Schreiben eines Frauenzimmers an eine vertraute Freundinn

[384] 1733.


Nimm hin dieß kleine Blatt, galante Cölestine!

Es kömmt ja, wie du siehst, von keiner Männerhand.

Drum wundre dich nur nicht, wenn ich mich viel erkühne,

Es hat dir diese Schrift kein Buhler zugesandt.

Dein Jahrfest macht mich froh; mein Wunsch soll dich verehren:

Die Freundschaft fodert es, die Liebe reizt mich an.

Und will mich öfters gleich mein Unvermögen stören;

So wird gleichwohl der Pflicht dadurch genug gethan.

Allein, wie soll ich dich an diesem Feste binden?

Was schenk ich, Schönste! dir, das dir gefällig sey?

Ich sinne hin und her, und weis doch nichts zu finden,

Als ein ergebnes Herz voll ungefärbter Treu.

Wie das? sprichst du, dein Herz? du hast ja stets geschwiegen,

Wenn andre mich damit aufs eifrigste beschenkt;

Und hast es irgend schon, mit herzlicherm Vergnügen,

Auf sonst was Artiges, das dir gefällt, gelenkt.

Ach freylich, schwieg ich wohl, wenn sich zwo stolze Schönen

In meiner Gegenwart um deine Huld bemüht:

Warum? sie schienen nur mein Wesen zu verhöhnen,

Weil alles itzt auf Geld, auf Staat und Ansehn sieht.

Doch, Werthe! prüfe nur mein redliches Gemüthe,

Komm, wäge meine Treu, und jener Schmäucheln, ab:

So findest du gewiß mein Herz von ächter Güte,

Da dir so mancher Mund nur leere Worte gab.

Wiewohl du kennst mich schon, und wirst mich nicht verschmähen.

Brennt gleich mein kleines Licht bey jenen Sonnen schwach:[385]

Ja soll ich gleich dein Herz nicht ganz von innen sehen;

So öffnest du mir doch des Herzens Vorgemach.

Ich bin vergnügt damit, und habe nichts verlohren,

Wenn gleich Angelica bey größerm Glücke lacht:

Und wenn sich gleich die Brust der stolz gesinnten Floren

Dasselbe, wie sie glaubt, zur Residenz gemacht.

Ein Vorzug bleibt mir doch, der meine Großmuth mehret;

Daß die Verwandtschaft mich, nicht sie, mit dir verbindt:

Denn da mein Bruder dich, als eine Schwester, ehret,

So glaub ich, daß auch wir genau verschwistert sind.

So nimm denn, schönstes Kind! mein Herz zum Angebinde.

Und glaube, daß es dich, bis in die Grube, liebt;

Ja, daß ich bloß in dir mein schönstes Labsal finde,

Dergleichen mir gewiß mein eigen Glück nicht giebt.

Der Himmel schenke dir nun bald ein männlich Herze,

Das dich so treu und zart, als meine Seele meynt;

So sprech ich dermaleinst, bey dem verliebten Scherze:

Der Himmel hab an euch das schönste Paar vereint.

Quelle:
Johann Christoph Gottsched: Ausgewählte Werke. Band 1: Gedichte und Gedichtübertragungen, Berlin 1968/1970, S. 384-386.
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