148. Von dem Bürgermeister zu Stendal, der das Feuer versprochen hat.204

[137] Die Stadt Stendal ist im 17. Jahrhundert gar häufig von Feuersbrünsten heimgesucht worden und es scheint, als wenn die Löschanstalten in jener Zeit in sehr schlechter Verfassung gewesen wären. Nun ist auch wieder einmal ein Feuer ausgekommen und trotz aller Anstrengungen hat man desselben nicht Meister werden können. Da hat der anwesende Bürgermeister laut zum Himmel um Rettung gebetet. Siehe, da ist auf einmal ein fremder Mann auf einem Schimmel geritten gekommen, der ist vom Pferde gestiegen und hat den Bürgermeister aufgefordert, den Schimmel zu besteigen und mit demselben das Feuer zu umreiten, dabei aber still im Herzen zu Gott zu beten, so werde das Feuer auf das gerade brennende Haus beschränkt bleiben. Das hat der Bürgermeister auch gethan, und siehe, es ist gekommen, wie der Fremde gesagt, das Feuer ist stehen geblieben. Allein der Fremde ist verschwunden gewesen und man hat dem zurückgebliebenen Schimmel auf Stadt-Unkosten einen Stall gebaut und ihn gut mit Hafer und Heu genährt, und so oft wieder ein Feuer ausgekommen, da hat der Bürgermeister allemal den Schimmel bestiegen und ist um das brennende Haus herumgeritten, und niemals ist wieder ein zweites in Brand gerathen. Endlich aber ist der gute Schimmel gestorben und Alles hat um ihn getrauert und geweint, namentlich die Kinder, die ihn sehr lieb gehabt haben. Nun aber stand abermals ein Haus in Flammen, da dachte der Bürgermeister: wer weiß, ob dir nicht Gott die Kraft giebt, das Feuer zu besprechen auch ohne Schimmel. Er versuchte es also, ging um das brennende Haus herum, betete und ermunterte winkend mit der Hand, und siehe, Alles ging nach Wunsch wie ehedem, und seit dieser Zeit haben die folgenden Bürgermeister von Stendal, wenn ein Haus in Brand gerieth, es ihrem Vorgänger nachgethan, und bis zum Jahre 1840 ist, sobald der Bürgermeister stillschweigend und leise zu Gott betend das brennende Haus umkreist hat, immer nur dies eine Haus zu Asche geworden.

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Nach Weihe, Bd. II. S. 33 etc.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 1, Glogau 1868/71, S. 137-138.
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