186. Der Markgraf von Brandenburg und die wilde Jagd.246

[164] Von einem vormaligen Markgrafen zu Brandenburg schreibt man, daß er der Jagd allzusehr nachgehangen und mehr einen Jägermeister als einen Regenten abgegeben. Als er aber eines Tages einem wilden Schweine sehr beständig und eifrig nachgeeilt, habe er sich darüber in dem Walde verirrt, also daß seine Jagdleute und Diener ihn verloren und er des Nachts über in der Wildniß sein Quartier nehmen müssen. Je weiter er geritten, je finstrer ist es ihm vor den Augen geworden. Weil nun im Finstern zumal in einem[164] Walde übel fortzukommen und man leicht mit dem Pferde stürzt, dabei denn weder Arm noch Bein, ja sogar der Hals für den Bruch versichert sind, hat er sich müssen gefallen lassen abzusteigen und unter einem Baum niederzusitzen. Wie grauerlich bei solcher Entfernung von allen Menschen einem solchen Herrn, der mit vielen Menschen umgeben und von ihnen bedient zu sein gewohnt war, vorgekommen, zumal bei der häßlich schwarzen und unleutseligen Nacht, fällt leicht zu ermessen. Nachgleichwohl hätte dieser Herr damals lieber mit Einsamkeit vorlieb genommen, als sich von einer höchst verdrießlichen und unmenschlichen Gesellschaft erschreckt gewußt. Denn es ist nicht lange angestanden, da hat der höllische Nachäffer, der Teufel, vor seinen Ohren gleichfalls ein Jagdgehetz angestellt, und ist er von allerlei teuflischen Gespenstern grausentlich angefochten und geplagt worden, darum daß er die armen Unterthanen mit seiner unmäßigen Jägerei gar zu unbarmherziglich mitgenommen und zu Schaden gebracht. Daher er denn auch daselbst ein ziemliches Schweißbad ausstehen und lernen müssen, daß Fürsten und Herren, wenn sie in ihrem Beruf stehen, auch solchem hohen Beruf gemäß wandeln, als göttliche Statthalter vom Satan gescheuet und gefürchtet werden; wenn sie aber solchen ihren obrigkeitlichen Stand mit Ueppigkeit, Ruchlosigkeit und Bedrückung der Unterthanen überschreiten, alsdann sie hingegen den Satan und seine Anfechtungen zu scheuen haben. Darum hat auch dieser Fürst, nachdem er solche Jäger und Schreckgeister um sich gehabt, solchen Nachtschweiß, Tribulirung, Angst und Schrecken ihm zu einer guten Correction dienen, durch selbige sich zur Besserung bewegen und die zu diesem Angstbade ausgeschwitzte Jagdsucht hinfort nicht mehr so einnehmen lassen.

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Nach Er. Francisci, der höllische Proteus S. 543.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 1, Glogau 1868/71, S. 164-165.
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