Das Lob Germaniens

[11] Germanien, Du Königin der Welt,

Vor deren Thron sich hundert Völcker schmiegen,

Auf deren Winck sich tausend Fürsten biegen,

Der Ost und West gebückt zu Fusse fällt;

Verschmähe nicht die Lob-Schrifft Deiner Thaten:

Indem Dein Ruhm noch täglich höher steigt,

Und allen Neid erboster Nachbarn beugt,

Läßt Phöbus mir ein Helden-Lied gerathen.


Wer ehret nicht der Römer Käyser-Thron?

Und der muß Dir ein ewig Erbtheil werden.

Wer kennt nicht Wien, das neue Rom der Erden,

Und unsern Carl, den tapfern Helden-Sohn?

Die Gallier und die den Tagus trincken,

Der kalte Belt, der Scyth und Muselmann,

Sehn seinen Glantz mit reger Ehrfurcht an,

Und zittern schon vor seiner Schwerdter Blincken.


Der edle Rhein weiß Franckreichs Phantasey

Noch unverrückt das letzte Ziel zu stecken.

So lange Kehl und Philippsburg ihn decken,

Verlacht er stets die fremde Sclaverey.

Die Donau darf den Fessel-freyen Rücken,

Nicht mehr so weit in Achmets Herrschafft sehn,

Und kan die Fluth mit freyern Wirbeln drehn,

Sie siebenfach ins schwartze Meer zu schicken.


Giebt Deutschland nicht der Europäer Welt,

Fast jedes Haupt die Völcker zu regieren?

Ein deutscher Printz muß Schwedens Zepter führen;

Sarmatien beherrscht ein deutscher Held.

Noch neulich hat der Engelländer Krone[12]

Hannovers Haupt recht Königlich geschmückt:

Hesperien und Servien erblickt,

Sein höchstes Wohl auf Deutschlands Käyser-Throne.


Man spürt ja noch der Deutschen Sprache Rest,

So weit das Schwerdt Germaniens gedrungen;

Europa hört von aller Völcker Zungen,

Was uns der Nord bis Ißland hören läßt.

Von Griechenland bis zu den Portugiesen

Trifft man die Spur der deutschen Mund-Art an.

Ja was noch mehr! der Perser Ispahan,

Hat auch davon die Proben aufgewiesen.


Was seh ich dort? Die Helden grauer Zeit

Die Cimbrer sinds, die Welschland sonst erstritten;

Der Angeln Heer, der Trost-bedrängter Britten:

Die Welt erschrack vor beyder Tapferkeit.

Beschämtes Rom, kanst du Carthago zwingen,

So zwing einmahl der Deutschen Helden Brust.

Umsonst, umsonst! Vergötterter August,

Dein Reich verfällt von deutscher Völcker Klingen.


Ihr Adler flieht! dafern ihr Zuflucht wißt,

Wo Herrmann schlägt, da weiß man nicht zu schonen.

Erwegt den Fall so vieler Legionen,

Die Varus dort so schändlich eingebüßt.

Was regt sich hier? Ein Heer der Alemannen

Bahnt sich den Weg zu Herkuls Seulen hin;

Selbst Africa wird Deutschland zum Gewinn,

Und läßt den Hals ins Joch der Vandaln spannen.


Wo bleibt o Rom, der theur-erkaufte Ruhm,

Den Julius in Gallien erfochten?

Der Lorber-Krantz, den sich sein Arm geflochten,

Wird unverhofft der Deutschen Eigenthum.[13]

Ein Fränckisch Heer zerschlägt die Ehren-Seulen,

Tilgt Cäsars Lob und Sieges-Mähler aus.

Sein Stoltz verdients, daß Schatten, Nacht und Graus,

Der Herrsch-Begier ein schimpflich Grab ertheilen.


Pannonien, Illyrien, Tyrol,

Erschrack vor euch ihr unbesiegten Gothen!

Wie bebte Rom als Gensrichs Waffen drohten?

Wie schütterte das feste Capitol?

Der Alpen Eis, so an den Himmel rühret,

Verhindert nicht der Deutschen Uberfall;

Der Longobard, ein andrer Hannibal,

Hat Steg und Bahn von neuem ausgespüret.


Auf, grosser Carl! Thuiscons ächter Sohn,

Auf! rüste dich, gepriesnes Haupt der Francken,

Der Römer Reich wird dir sein Wohl verdancken,

Besteige nur den alten Käyser-Thron.

Wie sich das Gold der Flammen-reichen Sonnen

Nach finstrer Nacht mit hellerm Schimmer zeigt,

Als wenn es spät in Thetis Arme steigt,

So viel hat Rom durch unsern Carl gewonnen.


Genug o Mars, von Deutscher Sieger Muth

Germanien, genug von Deinen Waffen;

Kan Witz und Kunst Dir keinen Ruhm verschaffen,

Was hilft die Macht? was nützt dir Stahl und Gluth?

Das ist die Art der wildesten Barbaren,

An Fäusten starck und schwach am Geiste seyn:

Ihr Musen kommt, und helft mir selber ein,

Und lehrt und sagt, wie klug die Deutschen waren.


Ich höre schon geborstner Bomben Knall,

Der Erd-Kreis bebt vom Donner der Carthaunen,[14]

Ihr Blitz und Dampf setzt alles in Erstaunen,

Hier springt ein Thurm, dort sincket Thor und Wall.

Leiht Jupiter den Menschen Keil und Blitze?

Eröfnet sich der Höllen wüster Schlund?

O würden mir die neuen Götter kund!

Die Deutschen sinds, durch Pulver und Geschütze.


O Seltne Kunst! Die größre Wunder zeigt,

Als alle Pracht bejahrter Seltenheiten.

Ihr seyd beschämt, ihr Künstler alter Zeiten,

Da Deutschland euch noch täglich übersteigt.

Selbst das Metall wohl eingeschwärtzter Schrifften,

So diesen Reim auf tausend Blätter drückt,

Und meinen Kiel der Zeiten Wuth entrückt,

Das, das kan uns ein ewig Denckmahl stifften.


Wer hat den Bau der Himmel umgekehrt,

Dem Erden-Ball den Mittel-Punct entzogen,

So daß er itzt in länglicht-runden Bogen,

Von Jahr zu Jahr die feste Sonn umfährt?

Wer räumte doch den Wust Crystallner Kreise,

Mit starcker Faust aus der gestirnten Lufft?

Ihr Völcker merckts, denn gantz Europa rufft:

Ein Deutscher thats, Copernicus der Weise.


Er war dein Sohn, Du deutsches Preussen-Land?

Und hat sich selbst und deinen Ruhm erhoben.

Vergiß nur nicht auch Hevels Fleiß zu loben,

Der das Gestirn in neue Bilder band.

Vor Kepplern muß ein Archimedes weichen,

Was Huygens uns von tausend Welten lehrt,

War gleichfalls sonst den Menschen unerhört,

Wer denckt sich nun den Deutschen zu vergleichen?[15]


Vergebens prahlt ein stoltzer Pythagor,

Die Harmonie des Himmels-Laufs zu wissen.

Dis Lob wird ihm von deutscher Hand entrissen,

Germanien verlacht sein leises Ohr.

Sein Zauber-Klang bewegter Himmels-Spheren,

Was war er sonst, als ein gelehrter Traum?

Uns zeigt itzund der Himmel weiten Raum,

Ein doppelt Glas empor gestreckter Röhren.


Die Weißheit kam, der Europäer-Welt,

Ein eintzig Haupt zum Lehrer vorzusetzen:

Gleich hub sie an die Deutschen hochzuschätzen,

Weil ihr Verstand fast alles in sich hält.

Ein Leibnitz trotzt den Frantzen und den Britten,

Was hat er nicht vor Wunder ausgedacht!

Die Rechnung bloß die er hervor gebracht,

Hat uns den Preis der Wissenschafft erstritten.


Uns Deutschen danckts, ihr Priester der Natur,

Der ihr so weit ins Heiligthum gedrungen;

Es ist euch blos durch deutschen Witz gelungen,

Wer half euch sonst im Forschen auf die Spur?

Wenn Gericke die Lufft-Pump ausgesonnen,

Wenn Tschirnhaus Stahl durch Spiegel schmeltzen lehrt,

Wenn Sturm und Wolf die Wissenschafften mehrt;

Wer hat uns denn den Vorzug abgewonnen?


Schämt euch nur nicht, ihr Dichter deutscher Zucht,

Was legt ihr doch die blöden Flöten nieder?

Die Musen selbst begeistern eure Lieder,

Und Phöbus nennt sie seiner Triebe Frucht.

Besang Homer den Eifer von Atriden,

Beschrieb Virgil Aeneens Helden-Zug:

So hat die Welt der Fabeln längst genug;

Euch Deutschen ist der Wahrheit Lob beschieden.[16]


Was Opitz, Dach, und Hofmannswaldaus Rohr,

Was Lohensteins und Amthors Mund gesungen,

Wie Canitz schrieb, wie Günthers Lied geklungen,

Hält Phöbus selbst den jungen Dichtern vor.

Steht Neukirch nicht im Deutschen Musen-Tempel,

Wie König, Pietsch und Wentzel oben an?

Philanders Kiel und jenen Alster-Schwan

Erwehlt die Welt sich künftig zum Exempel.


Es rühme sich so Welschland als Athen,

Und selbst Paris im Bauen, Mahlen, Singen;

Der Deutschen Witz kan ihren Stoltz bezwingen,

Und schämt sich fast den Wett-Streit einzugehn.

Ersann nicht Sturm, die Ordnung deutscher Seulen?

Ist Telemann und Hendel nicht bekannt?

Des Hollbeins Kunst und Kranachs Zauber-Hand,

Wird Zeuxes selbst den Sieges-Krantz ertheilen.


Batavien! wenn dein verwegner Mast,

Bey Sturm und Fluth den Ocean durchflogen;

Wenn dein Compaß der Inden Meer durchzogen;

Ja wenn du gar die Welt umsegelt hast;

So schreibe doch auf Flaggen, Bort und Seile,

Daß Belgier gebohrne Deutschen seyn;

Der Schiffahrt Ruhm gehört nicht dir allein,

Er wird zugleich Germanien zu Theile.


So steigt dein Preis, erhöhtes Vaterland!

So schallt dein Lob bey fernen Nationen,

In aller Welt, wo irgend Menschen wohnen,

Ist Deutschland mehr als sonst ein Volck bekannt.

Es kennen dich die Africaner-Mohren,

In Japans Reich, in Siam, Bengala,

In Malabar, und gantz America

Erfüllt dein Ruhm der Indianer Ohren.

Quelle:
Johann Christoph Gottsched: Ausgewählte Werke. Band 1: Gedichte und Gedichtübertragungen, Berlin 1968/1970, S. 11-17.
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