658. Der Schatz im Klosterthurme zu Schöningen.772

[617] Zu Schöningen schaut von der Elmhöhe die alte Kirche des Laurentiusklosters mit ihren zwei Thürmen weit hinaus in die Umgegend. Eines Tags spielten dort auf dem Kirchhofe mehrere Kinder Puffball und es fliegt einem derselben, dem Knaben des Küsters, sein schöner Ball in ein schmales Luftloch hoch oben am Thurme. Der Knabe will seinen schönen Ball nicht missen, weint und jammert und läßt sich nicht eher beruhigen, bis der zärtliche Vater die höchste Leiter ansetzt, hinaufsteigt und durch das Loch hineinschaut. Bald aber steigt er wieder herunter und sagt: »Der Ball ist nicht drinnen, gieb Dich nur zufrieden, ich will Dir für den einen sechs neue kaufen!« Nach Verlauf einiger Zeit giebt der Küster sein Amt zu Schöningen auf und zieht mit Frau und Kind von dannen, man weiß nicht wohin. Wiederum nach einigen Jahren soll am schadhaften Kirchendache etwas ausgebessert werden, weshalb die Maurer auf den Kirchenboden steigen müssen. Da finden sie ein Loch in die Thurmmauer eingebrochen, so groß, daß eben Jemand hindurchkriechen kann, worauf auch sie hindurchkriechen und in einer kleinen Kammer, welche nur durch jene Oeffnung, wohinein einst der Ball geflogen war, Licht erhält, eine mit Gewalt aufgesprengte leere Kiste finden. Nun wußte man, warum der Küster so schnell seine Stelle aufgegeben hatte.

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S. Sagen aus der Vorzeit des Harzes S. 496.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 1, Glogau 1868/71, S. 617.
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