Erster Auftritt.

[25] Arsene. Phönice.


ARSENE.

Phönice, komm nur her, hier will ich mich verweilen;

Allhier soll Cato mir den besten Trost ertheilen.

Von ihm erwart ich ihn: er ist der große Mann,

Auf den das freye Rom noch einzig bauen kann.

Ich selbst will ihm mein Glück und Leben anvertrauen.

Bey ihm will ich mich frey von so viel Wettern schauen,

Die mich bisher bestürmt. Mein Vater, wie man spricht,

Arsaces, hat nunmehr sein letztes Lebenslicht

Mit Tod und Gruft vertauscht: Pharnaces aber lebet!

Und weil er sich hieher nach Utika erhebet:

So dringt das Unglück itzt ganz häufig auf mich ein;

So muß ich überall geplagt und trostlos seyn.

PHÖNICE.

Prinzessinn! soll der Held, vor dem sich Pontus beuget,

Der dich so zärtlich liebt, dir so viel Gunst bezeuget;

Sprich, soll Pharnaces nicht den Wunsch erfüllet sehn,

Dein Bräutigam zu seyn?

ARSENE.

Nein! Das wird nie geschehn![25]

PHÖNICE.

Warum entfärbst du dich, Prinzessinn? da die Minen,

Da selbst die Seufzer dir schon zu Verräthern dienen.

Umsonst verstellst du dich: die Thränen fließen zwar;

Allein aus Liebe bloß. Gestehs nur, ists nicht wahr?

ARSENE.

Ich habe freylich mich bisher vor dir verstecket,

Und meine Schwachheit noch kein einzigmal entdecket.

Mein Vater lebte noch! Wie hätt ichs wohl gewagt?

Da mir sein hartes Wort das Lieben untersagt.

Die Klugheit lehrte mich, die Neigung zu verhölen,

Und aus Verstellung den, der ihm gefiel, zu wählen.

Wie theuer kömmt uns doch der hohe Stand zu stehn!

Wie grausam pflegt man nicht Fürsten umzugehn!

Man ist in Wahrheit nicht sein eigner Herr zu nennen:

Ein unschuldvoller Trieb, davon die Herzen brennen,

Muß ein Verbrechen seyn. Man opfert uns dem Staat,

Und wer aus Sehnsucht liebt, begeht den Hochverrath.

Doch endlich hab ich nun als Königinn zu sprechen:

Drum will ich gegen dich mein langes Schweigen brechen;

Ich will die Gluth gestehn, davon mein Herze brennt,

Die noch kein Mensch gespürt, und die noch niemand kennt.

Phönice, kannst du dich des Römers noch entsinnen,

Den Cäsar einst gesandt, den Vater zu gewinnen?

PHÖNICE.

Sehr wohl! Er zeigte sich in allem als ein Held.

Die Parther haben oft das Urtheil selbst gefällt:[26]

Es sey was mehr in ihm, als man geglaubt, vorhanden;

Weil sie bey ihm durchaus was königliches fanden.

ARSENE.

O Himmel! hätt ich es auch damals wohl gedacht,

Daß jener Augenblick, der mich entzückt gemacht,

Mich so viel Kümmerniß und Thränen kosten sollte?

Denn als der Römer da den Einzug halten wollte,

Und an des Vaters Hof sich wirklich sehen ließ;

Empfand ich, daß er stets mein Auge nach sich riß.

Sein Ansehn, Gang und Blick, war ungemein und prächtig,

Und seine Majestät ward meiner Brust zu mächtig.

Kurz, er bezwang mein Herz, durch einen schnellen Sieg;

Weil ihm was Göttliches aus Stirn und Augen stieg.

Itzt trotzt sein Heldenmuth, in Cäsars Dienst, das Glücke;

Doch mein gekränktes Herz beweinet mein Geschicke.

PHÖNICE.

Prinzessinn, kann es seyn? Ists möglich, daß man liebt,

Und gleichwohl den nicht kennt, dem sich das Herz ergiebt?

Wie heißt dein Sieger denn?

ARSENE.

Ich kann ihn zwar nicht nennen,

Doch gab sein edles Thun ihn sattsam zu erkennen.

Denn wem das Schicksal schon die Krone zugedacht,

Nimmt gleich an andern wahr, was sie zu Fürsten macht.[27]

Die Ahndung der Natur giebts heimlich zu verstehen,

Und läßt sich nicht so leicht betrüglich hintergehen.


Sie sieht den Cato kommen.


Doch, Cato kömmt bereits. Phönice, siehst du nicht,

Wie seiner Weisheit Stral durch Schmerz und Kummer bricht.

Bewundre doch den Held! Wo hat er seines gleichen?

Die Götter haben ihn mit vielen Unglücksstreichen

Bisher umsonst versucht. Er steht noch immer fest:

Weil ihn sein starker Muth nicht einmal wanken läßt.

Er bleibt ganz gleich gesinnt, bey allen ihren Schlägen,

Und setzet ihrem Zorn nichts, als sich selbst, entgegen:

Ein vielmal größer Lob – – –!


Quelle:
Johann Christoph Gottsched: Ausgewählte Werke. Herausgegeben von Joachim Birke, Band 2: Sämtliche Dramen, Berlin 1968/1970, S. 25-28.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Stifter, Adalbert

Der Waldbrunnen / Der Kuß von Sentze

Der Waldbrunnen / Der Kuß von Sentze

Der Waldbrunnen »Ich habe zu zwei verschiedenen Malen ein Menschenbild gesehen, von dem ich jedes Mal glaubte, es sei das schönste, was es auf Erden gibt«, beginnt der Erzähler. Das erste Male war es seine Frau, beim zweiten Mal ein hübsches 17-jähriges Romamädchen auf einer Reise. Dann kommt aber alles ganz anders. Der Kuß von Sentze Rupert empfindet die ihm von seinem Vater als Frau vorgeschlagene Hiltiburg als kalt und hochmütig und verweigert die Eheschließung. Am Vorabend seines darauffolgenden Abschieds in den Krieg küsst ihn in der Dunkelheit eine Unbekannte, die er nicht vergessen kann. Wer ist die Schöne? Wird er sie wiedersehen?

58 Seiten, 4.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Große Erzählungen der Spätromantik

Große Erzählungen der Spätromantik

Im nach dem Wiener Kongress neugeordneten Europa entsteht seit 1815 große Literatur der Sehnsucht und der Melancholie. Die Schattenseiten der menschlichen Seele, Leidenschaft und die Hinwendung zum Religiösen sind die Themen der Spätromantik. Michael Holzinger hat elf große Erzählungen dieser Zeit zu diesem Leseband zusammengefasst.

430 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon