot

Die Harfe nahm gar sehr in Acht.

Nun, dieser Leich, der war vollbracht.

Gandin, der nahm die Königin

Und wollte nach dem Schiffe hin.

Nun war da Fluth und Wellentos

Vor der Schiffbrücken also groß,

Daß zu derselben Zeit vom Land

Ohn ein viel hohes Roß Niemand

Der Brücke konnte kommen nah.

Gandin, der sprach: »Was thun wir da,

Daß meine Fraue hinkommen kann?« –

»Seht, Herre,« sprach der Harfenmann,

»Seit daß ich dessen versichert bin,

Daß Ihr mich mit Euch führet hin,

Soll auch von meinen Dingen all

Wenig verbleiben in Kornewall.

Ich hab ein hohes Roß hie bei

Und wähne, daß es so hoch wohl sei,

Daß ich durch dieses Grauen

Eure Freundin, meine Frauen,

So schön zur Brücken führe,

Daß sie das Meer nicht rühre.« –

Gandin sprach: »Lieber Spielmann, gut!

Bald eile, bring dein Roß zur Fluth

Und bring auch alsbald dein Gewand!«


Tristan, der brachte das Roß zuhand;

Und alsbald, da er wieder kam,

Die Harfen er auf den Rücken nahm:

»Nun, Herre von Irland,« sagte er,

»Bietet mir meine Frauen her:

Ich führe sie vor mir dahin.« –

»Nein, Spielmann,« sagte Herr Gandin,

»Du sollt sie nicht anrühren,

Ich will sie selber führen.« –

»Weh, Herre,« sprach die schöne Isot,

»Dies Wesen ist alles ohne Noth,

Daß er mich nicht berühren soll:

Nun wisset nur und glaubet wohl,

Ihr seht mich nimmer im Schiffe drin,

Es führe mich denn der Spielmann hin.«

Gandin bot ihm Isolden dar:

»Geselle,« sprach er, »nimm ihrer wahr,

Und führ so wohl sie durch den Fluß,

Daß ich dir's immer lohnen muß.«


Nun ihm Gandin Isolden gab,

Da sprengte er ein wenig ab.

Dies ward Gandin gewahr und sprach

Dem Harfner mit großem Unwerth nach:

»Heda, du Gauch, was soll das sein?« –

»Nein, Gauch Gandin!« sprach Tristan: »nein!

Freund, Ihr steht an des Gauches Ziel:

Was Ihr ertrogt mit dem Rottenspiel,

Denselben trüglichen Gewinn,

Seht, führe ich mit der Harfen hin.

Ihr trogt: nun seid auch Ihr geprellt:

Tristan, der hat Euch nachgestellt,

Bis daß Ihr überlistet wart.

Freund, Ihr gebt Lohn von reicher Art:

Ich habe das allerbeste Gewand,

Das ich in Eurem Zelte fand.«


Tristan ritt seine Straßen.

Gandin sah über die Maßen

Betrübt und traurig hinten nach.

Ihm that der Schade und die Schmach

Gar inniglich und schmerzlich weh.

Er kehrte wieder über die See

Mit Scham und auch mit Leide.

Jene Gefährten beide,

Die kehrten hin von Herzen froh.

Ob sie unterwegen irgendwo

Vielleicht zu Freuden kamen,

In den Blumen Ruhe nahmen,

Sei ohne Wähnen dahingestellt:

Wahn und Wähnen, so euch's gefällt,

So leg ich's meinethalben nieder.

Tristan, der brachte Isolden wieder

Seinem Oheim König Marke dort

Und strafte ihn mit strengem Wort:

»Herre,« sprach er, »das wisse Christ,

So lieb, als Euch die Königin ist,

So ist es Thorheit und ist Unsinn,

Daß Ihr sie gebet so leichte hin

Um Harfen oder um Rotten.

Es mag die Welt wohl spotten:

Wer hat eine Königin je gesehn

Um Rottenspiel zu Kaufe stehn?[152]

Von Stund an so bewahret das

Und hütet meiner Frauen baß.«


Tristandens Lob, Tristandens Ehr,

Die blühten aber mehr und mehr

Am Hof und in den Landen.

Sie lobten an Tristanden

Den guten Fug, den schnellen Sinn.

Herr Tristan und die Königin,

Sie waren frei, sie waren froh,

Erhöhten den Muth einander so,

Eins zu des andern Seiten.

Quelle:
Gottfried von Straßburg: Tristan und Isolde. Stuttgart 1877, S. 148-153.
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