Der andre Auftritt.

[375] Atalanta. Damon. Nisus.


ATALANTA.

Nun, Damon! ich bin hier. Was solls denn wieder seyn?

DAMON zum Nisus.

Gib acht! ihr sprödes Thun ist nur ein bloßer Schein.


Zur Atalanta.


Ach schöne Schäferinn! ich hätte wünschen wollen,

Daß du den Corydon und mich hier sehen sollen!

Ich hab ihn recht bezahlt! Wir hatten ihn vexirt,

Daher entstund ein Streit. Doch er ward abgeführt!

ATALANTA.

Was war die Sache denn, darüber ihr gestritten?

DAMON.

Der tolle Mensch will sich bey mir zu Gaste bitten.

Er strebt nach deiner Gunst, die doch für mich gehört:

Wie mancher holde Blick mich schon vorlängst belehrt.

Nicht wahr? mein schönes Kind.

ATALANTA bey Seite.

(Auch der ist angeschossen!)


Zum Damon.


Ja Damon, freylich ist so manches Jahr verflossen – – –

DAMON zum Nisus.

Da hörst du, Nisus![376]

NISUS zum Damon.

Gut! wir wollen weiter sehn.

ATALANTA.

Daß ich dein Thun gekannt.

NISUS für sich.

Ist weiter nichts geschehn;

So hat es keine Noth.

ATALANTA.

Doch, daß dein Herz mich liebet,

Das hab ich nie gewußt; viel minder mich betrübet,

Wenn du bald hie, bald da, ein schönes Kind verehrt:

Drum hab ich dich auch nie in deiner Lust gestört.

NISUS.

Nun! das kömmt schön heraus!

DAMON zum Nisus.

So pflegt sie stets zu sagen!


Zur Atalanta.


Ey Schönste! hab ich dir mein Herz nicht angetragen?

Du weist ja, wie mans macht, und hast es wohl gemerkt!

Indessen hat mein Trieb sich mehr und mehr gestärkt.

Wenn ich mit andern gleich gespielet und gescherzet,

Das eine Närrchen hier, das andre da geherzet;

Das that zur Sache nichts! Es war ein bloßes Spiel.

Weil Atalanta mir doch immer wohl gefiel;

So hab ich ihr allein mein Herz noch aufgehoben:

Ich weis gewiß, du wirst dergleichen Treue loben.[377]

ATALANTA.

So hast du, wie mich dünkt, das Dutzend noch nicht voll?

Und willst vielleicht, daß ich die zwölfte werden soll?

DAMON.

Von zwölfen sag ich nichts: wer kann sie alle zählen,

Die sich seit langer Zeit um meine Liebe quälen?

Man macht sich nichts daraus. Die guten Kinder, die,

Sind gar zu leicht erhascht! Wer nähme sich die Müh?

Der Henker möchte sie zu gleicher Zeit bedienen!

Du hast mir ganz allein recht liebenswerth geschienen.

NISUS.

Was dünkt dich, Schäferinn? Ergreif doch dieses Glück;

Es kömmt nicht stets so gut! Ein gütiges Geschick

Hat sich für dich erklärt. Du darfst es nicht verscherzen,

Es möchte der Verlust dich gar zu heftig schmerzen!

ATALANTA.

Ich weis nicht, was du willst. Weist du auch, wer ich bin?

Du kennst gewiß noch nicht den unbezwungnen Sinn,

Den Atalanta hegt? Sie weis von keiner Liebe,

Und spottet allezeit der ungereimten Triebe,

Die mancher Schäfer zeigt.

NISUS.

Das war ein Wort für dich!

DAMON zum Nisus.

Für dich und Corydon; doch wahrlich nicht für mich.

Doch ich verzage nicht. Nach kurzem Widerstreben

Wird sich das gute Kind mir desto mehr ergeben.


[378] Zur Atalanta.


Ach scheue, bitt ich, dich vor diesem Schäfer nicht:

Ich weis, daß er kein Wort von seinen Freunden spricht.

Gib mir nur einen Kuß.

ATALANTA stößt ihn weg.

Verwegner Mensch, halt inne!

Was unterstehst du dich?

DAMON.

Mit diesem Eigensinne

Machst du mich hitziger, als ich gleich anfangs war.

Die Liebe wagt sich auch in deutliche Gefahr.

Mein Schatz! ein Mäulchen!


Er will sie küssen.


ATALANTA stößt ihn noch heftiger weg.

Halt! da hast du was zu naschen!

NISUS.

Ey Damon, du hast recht! Sie sind gar leicht zu haschen!

Nun, wohl bekomm es dir! Du hast es wohl verdient!

ATALANTA.

So viel hat sich bey mir kein Schäfer noch erkühnt!

Geh hin, und sage nun, ich wäre dir gewogen!


Sie geht ab.


NISUS lachend.

Dießmal bedünket michs, hast du dich sehr betrogen.

Fürwahr! die Antwort gilt, so schlecht sie dir gefällt!

Das gieng in Wahrheit so wie ich mirs vorgestellt.


Quelle:
Johann Christoph Gottsched: Ausgewählte Werke. Herausgegeben von Joachim Birke, Band 2: Sämtliche Dramen, Berlin 1968/1970, S. 375-379.
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