127. Das Grab am Spring.179

[124] Am Fußwege nach Templin unweit des Tornow's bei Potsdam am sogenannten Spring befindet sich ein hoher Hügel, von Brombeerkraut und Farrenkräutern dicht bewachsen, das soll der Sage nach das Grab eines jungen Ritters sein, der einst die Wassernixe in dem Spring geliebt habe. Dieselbe soll wunderbar schön gewesen sein und deshalb die Liebe des Nix vom Schwilow, der seine reich geschmückte Wohnung im See bei Caput, auf sich gezogen, dieselbe ihn aber verschmäht haben. Dies verdroß den bösen Nix sehr, darum that er ihr alles mögliche Leid an: bald stauete er das Wasser des Schwilow's vor der schmalen Flußenge bei Caput, daß das Havelwasser nicht ablaufen konnte und alle Wiesen und Erlenwäldchen der Nixe überschwemmte, bald verlockte er ihre Lieblingsschwäne, tödtete sie und warf sie entseelt ans Ufer, oder häufte die Eisschollen im Frühlinge hoch am Wendorf auf, daß sie vom Thauwinde zurückgetrieben noch lange auf dem Wasserspiegel umherschwammen. Da trug es sich zu, daß auf der Burg Potsdam sich ein junger Ritter zu seiner Heilung von einer Wunde, die er in einer Schlacht davon getragen hatte, aufhielt und zu seiner Erholung sich manchmal auf dem Kahne auf dem blauen Spiegel der Havel schaukeln ließ. Da erblickte ihn die Nixe und konnte sich gar nicht an seinen schönen freundlichen Zügen satt sehen, so daß sie bald in solcher Liebe zu ihm entbrannte, daß sie den Augenblick nicht erwarten konnte, wo sie sich ihm zu erkennen geben durfte. Dies ging aber nicht so leicht, weil der Ritter nie allein war. Endlich aber war er so weit genesen, daß er das Ruder selbst führen und sich also selbst fahren konnte. Auf diesen Augenblick hatte sie gewartet und sie warf einen sanften Schlummer über ihn, dann tauchte sie auf, stieg in den Kahn und nahm den Schlafenden in ihre weichen Arme. Zwar erwachte er, allein als er in ihre blauen seelenvollen Augen blickte, glaubte er von einem Traumbilde umfangen zu sein, und schloß die Augen wieder, bis er nach längerer Zeit sie wieder öffnete und von dem holden Wesen nichts mehr sah. Am andern Tage bestieg er jedoch seinen Kahn abermals und hatte dieselbe Erscheinung und so auch an den folgenden Tagen: immer wiederholte sich derselbe Traum; allein gleichzeitig ging auch seine Genesung so schnell von Statten, seine Kräfte kehrten so zusehends wieder, daß ihn der Arzt bald für völlig genesen erklärte und ihn seiner Obhut entließ. Dies geschah am Tage des Vollmondes im Julius. Am Abend bestieg er seinen Kahn wieder und ließ sich von den Wellen, ohne daß er selbst es bemerkte, an die kleine grüne Insel treiben, welche noch jetzt unweit des Badehauses von flüsterndem Schilf umgürtet daliegt. Ueber der Insel schwebte aber unter den Erlen ein so wunderbarer Duft, der Vollmond ließ Alles darauf wie in einem Silberglanze erscheinen, daß es ihm ganz geisterhaft zu Muthe ward, als er den Boden der Insel betrat und plötzlich jenes wunderschöne Frauenbild aus seinem[124] Traume im blauen Gewande vor ihm stand. Da merkte er wohl, daß alles Wahrheit und keine Täuschung gewesen war. Die schöne Nixe schlang ihren Arm um ihn und führte ihn kosend über die Rasenfläche der Insel, und so kam er denn jeden Abend wieder zu der Insel, wo ihn seine Geliebte bald am Ufer, bald an einem Quell der Uferbucht erwartete. Als aber wieder ein Monat vergangen war und abermals der Vollmond am Himmelszelt glänzte, da sagte sie ihm, es sei ihr vergönnt, in jeder Vollmondsnacht einen Menschen in ihre Wohnung zu führen, und so leitete sie ihn zu dem hellblinkenden Quell unter den bemoosten Buchen, da leuchtete es gar wunderbar aus der Tiefe desselben, und hinunter stieg sie mit ihm in ihren krystallenen Palast, der prächtig mit Muscheln und Goldadern geziert sich in weithin gehenden Windungen bis tief in den Berg hinein ausdehnte. Der Ritter aber sah alle die Pracht nicht, ihm genügten die klaren Augen seiner Wasserfrau, nach allen ihren Schätzen trug er kein Verlangen. So lebten sie denn in süßer Gemeinschaft einige Jahre fort, er besuchte sie fast täglich auf der Insel und in den Vollmondsnächten auch in ihrem Krystallhause unter dem Spring, und nur dann, wenn er im Gefolge seines Lehnsherrn zuweilen zu Fehden und Tournieren ausziehen mußte, ward ihr Verkehr unterbrochen. Vor Wunden und sonstigen Fährlichkeiten hatte sie ihn durch einen Talisman geschützt, den sie in dem Knoten seiner Feldbinde befestigt hatte, und daher hatte er eigentlich nur einen Feind zu fürchten, dies war der eifersüchtige Nix vom Schwilow; allein da derselbe nur Macht über diejenigen hatte, welche sein Gebiet betraten, und die Nixe ihrem Geliebten das Versprechen abgenommen hatte, dasselbe stets meiden zu wollen, so glaubte sie, für ihn auch nichts fürchten zu müssen.

Nun traf es sich aber, daß der Ritter sich mit seinem Lehnsherrn auf einen Streifzug gegen Räuber auf dem südlichen Ufer der Havel begeben hatte, um dieselben für die Verwüstungen, welche sie den Besitzungen der frommen Mönche von Lehnin zugefügt hatten, zu züchtigen. Die dankbaren Mönche bewirtheten ihre Retter auf das Prächtigste, allein da es wieder zufällig der Tag vor dem Vollmonde war, so zog es den Ritter mächtig nach dem Spring, er nahm Abschied von seinen Kameraden und begab sich auf den Heimweg. Um nicht dem Schwilow zu nahe zu kommen, wählte er einen wenig betretenen Waldweg, und schon stieg der Nebel von den Wiesen auf, als er zu einem einsam gelegenen Weiher gelangte, an dem jetzt das Linowitzer Forsthaus liegt. Der Weg führte quer über die Wiese und durch das seichte Fließ, welches in dem Weiher seinen Ursprung hat. Hier erhob sich plötzlich ein feuchter Nebel, der jeden Augenblick dichter und drückender ward. Vergebens versuchte der Ritter die Umkehr, sein Roß sank jeden Augenblick tiefer in den moorigen Boden ein, große Dunstballen thürmten sich um ihn auf, er konnte weder vor- noch rückwärts, graue Gestalten legten sich von oben auf ihn und drückten ihn endlich mit Gewalt in den weichen Boden, der unter ihm wich und sich über seinem Haupte wieder schloß. Er fand sich in einer dunkeln feuchten Höhle wieder, deren Decke und Wände widerliche Gezweige und Wurzelgeflechte bildeten, vom Boden stiegen blaue Flämmchen auf, die ihm mit ihren giftigen Schwefeldünsten den Athem beengten; vergeblich versuchte er zu entrinnen, der giftige Brodem raubte ihm nach und nach Kräfte und Sinne, bald athmete er nur noch schwer, der[125] bösartige Schwaden hatte ihn erstickt. Er war der tückischen Eifersucht seines Nebenbuhlers, des Nix von Schwilow als Opfer gefallen, denn jener Weiher gehörte zum Gebiete desselben, denn von ihm aus ergießt sich das schmale Fließ nach langen weiten Krümmungen in den Schwilow. Der boshafte Nix führte den entstellten, aufgedunsenen Leichnam des Ritters davon, hochauf peitschte er die Wellen seines Sees und ein heulender Nordweststurm schleuderte der Nixe im Spring ihren todten Geliebten zu Füßen. Stumm nahm sie ihn in ihre Arme und suchte ihn zu erwärmen, allein umsonst, am frühen Morgen aber bettete sie sein Grab dicht zur rechten Seite am Quell, wo es noch zu sehen ist, sie selbst aber verließ die Gegend, und der helle Wasserstrahl, der sonst so lebendig hervorsprudelte, wurde ein trüber melancholischer Bach, der langsam durch die Erlen dahingleitet.

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Nach Reinhard S. 40 etc.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 1, Glogau 1868/71, S. 124-126.
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