602. Hexen in Gittelde.707

[549] In Gittelde gab's früher viel Hexen und die Häuser, in denen sie wohnten, konnte man daran erkennen, daß öfter Feuer über dem Schornstein brannte, dann saß nämlich der Teufel oben darauf und brachte ihnen, was sie haben wollten. War auch einmal eine solche Hexe dort, die hatte einen Knecht, der hieß Hans; der mußte immer viel Holz fahren und doch sah er nie, daß etwas verbrannt würde und Essen war auch immer genug vorhanden. Da wollte er wissen, wie das zuging, und als die Andern in die Kirche gingen, that er auch als ginge er mit, kam aber wieder zurück und ging durch die Hinterthüre ins Haus hinein, wo er sich unter einem Faß in der Küche versteckte. Es dauerte auch nicht lange, so kam es an und rief: »Hei kucket, hei kucket!« – »Sind ja Alle in der Kirche«, sagte die Bauerfrau, aber wieder rief es: »Hei kucket, hei kucket! Soll ich ihm den Hals umdrehen?« – »Ach was willst Du denn?« sagte die Frau, »sie sind ja Alle in der Kirche!« Nun fragte es: »Was willst Du essen?« – »Bratbirnen«, sagte die Frau, und sogleich fiel es in die Schüssel, die sie hinhielt; dann verlangte sie Klümpe, dann Sauerkohl, und auch das bekam sie beides sogleich. Hans aber sah Alles mit an, hielt sich ganz still und schlich sich nachher davon. Als es nun zu Tisch ging, sagte er: »Mi is so übel, mi is so übel!« und wollte nicht mitessen, aber endlich mußte er doch etwas davon genießen. Als sie nun gegessen hatten, nahm ihn die Frau bei Seite und fragte ihn, warum er nicht habe mitessen wollen, und da sagte er ihr denn, er habe Alles mit angesehen und wolle jetzt gehen und es anzeigen. Sie aber bat ihn, er möge es nicht thun, sie wolle ihm auch viel Geld geben und noch obenein das Hexen lehren. Da nahm er denn das Geld und ließ sich überreden, und die Frau sagte ihm jetzt, er solle hingehen und einen neuen Topf kaufen. Das that er und als er wiederkam, sagte die Frau, er solle sich darauf setzen und sagen: »In Teufels Namen.« Hans aber setzte sich darauf und sagte: »In Gottes Namen.« Da sprang der[549] Topf von einander und ein großer Frosch saß darunter und sogleich ging Hans hin und zeigte die Frau an. Da wurde ein großer Scheiterhaufen erbaut, um die alte Hexe zu verbrennen, und als sie nun darauf saß, rief sie Hansen zu: »Hast Mäuse gegessen statt Bratbirnen, hast Spinnen gegessen statt Klümpe, hast Würmer gegessen statt Sauerkohl«, und da schlugen die Flammen über ihr zusammen.

Eine andere Hexe hatte gefreit und als nun der Walpurgisabend kam, ging sie in die Küche, da standen sieben Flaschen, in die tauchte sie der Reihe nach ihre Finger und sagte: »Stippe hier in stippe dar in oben ruter un nirne an«, ergriff dann, als sie sich beschmiert, eine Ofengabel und fuhr zum Schornstein hinaus. Der Mann, der Alles mit angesehen hatte, wollte es ihr nachmachen, sagte aber: »Stippe hier in stippe da rin oben ruter un alleweg an!« Da ging's auch mit ihm fort, aber allerwärts stieß er an, daß er nur mit genauer Noth heil davon kam. Als sie nun mit dem Tanz auf dem Blocksberg fertig waren, da hatte die Frau ihre Salbe bei sich und beschmierte sich damit und war bald wieder heim, der Mann aber hat zu Fuß nach Hause gehen müssen und ist erst sehr spät zurückgekehrt.

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Nach Kuhn und Schwarz S. 190.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 1, Glogau 1868/71, S. 549-550.
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