32. Die Reiterstatue des großen Kurfürsten auf der Langenbrücke und das Hufeisen.76

[45] Churfürst Friedrich III., nachmaliger König Friedrich I., beauftragte den Oberbaudirector Schlüter mit Anfertigung eines Modelles zu einem Standbilde des großen Churfürsten, welches der berühmte Meister auch sehr bald zum Beifalle aller Kunstverständigen lieferte. Ein gewisser Johann Jacobi, aus Homburg in Hessen, goß darauf nach Schlüter's Modell eine Statue in Erz. Der Guß geschah den 22. October 1700 Nachmittags im Gießhause hinter dem Zeughause und gelang vollständig. Die Statue selbst ward am 12. Juli 1703, dem Geburtstage des Königs, unter großen Feierlichkeiten eingeweiht. Der Künstler soll nun auf sein Werk höchst stolz gewesen seyn und sich vermessen haben, dasselbe sey ohne Fehler, und so ihm Jemand einen solchen nachweisen könne, wolle er sich das Leben nehmen; da habe einer seiner Gesellen ihn darauf aufmerksam gemacht, daß am rechten Vorderhuf des Pferdes das Eisen fehle, daß also bei einem so bedeutenden Fehler er durchaus keine Ursache habe, mit seiner Arbeit so wichtig zu thun, und der ehrgeizige Schlüter habe sich diesen Vorwurf so zu Herzen genommen, daß er von derselben Brücke, auf der sein letztes Werk aufgestellt war, in die Spree gesprungen sei. Allein obgleich dem Pferde wirklich das Eisen fehlt, so ist doch die Sage von dem Selbstmord erfunden, denn Schlüter behielt bis 1713 seine Stelle als Hofbildhauer und starb, nachdem er das Jahr vorher freiwillig Berlin verlassen hatte, 1714 als Baumeister des Zaren Peter des Gr.

Auch das Hufeisen, welches an einem links vom Portale gelegenen Fenster der zweiten Etage des Palais des Königs Friedrich Wilhelm III. angebracht ist, sieht man als eine Art von Wahrzeichen an.

Bekanntlich bewohnte Friedrich Wilhelm III. nach dem Tode seiner unvergeßlichen Gemahlin Louise die früher von ihr bewohnten Räume der zweiten Etage des Palais, während er vorher die erste Etage innegehabt hatte. Nun[45] trug es sich im Jahre 1821 zu, daß der König eben in seinem Arbeitszimmer an seinem Schreibtische saß, als sein Schwager, der Herzog Karl von Mecklenburg-Strelitz im Carriere am Palais vorübersprengte, bei welchem Schnellritte dem Pferde das Eisen von einem Hinterhufe sich löste und mit großer Gewalt durch das Fenster schlug und auf den Schreibtisch des Königs niederfiel, ohne jedoch denselben zu verletzen. Zum Andenken ließ der König das Eisen am Fenster anheften.

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S. Schäfer in der Illustr. Ztg. 1858. Bd. II. S. 45. Cosmar a.a.O. Bd. I. S. 21 etc.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 1, Glogau 1868/71, S. 45-46.
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