Auf den Namenstag Seiner geliebten Ehegattinn

[358] 1736 den 30 Jenner.


Wie glücklich bin ich doch, mein auserwähltes Licht!

Wie sehr ergetzet mich dein frohes Jahrfest nicht,

Das dich zum erstenmal in meinen Armen findet,

Seit dem ein ehlich Band uns beyderseits verbindet.

Ein volles Jahr ist hin, seit ich zum erstenmal

Den allzuschönen Tag, in werther Freunde Zahl,

Mit wahrer Lust begieng; den Tag der Adelgunden:

Daran ich zwar schon oft die stille Lust empfunden,

Die treue Liebe bringt; wenn man an das gedenkt,

Was durch der Anmuth Macht das Herz in Fessel schränkt.[358]

Erst damals that ichs kund, daß du mich längst bestricket;

Erst damals gab ichs zu, daß es auch mir geglücket,

In deiner Huld zu stehn. Wie sonst zur Sommerzeit

Sich oft, nach schwüler Luft, des Himmels Heiterkeit

In dicke Wolken hüllt; die bald darauf zerfließen,

Und sich, den Strömen gleich, auf Berg und Thal ergießen:

Wie da ein kleiner Bach zuerst allmählich schwillt,

Bald merklich höher steigt, sein hohes Ufer füllt,

Und endlich überläuft; bis wir die nahen Auen

Vollkommen überschwemmt und voller Wasser schauen:

So hatte Freud und Lust mein Wesen übermannt,

Daß kaum mein Herze Raum in meinem Busen fand.

Warum? Die Sicherheit, in deiner Gunst zu stehen,

Die Hoffnung, bald mit dir ein Bündniß einzugehen,

Ein Bündniß steter Treu; o Freundinn! das war hier

Der Ursprung aller Lust und Fröhlichkeit bey mir.

Ein jeder sah mirs an, ein jeder hats gespüret,

Mein Geist war gar zu stark von seinem Glück gerühret.

Man kannte dich zwar nicht; doch merkte man daran,

Wie sehr dein edler Blick ein Herz entzücken kann;

Wie heftig Witz und Geist der muntern Adelgunden,

Mich vor sechs Jahren schon bezwungen und gebunden.


So schloß man dazumal: allein, was denkt man itzt,

Nachdem mein Arm den Schatz zehn Monden lang besitzt,

Dem Wunsch und Hoffnung ihm vieleicht nur schätzbar machte,

Und der doch schlechter war, als er entfernt gedachte?

Ist nicht die Liebe blind, wie sonst das Sprüchwort sagt?

Wie mancher hat nicht schon ihr Zauberwerk beklagt!

Sie kehret Spreu in Gold; aus Raben macht sie Pfauen;

Jedoch an Bräuten nur, und niemals an den Frauen.

Der süße Honigseim wird oft in kurzer Zeit

Ein herber Wermuthwein voll Gall und Bitterkeit.

Was Freyern englisch dünkt, das fliehen sonder Zweifel

Die Männer oft so sehr, ja ärger, als den Teufel.[359]


Ach Freundinn seltner Art! den Einwurf weis ich schon:

So geht es oftermals. Dieß Unglück ist der Lohn,

Den Wollust, Geiz und Stolz und Uebereilung bringen:

Was kann daraus wohl mehr, als Reu und Leid, entspringen?

Dieß ist der Lauf der Welt. Man liebt und weis nicht wie;

Man wählt und weis nicht was: darum gelingts auch nie.

Die allerschönste Braut ist über wenig Tage

Des satten Herzens Qual, der ekeln Augen Plage.

Was nur das Auge liebt, das macht sie leichtlich satt.

Wer freyt nach Tugenden, davon er selbst nichts hat?

Wer fragt nach Witz und Geist, darans ihm selber fehlet?

Kein Freyer, der bereits im Geiste Thaler zählet;

Auch keine Braut, die nichts, als Eitelkeit, vergnügt,

Und die des Freyers Werth nach Kutsch und Pferden wiegt.

Sie wünschte Putz und Gold, und bunte Livereyen,

Die hat sie durch den Mann: nun mag sein Thun ihn reuen.

Denn sie geht rechts, er links. Ich setze nichts hinzu.

Wer kennt die Weltart nicht? Ganz anders liebtest du,

Ganz anders war mein Sinn! Darum hat unser Hoffen

Von beyden Theilen auch weit besser eingetroffen.


Ja, Freundinn! ich fand mehr, als mir mein Herz versprach.

Des Freyers Ahndung giebt des Manns Erfahrung nach:

Dein weiser Geist ist mir, durch Hymens sanften Orden,

Aus allem, was du thust, erst recht bekannt geworden.

Dein anmuthsvoller Mund, dein Umgang, Witz und Scherz,

Dein kluges Häuslichseyn, dein philosophisch Herz,

Dein ungemeiner Kiel, der Männerwitz besieget,

Hat mich bisher weit mehr, als alle Welt, vergnüget.

Du hassest Stolz und Pracht, und liebst die Reinlichkeit;[360]

Die Kleidung ziert nicht dich, du zierst ein jedes Kleid.

Dich reizt kein thöricht Spiel, der Abgott schwacher Sinnen;

Ein Buch und die Musik kann dich weit mehr gewinnen;

Die göttliche Musik, die manche Stunde kürzt,

Und der Geschäffte Last durch Lust und Anmuth würzt;

Dadurch es deiner Hand bey mir so sehr gelungen,

Als jenes Meisters Kunst, der Baum und Fels bezwungen.

So kannt ich dich kaum halb, als ich dich schon geliebt:

Da die Erfahrung mir nun alles doppelt giebt;

Da deine Tugenden mich täglich mehr ergetzen:

Wie sollt ich mich bey dir nicht doppelt glücklich schätzen?


Ich thu es: aber was? wo bleibt die reine Gunst,

Die mir dein Herz geweiht? die Neigung ohne Kunst,

Die mir das Leben giebt; dein ämsiges Bemühen,

Mir das, was Unmuth wirkt, mit Sorgfalt zu entziehen;

Mich stets vergnügt zu sehn? O Freundinn! was du thust,

Das zielet sonst auf nichts, als deines Gatten Lust.

Wie trefflich hast du jüngst des Freundes Art beschrieben,

Der deine Wahl verdient! Die Kunst war hoch getrieben;

Es war ein Meisterstück von Geist und Gründlichkeit:

Die Schreibart ist so schön, als sie zu dieser Zeit

Der Beste setzen mag. Ihr, fremde Schreiberinnen!

Sollt alle nicht den Preis in Suadens Kunst gewinnen,

Wenn sie nebst andern kämpft. Allein, wer glaubet dir,

Geliebte! wenn du schreibst: der weise Freund sey mir

In vielen Stücken gleich? Ach! könnt ich dieses sagen,

So wär ich dich doch werth. Wiewohl ich muß beklagen,

Dein Ziel ist mir zu hoch, und meine Kraft zu klein:

Doch wär ich so ein Freund, so müßt ich deiner seyn.

Ich wär es auch mit Lust; denn du allein auf Erden

Verdienst, so zart, so treu, so klug geliebt zu werden.[361]


Der Himmel gönne dich so lange nur der Welt,

Bis deine Tugend einst den rechten Lohn erhält;

Bis dein Verstand und Witz durch jährlich neue Proben

Dich auch an Glück und Ruhm, wie du verdienst, erhoben.

Gott stärke künftig nur des schwachen Körpers Kraft,

Und schenk ihm ehestens des Geistes Eigenschaft,

Der Männerstärke zeigt: so wird die Nachwelt lesen,

Daß niemand so beglückt, als ich, durch dich, gewesen.

Quelle:
Johann Christoph Gottsched: Ausgewählte Werke. Band 1: Gedichte und Gedichtübertragungen, Berlin 1968/1970, S. 358-362.
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