Erster Auftritt.

[80] Cato. Porcius.


CATO.

Und Cäsar ist nicht hier? Mein Sohn, was meynest du?

Was man nicht halten will, das sage man nicht zu!

Doch, so entzieht er mir den Anblick, der mich kränket.

Mein Herz entsetzet sich, so bald es sein gedenket.

O stünden wir nur bald mit Schild und Spieß versehn;

Da sollt ihm schon sein Recht durch meine Faust geschehn!

PORCIUS.

Indessen hat er doch das Bubenstück entdecket,

Womit Pharnaces sich nun abermal beflecket.

CATO.

Vergebens zeigt er mir den Meuchelmörder an,

Da ich sein eignes Thun ihm nicht verzeihen kann.

Die Bosheit hat ihn selbst zu heftig angestecket!

So sehr hat zwar mein Haß sein Gutes nicht verdecket,

Daß ich nicht angemerkt, daß er voll Großmuth ist.

Es schreckt ihn in der That, kein Drohen, keine List;

Im Felde sieget er, doch kann er auch verzeihen:

Und wär es Rom erlaubt, ein einzig Haupt zu scheuen;[80]

Vieleicht würd er allein der Ehre würdig seyn!

Jedoch er reißt Gesetz und Recht und Ordnung ein;

Und sucht das Sklavenjoch auf deren Hals zu dringen,

Die auch wohl Könige vom Thron zu steigen zwingen.

An diesem Triebe nun nach Herrschaft, Macht und Reich

Ist niemand in der Welt dem stolzen Cäsar gleich.

Das machts, daß ich nach ihm mit Zorn und Abscheu blicke.

PORCIUS.

Allein was giebt man ihm für Antwort mit zurücke?

CATO.

Man schlägt ihm alles ab! O Himmel! wie gesetzt

War unsrer Römer Muth! Wie hab ich mich ergetzt:

Als alle ganz beherzt dem Frieden widerstanden,

Den sie der Freyheit Roms so voller Schmach befanden.

Ihr Herz war unverzagt, und stieg nur mehr empor.

Wie brach der Heldenmuth aus jeder Stirn hervor!

Und was erregte nicht des Vaterlandes Liebe,

In jedes Bürgers Brust für tugendhafte Triebe!

PORCIUS.

Auch ich, mein Vater, bin mit Faust und Stahl bereit,

Und wage den Versuch von meiner Tapferkeit.

Mein Degen ist gewetzt, um dich und Rom zu schützen.[81]

CATO.

Für Rom allein, mein Sohn, laß deinen Degen blitzen:

Für deinen Vater nicht. Und fiel ich ungefähr:

So bleibe du gleichwohl in steter Gegenwehr;

Und zeige Cäsarn einst: daß Cato, auch im Grabe,

Vor aller Tyranney den größten Abscheu habe.

Du weist, daß Hannibal, der noch ein Knabe war,

Auf seines Vaters Wort, bey Opfer und Altar,

Den schweren Eid gethan, uns Römer stets zu hassen:

Dich will ich Cäsars Haß und Tod beschweren lassen!

PORCIUS.

Ich bin bereit dazu, dieweil ichs schuldig bin.

Doch, Vater! – – sollte wohl der Parther Königinn

Aus Rom entsprossen seyn?

CATO.

Wo hast du das vernommen?

Denn von dir selbst ist dirs gewiß nicht eingekommen.

PORCIUS.

Pharnaz entdeckte mirs, als eine Heimlichkeit;

Und sagte, wie mich dünkt: es wüßte, noch, zur Zeit,

Dieß niemand, außer dir.

CATO.

Was ist dir dran gelegen?

Erkundigst du dich auch vieleicht der Liebe wegen?[82]

Hat sie dich auch bestrickt? O! wisse Porcius,

Daß man im Kriege nicht ans Lieben denken muß.

Komm, hilf mir erstlich Rom und seine Freyheit retten!

Alsdann erinnre dich der sanften Liebesketten.

Wiewohl du irrest dich! Ob sie gleich römisch ist,

So ist es doch umsonst, daß du ihr Freyer bist.

Da kömmt sie selber her, du sollst es bald erfahren.


Quelle:
Johann Christoph Gottsched: Ausgewählte Werke. Herausgegeben von Joachim Birke, Band 2: Sämtliche Dramen, Berlin 1968/1970, S. 80-83.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Spitteler, Carl

Conrad der Leutnant

Conrad der Leutnant

Seine naturalistische Darstellung eines Vater-Sohn Konfliktes leitet Spitteler 1898 mit einem Programm zum »Inneren Monolog« ein. Zwei Jahre später erscheint Schnitzlers »Leutnant Gustl" der als Schlüsseltext und Einführung des inneren Monologes in die deutsche Literatur gilt.

110 Seiten, 6.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Biedermeier III. Neun weitere Erzählungen

Geschichten aus dem Biedermeier III. Neun weitere Erzählungen

Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Für den dritten Band hat Michael Holzinger neun weitere Meistererzählungen aus dem Biedermeier zusammengefasst.

444 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon