Als Ihre Hochfürstl. Durchl. die Herzoginn von Hollstein, im 1732 Jahre, nach glücklich überstandenem ersten Wochenbette, Dero Kirchengang in Dresden gehalten

[83] Fürstinn! deren Geist und Pracht

Auch Göttinnen schamroth macht;

Die du itzt die Schmerzensstunden

Deines Kindbetts überwunden;

Fürstinn! dich und deinen Sohn

Heute würdig zu besingen,

Müßte mir der schönste Ton,

Nächst den Musen selbst, gelingen.


Gleichwohl wag ichs, da mirs glückt,

Daß ich dich gesund erblickt,

Und was öffentlich geschehen,

Mit Vergnügen angesehen;

Gleichwohl wag ichs, durch dieß Lied,

Dich und deinen Sohn zu ehren:

Wenn nur das, was andre zieht,

Mir nicht wird die Reime stören.[84]


Deine Schönheit, dein Verstand

Sind der halben Welt bekannt,

Und dein männlich muntres Wesen

Nennt der ganze Hof erlesen.

Deine reizende Gestalt,

Sammt der schlanken Glieder Länge,

Hemmen jede Zunge bald,

Wenn sie noch so fertig sänge.


Zarter Prinz, wo bist denn du?

Deckt dich Gold und Sammet zu?

Nein, ich seh dich, statt der Wiegen,

In den schönsten Armen liegen.

Dieser Anblick stört mich auch:

Hier darf niemand Lieder bringen,

Dich, nach andrer Kinder Brauch,

Recht zur Unzeit einzusingen.


Schlafe nicht, und sieh sie an,

Die so zärtlich küssen kann;

Wenn sie dich mit Mutterblicken

Weis an Mund und Brust zu drücken.

Sieh sie an, und lächle nur,

Wenn der Fürst mit dir will scherzen;

Denn der Vaterliebe Spur

Regt sich schon in seinem Herzen.


Carl hat dir den tapfern Muth,

So, wie Hollsteins Heldenblut,

Das so rein in ihn geflossen,

In die Adern eingegossen.[85]

Folge seinem Beyspiel nach,

Lerne bald den Degen führen;

Doch, nach manchem Ungemach,

Auch im Lieben triumphiren.


Schlinge dich um seinen Hals;

Laß die Mutter ebenfalls

Deiner kleinen Arme Spielen

Um die weißen Schultern fühlen.

Fürstinn! sieh, wie buhlt er schon!

Sollte dich ein Heyde kennen,

Würd er dich und deinen Sohn

Venus und Cupido nennen.


Henkt ihm Amors Köcher um!

Ey! ich gebe was darum,

Wenn er so mit Pfeil und Bogen

Zur Redoute kömmt gezogen.

Da wird dieß vermummte Kind

Tausend Herzen an sich ziehen,

Und was nicht der Sohn entzündt,

Doch der Mutter nicht entfliehen.


O wie wohl bist du vermählt!

Dieses hat dir noch gefehlt.

Schönste Fürstinn! dein Vergnügen

Ist bisher noch stets gestiegen:

Da du nun schon Mutter bist,

Mußt du, nebst dem muntern Knaben,

Der dem Vater ähnlich ist,

Etwas, das dir gleichet, haben.

Quelle:
Johann Christoph Gottsched: Ausgewählte Werke. Band 1: Gedichte und Gedichtübertragungen, Berlin 1968/1970, S. 83-86.
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