209. Tetzel's Ablaßkasten in Flechtingen.272

[193] Der berüchtigte Ablaßkrämer Tetzel kam zu seiner Zeit auch in das Dorf Flechtingen bei Salzwedel und bot seine Waare an, verkaufte auch viel. Als das der Edelmann des Dorfes, Borwerd von Schenk geheißen, erfuhr, begab sich dieser auch zu ihm und verlangte einen Ablaßbrief für eine schwere Sünde, die er aber noch nicht begangen habe. Er erhielt ihn, mußte ihn aber sehr theuer bezahlen. Wie darauf der Ablaßkrämer gutes Muthes und mit vielem Gelde beladen, welches er in der ganzen Umgegend reichlich eingenommen, wieder abzog, da jagte Borwerd von Schenk auf einem andern Wege ihm zuvor und trat ihm plötzlich in dem Flechtinger Forst entgegen. Hier forderte er ihm seinen Ablaßkasten ab mit dem Sündengelde darin. Der Mönch erschrak zwar sehr und suchte dem Edelmann begreiflich zu machen, welch' eine große, schwere Sünde er begehe, wenn er ihn und somit die heilige Kirche beraube. Allein der Herr von Schenk erinnerte ihn daran, wie er ja eben für eine recht schwere Sünde von ihm seinen Ablaßbrief erhalten, und der Dominikaner mußte, alles Sträubens ohngeachtet, seinen Kasten mit allem Gelde hergeben. Von diesem Gelde ließ der Edelmann, da das Dorf bis dahin keine eigene Kirche hatte, die Kirche in Flechtingen bauen, die daselbst noch gegenwärtig steht.

272

Nach Temme S. 34 etc.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 1, Glogau 1868/71, S. 193.
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